Urteil des BGH vom 12.04.2016

Netzentgeltbefreiung II Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2016:120416BENVR25.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Verkündet am
12. April 2016
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Netzentgeltbefreiung II
StromNEV (Fassung vom 4. August 2011) § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7; StromNEV
(Fassung vom 22. August 2013) § 19 Abs. 2 Satz 12 bis 15; StromNEV (Fas-
sung vom 1. Januar 2014) § 19 Abs. 2 Satz 13 bis 16
a) § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV in der Fassung von Art. 7 des am
4. August 2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung energiewirt-
schaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 (BGBl. I S. 1554, 1594)
sind nichtig (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2015
- EnVR 32/13, RdE 2016, 65 - Netzentgeltbefreiung I).
b) § 19 Abs. 2 Satz 12 bis 15 StromNEV in der ab 22. August 2013 geltenden
Fassung (Satz 13 bis 16 in der seit 1. Januar 2014 geltenden Fassung) sind
ebenfalls nichtig.
c) Die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 14. Dezember 2011
(BK-8-11-024) ist mit Wirkung für alle Netzbetreiber aufgehoben.
BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 25/13 - OLG Düsseldorf
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. April 2016 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg und
die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Grüneberg, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerden
gegen
den
Beschluss
des
3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. März
2013 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegen-
einander aufgehoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
50.000 Euro festgesetzt.
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Gründe:
A. Die Betroffene, die ein Elektrizitätsübertragungsnetz betreibt, wendet
sich gegen die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 14. Dezember 2011
(BK-8-11-024), in der Einzelheiten eines Umlageverfahrens zur Kompensation
von entgangenen Erlösen aufgrund der Vereinbarung individueller Netzentgelte
und der Befreiung von Netzentgelten gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV in der ab
4. August 2011 geltenden Fassung geregelt werden.
Die Bundesnetzagentur ist der auf Aufhebung der Festlegung und erneu-
te Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, hilfsweise
auf Feststellung des Nichtbestehens einer Pflicht zur Erstattung entgangener
Erlöse an Betreiber nachgelagerter Verteilernetze gerichteten Beschwerde ent-
gegengetreten.
Das Beschwerdegericht hat die Festlegung aufgehoben, aber die Anträ-
ge auf Neubescheidung und Feststellung zurückgewiesen. Dagegen wenden
sich die Bundesnetzagentur und die Betroffene mit ihren vom Beschwerde-
gericht zugelassenen Rechtsbeschwerden, denen die Beigeladenen zu 40, 44,
45, 105 und 116, die Verteilernetze betreiben, entgegentreten.
B. Die zulässigen Rechtsbeschwerden sind unbegründet.
I.
Das Beschwerdegericht hat seine unter anderem in juris veröffent-
lichte Entscheidung (3 Kart 43/12) im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die angefochtene Festlegung sei schon deshalb rechtswidrig, weil die
am 4. August 2011 in Kraft getretene Änderung des § 19 Abs. 2 StromNEV
nichtig sei. Der Gesetzgeber sei zwar grundsätzlich zur Änderung von Rechts-
verordnungen befugt. Die genannte Regelung weise aber nicht den hierfür er-
forderlichen sachlichen Zusammenhang mit weiteren gesetzgeberischen Maß-
nahmen auf. Ferner halte sich die vollständige Befreiung von den Netzentgelten
nicht in den Grenzen der Ermächtigungsgrundlage. Die Befreiungsregelung ver-
letze zudem das Diskriminierungsverbot des § 21 Abs. 1 EnWG, das die Vor-
gaben der Richtlinie 2003/54/EG umsetze.
Die Nichtigkeit der Regelung über die vollständige Befreiung von den
Netzentgelten führe dazu, dass die Änderung von § 19 Abs. 2 StromNEV ins-
gesamt nichtig sei. Eine Teilnichtigkeit mit der Folge, dass zumindest diejenigen
Erlösausfälle, die aufgrund von reduzierten Netzentgelten entstehen, in der vor-
gesehenen Weise auszugleichen seien, komme nicht in Betracht. Aus der Ver-
ordnungsbegründung gehe hervor, dass der Gesetzgeber den bundesweiten
Ausgleich vorgesehen habe, um überproportionale regionale Belastungen zu
vermeiden. Wegen der Nichtigkeit fehle es auch an einer Grundlage für die be-
antragte Neubescheidung.
Der auf Feststellung gerichtete Hilfsantrag sei unzulässig, weil er nicht
auf die Feststellung eines konkreten, zum Gegenstand des Beschwerdeverfah-
rens gehörenden Rechtsverhältnisses gerichtet sei, sondern eine abstrakte
Rechtsfrage betreffe. Die Befugnis der Bundesnetzagentur zu aufsichtsrechtli-
chen Maßnahmen begründe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zur Be-
troffenen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
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1. Wie der Senat bereits entschieden und näher begründet hat, ist die
Änderung von § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV durch Art. 7 des am 4. August
2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtli-
cher Vorschriften vom 26. Juli 2011 (BGBl. I S. 1554, 1594) nichtig (BGH, Be-
schluss vom 6. Oktober 2015 - EnVR 32/13, RdE 2016, 65 Rn. 7 ff. - Netzent-
geltbefreiung).
2. Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass auch § 19
Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV in der Fassung des genannten Änderungsge-
setzes nichtig sind.
a) Die Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung führt allerdings nur dann
zur Nichtigkeit weiterer Bestimmungen derselben Norm, wenn diesen keine
selbständige Bedeutung zukommt oder wenn die nichtigen mit den übrigen
Bestimmungen so verflochten sind, dass sie eine untrennbare Einheit bilden,
die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann (BVerfGE 103, 332,
345; BVerwGE 131, 251 Rn. 21; grundlegend BVerfGE 8, 274, 301).
b) Die zuletzt genannten Voraussetzungen sind hier indes erfüllt.
Für den in § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV vorgesehenen Umlage-
mechanismus verbleibt zwar theoretisch auch dann ein Anwendungsbereich,
wenn nur diejenigen Erlöse einbezogen werden, die den Netzbetreibern durch
die Vereinbarung individueller Netzentgelte entstehen. Eine solchermaßen be-
schränkte Anwendung stünde aber in Widerspruch zu dem der Gesamtregelung
in der Fassung vom 4. August 2011 zugrunde liegenden Konzept.
Die Vereinbarung individueller Netzentgelte war schon nach der zuvor
geltenden Fassung von § 19 Abs. 2 StromNEV möglich, ohne dass der Verord-
nungsgeber einen Umlagemechanismus für erforderlich gehalten hatte. Die Ein-
führung eines solchen Mechanismus hat der (insoweit als Verordnungsgeber
tätige) Gesetzgeber, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat,
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maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass örtliche Gegebenheiten für die
Frage der Befreiung von den Netzentgelten nach der von ihm eingeführten
neuen Fassung des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV keine Rolle spielen sollen
(BT-Drucks. 17/6365, S. 34).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Einbeziehung der aufgrund von
individuellen Netzentgelten entgangenen Erlöse lediglich als konsequente Aus-
gestaltung eines aus anderen Gründen eingeführten Systems. Dieses System
steht und fällt folglich mit der Möglichkeit von Netzentgeltbefreiungen.
c) Dass der Verordnungsgeber in der ab 22. August 2013 geltenden
Fassung von § 19 Abs. 2 Satz 12 bis 15 StromNEV (Satz 13 bis 16 in der seit
1. Januar 2014 geltenden Fassung) einen vergleichbaren Ausgleichsmecha-
nismus allein für die aufgrund von individuellen Netzentgelten entgangenen Er-
löse vorgesehen hat, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Die neue Regelung beruht auf einer eigenständigen Entscheidung des
Verordnungsgebers, mit der er dem Ausgleichsmechanismus eine neue Zweck-
setzung gegeben hat. An der abweichenden Konzeption, die der früheren Re-
gelung zugrunde lag, vermag dies nichts zu ändern.
Zudem hat der Verordnungsgeber in der Fassung vom 22. August 2013
die vor dem 4. August 2011 geltenden Regelungen über die Vereinbarung indi-
vidueller Netzentgelte nicht unverändert übernommen. Vielmehr hat er für
Großverbraucher eine nach der jährlichen Benutzungsstundenzahl gestaffelte
Reduzierung des Netzentgelts zwingend vorgeschrieben. Auch hieraus ist zu
entnehmen, dass eine isolierte Anwendung des in der Fassung vom 4. August
2011 vorgesehenen Umlagemechanismus neben den zuvor geltenden Rege-
lungen über die Vereinbarung individueller Netzentgelte nicht dem ursprüngli-
chen Regelungskonzept des Verordnungsgebers entspräche.
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3. Die angefochtene Festlegung kann auch nicht auf § 19 Abs. 2
Satz 12 bis 15 StromNEV in der ab 22. August 2013 geltenden Fassung (Satz
13 bis 16 in der seit 1. Januar 2014 geltenden Fassung) gestützt werden. Eine
mit der neuen Fassung eingetretene Rechtsänderung wäre zwar im Rechtsbe-
schwerdeverfahren zu berücksichtigen. Die Regelung über das Umlageverfah-
ren ist aber auch in dieser Fassung durch die Ermächtigungsgrundlage in § 24
EnWG nicht gedeckt und deshalb nichtig.
a) Die Regelung kann nicht auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 EnWG
gestützt werden.
Nach den genannten Vorschriften kann der Verordnungsgeber Methoden
zur Bestimmung der Entgelte für den Netzzugang sowie die Voraussetzungen
für die Genehmigung individueller Entgelte regeln. Eine solche Regelung ist
nicht Gegenstand der hier zu beurteilenden Vorschriften.
Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit § 19 Abs. 2 Satz 2 Strom-
NEV in der zum 4. August 2011 in Kraft gesetzten Fassung entschieden und
näher begründet hat (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - EnVR 32/13, RdE
2016, 65 Rn. 18 ff. - Netzentgeltbefreiung), stellt die über mehrere Stufen erho-
bene Umlage kein Entgelt für die Netznutzung dar. Sie steht zwar in Zusam-
menhang mit der Netznutzung, weil sie gemäß § 19 Abs. 2 Satz 14 (seit
1. Januar 2014: Satz 15) StromNEV auf die Letztverbraucher verteilt werden
kann. Auch wenn dies geschieht, ist sie aber kein Entgelt für die Nutzung eines
Netzes, sondern eine zusätzliche Abgabe, die zwar an den Tatbestand der
Netznutzung anknüpft, aber der Kompensation von Mindererlösen dient, die
anderen Netzbetreibern aufgrund der Genehmigung von individuellen Netzent-
gelten entstanden sind. Eine Ermächtigung zur Erhebung einer solchen Abgabe
ist in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 EnWG nicht vorgesehen.
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b) Eine Umlage zum Ausgleich von Mindererlösen aus individuellen
Netzentgelten kann auch nicht auf § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EnWG in der eben-
falls am 4. August 2011 in Kraft getretenen geänderten Fassung gestützt wer-
den.
Nach der genannten Vorschrift ist der Verordnungsgeber zum Erlass ei-
ner Regelung befugt, durch die insbesondere Kosten des Netzbetriebs, die zu-
ordenbar durch die Integration von dezentralen Anlagen zur Erzeugung aus
erneuerbaren Energiequellen verursacht werden, bundesweit umgelegt werden
können. Die hier in Rede stehenden Mindererlöse werden davon nicht erfasst.
Die Ermächtigung ist zwar, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt,
nicht auf Kosten für die Integration von Anlagen zur Erzeugung aus erneuerba-
ren Energiequellen beschränkt. Ihr kann aber nicht entnommen werden, dass
sie schlechthin für alle Kosten gelten soll. Aus dem Umstand, dass das Gesetz
eine bestimmte Kostenart, für die die Ermächtigung "insbesondere" gilt, näher
umschreibt, ergibt sich vielmehr, dass sich die Ermächtigung nur auf solche
Kostenarten erstreckt, die damit strukturell vergleichbar sind. Diese Vorausset-
zung ist bei den hier zu beurteilenden Kosten nicht erfüllt.
Die Ermächtigung in § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EnWG beruht auf der Er-
wägung, dass die zunehmende Integration von Anlagen zur Energieerzeugung
aus erneuerbaren Energiequellen im gesamtgesellschaftlichen Interesse und
von Vorteil ist und regional unterschiedliche Kosten deshalb gleichmäßig verteilt
werden sollen (BT-Drucks. 17/6365, S. 33). Auf eine intensive, durch hohen
Verbrauch und hohe Benutzungsstundenzahl gekennzeichnete Nutzung des
Netzes trifft diese Erwägung nicht zu. Die Mindererlöse aufgrund von individuel-
len Netzentgelten können zwar ebenfalls regional unterschiedlich verteilt sein.
Das für die Ermäßigung des Entgelts erforderliche Nutzungsverhalten liegt aber
nicht in vergleichbarer Weise im gesamtgesellschaftlichen Interesse wie die
- vom Gesetzgeber auch anderweit geförderte - Integration von Anlagen zur
Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Der von einer intensiven
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Nutzung ausgehende Netzstabilisierungseffekt mag im Interesse aller Nutzer
des betroffenen Netzes liegen. Daraus ergibt sich indes kein Interesse der Nut-
zer von anderen Netzen, das demjenigen an einem verstärkten Einsatz erneu-
erbarer Energiequellen vergleichbar wäre.
Dem Umstand, dass die in Rede stehende Ermächtigung durch dasselbe
Änderungsgesetz geschaffen wurde, mit dem erstmals in § 19 Abs. 2 Strom-
NEV eine Regelung zur Umlage von Mindererlösen eingeführt wurde, führt nicht
zu einer abweichenden Beurteilung. Wie bereits oben dargelegt wurde, muss
der Gesetzgeber, wenn er eine Verordnung ändert, den Rahmen der gesetzli-
chen Ermächtigung in gleicher Weise einhalten wie der eigentlich zur Regelung
berufene Verordnungsgeber.
4. Zutreffend hat das Beschwerdegericht den Hilfsantrag der Betroffe-
nen als unzulässig angesehen.
a) Wie auch das Beschwerdegericht nicht verkannt hat, sind Feststel-
lungsanträge im energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren statthaft,
soweit sie zur Gewährleistung eines lückenlosen Rechtsschutzes nach Art. 19
Abs. 4 GG erforderlich sind. Für die Beurteilung der Zulässigkeit solcher Anträ-
ge sind die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und ihre Ausgestal-
tung durch die Rechtsprechung entsprechend heranzuziehen, weil die Formen
der Beschwerdeentscheidung nach § 83 Abs. 2 bis 5 EnWG dem § 113 VwGO
nachgebildet sind (BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E
DE-R 2395 Rn. 80 f. - Rheinhessische Energie I).
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts betrifft der Fest-
stellungsantrag der Betroffenen konkrete Rechtsverhältnisse.
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen
Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund
einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von Personen untereinander
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oder einer Person zu einer Sache ergeben. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte
Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden.
Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnis-
ses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BGH, Beschluss
vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 86 - Rheinhessi-
sche Energie I; BVerwGE 136, 75 Rn. 32).
Der Feststellungsantrag der Betroffenen richtet sich gegen mögliche Er-
stattungsansprüche von Betreibern von Verteilernetzen gegen die Betroffene
als Betreiberin des vorgelagerten Übertragungsnetzes. Dies sind konkrete
rechtliche Beziehungen zwischen verschiedenen Personen und damit Rechts-
verhältnisse im vorgenannten Sinne.
Dass es um mögliche Ansprüche einer Vielzahl von Netzbetreibern geht,
führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch eine Vielzahl von Rechts-
verhältnissen kann Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein, sofern die-
ses nicht nur eine abstrakte Vorfrage, sondern die jeweiligen Rechtsverhältnis-
se selbst zum Gegenstand hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall hinsichtlich
aller Betreiber von nachgelagerten Verteilernetzen erfüllt.
c) Die angefochtene Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen
Gründen als zutreffend. Der Feststellungsantrag ist unzulässig, weil er nicht ein
Rechtsverhältnis zur Bundesnetzagentur betrifft.
Ein Feststellungsantrag in Bezug auf ein Rechtsverhältnis mit Dritten ist
nur dann zulässig, wenn ein Feststellungsinteresse gegenüber dem Antragstel-
ler oder Antragsgegner des gerichtlichen Verfahrens besteht (BVerwG, NJW
1997, 3257). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
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aa) Antragsgegnerin des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Bun-
desnetzagentur. Im Verhältnis zu dieser besteht kein hinreichendes Feststel-
lungsinteresse, weil nicht zu erwarten ist, dass diese entgegen der Entschei-
dung des Senats weiterhin von der Wirksamkeit von § 19 Abs. 2 Satz 12 bis 15
StromNEV in der ab 22. August 2013 geltenden Fassung (Satz 13 bis 16 in der
seit 1. Januar 2014 geltenden Fassung) ausgehen wird.
bb) Entgegen der von der Betroffenen geäußerten Befürchtung ist auch
nicht zu besorgen, dass die Bundesnetzagentur davon ausgehen wird, dass die
angefochtene Festlegung vom 14. Dezember 2011 trotz der auf Antrag der Be-
troffenen erfolgten Aufhebung durch das Beschwerdegericht im Verhältnis zu
anderen Netzbetreibern weiterhin wirksam ist.
(1) Allerdings darf ein Gericht einen Verwaltungsakt, der gegenüber ei-
ner Vielzahl von Personen wirkt, auf die erfolgreiche Anfechtungsklage oder
Beschwerde eines Betroffenen grundsätzlich nur aufheben, soweit er zwischen
den Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens wirkt. Dies gilt nach der Recht-
sprechung des Senats auch für Allgemeinverfügungen (BGH, Beschluss vom
16. Dezember 2014 - EnVR 54/13, RdE 2015, 183 Rn. 25 - Festlegung Tages-
neuwerte II).
Voraussetzung einer subjektiv beschränkten Aufhebung ist jedoch, dass
der Verwaltungsakt in persönlicher Hinsicht teilbar ist. Soweit sich aus dem je-
weiligen Fachrecht nichts Abweichendes ergibt, kommt es dabei darauf an, ob
der Verwaltungsakt von allen Adressaten nur einheitlich befolgt werden kann
oder nicht. Unteilbar sind grundsätzlich solche Allgemeinverfügungen, deren
Regelungen und Regelungsbestandteile einen untrennbaren Zusammenhang
bilden, so dass nicht einzelne Elemente von ihnen isoliert angefochten werden
können (BGH, RdE 2015, 183 Rn. 26 - Festlegung Tagesneuwerte II).
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(2) Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Festlegung vom
14. Dezember 2011 nicht teilbar.
Die Festlegung betrifft nicht allein das Rechtsverhältnis zwischen der
Bundesnetzagentur und einzelnen Netzbetreibern. Sie regelt vielmehr einen
komplexen Ausgleichsmechanismus zwischen einer Vielzahl von Beteiligten.
Diese Regelung kann nur dann sinnvoll angewendet werden, wenn sie für alle
betroffenen Netzbetreiber gleichermaßen gilt. Ihre vollständige Aufhebung auf
Antrag eines Netzbetreibers führt deshalb dazu, dass die Festlegung auch im
Verhältnis zu allen anderen Netzbetreibern unwirksam ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG. Ebenso wie
im Beschwerdeverfahren liegen keine Gründe vor, eine Erstattung von außer-
gerichtlichen Auslagen der übrigen Beteiligten anzuordnen.
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IV. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
Limperg
Strohn
Grüneberg
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.03.2013 - VI-3 Kart 43/12 (V) -
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