Urteil des BGH vom 12.07.2016

Treu Und Glauben, Installation, See, Projekt

ECLI:DE:BGH:2016:120716BENVR10.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 10/15
Verkündet am:
12. Juli 2016
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
ter Prof. Dr. Strohn, Dr. Grüneberg, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Januar 2015 wird zu-
rückgewiesen.
Die Bundesnetzagentur trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdever-
fahrens und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.000.000
festgesetzt.
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Gründe:
I.
Die Antragstellerin betreibt das Übertragungsnetz in den Bundesländern
Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Sachsen-
Anhalt und Thüringen. Sie ist anbindungsverpflichteter Übertragungsnetzbetreiber für
die Offshore-Windparks (im Folgenden: OWP) Baltic 1 und Baltic 2. Der OWP Bal-
tic 1 befindet sich mit einer installierten elektrischen Leistung von 48 MW seit April
2011 in Betrieb. Der OWP Baltic 2, der eine elektrische Leistung von 288 MW auf-
weist, wurde im September 2015 in Betrieb genommen. Beide Offshore-Netzan-
bindungen werden über die Umspannplattform des OWP Baltic 1 zum Umspannwerk
B. geführt, wo der erzeugte Strom von 150 kV auf 380 kV umgespannt und in
das Übertragungsnetz der Antragstellerin eingespeist wird.
Mit zwei Beschlüssen vom 15. Dezember 2009 genehmigte die Bundesnetz-
agentur für die Projekte "Netzanschluss OWP Baltic 1" und "Netzanschluss OWP
Baltic 2" Invesititionsbudgets nach § 23 ARegV. Mit Schreiben vom 30. März 2012
begehrte die Antragstellerin unter Abänderung der beiden Ausgangsbescheide die
Genehmigung der Beschaffung und des Anschlusses eines zweiten 150/380-kV-
Transformators im Umspannwerk B. . Sie begründete dies damit, dass hier-
durch im Falle eines Ausfalls des bereits installierten Transformators eine unter Um-
ständen mehrwöchige Einspeiseunterbrechung und das Entstehen damit verbunde-
ner Entschädigungsleistungen verhindert werden könnten. Dies lehnte die Bundes-
netzagentur mit zwei Beschlüssen vom 21. März 2013 ab.
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Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Be-
schwerdegericht die beiden Beschlüsse der Bundesnetzagentur vom 21. März 2013
aufgehoben und diese verpflichtet, den Antrag der Antragstellerin vom 30. März 2012
auf Genehmigung einer Investitionsmaßnahme für Beschaffung und Anschluss eines
zweiten 150/380-kV-Transformators im Umspannwerk B. unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Hiergegen richtet sich die vom
Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung (OLG Düsseldorf, RdE
2015, 194) im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Bundesnetzagentur habe das Begehren der Antragstellerin, die Beschaf-
fung und Installation eines zweiten 150/380-kV-Transformators im Umspannwerk
B. in die Investitionsmaßnahme für das Projekt "Netzanschluss OWP Bal-
tic 2" einzubeziehen, zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, es handele sich we-
der um eine Erweiterungs- noch um eine Umstrukturierungsmaßnahme im Sinne des
§ 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 ARegV. Sie habe deshalb den Genehmigungsantrag
neu zu bescheiden.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV seien Investitionsmaßnahmen für Kapital-
und Betriebskosten zu genehmigen, die zur Durchführung von Erweiterungs- und
Umstrukturierungsinvestitionen in die Übertragungs- und Fernleitungsnetze erforder-
lich seien, soweit diese Investitionen zur Stabilität des Gesamtsystems, für die Ein-
bindung in das nationale oder internationale Verbundnetz oder für einen bedarfsge-
rechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig seien.
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Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV umfasse dies insbesondere Investitionen, die
für Leitungen zur Netzanbindung von Windenergieanlagen auf See vorgesehen sei-
en. Diese Voraussetzungen lägen vor. Die Beschaffung und Installation eines zwei-
ten 150/380-kV-Transformators im Umspannwerk B. sei zur Netzanbindung
des OWP Baltic 2 erforderlich. Dabei könne offenbleiben, welche Fassung von § 23
Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV für die Beurteilung des Streitfalls maßgeblich sei, weil die
relevanten Tatbestandsmerkmale seit Inkrafttreten der Vorschrift unverändert geblie-
ben seien.
Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV seien erfüllt. Unter
den Begriff der "Leitung" fielen nach der Genehmigungspraxis der Bundesnetzagen-
tur nicht nur die eigentlichen Netzanbindungsleitungen, sondern auch weitere für den
Netzanschluss eines Offshore-Windparks notwendige Maßnahmen. Solche notwen-
digen Maßnahmen seien nicht nur solche im Sinne einer technisch notwendigen Be-
dingung, sondern auch solche, die der Verhinderung von Schäden durch den Ausfall
oder die Unterbrechung der Stromeinspeisemöglichkeit dienen und die Betriebssi-
cherheit erhöhen würden. Letzteres sei in Bezug auf den zweiten Transformator der
Fall. Insoweit gelte nichts anderes als im Hinblick auf die Ausweitung des Ersatzteil-
lagerhaltungskonzepts der Antragstellerin, die von der Bundesnetzagentur als Erwei-
terungsinvestition im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV genehmigt worden
sei.
Allerdings unterfielen nicht sämtliche Maßnahmen, die lediglich mittelbar der
Netzanbindung dienten, der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV. Ob eine
Maßnahme zur Netzanbindung notwendig sei, sei im Lichte der spezifischen Rege-
lungen des Energiewirtschaftsgesetzes zur Anschlussverpflichtung zu entscheiden.
Gemäß § 17d Abs. 1 Satz 1 EnWG müsse der anbindungsverpflichtete Übertra-
gungsnetzbetreiber die für die Netzanbindung erforderlichen Leitungen errichten und
betreiben. Die Verletzung dieser Pflichten werde in § 17e Abs. 1 bis 3, § 17f Abs. 2
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EnWG sanktioniert. Dabei werde nicht zwischen der Errichtung der Netzanbindung
und der Aufrechterhaltung eines störungsfreien Netzbetriebs unterschieden. Der Ein-
beziehung der nach § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG gebotenen Schadensverhinderungs-
maßnahmen in den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV stünden weder
dessen Wortlaut noch dessen Entstehungsgeschichte entgegen. Die Antragstellerin
müsse die Kosten für den zweiten Transformator auch nicht aus der Offshore-
Haftungsumlage nach § 17f Abs. 1 EnWG finanzieren; die Haftungsumlage umfasse
nach Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift nicht die Kosten für Schadensverhinde-
rungsmaßnahmen.
Bei der Beschaffung und Installation eines zweiten 150/380-kV-Transfor-
mators im Umspannwerk B. handele es sich um eine Maßnahme zur Scha-
densverhinderung im Sinne des § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG. Auch wenn eine zu ei-
nem Ausfall führende Beschädigung des vorhandenen Transformators statistisch nur
alle 20 Jahre auftrete, stelle die Beschaffung eines Ersatztransformators die faktisch
einzig mögliche sowie volkswirtschaftlich sinnvolle und nach dem Sinn und Zweck
dieser Vorschrift gebotene Schadensverhinderungsmaßnahme dar, um bei einem
unter Umständen mehrwöchigen Ausfall des ersten Transformators die Einspeise-
möglichkeit aufrechtzuerhalten und den Netzbetreiber vor möglicherweise existenz-
bedrohenden Schadensersatzzahlungen zu bewahren bzw. eine Belastung der Letzt-
verbraucher mit der Haftungsumlage zu vermeiden.
Zudem sei die Maßnahme auch als Umstrukturierungsinvestition nach § 23
Abs. 1 Satz 1 ARegV genehmigungsfähig. Unter den Begriff der Umstrukturierungs-
maßnahme falle jede Maßnahme, mit der technische Parameter geändert würden,
die für den Netzbetrieb erheblich seien. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die
Möglichkeit, im Störungsfall einen zweiten Transformator zuzuschalten, um den Ein-
tritt von Schäden zu verhindern und die Betriebssicherheit zu erhöhen, stelle eine
Veränderung der technischen Parameter dar. Diese sei angesichts der Bedeutung
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des störungsfreien Betriebs des Transformators, ohne den eine Stromeinspeisung
nicht möglich sei, auch erheblich für den Netzbetrieb. Die Investition sei zudem für
einen bedarfsgerechten Ausbau der Energieversorgungsnetze notwendig, um den
Betrieb der Offshore-Anlage bei Störung des ersten Transformators aufrechtzuerhal-
ten.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwer-
degericht hat rechts- und verfahrensfehlerfrei angenommen, dass die Beschaffung
und Installation eines zweiten 150/380-kV-Transformators im Umspannwerk B.
als Investitionsmaßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5
ARegV in das Projekt "Netzanschluss OWP Baltic 2" einzubeziehen ist.
a) Dabei kann offen bleiben, welche Fassung von § 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2
Nr. 5 ARegV für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblich ist.
Die Regelung in § 23 Abs. 1 ARegV ist zwar seit ihrem Inkrafttreten mehr-
fach geändert worden. So wird der Gegenstand der Genehmigung in der seit
22. März 2012 geltenden Fassung nicht mehr als Investitionsbudget, sondern als
Investitionsmaßnahme bezeichnet. Zudem ist der in Satz 2 enthaltene Katalog von
Maßnahmen, die insbesondere als genehmigungsfähig anzusehen sind, mehrfach
geändert worden. Die für die Beurteilung des Streitfalls relevanten Tatbestandsvor-
aussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 ARegV sind von diesen Änderun-
gen indes nicht betroffen.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Maßnahme als Erweite-
rungs- oder Umstrukturierungsinvestition im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV
anzusehen, wenn sie sich nicht im Austausch bereits vorhandener Komponenten und
damit zwangsläufig einhergehenden Verbesserungen erschöpft, sondern jedenfalls
auch zu einer nicht nur unbedeutenden Vergrößerung des Netzes oder zu einer nicht
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nur unbedeutenden Veränderung von sonstigen technischen Parametern führt, die
für den Betrieb des Netzes erheblich sind (BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember
2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 32 - 50Hertz Transmission GmbH und vom
12. April 2016 - EnVR 3/15, Rn. 10 - Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH). Die
in § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV aufgeführten Regelbeispiele bilden dabei eine Orientie-
rungshilfe für die Auslegung von § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV. Sie dienen nicht dazu,
den in Satz 1 normierten Grundtatbestand zu modifizieren. Ihnen kommt vielmehr die
Funktion zu, den Anwendungsbereich des Tatbestandes zu veranschaulichen und
die Rechtsanwendung in typischen Konstellationen zu vereinfachen (Senatsbe-
schlüsse vom 17. Dezember 2013, aaO Rn. 16 f. - 50Hertz Transmission GmbH und
vom 12. April 2016 - EnVR 3/15, Rn. 12 - Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH).
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdege-
richt die Beschaffung und Installation eines zweiten 150/380-kV-Transformators im
Umspannwerk B. rechtsfehlerfrei als Investitionsmaßnahme im Sinne des
§ 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 ARegV in das Projekt "Netzanschluss OWP Baltic 2"
angesehen.
aa) Dies lässt sich allerdings - was auch das Beschwerdegericht nicht ver-
kannt hat - nicht unmittelbar dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV ent-
nehmen. Danach umfassen Investitionsmaßnahmen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV
auch Investitionen, die für Leitungen zur Netzanbindung von Windenergieanlagen auf
See nach § 17d Abs. 1 EnWG (früher: Offshore-Anlagen nach § 17 Abs. 2a EnWG
aF) vorgesehen sind und für die Einbindung in das nationale oder internationale Ver-
bundnetz notwendig sind. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den zweiten
Transformator in technischer Hinsicht für den regulären Betrieb nicht gegeben.
Zwar unterfällt der Transformator den "Leitungen zur Netzanbindung" im
Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV, weil von dieser Vorschrift - was auch die
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Bundesnetzagentur nicht in Abrede stellt - nicht nur die eigentlichen Netzanbindungs-
leitungen, sondern auch alle übrigen für den Netzanschluss eines Offshore-
Windparks an den Verknüpfungspunkt des Übertragungsnetzes erforderlichen Maß-
nahmen einschließlich aller in diesem Zusammenhang für den sicheren Netzbetrieb
erforderlichen, direkt zurechenbaren Einrichtungen erfasst werden. Dazu gehört auch
der Transformator, der den von der Windkraftanlage erzeugten Strom von 150 kV auf
380 kV umspannt, weil dieser erst dadurch in das Onshore-Übertragungsnetz der
Antragstellerin eingespeist werden kann. Nach den unangefochtenen Feststellungen
des Beschwerdegerichts ist der zweite Transformator aber für die Netzanbindung
und den Netzbetrieb in störungsfreien Zeiten nicht erforderlich. Mit ihm soll lediglich
ein Ausfall des ersten Transformators im Wartungs- oder Störungsfall überbrückt
werden.
Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 ARegV schließt eine Einbeziehung von Scha-
densminderungsmaßnahmen - hier in Form einer Ersatzkomponente - in die Investi-
tionsmaßnahme aber auch nicht aus, weil sich ihm nichts dafür entnehmen lässt,
dass von der Vorschrift nur für den Betrieb in störungsfreien Zeiten notwendige Maß-
nahmen erfasst werden sollen.
bb) Ein solches weitergehendes Verständnis der Norm legen die Gesetzes-
materialien nahe.
Danach soll zwar einerseits zur Reduzierung der Netzausbaukosten im Off-
shore-Bereich im Interesse der Verbraucher auf das n-1-Kriterium, das an Land für
das Übertragungsnetz gilt, verzichtet werden (vgl. BT-Drucks. 17/10754, S. 26; BT-
Drucks. 17/11269, S. 33). Andererseits hat der anbindungsverpflichtete Übertra-
gungsnetzbetreiber aber nach § 17f Abs. 3 EnWG alle möglichen und zumutbaren
Schadensminderungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Belastung der Verbraucher
mit Entschädigungskosten gegenüber den Betreibern von Offshore-Anlagen zu ver-
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meiden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen dazu beispielsweise die Errich-
tung von Interimslösungen zur vorübergehenden Netzanbindung über eine benach-
barte Anbindungsleitung oder die Bevorratung von Ersatzteilen gehören, wobei über
die Durchführung von Schadensminderungsmaßnahmen im Einzelfall unter Berück-
sichtigung der Kosten der Maßnahme und des Umfangs des vermiedenen Schadens
zu entscheiden sein soll (vgl. BT-Drucks. 17/10754, S. 31). Dies zeigt, dass nach
dem Willen des Gesetzgebers die Bevorratung von Ersatzkomponenten nicht von
vornherein als Investitionsmaßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV aus-
geschlossen ist.
cc) Entscheidend für die Einbeziehung von Ersatzkomponenten in den An-
wendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV sprechen die spezifischen
Vorschriften für Windkraftanlagen auf See.
(1) Nach § 17d Abs. 1 Satz 1 EnWG haben die Betreiber von Übertragungs-
netzen, in deren Regelzone der Netzanschluss von Windenergieanlagen auf See
erfolgen soll, die Leitungen entsprechend den Vorgaben des Offshore-Netzentwick-
lungsplans zu errichten und zu betreiben. Dabei stellt die Betriebspflicht - was die
verschuldensunabhängige Entschädigungspflicht wegen Störungen der Netzanbin-
dung nach § 17e Abs. 1 EnWG wie auch wegen betriebsbedingten Wartungsarbeiten
an der Netzanbindung nach § 17e Abs. 3 EnWG zeigt - neben der Errichtungspflicht
eine eigenständige Pflicht des Übertragungsnetzbetreibers dar. Die Betriebspflicht
wird in § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG dahingehend konkretisiert, dass der anbindungs-
verpflichtete Übertragungsnetzbetreiber auch alle möglichen und zumutbaren Maß-
nahmen zu ergreifen hat, um einen Schadenseintritt zu verhindern, den eingetrete-
nen Schaden unverzüglich zu beseitigen und weitere Schäden abzuwenden oder zu
mindern. Insoweit ist ein Netzbetreiber auch im Rahmen der ihn gegenüber einem
Betreiber von Energieanlagen treffenden Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2,
§ 242 BGB) gehalten, die Trennung vom Netz möglichst kurz zu halten und technisch
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mögliche sowie ihm zumutbare Maßnahmen zur Überbrückung zu ergreifen, soweit
der Anlagenbetreiber diese nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Ver-
kehrssitte erwarten darf (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2016 - VIII ZR 123/15, Rn. 28).
Die Schadensabwendungs- und Schadensminderungsmaßnahmen nach
§ 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG liegen auch nicht allein im Interesse des anbindungsver-
pflichteten Übertragungsnetzbetreibers, um den ihn im Fall fahrlässigen Verhaltens
treffenden Selbstbehalt nach § 17f Abs. 2 EnWG zu vermeiden. Zur Deckung eines
solchen Vermögensschadens kann sich der Übertragungsnetzbetreiber jedenfalls bis
zur Höhe der vertraglichen Deckungsgrenze versichern (§ 17h Satz 1 EnWG) und
die Kosten der Versicherung als Kosten des Netzbetriebs bei der Ermittlung der
Netzentgelte ansetzen (vgl. BT-Drucks. 17/10754, S. 32; Broemel in Britz/Heller-
mann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 17h Rn. 1).
Die Schadensminderungsmaßnahmen nach § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG die-
nen daher im Ergebnis vor allem dazu, eine Belastung der Letztverbraucher mit Ent-
schädigungskosten gegenüber den Betreibern von Offshore-Anlagen zu vermeiden
(vgl. BT-Drucks. 17/10754, S. 31) und die möglichst störungsfreie Einspeisung des
von Offshore-Anlagen erzeugten Stroms zu gewährleisten. Die Stromerzeugung auf
Hoher See soll zur Verwirklichung der Klimaziele der Bundesregierung einen wesent-
lichen Beitrag zur Deckung des Gesamtenergiebedarfs der Bundesrepublik Deutsch-
land leisten, um den Umbau des Energieversorgungssystems voranzutreiben (vgl.
BT-Drucks. 17/10754, S. 1, 18, 26). Mit diesen Zielen der §§ 17a ff. EnWG ließe es
sich nicht vereinbaren, einen unter Umständen mehrwöchigen Ausfall der Einspei-
semöglichkeit wegen der Wartung oder Störung einer einzelnen Komponente der
Netzanbindung der Offshore-Anlage hinzunehmen, obwohl dies durch die Vorhaltung
einer Ersatzkomponente mit wirtschaftlich sinnvollem Aufwand vermeidbar wäre. In
den Gesetzesmaterialien wird als Schadensminderungsmaßnahme unter anderem
die Bevorratung von Ersatzteilen genannt (BT-Drucks. 17/10754, S. 31). Im Hinblick
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auf den Effizienzgedanken muss dies allerdings wirtschaftlich sinnvoll sein, weshalb
die konkrete Schadensminderungsmaßnahme im Einzelfall unter Berücksichtigung
der Kosten der Maßnahme und des Umfangs des vermiedenen Schadens zu beurtei-
len ist (vgl. BT-Drucks. 17/10754, S. 31).
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich nichts ande-
res daraus, dass § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV nur auf § 17d Abs. 1 EnWG, nicht
dagegen auf § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG Bezug nimmt. Diese Verweisung dient nur
dazu, den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift zu bestimmen. Zudem um-
fasst die Betriebspflicht nach § 17d Abs. 1 Satz 1 EnWG - wie dargelegt - auch die
Schadensverhütungs- und Schadensminderungsmaßnahmen im Sinne des § 17f
Abs. 3 Satz 1 EnWG. Dass der Gesetzgeber diese Regelung in die Vorschrift über
den Belastungsausgleich eingefügt hat, ist insoweit nicht von Belang; rechtssystema-
tisch hätte sie auch zu § 17d EnWG gepasst, weil die Schadensverhütungsmaßnah-
men das Entstehen einer Entschädigungspflicht nach § 17e EnWG und damit die
Notwendigkeit eines Belastungsausgleichs nach § 17f EnWG gerade verhindern sol-
len.
Soweit die Rechtsbeschwerde zwischen der Vorratshaltung von Ersatzteilen
wie Kabeln oder Muffen einerseits und der Installation eines Ersatztransformators
andererseits unterscheiden möchte, lässt sich hierfür § 17d Abs. 1 Satz 1, § 17f
Abs. 3 Satz 1 EnWG, § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ARegV ein hinreichendes Abgren-
zungskriterium nicht entnehmen. Für eine Aufrechterhaltung des Betriebs der Leitun-
gen zur Netzanbindung der Offshore-Anlage bei Ausfall einer einzelnen Komponente
ist deren Bevorratung gleichermaßen notwendig. Die Ersatzteile unterscheiden sich
allerdings in der Höhe der Vorhaltekosten. Diese spielen indes - wie bereits ausge-
führt - nur im Rahmen der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme eine Rolle und können
dazu führen, dass eine konkrete Maßnahme aus diesem Grund nicht notwendig und
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damit als Investitionsmaßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV nicht ge-
nehmigungsfähig ist.
dd) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, unterfallen die Kosten von
Schadensminderungsmaßnahmen in Form von Schadensverhütungsmaßnahmen
jedenfalls nicht ausschließlich dem Belastungsausgleich nach § 17f EnWG. Der Be-
lastungsausgleich umfasst nach dem Wortlaut des § 17f Abs. 1 Satz 1 EnWG nur
Entschädigungsleistungen nach § 17e EnWG einschließlich der Kosten für eine Zwi-
schenfinanzierung abzüglich anlässlich des Schadensereignisses nach § 17e EnWG
erhaltener Vertragsstrafen, Versicherungsleistungen und sonstiger Leistungen Drit-
ter. Dazu zählen die Kosten für Schadensverhütungsmaßnahmen nicht. Etwas ande-
res lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. BT-Drucks.
17/10754, S. 29). Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang auf die
vom Gesetzgeber am 8. Juli 2016 verabschiedete Änderung des § 17f Abs. 1 Satz 1
EnWG durch Art. 6 Nr. 11 des Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für
Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der er-
neuerbaren Energien (vgl. BT-Drucks. 18/8860 und 18/9096 sowie BT-Plenar-
protokoll 18/184, S. 18236, 18239) verweist, wonach in den Belastungsausgleich
nach § 17f EnWG zukünftig auch Kosten für Maßnahmen aus einem der Bundes-
netzagentur vorgelegten Schadensminderungskonzept einzubeziehen sind, ist das
für die Auslegung des geltenden Rechts nicht relevant.
ee) Von diesen Maßgaben ist das Beschwerdegericht ausgegangen und hat
rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beschaffung und Installation eines zweiten
150/380-kV-Transformators im Umspannwerk B. als Investitionsmaßnahme
im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 ARegV in das Projekt "Netzanschluss
OWP Baltic 2" einzubeziehen ist. Seine Entscheidung kann in der Rechtsbeschwer-
deinstanz nur eingeschränkt überprüft werden. Lediglich wenn die ihr zugrunde lie-
gende Würdigung unvollständig oder widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denk-
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gesetze oder Erfahrungssätze verstößt, darf das Rechtsbeschwerdegericht eine sol-
che Wertung beanstanden. Ein solcher Rechts- oder Verfahrensfehler liegt nicht vor.
Das Beschwerdegericht hat bei seiner Beurteilung die statistische Häufigkeit
einer zu einem Ausfall führenden Beschädigung des Transformators und die Dauer
eines solchen Ausfalls ebenso berücksichtigt wie den Umstand, dass die Vorhaltung
eines zweiten Transformators die faktisch einzige Möglichkeit zur Schadensverhü-
tung darstellt. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von der Rechtsbeschwer-
de nicht angegriffen worden. Im Hinblick auf die - von der Antragstellerin unwider-
sprochen vorgetragenen - Kosten der Maßnahme einerseits und die Höhe einer Ent-
schädigungsleistung bei einem mehrwöchigen Ausfall des installierten Transforma-
tors andererseits ist die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, dass die
Bevorratung eines zweiten Transformators wirtschaftlich sinnvoll ist, nicht zu bean-
standen. Insoweit macht die Rechtsbeschwerde auch keinen Rechtsfehler geltend.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts führt die Maßnahme zu
einer nicht nur unbedeutenden Veränderung von technischen Parametern, die für
den Betrieb des Netzes erheblich sind, so dass die Voraussetzungen für eine Aner-
kennung als Erweiterungs- und Umstrukturierungsmaßnahme im Sinne des § 23
Abs. 1 Satz 1 ARegV gegeben sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2013
- EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 32 - 50Hertz Transmission GmbH und vom
12. April 2016 - EnVR 3/15, Rn. 25 - Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH).
Durch die Beschaffung und Installation eines zweiten Transformators kann die stö-
rungsfreie, fortlaufende Einspeisung des von den OWP Baltic 1 und 2 erzeugten
Stroms auch in den Fällen der Wartung oder Störung des Haupttransformators auf-
rechthalten bleiben.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
Limperg
Strohn
Grüneberg
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.01.2015 - VI-3 Kart 70/13 (V) -
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