Urteil des BGH vom 12.03.2015

Zuschuss, Vergütung, Ausbildung, Geschäftsordnung, Mitgliederversammlung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
A n w Z ( B r f g ) 8 2 / 1 3
vom
12. März 2015
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Anfechtung von Beschlüssen der Kammerversammlung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. König und Dr. Remmert sowie
den Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas und die Rechtsanwältin Schäfer
am 12. März 2015 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nord-
rhein-Westfalen vom 8. November 2013 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festge-
setzt.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er wendet sich gegen drei Be-
schlüsse, die durch die Versammlung der Kammer am 21. November 2012 ge-
fasst worden sind.
1. Unter dem Tagesordnungspunkt 4 hat die Mitgliederversammlung den
Vorstand für das Geschäftsjahr 2011 entlastet. Der Kläger vertritt die Auffas-
sung, dieser Beschluss sei aufzuheben, weil die Beklagte im Bereich der Aus-
und Fortbildung ohne tragfähige Grundlage Ausgaben an verschiedene Einrich-
tungen und Personen geleistet habe (Klageantrag 1). Betroffen seien Zahlun-
gen an die Anwaltvereine K. , B. und A. für die Verrichtung von Auf-
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gaben im Rahmen der Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten (vgl. da-
zu BGH, Urteil vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 67/12, NJW-RR 2014, 943),
Zahlungen an einen Verein "J. e.V.", ein Zuschuss
von 13
€ pro Unterrichtsstunde für die im Berufsschulunterricht aktiven Rechts-
anwälte und Aufwendungen für einen durch die Beklagte angebotenen und or-
gansierten Fortbildungskurs für Rechtsanwaltsfachangestellte (Ausbildung zum
Rechtsfachwirt). Ferner hätte die Kammerversammlung den Haushalt 2011 vor
Fassung des Entlastungsbeschlusses durch eine Wirtschaftsprüfergesellschaft
inhaltlich und nicht - wie geschehen - rein rechnerisch prüfen lassen müssen.
2. Wegen der vorgenannten, seiner Meinung nach unberechtigten Aus-
gaben, die die Kammerversammlung ganz oder zum Teil auch für das Jahr
2013 bewilligt hat, greift der Kläger weiter den unter dem Tagesordnungs-
punkt 7 gefassten Beschluss an, mit dem der Kammerbeitrag für das Jahr 2013
auf 240
€ festgesetzt worden ist (Klageantrag 2). Ohne die Bewilligung dieser
Ausgaben hätte der Beitrag nach seinem Vortrag auf 200
€ ermäßigt werden
können.
3. Schließlich beantragt der Kläger, die Neuwahl eines Teils des Vor-
stands der Beklagten für ungültig zu erklären (Klageantrag 3). Er sieht einen
Ungültigkeitsgrund darin, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung der
Beklagten in der seinerzeit geltenden Fassung nicht näher bestimmten Anwalt-
vereinen und damit Nichtmitgliedern der Kammer ein Wahlvorschlagsrecht zu-
gebilligt habe. Darüber hinaus sei die Wahl aus mehreren Gründen nicht ord-
nungsgemäß durchgeführt worden.
4. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage teils als unzulässig, teils als un-
begründet abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Der Antrag des Klä-
gers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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II.
Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124
Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO) liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
a) Mit Recht hat der Anwaltsgerichtshof den Klageantrag 1 (Entlastung
des Vorstandes) mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Wie
schon unter der Geltung des § 90 Abs. 2 BRAO a.F. kann ein Mitglied der
Rechtsanwaltskammer einen Beschluss von Organen der Rechtsanwaltskam-
mer auch nach neuem Recht nur dann mit dem Ziel der Ungültig- oder Nichtig-
erklärung anfechten (§ 112f Abs. 1 BRAO), wenn es geltend macht, hierdurch
in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 112f Abs. 2 Satz 2 BRAO). Daran fehlt es
hier.
Der Klagebefugnis ermangelt es schon deshalb, weil sich der Beschluss
über die Entlastung des Vorstandes auf die Rechtsstellung des Klägers nicht
unmittelbar auswirken kann, namentlich keinen Verzicht auf etwaige Scha-
densersatzansprüche gegenüber dem Vorstand beinhaltet (vgl. BGH, Be-
schluss vom 12. Dezember 1988 - AnwZ 29/88, BGHZ 106, 199, 201 ff.; Lauda
in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 89 BRAO Rn. 41 f.;
Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 176 Rn. 9 f.). Darüber hinaus
obliegt die Wahrnehmung der Haushaltskontrolle nach § 89 Abs. 2 Nr. 6 BRAO
nicht einem einzelnen Mitglied, sondern der Kammerversammlung in ihrer Ge-
samtheit; ihrer autonomen Entscheidung bleibt es auch überlassen, die Anfor-
derungen an die Rechnungslegung und die Haushaltsplanung näher zu be-
stimmen (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2000 - AnwZ (B) 71/99, NJW-RR
2001, 996, 997; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 112f Rn. 19).
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Die Rechtsstellung des Klägers als Mitglied der Kammerversammlung wird
demgegenüber durch das ihm zukommende Stimmrecht und das Recht konkre-
tisiert, vor Beschlussfassung selbst Anträge zu stellen (vgl. BGH, Beschluss
vom 16. Oktober 2000 - AnwZ (B) 71/99, aaO). Dass diese mitgliedschaftlichen
Rechte des Klägers verletzt worden sein könnten, behauptet er selbst nicht.
b) Auch mit seinem Klageantrag 2 (Festsetzung des Kammerbeitrags für
das Jahr 2013 "in Verbindung mit Mittelbewilligung") kann der Kläger nicht
durchdringen.
aa) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Kammerversammlung bei
der eigentlichen Beitragsbemessung insbesondere gegen die Gebote der Äqui-
valenz, der Verhältnismäßigkeit oder der Gleichbehandlung verstoßen haben
könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 1999 - AnwZ (B) 48/98, BGHZ
140, 302, 305; BVerwGE 92, 24, 26; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO,
4. Aufl., § 89 Rn. 7 ff.; Weyland in Feurich/Weyland, aaO, § 89 Rn. 15 ff.;
Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 89 BRAO Rn. 27 ff.), sind dem Vortrag
des Klägers nicht zu entnehmen. Den durch den Kläger nicht angegriffenen
Darlegungen des Anwaltsgerichtshofs zufolge bewegt sich die absolute Höhe
des Kammerbeitrags mit 240
€ im Rahmen des auch bei anderen Rechtsan-
waltskammern Üblichen.
bb) Der Kläger greift die Höhe des Kammerbeitrags nicht aus den ge-
nannten Gründen an, sondern bringt insbesondere vor, es seien - wie schon in
den Jahren zuvor - für das Geschäftsjahr 2013 rechtlich unzulässige Ausgaben
im Bereich der Aus- und Fortbildung bewilligt worden, die sich beitragserhö-
hend ausgewirkt hätten. Der Anwaltsgerichtshof hat sich eingehend mit den
Angriffen des Klägers gegen einzelne Haushaltspositionen auseinandergesetzt.
Ergänzend ist zu bemerken:
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(1) Zutreffend stützt sich das angefochtene Urteil auf die ständige
Rechtsprechung des Senats, wonach der in §§ 73, 89 BRAO in Verbindung mit
spezialgesetzlichen Regelungen umrissene Funktionsbereich der Rechtsan-
waltskammern nicht nur die ihnen durch Gesetz und Satzung ausdrücklich zu-
gewiesenen Aufgaben umfasst, sondern sich auf alle nicht rein wirtschaftlichen
Angelegenheiten von nicht zu eng zu verstehender allgemeiner Bedeutung für
die Rechtsanwaltschaft erstreckt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1961
- AnwZ (B) 18/61, BGHZ 35, 292, 295; vom 17. Mai 1976 - AnwZ (B) 39/75,
BGHZ 66, 297, 300 f.; vom 18. April 2005 - AnwZ (B) 27/04, NJW 2005, 1710,
je m.w.N.). Daran gemessen liegt eine gesetzeswidrige Aufgabenüberschrei-
tung in den nachgenannten Bereichen nicht vor.
(a) Die bis zum Auslaufen des Vertrages mit den Anwaltvereinen K. ,
B. und A. geleisteten Zahlungen erfolgten für tatsächlich erbrachte
Verwaltungsleistungen im Rahmen der Ausbildung von Rechtsanwaltsfachan-
gestellten und damit im Bereich der der Beklagten durch § 71 Abs. 4 BBiG ori-
ginär zugewiesenen Aufgaben. Der Senat hat insoweit entschieden, dass die
vormals von der Beklagten gewählte Konstruktion der Bestellung von "Ausbil-
dungsbeauftragten" mit diese unterstützenden Geschäftsstellen bei den An-
waltvereinen mit den Wertentscheidungen des Berufsbildungsgesetzes nicht
vereinbar war, vielmehr hierfür eine ausdrückliche Delegationsbefugnis im Be-
rufsbildungsgesetz erforderlich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 10. März 2014
- AnwZ (Brfg) 67/12, NJW-RR 2014, 943, 944 f.). Auf der Hand liegt jedoch,
dass eine ordnungsgemäße Übergabe der Verwaltungsaufgaben gewährleistet
sein musste und dass bei Aufgabenübernahme durch die Beklagte sogleich bei
ihr Kosten angefallen wären. Die Beklagte hat in dieser nicht einfachen, dem-
gemäß auch unterschiedlicher Beurteilung unterliegenden Problemlage bereits
im Vorgriff auf die den Rechtsstreit abschließende Entscheidung des Bundes-
gerichtshofs den Weg der ordentlichen Kündigung des Vertrages gewählt, mit
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der Folge befristeter Weiterzahlung der Vergütung im Jahr 2013. Die Kam-
merversammlung hat die dafür erforderlichen Mittel bewilligt. Diese in einer sin-
gulären Situation getroffene Entscheidung ist in Einklang mit der Auffassung
des Anwaltsgerichtshofs als vertretbar anzusehen.
(b) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Zuschuss
an Rechtsanwälte, die nebenberuflich Rechtskundeunterricht für Anwaltsgehil-
fen erteilen und dafür eine unzureichende Vergütung erhalten, von der Aufga-
benstellung der Rechtsanwaltskammer grundsätzlich gedeckt ist (BGH, Be-
schluss vom 17. Mai 1976 - AnwZ (B) 39/75, aaO, S. 301 f.; Lauda in Gaier/
Wolf/Göcken, aaO, § 89 BRAO Rn. 14). Der Kläger trägt selbst vor, dass die
seinen Angaben zufolge durch das Land N. pro Unterrichtsstunde
bezahlte Vergütung von etwas unter 30
€ den gewöhnlichen Stundensatz eines
Rechtsanwalts nicht erreicht. Wenn die Beklagte und ihr folgend die Kam-
merversammlung entsprechend langjähriger Übung die Auffassung vertritt, bei
einer solchen Vergütung seien hinreichend qualifizierte Lehrkräfte in der
Rechtsanwaltschaft nach wie vor nicht zu finden, so hält sich dies im Rahmen
der ihr zustehenden Einschätzungsprärogative. Es muss nicht etwa durch tem-
poräre Nichtzahlung des Zuschusses der Beweis eines "Notstandes" beim sich
zur Verfügung stellenden Lehrpersonal erbracht werden. Die in der Begründung
des Zulassungsantrags erhobene Behauptung des Klägers, zum Zeitpunkt der
genannten Senatsentscheidung sei den nebenamtlichen Lehrkräften durch den
Staat überhaupt keine Vergütung gezahlt worden, ist dabei ausweislich der
Entscheidungsgründe falsch. Ferner ist der durch ihn erhobene Vorwurf haltlos,
mit Zahlung und Annahme des für die Abwesenheit von der Kanzlei gewährten
Zuschusses seien die Straftatbestände der Vorteilsannahme und -gewährung
(§§ 331, 333 StGB) verwirklicht. Es ist - die Amtsträgerschaft der Rechtsanwäl-
te unterstellt - schon keine "Unrechtsvereinbarung" ersichtlich (vgl. etwa
MünchKommStGB/Korte, 2. Aufl., § 331 Rn. 94 m.w.N.).
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(2) Hinsichtlich der durch die Beklagte betriebenen und für die Teilneh-
mer kostenpflichtigen Fortbildungskurse zur Ausbildung zum Rechtsfachwirt
kann der Senat eine Verletzung von Rechtsinteressen des unmittelbar die
Festsetzung des Kammerbeitrags anfechtenden Klägers schon im Ergebnis
letztlich ausschließen. Denn die Fortbildungskurse sind nach dem in der Kam-
merversammlung gegebenen Bericht des Schatzmeisters der Beklagten, für
dessen Unrichtigkeit keine Anhaltspunkte vorhanden sind, "im Ergebnis kos-
tendeckend". Folglich können sie sich auch nicht beitragserhöhend auswirken.
Entsprechendes gilt für den Zuschuss an den Verein "J.
e.V.". Bei einem Zuschuss von 12.000
€ im Jahr 2013 gemäß dem Vortrag
der Beklagten würde die hierdurch verursachte Belastung des einzelnen Kam-
mermitglieds weniger als einen Euro betragen, bei einem Zuschuss von
18.000
€ wie im Jahr 2011 etwas mehr als einen Euro. Es handelt sich mithin
um eine Position, die für die Bemessung des Kammerbeitrags ersichtlich ver-
nachlässigt werden kann. Auf die zu beiden Positionen in der Sache angestell-
ten Erwägungen des Anwaltsgerichtshofs kommt es daher nicht mehr an.
c) Der Anwaltsgerichtshof hat schließlich mit Recht von einer Ungültiger-
klärung der Vorstandswahlen abgesehen.
aa) Soweit der Kläger seine Bedenken gegen die Gültigkeit der Wahl da-
rauf stützt, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung der Beklagten in der
seinerzeit geltenden Fassung neben Kammermitgliedern auch "Anwaltverei-
nen" ein Wahlvorschlagsrecht einräumt, geht dies in Übereinstimmung mit der
eingehend begründeten Rechtsauffassung des Anwaltsgerichtshofs fehl. Das
Wahlvorschlagsrecht jedes einzelnen Kammermitglieds und damit auch die
formale Chancengleichheit aller Wahlbewerber (vgl. BVerfGE 41, 399, 417;
BVerfGE 71, 81, 96 f., jeweils m.w.N.) bleibt von dieser Regelung unberührt.
Dass neben einzelnen Kammermitgliedern auch Zusammenschlüsse von
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Kammermitgliedern oder eben berufsständische Organisationen Wahlvorschlä-
ge machen dürfen, überschreitet die Grenzen der der Beklagten überantworte-
ten Satzungsautonomie nicht (hierzu allgemein Lauda in Gaier/Wolf/Göcken,
aaO, § 64 BRAO Rn. 3 ff.; vgl. auch den BGH, Beschluss vom 15. September
1969 - AnwZ (B) 6/69, BGHZ 52, 297, 299 zugrunde liegenden Fall). Das gilt
auch dann, wenn sich - was nach dem Vortrag der Beklagten gar nicht der Fall
ist - in ihnen nicht ausschließlich Kammermitglieder vereinigen sollten. Wie es
zu beurteilen wäre, wenn im konkreten Fall Wahlvorschläge innerhalb der Gre-
mien der örtlichen Anwaltvereine auf Nichtkammermitglieder zurückgingen oder
- worauf sich der Kläger beispielhaft beruft - von polnischen oder brasiliani-
schen "Anwaltvereinen" unterbreitet worden wären, muss der Senat nicht ent-
scheiden. Denn für beides existieren keine Anhaltspunkte. Eine unter Umstän-
den zu weite Bestimmung der Geschäftsordnung muss sich aber konkret und
nicht nur theoretisch auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben können (vgl.
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 80/09, AnwZ (B) 112/09,
BRAK-Mitt. 2010, 169 Rn. 17 m.w.N.).
bb) Auch die Chancen von nicht durch die Anwaltvereine vorgeschlage-
nen Wahlbewerbern werden durch die Regelung nicht in zu beanstandender
Weise beeinträchtigt. Es liegt in der Natur der Sache und ist bei demokrati-
schen Wahlen hinzunehmen, wenn sich Kandidaten in der Wahlversammlung
der Unterstützung durch Kammermitglieder gewiss sein können, die in berufs-
ständischen Vereinigungen organisiert sind. Genauso klar ist andererseits,
dass Wahlbewerber, die sich - wie vorliegend der Kläger - erst in der Mitglie-
derversammlung zu einer Kandidatur bereitfinden, ohne zuvor für sich gewor-
ben zu haben, zunächst eine schlechtere Ausgangsposition haben. Dies hat
aber nichts mit der durch den Kläger beanstandeten Satzungsbestimmung zu
tun. Dass der Kläger nicht von vornherein chancenlos war, erweist im Übrigen
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der Umstand, dass er trotz der eher ungünstigen Ausgangsbedingungen 68
Stimmen auf sich vereinigen konnte.
cc) Alle weiteren durch den Kläger vorgetragenen Rügen zur Ausgestal-
tung des Stimmzettels und der dadurch beeinflussten Wahlprozedur sind
gleichfalls nicht durch die Ausgestaltung der Satzung oder durch diesen be-
nachteiligende "Schikanen" der Versammlungsleitung bedingt. Vielmehr sind
sie maßgebend auf die späte Kandidatur des Klägers zurückzuführen, auf die
die Versammlungsleitung nicht vorbereitet sein konnte. Wegen der Einzelheiten
nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs.
dd) Entsprechendes gilt für die erst in späteren Schriftsätzen vorge-
brachten Behauptungen von Wahlfehlern, die sich - wie der Kläger ausweislich
der Gründe des angefochtenen Urteils selbst eingeräumt hat - im Wesentlichen
in Mutmaßungen erschöpfen. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte für Wahlfeh-
ler sind nicht vorhanden.
2. Die Sache weist weder besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch hat
sie grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO). Auch besteht keine Divergenz zur Rechtsprechung anderer Anwaltsge-
richtshöfe oder des Bundesgerichtshofs (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2
Nr. 4 VwGO).
a) Eine Rechtssache weist dann besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt
liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden
Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht
unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von
den üblichen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten deutlich abhebt (BGH, Be-
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schlüsse vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, Rn. 9; vom 23. März 2011
- AnwZ (Brfg) 9/10, Rn. 6, jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Allein der
Umstand, dass die Verfahrensakte des Anwaltsgerichtshofs über 1.300 Seiten
umfasst und dass sich das angefochtene Urteil eingehend mit dem Vortrag des
Klägers auseinandersetzt, ergibt den Zulassungsgrund nicht. Dies erhellt schon
daraus, dass es andernfalls die Partei in der Hand hätte, durch möglichst um-
fangreichen Vortrag und durch Vorlage möglichst umfänglicher Anlagenkonvo-
lute zu oftmals nicht entscheidungserheblichen Fragen die Voraussetzungen
des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu schaffen.
b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e
Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben,
wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und
klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl
von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit
an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH,
Beschlüsse vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, Rn. 25; vom 24. März
2011 - AnwZ (Brfg) 4/11, Rn. 12; vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ
154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur
schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen
zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage
sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Aus-
wirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korri-
gierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist (vgl. BGH, Be-
schluss vom 22. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 75/13, BRAK-Mitt. 2014, 279 Rn. 17).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan. Die durch den Kläger aufge-
worfenen Fragen sind teilweise durch die Rechtsprechung bereits geklärt, teil-
weise nicht entscheidungserheblich, teilweise haben sie singulären Charakter.
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Durchgehend ist nicht schlüssig dargelegt, aus welchem Grund der Senat korri-
gierend eingreifen sollte.
c) Der Zulassungsgrund der Divergenz zur Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs in Strafsachen ist offensichtlich nicht gegeben.
3. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Ent-
scheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124
Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Er erblickt die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes
in dem Umstand, dass der Anwaltsgerichtshof den Prozessbevollmächtigten
der Beklagten nicht nach § 67 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, 3 VwGO zurück-
gewiesen hat. Hierzu sei der Anwaltsgerichtshof aber verpflichtet gewesen, weil
die Beklagte die Partnerschaftsgesellschaft des Prozessbevollmächtigten der
Beklagten mandatiert habe. Dieser gehöre aber ein Mitglied des (für das ge-
genständliche Verfahren nicht zuständigen) 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs
an.
a) Der Vortrag des Klägers geht schon deswegen ins Leere, weil der
Prozessbevollmächtigte der Beklagten mehrfach versichert hat, die Beklagte in
eigener Person zu vertreten. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln.
Solchen Anlass geben ihm auch nicht die durch den Kläger mehrfach vorgetra-
genen "Indizien" (unter anderem die teils durch den Prozessbevollmächtigten
verwendete und von ihm schlüssig mit Gewohnheit begründete Verwendung
der "Wir-Form") für eine gleichwohl gegebene Vertretung durch die Partner-
schaftsgesellschaft. Selbst wenn aber ein Verstoß gegen § 67 Abs. 5 VwGO
vorläge, könnte das Urteil des Anwaltsgerichtshofs hierauf nicht beruhen. Denn
die Prozesshandlungen des einem Vertretungsverbot unterliegenden Bevoll-
mächtigten blieben nach § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO wirksam (vgl. auch Eyer-
mann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl., § 67 Rn. 15).
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b) Schon im Blick darauf, dass von einer "Alleinvertretung" der Beklagten
durch den Bevollmächtigten auszugehen ist, vermag der Kläger mit einer Beru-
fung auf ein im Rechtsstaatsprinzip verankertes Gebot der "Waffengleichheit"
nicht durchzudringen. Die Beklagte ist im Übrigen in der Wahl ihres Bevoll-
mächtigten grundsätzlich frei.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO. Der Senat setzt den Streitwert letztlich in Übereinstimmung mit
dem Anwaltsgerichtshof und aus den von ihm genannten Gründen auf insge-
samt 25.000 € fest (§ 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1, 2 GKG). Die Bemühun-
gen des Klägers, zu einer noch niedrigeren Bemessung des Geschäftswerts zu
gelangen, können keinen Erfolg haben.
Kayser König Remmert
Quaas Schäfer
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 08.11.2013 - 2 AGH 26/12
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