Urteil des BGH vom 16.03.2015

Gefährdung, Vermögensverfall, König, Rechtsanwaltschaft

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
A n w Z ( B r f g ) 4 7 / 1 4
vom
16. März 2015
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. König und Dr. Remmert sowie
den Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas und die Rechtsanwältin Schäfer
am 16. März 2015 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom
14. Juli 2014 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28. Februar 2014 die Zulassung des
Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO) widerrufen. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage ist vor dem An-
waltsgerichtshof ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit
seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e
Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils beste-
hen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulas-
sungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine
erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt
wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg)
30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.
a) Über das Vermögen des Klägers ist durch Beschluss des Amtsge-
richts W. - Insolvenzgericht - vom 24. Juni 2013 das Insolvenzverfah-
ren eröffnet worden, mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls
vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Am Eintritt des Vermögensverfalls zum
maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs vermag die Freigabe der
selbständigen Tätigkeit des Klägers durch den Insolvenzverwalter im November
2013 nichts zu ändern. Die Freigabe beseitigt nicht die Insolvenz und damit
nicht den Vermögensverfall. Entsprechendes gilt für die Renteneinkünfte und
die Kanzleierträge, aus denen der Kläger nach seinem Vortrag 528
€ an die
Insolvenzmasse abzuführen hat. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
sind die Vermögensverhältnisse nämlich erst dann wieder geordnet, wenn dem
Schuldner nach dem hier maßgeblichen Insolvenzrecht durch Beschluss des
Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO a.F.)
oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder an-
genommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Er-
füllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubi-
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gern befreit wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2014 - AnwZ
(Brfg) 53/13, Rn. 8; vom 9. Juli 2013 - AnwZ (Brfg) 20/13, Rn. 5; vom 23. Juni
2012 - AnwZ (Brfg) 23/12, Rn. 3; jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.
b) Der Kläger macht ferner geltend, dass es einer Gefährdung der Inte-
ressen Rechtsuchender ermangele. Dieser Auffassung ist der Anwaltsgerichts-
hof mit eingehender und in der Sache zutreffender Begründung entgegengetre-
ten. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetz-
geberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts
grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden.
Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Aus-
nahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast
trifft (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg)
30/14, Rn. 7; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, Rn. 9). Die Annahme
einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsan-
walt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt
und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Ge-
fährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Ok-
tober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, aaO; vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11,
Rn. 6; vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5;
jeweils m.w.N.). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben.
aa) Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig. Mit seinem Vortrag
zu von ihm ergriffenen Maßnahmen, mit denen der Eingang von Fremdgeld
vermieden werden soll, vermag er nicht durchzudringen. Selbst auferlegte Be-
schränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind nämlich
- wie der Senat in ständiger Rechtsprechung annimmt (BGH, Beschlüsse vom
18. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 53/13, Rn. 6; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg)
55/11, Rn. 10; vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 55/09, HFR 2010, 1351 Rn. 12) -
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nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen. Dass es
in der Vergangenheit nicht zu Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit
Fremdgeldern gekommen ist, bleibt im Blick auf die gegebene abstrakte Ge-
fährdungslage gleichfalls rechtlich ohne Belang (vgl. BGH, Beschlüsse vom
2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, Rn. 10; vom 23. April 2014 - AnwZ (Brfg)
8/14, juris Rn. 6; vom 5. November 2013 - AnwZ (Brfg) 36/13, Rn. 6). Durch die
im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose angestellten Erwägungen wird
nicht etwa die persönliche Integrität des Klägers in Frage gestellt.
bb) Eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender wird auch durch
die Freigabe der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter weder
ausgeschlossen noch vermindert (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Ja-
nuar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, Rn. 8; vom 23. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 23/12,
Rn. 4; vom 21. März 2011 - AnwZ (B) 37/10, NZI 2011, 464 Rn. 8). Die Gefähr-
dung entfällt vielmehr grundsätzlich erst mit dem Beschluss nach § 289 InsO
(BGH, Beschluss vom 4. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, aaO m.w.N.).
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Ent-
scheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124
Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Namentlich ist kein Verstoß gegen den Amtsermittlungs-
grundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) erkennbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob
der Kläger mit seinen im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Zweifel an
der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erhobe-
nen Beanstandungen von Aufklärungsmängeln den insoweit bestehenden Dar-
legungserfordernissen genügt hat (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 17. No-
vember 2014 - AnwZ (Brfg) 84/13, Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - AnwZ
(Brfg) 40/13, Rn. 10; vom 7. Oktober 2013 - AnwZ (Brfg) 30/13, Rn. 9). Denn
der Anwaltsgerichtshof hat sich mit sämtlichen entscheidungserheblichen Um-
ständen in nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt. Er musste sich
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deshalb nicht gedrängt sehen, den vom Kläger schriftsätzlich, jedoch nicht in
der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2014 geäußerten Begehren nach
weiterer Sachverhaltsaufklärung zu entsprechen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1
BRAO.
Kayser König Remmert
Quaas Schäfer
Vorinstanz:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 14.07.14 - 1 AGH 6/14
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