Urteil des BGH vom 20.05.2015

Leitsatzentscheidung zu Strafverfahren, Analyse, Ermittlungsverfahren, Genetischer Fingerabdruck

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 5 5 5 / 1 4
vom
20. Mai 2015
BGHSt:
nein
BGHR:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
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StPO § 81a Abs. 3, § 81g
Die Untersuchung von zu anderen Zwecken entnommenen Körperzellen, um
sie zur Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters zur Identitätsfeststellung
in künftigen Strafverfahren zu verwenden, ist durch die Verwendungsregelung
des § 81a Abs. 3, 1. Halbsatz StPO nicht gedeckt
BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 4 StR 555/14 - LG Freiburg
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 20. Mai 2015 gemäß § 349 Abs. 2
StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 14. Juli 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwen-
digen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-
zung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit
mit fahrlässiger Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren
und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklag-
ten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt ohne
Erfolg.
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I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und
Wertungen getroffen:
1. Am Abend des 9. Dezember 2008 befand sich die Nebenklägerin zu
Fuß auf dem Heimweg zur Wohnung ihres Freundes in F. . Im Bereich
von zwei die Straße überquerenden Brücken trat der mit einer abgeschnittenen
Nylonstrumpfhose maskierte Angeklagte von hinten an sie heran, umklammerte
mit dem rechten Arm ihren Hals und setzte ihr mit der linken Hand ein Messer
an die rechte Halsseite. Sodann schob er die Nebenklägerin in den Zuweg zu
einem Bahnbetriebsgelände und forderte sie auf, sich hinzusetzen. Als der An-
geklagte seinen Griff lockerte, um sich vor die Nebenklägerin zu stellen, ver-
suchte diese zu fliehen. Dabei kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf
der Angeklagte der Nebenklägerin mit bedingtem Tötungsvorsatz zahlreiche
Verletzungen mit dem Messer zufügte. Danach ließ er jedoch von ihr ab, so-
dass die Nebenklägerin fliehen und die Polizei informieren konnte.
2. Am 10. Januar 2012 traf der Angeklagte in F. zufällig auf den
ihm aus der Betäubungsmittelszene bekannten Geschädigten, der eine frühere
Betäubungsmittellieferung des Angeklagten bis dahin nicht bezahlt hatte. Der
Angeklagte griff dem Geschädigten mit einer Hand an den Hals, setzte ihm das
in der anderen Hand geführte Messer an den Hals und drohte, ihn umzubrin-
gen, wenn er seine Geldforderung nicht erfülle. Der Geschädigte zog sich bei
dem Versuch, die Messerklinge von seinem Hals zu entfernen, eine heftig blu-
tende Schnittwunde am kleinen Finger der linken Hand zu. Als er zusagte, das
Geld zu beschaffen, ließ der Angeklagte von ihm ab. Der Geschädigte entfernte
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sich daraufhin und verständigte durch einen Notruf die Polizei, die den Ange-
klagten am Tatort antraf und ihn vorläufig festnahm.
3. Der Angeklagte hat sich zum Tatgeschehen nicht eingelassen. Ihre
Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bei der Tat am 9. Dezember
2008 hat die Strafkammer maßgeblich darauf gestützt, dass bei der Unter-
suchung von Spurenmaterial an einer am Tatort sichergestellten Nylonstrumpf-
hose ein DNA-Identifizierungsmuster festgestellt werden konnte, das mit dem in
der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Muster des Angeklagten übereinstimmt.
Bei einer am Höschenteil der Strumpfhose gesicherten Hautschuppe sei das
festgestellte Merkmalsmuster mit acht bestätigten Merkmalssystemen unter
Zugrundelegung von populationsgenetischen Daten für die deutsche Bevölke-
rung mit einer Häufigkeit von 1 : 280 Milliarden zu erwarten. Hinsichtlich einer
weiteren im Höschenbund festgestellten Mischspur habe eine auf der Grund-
lage europäisch-kaukasischer Bevölkerungsstichproben vorgenommene biosta-
tistische Berechnung ergeben, dass die Mischspur rund 38 Trillionen Mal bes-
ser durch die Annahme erklärt werden könne, dass sie vom Angeklagten und
einer unbekannten Person verursacht wurde, als durch die Annahme einer Ver-
ursachung durch zwei unbekannte Personen.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2
StPO). Der näheren Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1. Die Verfahrensrüge, mit welcher der Angeklagte geltend macht, das in
der DNA-Analyse-Datei gespeicherte DNA-Identifikationsmuster des Angeklag-
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ten, das aus der Untersuchung einer nach der Festnahme am 10. Januar 2012
freiwillig abgegebenen Speichelprobe gewonnen wurde, unterliege einem Be-
weisverwertungsverbot, ist unbegründet.
a) Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Untersuchung des Spurenmaterials an der nach der Tat am
9. Dezember 2008 am Tatort aufgefundenen Nylonstrumpfhose ergab das
DNA-Muster einer unbekannten männlichen Person, das in der beim Bundes-
kriminalamt geführten DNA-Analyse-Datei gespeichert wurde. Der Abgleich mit
den zum damaligen Zeitpunkt dort vorhandenen Daten ergab keine Überein-
stimmung.
Am 10. Januar 2012, dem Tag der Begehung der zweiten durch das
Urteil festgestellten Tat, wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen und gab
an diesem Tag freiwillig eine Speichelprobe ab. Dabei wurde dem Angeklagten
eine formularmäßige Einwilligungserklärung zur Entnahme und molekulargene-
tischen Untersuchung von Körperzellen zu Vergleichszwecken vorgelegt, die
sich auf die molekulargenetische Untersuchung im laufenden Strafverfahren
(§ 81e StPO) bezog, nicht jedoch, wie es seitens des ermittelnden Polizeibeam-
ten beabsichtigt war, auf die molekulargenetische Untersuchung zum Zweck
der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren (§ 81g StPO). Durch Unter-
schrift unter dieses Formular erklärte der Angeklagte sein Einverständnis mit
der molekulargenetischen Untersuchung der von ihm freiwillig abgegebenen
Speichelprobe. Nachdem die Verwendung des falschen Formulars bemerkt
worden war und der Angeklagte telefonisch nicht hatte erreicht werden können,
suchte KHK G. den Angeklagten am 28. März 2012 auf und fragte ihn, ob
er auch eine Freiwilligkeitserklärung im Hinblick auf die Untersuchung der ab-
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gegebenen Speichelprobe für künftige Strafverfahren abgeben wolle. Der An-
geklagte erklärte daraufhin, er werde sich dies bis zu der am 30. März 2012
vorgesehenen Beschuldigtenvernehmung überlegen. Zu dieser Vernehmung
erschien der Angeklagte nicht.
In seinem Abschlussbericht vom 19. April 2012 hielt KHK G. fest,
dass eine „Speicherung der DNA-Formel“ auf der Grundlage der vorliegenden
Freiwilligkeitserklärung „rechtlich nicht möglich“ sei. Er regte daher bei der
Staatsanwaltschaft die Stellung eines Antrags auf Erlass eines richterlichen Be-
schlusses gemäß § 81g StPO an. In dem Ermittlungsverfahren wegen der Tat
am 10. Januar 2012 wurde ein DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten
nicht benötigt, weshalb auch keine Untersuchung der Speichelprobe erfolgte.
Diese wurde vielmehr bei der Polizei aufbewahrt. Am 13. November 2012 stellte
die Staatsanwaltschaft zugleich mit der Übersendung der Anklage wegen der
Tat am 10. Januar 2012 einen Antrag beim Amtsgericht F. auf Erlass
eines Beschlusses gemäß § 81g StPO. Dieser Beschluss des Amtsgerichts
erging am 29. November 2012. Daraufhin wurde die bei der Polizei aufbewahrte
Speichelprobe molekulargenetisch untersucht und das gewonnene DNA-
Identifizierungsmuster in die DNA-Analyse-Datei eingestellt. Der Vergleich des
DNA-Identifizierungsmusters mit den dort gespeicherten Daten ergab eine
Übereinstimmungsmitteilung im Hinblick auf das DNA-Identifizierungsmuster,
das aus dem im Zusammenhang mit der Tat am 9. Dezember 2008 sicherge-
stellten Spurenmaterial gewonnen worden war.
b) Die Verwertung des in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten DNA-
Identifizierungsmusters des Angeklagten zum Nachweis von dessen Täter-
schaft hinsichtlich der Tat am 9. Dezember 2008 ist rechtlich nicht zu beanstan-
den. Zwar durfte die nach der Festnahme am 10. Januar 2012 vom Angeklag-
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ten freiwillig abgegebene Speichelprobe für die molekulargenetische Unter-
suchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren nach § 81g StPO
nicht verwendet werden (aa). Aus diesem Verfahrensverstoß ergibt sich jedoch
für das durch die Untersuchung erlangte DNA-Identifizierungsmuster kein Be-
weisverwertungsverbot (bb).
aa) Die Untersuchung der vom Angeklagten abgegebenen Speichelpro-
be zu Zwecken der Identitätsfeststellung nach § 81g StPO war allerdings weder
durch die vom Angeklagten am 10. Januar 2012 abgegebene Freiwilligkeits-
erklärung noch durch die mit Beschluss des Amtsgerichts F. vom 29. No-
vember 2012 getroffene richterliche Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 und 2
StPO gedeckt.
(1) Die schriftliche Einwilligungserklärung des Angeklagten vom 10. Ja-
nuar 2012 bezog sich ausschließlich auf die Ermittlung des DNA-Identifizie-
rungsmusters aus der abgegebenen Speichelprobe zur Verwendung im Ermitt-
lungsverfahren wegen der Tat vom selben Tag. Ein Einverständnis mit der Er-
mittlung des DNA-Identifizierungsmusters für andere Zwecke
– namentlich zur
Verwendung der Ergebnisse zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfah-
ren
– war damit nicht verbunden. Diese Differenzierung hinsichtlich der Reich-
weite der Einwilligungserklärung entspricht dem gesetzgeberischen Konzept,
das der Regelung in § 81f StPO und § 81g StPO zugrunde liegt. So verlangen
§ 81f Abs. 1 Satz 2 StPO und § 81g Abs. 3 Satz 3 StPO jeweils, dass die ein-
willigende Person darüber zu belehren ist, für welchen Zweck die zu erheben-
den Daten verwendet werden. Mit dieser gesetzlichen Regelung wäre es nicht
vereinbar, dem Einverständnis mit der Gewinnung des DNA-Identifizierungs-
musters zur Verwendung im laufenden Ermittlungsverfahren auch das Einver-
ständnis mit der Verwendung zu Zwecken des § 81g StPO zu entnehmen.
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(2) Die Untersuchung der Speichelprobe war auch nicht in Vollzug der
durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 29. November 2012 getroffe-
nen Anordnung nach § 81g StPO zulässig. Die Bestimmung des § 81g Abs. 1
Satz 1 StPO gestattet unter näher geregelten Voraussetzungen zur Identitäts-
feststellung in künftigen Strafverfahren die Entnahme von Körperzellen und de-
ren molekulargenetische Untersuchung. Fehlt eine schriftliche Einwilligungs-
erklärung des Betroffenen für die Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters
zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren, ist nach § 81g Abs. 3
Satz 1 StPO die Entnahme der hierfür erforderlichen Körperzellen in der Regel
richterlich anzuordnen. Ein Rückgriff auf bereits vorher zu anderen Zwecken
erhobene Körperzellen ist in § 81g StPO nicht vorgesehen und kann dement-
sprechend durch die Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 StPO nicht legitimiert
werden. Einem solchen Rückgriff steht vielmehr die Regelung des § 81a Abs. 3
StPO entgegen.
Nach dieser durch das Strafverfahrensänderungsgesetz
– DNA-Analyse
(„Genetischer Fingerabdruck“) – vom 17. März 1997 (BGBl. I S. 534) in die
Strafprozessordnung eingefügten Vorschrift, durch die nach den Intentionen
des Gesetzgebers insbesondere verhindert werden soll, dass entnommenes
Zellmaterial und hieraus gewonnene Zwischenprodukte zu einem späteren
Zeitpunkt in missbräuchlicher Weise molekulargenetisch untersucht werden
können (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/667 S. 6), dür-
fen dem Beschuldigten entnommene Körperzellen nur für Zwecke des der Ent-
nahme zugrunde liegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens
verwendet werden. Sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht
mehr erforderlich sind. Die Untersuchung entnommener Körperzellen zum Zwe-
cke der Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters zur Identitätsfeststellung
in künftigen Strafverfahren ist durch die Verwendungsregelung des § 81a
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Abs. 3 StPO nicht gedeckt und damit unzulässig (vgl. Krause in Löwe/
Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 81a Rn. 80; Senge in KK-StPO, 7. Aufl., § 81a
Rn. 9a). Die vom Angeklagten abgegebene Speichelprobe hätte daher zur Um-
setzung der Maßnahme nach § 81g StPO nicht herangezogen werden dürfen.
Sie wäre vielmehr, da sie als Beweismittel für das Ermittlungsverfahren wegen
der Tat am 10. Januar 2012 ersichtlich nicht benötigt wurde (vgl. Rogall in
SK-StPO, 4. Aufl., § 81a Rn. 148; BT-Drucks. 13/667 aaO) und ein Zusammen-
hang mit dem anhängigen, gegen unbekannt geführten Ermittlungsverfahren
wegen der Tat am 9. Dezember 2008 (vgl. Senge aaO; Rogall aaO § 81a
Rn. 124) nicht erkennbar war, unverzüglich zu vernichten gewesen.
bb) Die demnach verfahrensfehlerhafte Verwendung der vom Angeklag-
ten abgegebenen Speichelprobe zur Ermittlung des DNA-Identifizierungsmus-
ters des Angeklagten gemäß § 81g StPO führt indes nicht zur Unverwertbarkeit
des in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Identifizierungsmusters. Nach der
– verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (vgl. BVerfG, NJW 2012, 907,
910 f.; BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2015
– 2 BvR 616/13) – ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt nicht jeder Rechtsverstoß bei
der Beweiserhebung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der dadurch er-
langten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalls unter
Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Inter-
essen zu entscheiden (sog. Abwägungslehre). Bedeutsam sind dabei insbe-
sondere die Art und der Schutzzweck des etwaigen Beweiserhebungsverbots
sowie das Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes, das seiner-
seits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter
bestimmt wird. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Ver-
wertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts
– den
Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweis-
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aufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken
hat, die von Bedeutung sind
– einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweis-
verwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher
Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuer-
kennen ist. Letzteres ist insbesondere nach schwerwiegenden, bewussten oder
objektiv willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen
planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen werden, in Betracht zu zie-
hen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012
– 3 StR 117/12,
BGHSt 58, 84 Rn. 31 ff. mwN; vom 14. August 2009
– 3 StR 552/08, BGHSt 54,
70 Rn. 47 mwN; vom 11. November 1998
– 3 StR 181/98, BGHSt 44, 243,
248 f. mwN).
Nach diesen Grundsätzen resultiert aus der unzulässigen Verwendung
der Speichelprobe des Angeklagten kein Beweisverwertungsverbot für das in
der DNA-Analyse-Datei gespeicherte DNA-Identifizierungsmuster des Ange-
klagten. Zwar liegt in der Verletzung einer gesetzlich geregelten Verwendungs-
beschränkung ein Verfahrensverstoß von nicht unerheblichem Gewicht. Die
überwiegenden Gesichtspunkte sprechen jedoch gegen die Annahme eines
Verwertungsverbots. Das verwertete DNA-Identifizierungsmuster des Angeklag-
ten hätte ohne Weiteres durch nochmalige Entnahme von Körperzellen und de-
ren molekulargenetische Untersuchung auf der Grundlage einer richterlichen
Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO erlangt werden können, die
im vorliegenden Fall durch den Beschluss des Amtsgerichts F. vom
29. November 2012 auch tatsächlich erging. Der Beweiswert des molekularge-
netischen Untersuchungsergebnisses wurde durch den Verfahrensverstoß nicht
berührt. Der Verstoß beruht zudem nicht auf Vorsatz der Ermittlungsbehörden.
Diese hatten vielmehr im Hinblick auf das sich ausschließlich auf Maßnahmen
im laufenden Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10. Januar 2012 bezie-
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hende Einverständnis des Angeklagten zunächst ausdrücklich von einer Unter-
suchung abgesehen und eine richterliche Anordnung nach § 81g StPO einge-
holt. Mit der Verwendung der vorhandenen Speichelprobe anstelle einer noch-
maligen Entnahme von Körperzellen des Angeklagten hatte das Vorgehen der
Ermittlungsbehörden ferner eine Zielrichtung, die auf Schonung der Rechts-
sphäre des Angeklagten ausgerichtet war und sich vor dem Hintergrund des
verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls im Ansatz
als nicht völlig unvertretbar darstellte. Schließlich ist den Regelungen in § 81a
Abs. 3 StPO und § 81g Abs. 5 StPO zu entnehmen, dass die Verwendung ge-
wonnener Körperzellen und eines molekulargenetischen Untersuchungsergeb-
nisses nach der gesetzgeberischen Wertung gerade nicht ausnahmslos auf das
Ausgangsstrafverfahren beschränkt ist. Nach § 81a Abs. 3 StPO hätte die Spei-
chelprobe des Angeklagten als solche grundsätzlich in dem anhängigen, gegen
unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 9. Dezember
2008 Verwendung finden können und die Vorschrift des § 81g Abs. 5 Satz 2
Nr. 1 StPO gestattet es, ein nach § 81e Abs. 1 StPO für Beweiszwecke im lau-
fenden Ermittlungsverfahren erhobenes DNA-Identifizierungsmuster bei Vorlie-
gen der Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO zu Zwecken der Identitäts-
feststellung in künftigen Verfahren in der DNA-Analyse-Datei zu speichern (vgl.
Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 81g Rn. 12b; Senge aaO
§ 81g Rn. 24).
2. Die von der Revision unter Verweis auf neuere wissenschaftliche Er-
kenntnisse zu einer Steuerungsfunktion der als nicht-codierend bezeichneten
Bereiche der menschlichen DNA vorgetragenen verfassungsrechtlichen Beden-
ken gegen die Erhebung von DNA-Identifizierungsmustern werden vom Senat
nicht geteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der
absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit durch eine molekulargeneti-
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sche Untersuchung nicht betroffen, solange sich die Eingriffsermächtigung auf
den nicht-codierenden Anteil der DNA bezieht, ausschließlich die Feststellung
des DNA-Identifizierungsmusters vorgenommen und das Genmaterial nach der
Feststellung des Identifizierungsmusters vernichtet wird. Entscheidend ist, dass
durch die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters anhand des anschlie-
ßend zu vernichtenden Probenmaterials keine Rückschlüsse auf persönlich-
keitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krank-
heiten des Betroffenen ermöglicht werden (vgl. BVerfG, NJW 2001, 879, 880;
NStZ 1996, 45, 46; vgl. zur Einschätzung des Gesetzgebers BT-Drucks. 13/667
S. 6, BT-Drucks. 12/7266 S. 11). Dass dies nach dem gegenwärtigen Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnis in Frage steht, wird von der Revision nicht darge-
tan und ist auch sonst nicht ersichtlich.
3. Soweit die Revision in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet, dass
das Landgericht bei seiner biostatistischen Bewertung der Auftretenswahr-
scheinlichkeit der an den Tatortspuren festgestellten DNA-Identifizierungsmus-
ter auf die Daten der deutschen bzw. europäisch-kaukasischen Bevölkerung
abgestellt hat, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler in der Beweiswür-
digung des Landgerichts auf. Stützt das Tatgericht seine nach § 261 StPO ge-
wonnene Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf das Ergebnis
einer im Zusammenhang mit der Übereinstimmung von DNA-Identifizierungs-
mustern vorgenommenen Wahrscheinlichkeitsberechnung, wird
– sofern der
Angeklagte einer fremden Ethnie angehört
– in der Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs verlangt, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen darlegt, in-
wieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Be-
deutung war (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015
– 4 StR 39/15; Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454,
2455; vom 21. März 2013
– 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217; Beschluss vom
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31. Juli 2013
– 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116). Diesen Anforderungen
ist die Strafkammer nachgekommen, indem sie sich
– sachverständig beraten –
eingehend mit der Frage der Auswahl der heranzuziehenden Vergleichspopula-
tion auseinandergesetzt hat. Dass sie zur Abschätzung der Wahrscheinlich-
keiten einer Spurenverursachung durch eine unbekannte Person auf die am
Tatort lebende deutsche bzw. europäische Wohnbevölkerung als Vergleichspo-
pulation abgestellt hat, wobei die für diese Vergleichspopulation erhobenen Da-
ten nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die in Deutschland
bzw. Europa lebenden Ausländer umfassen, begegnet angesichts des Fehlens
jeglicher konkreter Anhaltspunkte für einen aus derselben Herkunftsethnie wie
der Angeklagte stammenden Alternativtäter keinen rechtlichen Bedenken (vgl.
Schneider/Anslinger u.a., NStZ 2013, 693, 695 ff.).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak
Franke
Bender