Urteil des BGH vom 09.06.2015

Daten, Karte, Urlaub, Unternehmen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 4 5 / 1 5
vom
9. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Computerbetruges u.a.
hier: Revision des Angeklagten K.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juni
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des
Landgerichts Krefeld vom 26. September 2014, auch soweit es
den Mitangeklagten T. betrifft, mit den zugehörigen Fest-
stellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten wegen Computerbetruges verurteilt
worden sind;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten K. wird ver-
worfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat - unter Freispruch im Übrigen - die Angeklagten je-
weils des Computerbetruges und des versuchten Betruges in zwei Fällen für
schuldig befunden und unter Einbeziehung von Strafen aus Vorverurteilungen
gegen den Revisionsführer K. eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
und zehn Monaten sowie gegen den Nichtrevidenten T. eine Gesamtfrei-
heitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen seine
Verurteilung gerichtete, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen
Rechts gestützte Revision des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge den aus
der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Aufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO
auf den Nichtrevidenten T. zu erstrecken.
I. Soweit für vorliegende Entscheidung von Bedeutung hat das Landge-
richt folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten betrieben gemeinsam ein Callcenter. Ab März 2009
planten sie den Vertrieb eines Gewinnspieleintragungsprodukts. Gegen eine
monatliche Geb
ühr in Höhe von 49,90 € sollten Kunden bei 200 Gewinnspielen
automatisiert eingetragen werden. Entsprechendes wurde von den Mitarbeitern
der Angeklagten in den Telefonaten, bei denen ein Vertragsabschluss erstrebt
wurde, behauptet. Ursprünglich hatten die Angeklagten zwar beabsichtigt, die
Eintragungen vornehmen zu lassen, waren indes zu keinem Zeitpunkt vertragli-
che Beziehungen zu einem Drittunternehmen eingegangen, das dies hätte leis-
ten können. Gemäß einem am 29. April/ 1. Mai 2009 mit einem Zahlungsdienst-
leister geschlossenen Vertrag reichten die Angeklagten diesem Listen mit den
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akquirierten Kundendaten inklusive Bankverbindung ein. Durch deren Verwen-
dung in einem vollautomatisierten Lastschriftsystem veranlasste der Zahlungs-
dienstleister zwischen dem 14. Mai 2009 und dem 6. Dezember 2010 insge-
samt 22.699 Abbuchungen. Es kam zu 12.465 Rücklastschriften. Die übrigen
Abbuchungen bezogen sich auf 2.717 Personen und führten beim Dienstleister
zu einem Zahlungseingang in Höhe von 501.466
€, von denen 362.646,29 € an
die Angeklagten weitergeleitet wurden. Ob die Angeklagten bereits zum Zeit-
punkt der telefonischen Vertragsschlüsse beabsichtigt hatten, die von ihnen
übernommene Verpflichtung nicht zu erfüllen, oder ob sie diesen Entschluss
erst danach fassten, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht.
II. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Computerbetru-
ges nicht.
Das Landgericht hat weder zu den Inhalten der Telefonate, mittels derer
Kunden für das Gewinnspieleintragungsprodukt gewonnen wurden, noch zu der
Form des vom Zahlungsdienstleister genutzten Lastschriftverfahrens - zum
Tatzeitpunkt
Einzugsermächtigungsverfahren
oder
Abbuchungsauftrags-
verfahren
(zu
der
jeweiligen
Ausgestaltung
Ellenberger
in
Schi-
mansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 56 Rn. 43 ff., § 58) -
konkrete Feststellungen getroffen. Dann aber ist nicht ausgeschlossen, wenn
nicht sogar naheliegend, dass die Kunden den Angeklagten ihre Kontodaten
übermittelten sowie eine Einzugsermächtigung erteilten und der Zahlungs-
dienstleister im Einzugsermächtigungsverfahren Forderungen einzog, zu deren
Geltendmachung die Angeklagten allein wegen Verletzung ihrer Vorleistungs-
pflicht nicht berechtigt waren. Bei dieser Konstellation ist aber keine der in
§ 263a Abs. 1 StGB aufgeführten Tatvarianten erfüllt.
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1. Wegen der Erteilung der Einzugsermächtigung geschah die Verwen-
dung des entsprechenden Lastschriftverfahrens nicht unter Gebrauch unrichti-
ger Daten (sogenannte Inputmanipulation, § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB). Der
Senat kann deshalb offenlassen, ob er der Auffassung des 1. Strafsenats fol-
gen könnte, wonach in der Eingabe einer Ziffer zur Bestimmung des anzuwen-
denden Lastschriftverfahrens regelmäßig eine Erklärung über die Tatsache der
Ermächtigung hierzu liege (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR
416/12, BGHSt 58, 119, 126; insoweit zustimmend: Heghmanns, ZJS 2013,
423, 425; MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 263a Rn. 28), oder ob es
sich insoweit lediglich um einen Steuerungscode handelt, der als solcher weder
richtig noch unrichtig sein kann (so Schuhr, JR 2013, 579).
2. Es fehlt aber auch an der unbefugten Verwendung von Daten (§ 263a
Abs. 1 Var. 4 StGB), wenn zum einen der Zahlungsdienstleister von der
Inkassostelle grundsätzlich zur Durchführung des Einzugsermächtigungsverfah-
rens zugelassen wurde und zum anderen die Kunden ihre Kontodaten freiwillig
preisgegeben haben. Insoweit besteht kein Unterschied zu den Fallgestaltun-
gen, in denen eine EC-Karte durch ihren Inhaber vertragswidrig (vgl. BGH, Be-
schluss vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162 ff. unter
Hinweis auf § 266b StGB) oder eine vom Berechtigten einem Dritten überlas-
sene EC-Karte absprachewidrig eingesetzt wird (vgl. BGH, Beschluss vom
17. Dezember 2002 - 1 StR 412/02, BGHR StGB § 263a Anwendungsbe-
reich 1).
3. Da auch die sonstigen Varianten der unrichtigen Gestaltung des Pro-
gramms (§ 263a Abs. 1 Var. 1 StGB), der Verwendung unvollständiger Daten
(§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB) bzw. der unbefugten Einwirkung auf den Ablauf
(§ 263a Abs. 1 Var. 5 StGB) ersichtlich nicht vorliegen, ist das Urteil insoweit
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aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt schon wegen
der Unvollständigkeit der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht (vgl.
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 354 Rn. 3, 15). Die teilweise Aufhe-
bung des Schuldspruchs und der damit verbundene Wegfall der in diesem Fall
verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs
nach sich. Da der zur Aufhebung führende Rechtsfehler in der unrichtigen An-
wendung eines Strafgesetzes liegt, die auch den Nichtrevidenten betrifft, ist sie
gemäß § 357 Satz 1 StPO auf diesen zu erstrecken.
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Das Landgericht hat sich an der Feststellung einer Täuschung durch die
Angeklagten über die eigene Leistungswilligkeit zum Zeitpunkt der Telefonak-
quise aufgrund deren Einlassungen gehindert gesehen, wonach sie ursprüng-
lich die Gewinnspieleintragungen hätten durchführen wollen und hierfür auch
schon Unternehmen in Betracht gezogen (so der Nichtrevident) und auch kon-
taktiert (so der Revisionsführer) hätten. Letztlich sei dies aber an den finanziel-
len Möglichkeiten gescheitert (so der Nichtrevident). Dies greift in mehrfacher
Hinsicht zu kurz.
Zum einen läge selbst bei Zugrundelegung dieser Einlassungen bereits
eine Täuschung über die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende
Unsicherheit der Leistungsfähigkeit vor. Für eine Entscheidung darüber, ob die-
se kausal für nachfolgende schädigende Vermögensverfügungen geworden ist,
hätte es weiterer Feststellungen bedurft. Zum anderen ist ein Gericht aufgrund
des Zweifelssatzes nicht gehalten, Einlassungen der Angeklagten, für deren
Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, ohne Weiteres als unwi-
derlegt hinzunehmen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Bewei-
se gibt. Vielmehr muss die Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit
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einer Behauptung aufgrund des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme
gewonnen werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juli 1980 - 4 StR
303/80, NJW 1980, 2423, 2424). Insoweit hätte sich das Landgericht damit
auseinandersetzen müssen, inwieweit sich die geltend gemachte anfängliche
Leistungswilligkeit überhaupt in das enge Zeitfenster des Tatablaufs einfügen
lässt. Das Landgericht hat insoweit unberücksichtigt gelassen, dass die Ange-
klagten spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Zahlungs-
dienstleister ihre ursprüngliche Leistungswilligkeit aufgaben. Zwischen diesem
und dem vorangegangenen Entschluss zum Vertrieb des Gewinnspieleintra-
gungsprodukts lagen indes weniger als zwei Monate. Innerhalb dieser kurzen
Zeitspanne müssten die Angeklagten ihrer Einlassung entsprechend wegen
des plötzlichen Eintritts finanzieller Leistungsunfähigkeit dem Sinneswandel
unterlegen sein, nachdem sie zuvor noch mit dem einen oder anderen Drittun-
ternehmen Kontakt aufgenommen hatten bzw. hatten aufnehmen wollen.
Schließlich erscheint es angesichts der Vielzahl der Lastschrifteinzüge und der
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langen Spanne ihrer Einreichung zwischen Mai 2009 und Dezember 2010 eher
fernliegend, dass sämtliche Verträge mit Kunden innerhalb dieser zwei Monate
abgeschlossen wurden. Dann aber täuschten die Angeklagten jedenfalls hin-
sichtlich der ab Mai 2009 geschlossenen Verträge von Anfang an über ihre
Leistungswilligkeit.
Becker
RiBGH Dr. Schäfer befindet sich
Mayer
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.
Becker
Gericke
Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker