Urteil des BGH vom 01.02.2011

Karte, Beihilfe, Zusage, Tresor, Strafbarkeit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 432/10
vom
1. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchten schweren Bandendiebstahls u.a.
zu 2.: schweren Bandendiebstahls u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerde-
führer und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
1. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Lüneburg vom 14. Juli 2010, soweit es sie betrifft, mit
den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch
aa) hinsichtlich des Angeklagten S. , soweit er im Fall
II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren
Bandendiebstahls und im Fall II. 4. der Urteilsgründe
wegen Computerbetruges in drei Fällen verurteilt wor-
den ist;
bb) hinsichtlich des Angeklagten Sch. , soweit er im Fall
II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren
Bandendiebstahls und im Fall II. 3. der Urteilsgründe
wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist;
b) jeweils im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmit-
tel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten S. wegen versuchten
schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, Computerbetruges in drei Fällen
sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung dreier Urteile des Amts-
gerichts Lüneburg eine Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten ver-
hängt. Gegen den Angeklagten Sch. hat es wegen schweren Bandendieb-
stahls sowie versuchten schweren Bandendiebstahls jeweils in zwei Fällen auf
eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und deren Voll-
streckung zur Bewährung ausgesetzt.
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Mit ihren Revisionen rügen die Beschwerdeführer der Sache nach allein
die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Be-
schlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Schuldspruch gegen den Angeklagten S. hält in den Fällen
II. 1. und 4., derjenige gegen den Angeklagten Sch. in den Fällen II. 1. und
3. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten
S. und Sch. mit den gesondert Verfolgten N. und H. Ende
2009 / Anfang 2010 überein, ihre Einkommenssituation durch eine Vielzahl im
Einzelnen noch unbestimmter Diebstähle dauerhaft zu verbessern. Die Taten
sollten entsprechend ihren Fähigkeiten arbeitsteilig und unter wechselnder Mit-
wirkung der einzelnen Gruppenmitglieder sowie gegebenenfalls auch unter Be-
teiligung weiterer vertrauenswürdiger Personen begangen werden. Die Gruppe
ging übereinstimmend davon aus, dass der Angeklagte Sch. als einziger
von ihnen in der Lage war, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers ("Flex") zu
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öffnen, um so deren Inhalt zu erbeuten. Die Entscheidung über das "Wann" und
"Wo" eines Einbruchs trafen N. und H. . Widersprüche aus der Grup-
pe setzten sich nicht durch; insbesondere gelegentliche Vorschläge des Ange-
klagten S. zu möglichen Tatobjekten wurden abgelehnt.
a) "Vor diesem Hintergrund" begaben sich die Angeklagten S. und
Sch. im Fall II. 1. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in ein Geschäft, um
dort einzubrechen und möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu
erlangen, wobei die erhoffte Beute in etwa hälftig geteilt werden sollte. Die Tat
blieb ohne Erfolg; aufgrund der Störung durch einen Zeugen flüchteten die An-
geklagten ohne Beute.
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b) Im Fall II. 3. begaben sich N. und H. zu einer Grundschule,
um dort möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen. Für
den Fall, dass sich in der Schule ein Tresor befinden sollte, wollten sie auf die
Hilfe des Angeklagten Sch. zurückgreifen, "der sich schon vor der Tat gene-
rell dazu bereit erklärt hatte, bei Einbruchsdiebstählen vorgefundene Tresore
mit einer Flex aufzuschneiden".
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N. und H. hebelten die Nebentür der Grundschule auf, bra-
chen mehrere Türen innerhalb des Gebäudes auf und hebelten schließlich ei-
nen Tresorwürfel aus der Wand. Den Tresor verbrachten sie in die Kellerräume
eines in einer anderen Stadt gelegenen Restaurants, in welchem der Angeklag-
te Sch. zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis hatte. Sodann baten
N. und H. den Angeklagten Sch. telefonisch, in das Restaurant
zu kommen und den Tresor zu öffnen. Entsprechend seiner zuvor gegebenen
Zusage begab sich der Angeklagte Sch. in die Räumlichkeiten und flexte
den Tresor auf. N. und H. entnahmen den Inhalt (u.a. ca. 280 € Bar-
geld und "eine EC-Karte" nebst dazugehöriger PIN), um ihn für sich zu behalten
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bzw. wirtschaftlich zu verwerten. Der Angeklagte Sch. erhielt für seine Tä-
tigkeit einen Anteil an der Beute in Höhe von 100 €.
c) Nach den Feststellungen zu Fall II. 4. verschafften sich der Angeklagte
S. und N. gemeinsam mit Hilfe der im Fall II. 3. in der Grundschule
"erbeutenen EC-Karten" Bargeld, indem sie unter Verwendung "der EC-Karten
und der ebenfalls erbeuteten PIN" von dem Konto der Schule am 1. Februar
2010 um 18:24 Uhr 500 € an einem Geldautomaten in einem Café in Hamburg
und um 18:33 Uhr 200 € sowie um 18:43 Uhr weitere 100 € jeweils an demsel-
ben Geldautomaten eines Spielcenters in Hamburg abhoben. Dabei war dem
Angeklagten S. und dem gesondert Verfolgten N. bewusst, dass die
"eingesetzten EC-Karten" aus dem Einbruch in die Grundschule stammten. Sie
gingen mit wechselnden Rollen dergestalt arbeitsteilig vor, dass einer von ihnen
"die Karte" in den Automaten einführte und der andere ihm die PIN sagte oder
diese in den Automaten eingab.
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2. Die Feststellungen im Fall II. 1. tragen den Schuldspruch der Ange-
klagten S. und Sch. wegen versuchten schweren Bandendiebstahls
gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt., §§ 22, 23 Abs. 1 StGB nicht. Allein der Umstand,
dass sich beide Angeklagten schon vor dieser gemeinsam begangenen Tat mit
den gesondert Verfolgten N. und H. zu einer Bande mit dem Zweck
der Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammengeschlossen hatten, führt
nicht ohne weiteres dazu, dass alle nachfolgenden Einbruchstaten eines Ban-
denmitglieds als bandenmäßig begangen einzustufen sind; dies gilt auch dann,
wenn an der jeweiligen Tat ein weiteres Bandenmitglied beteiligt war. Zwar
kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte
Diebstahlstat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen
einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbege-
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hung eingebunden sein (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05,
NStZ 2006, 342). Voraussetzung für die Annahme einer Bandentat nach § 244
Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB ist neben der Mitwirkung eines weiteren Ban-
denmitglieds aber, dass die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht
losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der unmittelbar an dem
Diebstahl beteiligten Bandenmitglieder ausgeführt wird (BGH aaO). Ein solcher
konkreter Bezug der Tat im Fall II. 1. zu der vorangegangenen Bandenabrede
lässt sich - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - den Feststel-
lungen nicht entnehmen. Insbesondere bleibt offen, ob N. oder H.
das Tatobjekt festgelegt hatten.
3. Die im Fall II. 3. getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Verurtei-
lung des Angeklagten Sch. wegen schweren Bandendiebstahls gemäß
§ 244a Abs. 1 1. Alt. StGB nicht.
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a) Die allgemeine, im Rahmen der Bandenabrede erteilte Zusage des
Angeklagten Sch. , bei Einbruchsdiebstählen erbeutete Tresore zu öffnen,
begründet nicht ohne weiteres seine Beteiligung an der ausgeführten Banden-
tat. Denn die Bandenabrede lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteili-
gung unberührt, mithin sind Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandenta-
ten unabhängig voneinander zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 -
3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267).
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Denkbar ist aufgrund der im Vorfeld getätigten allgemeinen Unterstüt-
zungszusage zunächst eine Strafbarkeit wegen (psychischer) Beihilfe, sofern
das Versprechen des Angeklagten Sch. , Tresore zu öffnen, die tatausfüh-
renden gesondert Verfolgten N. und H. psychisch in ihrem Einbruchs-
vorhaben bestärkte, die Tathandlung oder den Erfolgseintritt mindestens er-
leichterte oder förderte und die subjektiven Voraussetzungen der Beihilfe bei
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dem Angeklagten Sch. vorlagen. Im Einzelfall können rein psychische Un-
terstützungshandlungen allerdings auch einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag
begründen (BGH, Urteil vom 10. März 1961 - 4 StR 30/61, BGHSt 16, 12).
Ob die allgemeine Zusage des Tresoröffnens vorliegend die Vorausset-
zungen der Beihilfe oder sogar der Mittäterschaft erfüllt, kann der Senat man-
gels entsprechender Feststellungen in subjektiver Hinsicht nicht prüfen. Weder
die Darlegung des Landgerichts, die Bandenmitglieder seien übereinstimmend
davon ausgegangen, dass der Angeklagte Sch. als einziger von ihnen in der
Lage sei, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers zu öffnen, noch die Wiederga-
be der Vermutung des Angeklagten Sch. , warum nur er Tresore öffnen soll-
te, lässt einen Schluss auf die innere Vorstellung der Beteiligten zu. Nach den
Urteilsgründen ist es auch möglich, dass sich der Angeklagte Sch. im Fall II.
3. durch seine allgemeine Zusage nicht einmal der Beihilfe schuldig gemacht
hat.
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b) Das Landgericht hat bei der Prüfung der Strafbarkeit des Angeklagten
Sch. im Wesentlichen auf seine vor Ort erbrachte Leistung abgestellt und
den tatsächlichen Beitrag in Form des Tresoröffnens als Anknüpfungspunkt für
die mittäterschaftliche Begehungsweise zugrunde gelegt, ohne dies näher aus-
zuführen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass der Diebstahl des Tresors
schon zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte Sch. von den gesondert Ver-
folgten N. und H. angerufen wurde, mithin bevor er überhaupt eine
Tätigkeit entfaltete, beendet war, so dass er sich allein durch das Öffnen des
Tresors an der Tat weder in Form der Beihilfe noch der sukzessiven Mittäter-
schaft beteiligen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2007 - 3 StR
384/07, NStZ 2008, 152; Beschluss vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02, NStZ
2003, 32; Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 128/98, NStZ-RR 1999, 208).
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Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den ent-
wendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und
gesichert hat (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, NStZ 2001,
88, 89). Dies war hier schon vor dem Anruf bei dem Angeklagten Sch. der
Fall. Aufgrund des Abtransports des Tresors aus der Schule in die Kellerräume
des Restaurants befand sich das Diebesgut nicht mehr im unmittelbaren Herr-
schaftsbereich des Berechtigten, vielmehr hatten die gesondert Verfolgten
N. und H. ihm diesen bereits entzogen. Die neue Sachherrschaft
war bereits gefestigt. Der Umstand, dass es ihnen auf den Inhalt des Tresors
ankam und sie hierfür die Hilfe des Angeklagten Sch. in Anspruch nahmen,
ändert nichts daran, dass sie das noch vom Behältnis umschlossene Diebesgut
bereits aus dem Einwirkungsbereich des Berechtigten entfernt hatten.
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Auf Basis der bisherigen Feststellungen wäre daher eine Strafbarkeit
wegen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen. Da
§ 257 Abs. 3 Satz 1 StGB den an der Vortat Beteiligten indes von einer Straf-
barkeit wegen Begünstigung ausnimmt, ist jedoch vorrangig eine mögliche Be-
teiligung des Angeklagten Sch. an der Vortat aufgrund seiner zugesagten
Unterstützungshandlung (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 257 Rn. 12; LK-Walter,
12. Aufl., § 257 Rn. 101 f. mwN) - wie oben unter a) erörtert - zu prüfen.
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4. Hinsichtlich des Angeklagten S. belegen die Urteilsgründe nicht,
dass dieser sich im Fall II. 4. des Computerbetruges (§ 263a Abs. 1 StGB) in
drei Fällen schuldig gemacht hat.
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Die Feststellungen des Landgerichts zu der Anzahl der zuvor im Fall II. 3.
erbeuteten und sodann anschließend im Fall II. 4. eingesetzten EC-Karte(n)
sind widersprüchlich. Der Senat vermag angesichts der wiederholten, zum ei-
nen auf eine Karte, zum anderen auf mehrere Karten hindeutenden Formulie-
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rungen entgegen dem Generalbundesanwalt auch keinen eindeutigen Schreib-
fehler dahin erkennen, dass - entsprechend den Feststellungen im Fall II. 3. -
tatsächlich nur eine EC-Karte erbeutet und allein diese sodann auch an den
Geldautomaten eingesetzt wurde.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurtei-
lung der drei Abhebungen als nicht tragfähig. Denn falls der Angeklagte S.
zusammen mit dem gesondert Verfolgten N. mit nur einer EC-Karte
innerhalb kurzer Zeit Geld einmal am Automaten in dem Café und zweimal am
Automaten im Spielcenter abgehoben haben sollte, stellen sich die einzelnen
Zugriffe an ein und demselben Geldautomaten im Spielcenter nicht als selb-
ständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a Abs. 1
StGB im materiell-rechtlichen Sinne dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. De-
zember 2007 - 2 StR 457/07; vom 21. November 2002 - 4 StR 448/02; vom
10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, insoweit in NStZ 2001, 595 nicht abgedruckt). Mit-
hin läge Computerbetrug lediglich in zwei Fällen vor.
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5. Nach alledem ist das angefochtene Urteil in dem aus der Beschluss-
formel ersichtlichen Umfang mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzu-
heben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entschei-
dung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer