Urteil des BGH vom 08.12.2015

Eigenkonsum, Haschisch, Anteil, Eigenverbrauch

ECLI:DE:BGH:2015:081215B3STR384.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 384/15
vom
8. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Bad Kreuznach vom 11. Mai 2015 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von
Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten
verurteilt und den erweiterten Verfa
ll des sichergestellten Betrages von 590 €
angeordnet. Dagegen wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen
Rechts gestützte Revision des Beschwerdeführers. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer bewahrte der Angeklagte
in einer Kommode im Wohn-/Schlafzimmer seines Ein-Zimmer-Appartements
308,5 Gramm Haschisch auf, die insgesamt einen Wirkstoffgehalt von 19,86
Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) aufwiesen. Eine Teilmenge der Betäu-
bungsmittel mit einer Wirkstoffmenge von höchstens 7,49 Gramm THC sei zum
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Eigenkonsum bestimmt gewesen, der Rest - und damit der überwiegende An-
teil - hingegen zum gewinnbringenden Weiterverkauf. In der gleichen Kommode
befand sich eine Feinwaage sowie ein Kulturbeutel mit Einwegspritzen und
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€ in "szenetypischer Stückelung" (zwei Geldscheine à 100 €, sieben Geld-
scheine à 50 € und zwei Geldscheine à 20 €). Griffbereit lagen in der Wohnung
zwei Teleskopschlagstöcke und auf dem Kleiderschrank eine Armbrust mit Ziel-
fernrohr und Pfeilen.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung geschwiegen. Seiner An-
gabe gegenüber dem ihn untersuchenden Sachverständigen anlässlich des
Explorationsgesprächs, er habe die Betäubungsmittel insgesamt zum Eigen-
konsum vorrätig gehalten, ist das Landgericht nicht gefolgt. Es sei zwar davon
auszugehen, dass er selbst Haschisch konsumiere, aber nicht in dem von ihm
angegebenen Umfang von 3 bis 5 Gramm täglich. Zu Gunsten des Angeklagten
hat die Strafkammer nach dem Zweifelssatz den zum Eigenkonsum bestimm-
ten Anteil auf eine Haschischmenge mit einem Wirkstoffgehalt von 7,49 Gramm
THC geschätzt.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Bestimmung der einer-
seits auf den Eigenkonsum, andererseits auf den Betäubungsmittelhandel ent-
fallenden Haschischmengen erweist sich als rechtsfehlerhaft, denn sie verletzt
den Grundsatz "in dubio pro reo": Nach dieser Entscheidungsregel hat das Tat-
gericht, wenn es nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht die volle Überzeu-
gung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Strafausspruch entscheidungs-
erheblichen Tatsache gewonnen hat, zugunsten des Angeklagten die für ihn
günstigste von mehreren in Betracht kommenden Varianten seiner Entschei-
dung zugrunde zu legen (KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 56 mwN).
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Indem das Landgericht die zum Eigenbedarf vorrätig gehaltene Betäu-
bungsmittelmenge auf eine solche mit einem Wirkstoffgehalt von höchstens
7,49 Gramm THC geschätzt hat, hat es bei unklarer Sachlage seiner Entschei-
dung nicht die für den Angeklagten günstigste Sachverhaltsvariante angenom-
men. Zwar führt diese Bestimmung des Eigenkonsumanteils dazu, dass der
Angeklagte nicht auch gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Var. 4 BtMG wegen Besitzes
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu verurteilen war; dadurch
verbleibt aber zugleich ein größerer Anteil der Gesamtmenge, der für den ge-
winnbringenden Verkauf bestimmt war. Dies ist für den Angeklagten vorliegend
in hohem Maße ungünstig, weil an das Merkmal des Handels mit Betäubungs-
mitteln in nicht geringer Menge der Tatbestand des bewaffneten Handeltrei-
bens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG anknüpft, der zu der deutlich erhöhten
Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe führt.
Es kann hier auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Ange-
klagte in jedem Fall eine nicht geringe Menge der Betäubungsmittel zum Han-
deltreiben vorrätig hielt, denn nach den Feststellungen hatte das bei ihm
sichergestellte Haschisch unterschiedliche Wirkstoffgehalte: Ein Teil wies ledig-
lich 4,6 % Wirkstoffgehalt auf; eine Teilmenge der Betäubungsmittel mit dieser
Qualität hätte bei der für den Eigenverbrauch unterstellten Wirkstoffmenge von
7,49 Gramm ein Gesamtgewicht von ca. 163 Gramm gehabt. Die Strafkammer
hat es damit theoretisch für möglich gehalten, dass der Angeklagte eine solche
Menge Haschisch für den Eigenverbrauch vorrätig hielt. Diese Menge mit der
anderen gemessenen Wirkstoffkonzentration von 7,7 % THC hätte einen Wirk-
stoffanteil von 12,53 Gramm THC ergeben; dann wären indes nur 7,33 Gramm
THC und damit gerade keine nicht geringe Menge der Betäubungsmittel zum
gewinnbringenden Verkauf übrig geblieben.
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3. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass die An-
nahme des Landgerichts, bei dem Angeklagten sei Geld in "szenetypischer
Stückelung" aufgefunden worden, angesichts der konkret mitgeteilten Auftei-
lung der Geldscheine, die - gerichtsbekanntermaßen - so auch bei der Abhe-
bung eines entsprechenden Geldbetrags aus einem Geldautomat ausgegeben
worden sein könnten, einer nachvollziehbaren Grundlage entbehrt; jedenfalls
ergibt sich aus der vorgefundenen Stückelung kein belastbares Indiz dafür,
dass das Geld aus Drogengeschäften stamme.
Becker Hubert Mayer
Gericke Spaniol
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