Urteil des BGH vom 16.09.2014

Diebstahl, Gewahrsam, Mittäterschaft, Wegnahme, Besitz

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 3 7 3 / 1 4
vom
16. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 16. September 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 26. März 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Fest-
stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räu-
berischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der
Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Rüge
der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Er-
folg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernten der Angeklagte und
die Nichtrevidentin in den frühen Morgenstunden des 14. April 2012 den später
geschädigten J. kennen und konsumierten gemeinsam in dessen Woh-
nung Alkohol, möglicherweise auch Amphetamin. Während einer kurzen Ab-
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wesenheit des Gastgebers fassten sie aufgrund einer entsprechenden Idee der
Nichtrevidentin gemeinsam den Entschluss, diesem dessen Notebook zu ent-
wenden. Die Nichtrevidentin wollte das Gerät als Ersatz für ihren eigenen, de-
fekten Computer nutzen. Sie nahm das Notebook an sich und steckte es samt
Ladekabeln in einen Jute-Beutel. Als sie und der Angeklagte die Wohnung des
Geschädigten verlassen wollten, stellte dieser sie im Wohnungsflur und näherte
sich der Nichtrevidentin, um dieser den Computer wieder abzunehmen. Um
"den einmal erlangten Gewahrsam" an dem Notebook nicht wieder zu verlieren,
entschloss sich der Angeklagte, die erstrebte Rückerlangung des Notebooks
durch Anwendung körperlicher Gewalt zu verhindern. Hierzu versetzte der An-
geklagte dem Geschädigten in der Folgezeit mehrere Faustschläge und brach-
te ihn wiederholt zu Boden, wobei sich der Ort des Geschehens verlagerte, da
der Geschädigte der Nichtrevidentin, die ihrerseits mehrfach auf ihn einschlug,
und dem Angeklagten immer wieder nacheilte. Zuletzt versetzte dieser dem
Geschädigten ohne Wissen der Nichtrevidentin mehrere Schläge mit einem Ast
gegen Körper und Kopf.
2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte als Mit-
täter des besonders schweren räuberischen Diebstahls (§§ 252, 249 Abs. 1,
§ 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht hat.
a) Allerdings hat das Landgericht zu Recht auf § 252 StGB und nicht auf
§ 249 StGB abgestellt. Denn der Diebstahl war zum Zeitpunkt der ersten Ge-
waltanwendung bereits vollendet (hierzu BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010
- 3 StR 180/10, NStZ 2011, 36, 37). Die Wegnahme in Zueignungsabsicht ist
dann vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam
begründet ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist
entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt,
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dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben
und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Ver-
fügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den
Anschauungen des täglichen Lebens. Einen bereits gesicherten Gewahrsam
setzt die Tatvollendung nicht voraus (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - 3 StR
182/08, NStZ 2008, 624, 625 mwN). Hiervon ausgehend genügt es bei handli-
chen und leicht beweglichen Sachen, wenn der Täter diese in seiner Kleidung
oder in einem seinerseits leicht zu transportierenden Behältnis verbirgt. Das
Verlassen des grundsätzlichen Herrschaftsbereichs des Geschädigten ist keine
Voraussetzung für die Vollendung der Wegnahme (BGH, Urteil vom
6. November 1974 - 3 StR 200/74, BGHSt 26, 24, 25 f.). Danach war vorliegend
- wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - der Diebstahl durch das Ein-
stecken des Notebooks in den mitgeführten Jute-Beutel vollendet.
b) Indes kann nach allgemeiner Ansicht - bei Unterschieden im Einzel-
nen (umfassend Weigend, GA 2007, 274) - Täter des § 252 StGB nicht derje-
nige sein, der weder selbst im Besitz der entwendeten Sache ist (vgl. zum Ge-
hilfen BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 250; hierge-
gen LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 252 Rn. 14 ff.), noch am Diebstahl mittäter-
schaftlich beteiligt war. Dies folgt aus der von § 252 StGB verlangten Besitzer-
haltungsabsicht. Der Angeklagte erfüllte indes keine der die Täterschaft be-
gründenden Voraussetzungen. Besitz am Notebook hatte die Nichtrevidentin.
Dieser kann dem Angeklagten nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet
werden. Denn die Annahme des Landgerichts von Mittäterschaft bei Begehung
des Diebstahls wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Einfügung der
Drittzueignungsabsicht durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar
1998 (BGBl. I S. 164) hat zwar den Anwendungsbereich der Mittäterschaft aus-
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gedehnt, die allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen Täterschaft und Teil-
nahme in diesem Bereich jedoch nicht außer Kraft gesetzt. Voraussetzung ist
weiterhin die gemeinsame Beherrschung des Tatgeschehens aufgrund eines
gemeinsamen Tatentschlusses (Weigend aaO, 281). Nach den Feststellungen
fehlte es jedoch an jeglichem Einfluss des Angeklagten auf das Geschehen der
Wegnahme: diese war eine Idee der Nichtrevidentin, die allein handelte und die
allein Nutzen aus der Tat ziehen sollte. Auch der festgestellte, allerdings nicht
weiter erläuterte gemeinsame Tatentschluss vermag vor diesem Hintergrund
Mittäterschaft nicht zu begründen.
3. Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch die in Tat-
einheit zum räuberischen Diebstahl stehende, für sich betrachtet rechtsfehler-
frei festgestellte gefährliche Körperverletzung (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl.,
§ 353 Rn. 12 mwN). Eine Schuldspruchberichtigung kommt nicht in Betracht.
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Der Senat schließt nicht aus, dass in einer weiteren Hauptverhandlung Fest-
stellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen täterschaftli-
cher Beteiligung des Angeklagten an einem räuberischen Diebstahl zu tragen
vermögen.
Becker
Pfister
RiBGH Dr. Schäfer befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Mayer
Gericke