Urteil des BGH vom 03.03.2016

Verfall, Härte, Herbst, Abholung

ECLI:DE:BGH:2016:030316B2STR441.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 441/15
vom
3. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 1 c), 2 und 3 auf dessen An-
trag - am 3. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. R. wird das Urteil
des Landgerichts Aachen vom 21. Mai 2015, soweit es diesen
Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II.3 und 4 der Urteilsgründe
b) im Gesamtstrafenausspruch
c) im Ausspruch über den Verfall.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verur-
teilt. Darüber hinaus hat es gegen ihn als Gesamtschuldner mit seinem eben-
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falls verurteilten Bruder D. R. den Verfall von Wertersatz in Höhe von
20.000 Euro angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Ange-
klagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das
Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen kamen der Angeklagte und sein nicht revidie-
render Bruder im Herbst 2012 überein, sich durch den Handel mit Betäubungs-
mitteln eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Während sein Bruder
D. R. vornehmlich für die Beschaffung der Betäubungsmittel zuständig
war und die Preisverhandlungen mit den Abnehmern führte, lieferte der Ange-
klagte - zum Teil gemeinsam mit seinem Bruder - die Betäubungsmittel an die
Abnehmer aus und ließ sich im Zuge dessen gelegentlich auch das vereinbarte
Geld aushändigen. So entwickelte sich zwischen dem Abnehmer Re. und
den Brüdern R. eine Geschäftsbeziehung dergestalt, dass dieser telefonisch
eine bestimmte Menge an Drogen bestellte, die er dann entweder persönlich
abholte oder sich von den Angeklagten bzw. einem Kurier bringen ließ. Im Zeit-
raum Herbst 2012 bis April 2014 kam es zu mindestens sieben Drogenkäufen
Re. 's bei den Angeklagten, wobei es sich um Einzelmengen zwischen ein
und zehn Kilogramm Amphetamin, in einem Fall zusätzlich um ein Kilogramm
Marihuana handelte (Fälle 1-7 der Urteilsgründe).
Am 9. Juli 2014 kam es zu einem letzten Drogenkauf von 7,8 kg des Ab-
nehmers Re. bei D. R. (Fall 8 der Urteilsgründe).
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II.
1. Die Verurteilung des Angeklagten M. R. wegen Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 3 und 4 der
Urteilsgründe hat keinen Bestand.
Während in den Fällen 1, 2, 5, 6 und 7 jeweils eine konkrete Beteiligung
des Angeklagten entweder bei Lieferung der Betäubungsmittel oder Abholung
des Kaufgelds festgestellt ist, fehlt es in den Fällen drei und vier an entspre-
chenden Feststellungen. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass es
sich insoweit - wie offensichtlich auch in dem dem Angeklagten nicht zur Last
gelegten Fall 8 der Urteilsgründe - um Betäubungsmittelgeschäfte nur seines
Bruders D. R. handelte. Die Aufhebung der Verurteilung in diesen bei-
den Fällen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
2. Auch der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz hält sachlich-
rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
"Die Strafkammer hat mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnis-
se der Angeklagten in Anwendung der Härtevorschrift des § 73c
Abs. 1 StGB den Verfall von Wertersatz in Höhe von 20.000
€ an-
geordnet. Abgesehen davon, dass das Landgericht bei Anwen-
dung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB für jeden
der Tatbeteiligten individuelle Feststellungen zu treffen und diese
zu gewichten hatte (BGHR StGB § 73c Härte 17; Fischer StGB
62. Auflage § 73c Rn. 3), hat es übersehen, dass wegen des sys-
tematischen Verhältnisses der beiden Anwendungsfälle des § 73c
Abs. 1 StGB - unbillige Härte § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB - Wegfall
der Bereicherung § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB - zunächst das Vorlie-
gen der Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen
ist (BGH StV 2013, 630). Nach dieser Vorschrift kann eine Ver-
fallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen
Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermö-
gen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind (BGHSt 33, 37,
39). Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte
'aus der Tat' erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert sei-
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nes noch vorhandenen Vermögens gegenüber zu stellen (BGH
NStZ 2010, 86f.). Wenn hiernach auch ein Gegenwert des Erlang-
ten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann
der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen. Tatrichterli-
che Feststellungen dazu, was der Angeklagte aus den Taten er-
langt hat bzw. zum Wert des vorhandenen Vermögens des Ange-
klagten fehlen. Allein aus dem Umstand, dass der Angeklagte
nach seiner Erkrankung fortan 300
€ monatlich aus öffentlichen
Kassen erhält (UA S. 13) lässt sich nicht ohne weiteres sicher her-
leiten, dass der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen
nicht mehr vorhanden ist. Da in diesem Fall nicht auszuschließen
ist, dass aufgrund einer zureichenden Beurteilungsgrundlage auf
einen geringeren Verfallsbetrag erkannt worden wäre, kann die
getroffene Anordnung schon deshalb keinen Bestand haben."
Dem schließt sich der Senat an.
Appl Krehl Eschelbach
Ott Bartel
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