Urteil des BGH vom 08.02.2012

Präsidium, Sicherungsverwahrung, Gewalt, Gefahr, Verfassungsbeschwerde

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 346/11
vom
8. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Land-
gerichts Gera vom 4. April 2011 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des
Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Miss-
brauchs von Kindern in fünf Fällen in Tatmehrheit mit Verbreitung kinderporno-
graphischer Schriften in 113 Fällen in Tatmehrheit mit Besitzverschaffung kin-
derpornographischer Schriften in 44 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren verurteilt. Gleichzeitig hat es von der Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung abgesehen. Die auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Verletzung materiellen
Rechts gestützt ist, bleibt ohne Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte mit Ur-
teil des Landgerichts Gera vom 15. November 2007 wegen sexuellen Miss-
brauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuel-
ler Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Mona-
ten verurteilt worden. Dieser Verurteilung lagen sexuelle Übergriffe auf zwei
sieben- bzw. dreizehnjährige Jungen zugrunde, an deren Geschlechtsteil der
Angeklagte manipuliert hatte. In einem der Fälle hatte sich der Angeklagte auf
einen der Jungen gelegt, dessen Arme festgehalten und es so erreicht, ihn zu
küssen.
Nach der Haftentlassung in dieser Sache im November 2009 wandte sich
der Angeklagte auf Veranlassung eines früheren Mitgefangenen an dessen
ehemalige Lebensgefährtin, um die er sich kümmern sollte. Mit ihr hatte der
Mitgefangene eine gemeinsame fast volljährige Tochter, die ebenso wie der
damals zwölfjährige Nebenkläger, der aus einer anderen Beziehung der Frau
stammte, in deren Haushalt lebte. Dem Angeklagten war es im Rahmen der
Entscheidung zur Führungsaufsicht zwar untersagt, mit Kindern zu verkehren.
Gleichwohl ließ er sich nicht davon abhalten, Kontakt zur Familie des ehemali-
gen Mitgefangenen aufzubauen und derart zu intensivieren, dass er für den
Sohn der Frau bald eine Art Ersatzvater darstellte. Bereits nach kurzer Zeit
übernachtete der Angeklagte im Hause der Familie, wobei er grundsätzlich auf
einer Matratze im Zimmer des Jungen, gelegentlich aber auch neben ihm in
dessen Bett schlief.
Anlässlich einer solchen Gelegenheit griff der Angeklagte, der wusste,
dass der Nebenkläger noch keine vierzehn Jahre alt war, zu einem nicht mehr
genau feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls vor Weihnachten des Jahres 2009, an
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dessen Penis und manipulierte daran (Fall 1). Dies wiederholte er bis zur Auf-
nahme des Jungen in ein Kinderheim am 17. Februar 2010 bei mindestens vier
weiteren Gelegenheiten (Fälle 2-5).
Im Zeitraum vom 19. Dezember 2009 bis zum 3. Januar 2010 nutzte der
Angeklagte einen Laptop, den er dem Nebenkläger geschenkt hatte, um über
einen Chatraum Bild- und Videodateien zu verschicken bzw. zu erlangen, die
pornographische Darstellungen sexueller Handlungen von oder an Personen
wiedergaben, die tatsächlich oder nach ihrem Erscheinungsbild unter 14 Jahre
alt waren. Er versandte insgesamt 113 und verschaffte sich 44 solcher Dateien.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellem Miss-
brauchs gemäß § 176a Abs. 1 StGB in fünf Fällen zu Freiheitsstrafen von zwei
Jahren und sechs Monaten (Fall 1) und viermal jeweils zwei Jahren (Fälle 2-5),
wegen Verbreitens kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 1 Nr. 1
StGB in 113 Fällen zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten und wegen
Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4
StGB in 44 Fällen zu Geldstrafen von 60 Tagessätzen zu 1
€ verurteilt und eine
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren gebildet.
Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen, weil
der Angeklagte nicht im Sinne des § 66 Abs. 1 Ziff. 4 StGB infolge eines Han-
ges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer
seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden, für die Allgemeinheit ge-
fährlich sei. Es spreche aus Sicht der Kammer nichts dafür, der Angeklagte
werde künftig pädophile Delikte unter Einsatz von Gewalt begehen.
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Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet die Höhe der Einzel-
strafen und der Gesamtstrafe. Außerdem rügt sie, dass das Landgericht fehler-
haft von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen habe.
2. Der Senat hatte die Revisionshauptverhandlung mit Beschluss vom
11. Januar 2012 ausgesetzt. Dies beruhte auf der Ansicht des Senats, er sei in
der Person des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann
nicht ordnungsgemäß besetzt, weil dieser seit 1. Januar 2012 zugleich ge-
schäftsplanmäßiger Vorsitzender des 4. Strafsenats ist. Der Senat hat daher
dem Präsidium des Bundesgerichtshofs Gelegenheit gegeben, durch eine Än-
derung der Geschäftsverteilung Abhilfe zu schaffen. Mitglied des Präsidiums ist
auch der Vorsitzende des 2. und 4. Strafsenats.
Das Präsidium des Bundesgerichtshofs, dem die Entscheidung des Se-
nats in vollem Wortlaut vorlag, hat mit nicht begründetem Beschluss vom
18. Januar 2012 einstimmig entschieden, dass an dem Beschluss vom
15. Dezember 2011, mit dem VRiBGH Dr. Ernemann der Vorsitz des 2. und
zugleich des 4. Strafsenats übertragen worden ist, festgehalten wird.
Nach der Beschlussfassung hat das Präsidium drei Richter des Senats,
die an der Entscheidung vom 11. Januar 2012 beteiligt waren, jeweils einzeln
angehört; von der Anhörung der weiteren Richter wurde abgesehen. Gegen-
stand der Befragungen war unter anderem, wie der Senat, aber auch der ein-
zelne Richter mit der mitgeteilten Entscheidung des Präsidiums umgehen wer-
de.
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II.
Der Senat gibt dem Verfahren Fortgang. Er ist allerdings weiterhin der
Ansicht, dass er nicht ordnungsgemäß besetzt ist. Insoweit gelten die Gründe
aus dem Beschluss vom 11. Januar 2012 unverändert fort.
Der Senat sieht aber nach der Entscheidung des Präsidiums, keine
Maßnahmen zur Änderung des Geschäftsverteilungsplans zu ergreifen, keine
rechtliche Möglichkeit, den Verfahrensbeteiligten in überschaubarer Zeit zu ei-
ner Entscheidung durch ein ordnungsmäßig besetztes Revisionsgericht zu ver-
helfen.
Der Senat hat erwogen, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sa-
che den Großen Senat für Strafsachen anzurufen, hiervon aber letztlich abge-
sehen. Das Präsidium hat seine Entscheidung vom 18. Januar 2012 nicht be-
gründet; daher ist offen geblieben, welche Gründe das Präsidium bewogen ha-
ben, auf Änderungen der Geschäftsverteilung zu verzichten.
Sollte dem die Ansicht zugrunde liegen, Beschlüsse eines gerichtlichen
Präsidiums zur Geschäftsverteilung seien regelmäßig bindend, so dass die
Spruchkörper des Gerichts nicht befugt seien, im fachgerichtlichen Verfahren
die Gesetzmäßigkeit ihrer Besetzung zu prüfen und darüber zu entscheiden,
würde dem der Senat nicht folgen. Diese - möglicherweise aus der Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 1975
– VII C 47.73
(BVerwGE 50, 11) abgeleitete - Ansicht stünde - worauf der Senat in seinem
Beschluss vom 18. Januar 2012 bereits tragend hingewiesen hat - in deutli-
chem Widerspruch zum Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95, wonach jeder Spruchkörper bei auftretenden
Bedenken die Ordnungsmäßigkeit seiner Besetzung von Amts wegen zu prüfen
und darüber zu entscheiden hat (BVerfGE 95, 322, 330; vgl. schon BVerwG,
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Beschluss vom 7. April 1981 - 7 B 80/81, NJW 1982, 900). Wenn man gleich-
wohl annähme, die Spruchkörper des Gerichts seien nicht befugt, die Gesetz-
und Verfassungsmäßigkeit ihrer Besetzung im Rahmen des fachgerichtlichen
Verfahrens auch mit Blick auf den Geschäftsverteilungsplan zu prüfen, wäre für
das Präsidium auch eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen un-
beachtlich.
Andere eigene Möglichkeiten, den Verfahrensbeteiligten entsprechend
der Rechtsansicht des Senats Rechtsschutz durch ein ordnungsgemäß besetz-
tes Gericht zu verschaffen, hat der Senat nicht gesehen.
Bei dieser Sachlage, die sich dem Senat in allen bei ihm anhängigen
Verfahren gleichermaßen stellt, hält er es für geboten, über sämtliche bei ihm
eingelegte Revisionen in der Sache zu entscheiden, auch wenn er sich weiter-
hin nicht für ordnungsgemäß besetzt hält. Maßgebend für diese Entscheidung,
die ungeachtet des Ausgangs der Rechtsmittel zu treffen war, war namentlich
die Erwägung, dem rechtsstaatlichen Beschleunigungsgebot Rechnung zu tra-
gen und in angemessener Zeit zu einer - gegebenenfalls mit der Verfassungs-
beschwerde überprüfbaren - Entscheidung zu gelangen. Die Alternative, die
Sache bis zu einer weiteren Klärung, etwa durch erneute Vorlage an das Präsi-
dium oder bis zum vorläufigen Ende der Doppelbesetzung Ende Juni 2012, ru-
hen zu lassen, würde nicht nur zu einem nicht hinnehmbaren zeitweiligen, par-
tiellen Stillstand der Strafrechtspflege führen. Sie bedeutete zudem eine nicht in
den Verantwortungsbereich der Betroffenen fallende Rechtsschutzverweige-
rung, die mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsschutzgewährung
nicht in Einklang stünde. Dass das Präsidium Rechtsprechung des Senats nicht
umgesetzt hat, darf nicht zu Lasten der Rechtsmittelführer gehen.
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Aus diesem Grund hatte bei dieser besonderen Fallkonstellation die rich-
terliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG partiell zurückzustehen. Da-
nach ist zwar gewährleistet, dass die Richter unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen sind. Im Bereich richterlicher Tätigkeit sind Richter demnach an
keine Weisungen und nur an das Gesetz gebunden. Dies bedeutet Freiheit und
Pflicht jeden Richters zu eigenverantwortlicher Entscheidung im Rahmen von
Gesetz und Recht. Diese Freiheit sieht der Senat im konkreten Fall einge-
schränkt, weil er nach der Entscheidung des Präsidiums gehalten ist, in seiner
Meinung nach verfassungswidriger Besetzung zu entscheiden. Er nimmt es
nach umfassender Abwägung hin, weil er zum einen ausdrücklich auf den Fort-
bestand seiner Rechtsansicht hinweisen kann und den Angeklagten zum ande-
ren mit der Verfassungsbeschwerde eine weitere Rechtsschutzmöglichkeit of-
fen steht.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
1. Soweit sie sich gegen den Strafausspruch richtet, bleibt sie schon aus
dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen
ohne Erfolg. Die insoweit von der Revision vorgebrachten Einwendungen zei-
gen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht auf. Die Höhe der Strafen
selbst ist unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums
nicht zu beanstanden.
2. Die Revision hat aber auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die
Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet. Dabei kann dahin stehen,
ob die Begründung, mit der die Kammer von der Anordnung abgesehen hat, an
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sich rechtlicher Überprüfung standhielte. Denn der Senat schließt unter Beach-
tung der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung der ver-
fassungswidrigen Vorschrift des § 66 StGB aus, dass das Urteil auf einem mög-
lichen Rechtsfehler beruht.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 ist die
Vorschrift des § 66 StGB verfassungswidrig und gilt nur vorläufig bis zur Neure-
gelung durch den Gesetzgeber weiter. Während der Dauer seiner Weitergel-
tung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der
Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfas-
sungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrechtsgrundrecht handelt. Nach der Wei-
tergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts darf die Regelung der
Sicherungsverwahrung nur nach Maßgabe einer "strikten Verhältnismäßigkeits-
prüfung" angewandt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforde-
rungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel
wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gewahrt sein, wenn eine Gefahr
schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Per-
son oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Insoweit gilt in der
Übergangszeit ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer
Verhältnismäßigkeitsmaßstab (Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11;
Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 328/11; BGH, Urteil vom 7. Juli 2011
- 5 StR 192/11; Beschluss vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11).
Unter Beachtung dieses besonderen Maßstabs ist für die Annahme eines
Hangs zur Begehung ausreichend schwerer Straftaten und einer daran anknüp-
fenden Gefährlichkeit des Angeklagten kein Raum.
a) Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten hat das
Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen nur hinsichtlich
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solcher Straftaten angenommen, die im vorliegenden Verfahren abgeurteilt
worden sind (UA S. 46). Die Verbreitung und der Erwerb kinderpornographi-
scher Schriften gemäß § 184b Abs. 1 und 4 StGB (vgl. Senat, Beschluss vom
28. Oktober 2011 - 2 StR 328/11) stellen aber keine ausreichend schwere Se-
xualstraftat im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsge-
richts dar. Dies gilt unter Berücksichtigung der Strafdrohungen auch für den
sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB, mag er auch wie-
derholt begangen sein (§ 176a Abs. 1 StGB), jedenfalls dann, wenn die Miss-
brauchshandlungen, wie hier, in ihrer konkreten Gestalt ein eher geringfügiges
Maß nicht überschritten haben (vgl. UA S. 42).
b) Eine konkrete Gefahr, der Angeklagte könne künftige pädophile Delik-
te unter Einsatz von Gewalt verwirklichen, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei
ausgeschlossen. Dass es sich darüber hinaus nicht ausdrücklich mit der Frage
befasst hat, ob es bei dem Angeklagten zu einer relevanten Steigerung der Se-
xualdelinquenz kommen könnte, ist vorliegend auch angesichts der Fragen des
Angeklagten an das Opfer zu möglichem Oralverkehr jedenfalls im Ergebnis
nicht zu beanstanden (vgl. UA S. 32). Zwar stellen Fälle des schweren sexuel-
len Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 StGB regelmäßig "schwere
Sexualstraftaten" im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfas-
sungsgerichts dar (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 328/11;
BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11 und vom 11. August 2011
- 3 StR 221/11), doch liegt hier die Annahme, der Angeklagte werde gerade
solche Delikte begehen, unter Beachtung des nach der Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts geltenden strengeren Maßstabs bei der Gefahrenprog-
nose (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11) nicht hinrei-
chend nahe. Sämtliche Taten des Angeklagten, auch diejenigen aus der Vor-
verurteilung, beschränkten sich trotz des Umstands, dass sie sich über einen
längeren Zeitraum hinzogen, stets wiederkehrend auf Manipulationen mit der
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Hand am Geschlechtsteil des Tatopfers. Demgegenüber geben allein die Fra-
gen des Angeklagten nach der Möglichkeit von Oralverkehr keinen konkreten
Aufschluss darüber, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen mit
solchen sexuellen Übergriffen gerechnet werden könnte. Dies gilt umso mehr,
als der Angeklagte einen entgegenstehenden Willen des Opfers jederzeit
respektiert hat (UA S. 46) und es zudem an greifbaren Anhaltspunkten dafür
fehlt, der Angeklagte könne Anreizen zu Straftaten nach § 176a Abs. 2 StGB
nicht wiederstehen. Eine in den Fragen des Angeklagten an das Tatopfer zum
Ausdruck kommende gewisse Tatgeneigtheit begründet deshalb nach Maßgabe
der verfassungsgerichtlichen Anforderungen an die Feststellung der Wahr-
scheinlichkeit der Begehung zukünftiger Straftaten keine hinreichende Gefähr-
lichkeit des Angeklagten.
Ernemann
Fischer
Berger
Krehl
Eschelbach