Urteil des BGH vom 17.03.2015

Beratervertrag, Stadtrat, Vorteilsannahme, Erneuerbare Energien

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 2 8 1 / 1 4
vom
17. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Abgeordnetenbestechung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Verhandlung vom
4. März 2015, in der Sitzung am 17. März 2015, an denen teilgenommen ha-
ben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof ,
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt ,
als Verteidiger,
der Angeklagte in der Verhandlung,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung,
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 8. Januar 2014
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.1. der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzel-
strafe für die zweite Tat (Beratervertrag vom 20. Dezember
2010),
b) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwie-
sen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Abgeordnetenbestechung
und wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung
ausgesetzt hat. Von einem weiteren Vorwurf der Vorteilsannahme hat es den
Angeklagten freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Ange-
klagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts
gestützten Revision. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten
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des Angeklagten eingelegten, auf die Sachbeschwerde gestützten Revision
gegen den Teilfreispruch und beanstandet zudem den Strafausspruch. Die
Rechtsmittel haben hinsichtlich des Strafausspruchs teilweise Erfolg; im Übri-
gen sind sie unbegründet.
A.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wer-
tungen getroffen:
I.
1. Der Angeklagte, ehemals evangelischer Pfarrer, war von 1994 bis
2011 Mitglied des E. Stadtrats. Von 1995 bis 1999 war er zudem Vor-
sitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, von 1999 bis 2002 thüringi-
scher Innenminister. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag wurde er im
September 2009 vom E. Stadtrat zum ehrenamtlichen Beigeordneten
und Stellvertreter des Oberbürgermeisters der Stadt E. gewählt und in
der Folge in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter berufen. Mit Schreiben
vom 6. Oktober 2009 wurde ihm vom Oberbürgermeister, dem gesondert Ver-
folgten D. , nach § 32 Abs. 7 der Thüringer Kommunalordnung der Ge-
schäftsbereich "Städtische Beteiligungen" als ein eigenständiger dienstlicher
Zuständigkeitsbereich zugewiesen. Daneben waren der Bürgermeisterin, einer
hauptamtlichen sowie einer weiteren ehrenamtlichen Beigeordneten eigenstän-
dige Geschäftsbereiche zugewiesen. Neben diesen förmlichen Zuweisungen
beauftragte der Oberbürgermeister im Rahmen einer fixen wöchentlichen Be-
sprechung mit seinen Stellvertretern, der sogenannten "Beigeordnetenrunde",
den Angeklagten und andere Beigeordnete aus Praktikabilitätserwägungen
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auch mit Tätigkeiten außerhalb deren zugewiesenen Geschäftsbereichen, wie-
wohl er den ehrenamtlichen Beigeordneten gegenüber nicht weisungsberechtigt
war. Der Angeklagte nahm eine Vielzahl solcher Aufträge an und wurde deswe-
gen von der Stadtverwaltung zur "Führungsspitze" gezählt, obwohl er als eh-
renamtlicher Beigeordneter außerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftsbe-
reichs der Verwaltung gegenüber nicht weisungsbefugt war.
2. Am 2. Juni 2010 kam es durch die Vermittlung von ehemaligen Minis-
terkollegen des Angeklagten zu einem Treffen des Angeklagten mit Vertretern
der j. -Gruppe, einem Unternehmen, das sich mit der Projektentwicklung im
Bereich Erneuerbare Energien befasste und das gerade auf der Suche nach
einem Repräsentanten für Thüringen war. Bei diesem ersten Treffen berichtete
der Angeklagte von seinen bisherigen und aktuellen Tätigkeiten einschließlich
derer als ehrenamtlicher Beigeordneter sowie über seinen Einfluss auf die
Stadtverwaltung, den er bei einem eventuellen Abschluss eines Beratervertra-
ges zu Gunsten von Vorhaben der j. -Gruppe nutzen könne. Nach intensiven
Verhandlungen unterzeichnete der Angeklagte am 28. Juli 2010 namens und im
Auftrag der E. GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer und 50%iger
Anteilseigner er war, einen Beratervertrag mit der j. -H. AG. Ziel der Zu-
sammenarbeit mit dem Angeklagten, der insbesondere "die Kontaktierung und
Betreuung verschiedener relevanter politischer Entscheidungsträger durch die
Zusammenarbeit mit dem Auftragnehmer [Angeklagter] weiter vorantreiben"
sollte, war die "Gewinnung von Projekten auf Seiten der j. -Gruppe". Der Ver-
trag wurde zunächst für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2010 geschlos-
sen. Die Beratung sollte in Abstimmung mit der j. -Gruppe u. a. "die Aufnah-
me von Kontaktgesprächen mit ausgewählten Verbänden, Verwaltungen und
Gebietskörperschaften" und bedarfsweise die politische Unterstützung im Pro-
jektgeschäft umfassen. Als Beratungshonorar waren 700 Euro netto pro Perso-
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nentag zu je acht Stunden bei maximal fünf Personentagen im Monat vorgese-
hen. Für "
Aktivitäten […], die zur Genehmigung von Windenergieanlagen in
Thüringen führen", war zudem eine zusätzliche Provision festgelegt. Bei Ab-
schluss dieses Beratungsvertrages gingen der Angeklagte und der gesondert
Verfolgte W. , Vorstandsmitglied und Mitgründer der j. -H. AG,
zumindest stillschweigend davon aus, dass auch eventuelle dienstliche Tätig-
keiten des Angeklagten im Zusammenhang mit Projekten der j. -Gruppe in
E. im Rahmen des Beratungsvertrages honoriert werden sollten.
Frühestens Ende August 2010 informierte der Angeklagte Oberbürger-
meister D. über das Bestehen des Beratervertrages, teilte ihm aber weder zu
diesem noch zu einem späteren Zeitpunkt die zu Grunde liegenden Konditionen
mit und informierte ihn auch nicht darüber, welche konkrete Tätigkeiten er der
j. -H. AG in welcher Höhe später in Rechnung stellte. In der Folge ge-
lang es dem Angeklagten, Oberbürgermeister D. für die von der j. -Gruppe
geplante Errichtung von Windkraftanlagen auf dem R. sowie einer Fir-
menniederlassung in E. gewinnen. Seine im September 2010 durchge-
führten Tätigkeiten, u. a. Gespräche mit dem Oberbürgermeister selbst und
mehreren Landräten, stellte der Angeklagte am 4. Oktober 2010 namens der
E. GmbH der j. -H. AG mit sechs Manntagen zu je 700 Euro in
Rechnung. Die Rechnung wurde fristgemäß beglichen.
In der Beigeordnetenrunde vom 6. Oktober 2010 wurde die hierfür not-
wendige Erweiterung der fraglichen Windvorranggebiete erörtert. Oberbürger-
meister D. beauftragte den Angeklagten, mit der Obersten Raumordnungs-
behörde, dem Thüringer Bauministerium, ein Gespräch über die günstigste
Vorgehensweise, wie dieses Ziel erreicht werden könne, zu führen und sich
danach mit dem zuständigen Dezernat der Stadtverwaltung abzustimmen. In
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Ausführung dieses Auftrags erörterte der Angeklagte im Beisein eines j. -
Möglichkeiten zur Ausweitung der Windvorranggebiete. Über das Bespre-
chungsergebnis informierte er am 20. Oktober 2010 in der Beigeordnetenrunde.
Diesen und weitere Gesprächstermine, darunter eine Besprechung mit dem
Oberbürgermeister und W. am 1. Oktober 2010, rechnete der Ange-
klagte nebst seinen Reisekosten unter dem Namen der E. GmbH am
2. November 2010 gegenüber der j. -H. AG ab; dabei wurden ihm Bera-
tungsleistungen an 8,5 Manntagen in Höhe von 7.080,50 Euro erstattet.
Schon Ende Oktober 2010 waren der Oberbürgermeister, der Angeklagte
und die weiteren Beigeordneten übereingekommen, entsprechend den Wün-
schen der j. -Gruppe gegenüber der regionalen Planungsgemeinschaft eine
Erweiterung der im (noch nicht genehmigten) Regionalplan vorgesehenen
Windvorranggebiete zu beantragen. Der Oberbürgermeister beauftragte die
Zeugin S. , Mitarbeiterin des Bau-, Umwelt- und Verkehrsdezernats
und Stadtplanerin, anhand einer von der j. -Gruppe erstellten Karte den Ent-
wurf einer Beschlussvorlage für den notwendigen Stadtratsbeschluss zu erstel-
len. Den von der Zeugin erstellten Entwurf, der von den Wünschen der j. -
Gruppe abwich, leitete der Angeklagte von seiner privaten Email-Adresse an
die j. -Gruppe mit dem Ansinnen weiter, die künftige Kommunikation über
diese Email-Adresse laufen zu lassen. Nach umfangreicher Korrespondenz
übersandte die j. -Gruppe per Email den überarbeiteten Entwurf einer Be-
schlussvorlage an den Angeklagten, der sie wiederum an den Oberbürgermeis-
ter weiterleitete. Dieser instruierte die Zeugin S. , dass sich der Ange-
klagte und der gesondert Verfolgte P. , damals Referent der Dezernentin für
Bau-, Umwelt- und Verkehr und später selbst Mitarbeiter der j. -Gruppe, we-
gen des Entwurfs mit ihr in Verbindung setzen würden, was am 12. und am
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24. November 2010 auch geschah. Obwohl der Angeklagte der Zeugin S.
gegenüber keine Weisungsbefugnis besaß, setzte sie seine Wünsche, die
denen der j. -Gruppe entsprachen, trotz geäußerter Bedenken um. Die Be-
schlussvorlage wurde nach Unterzeichnung durch den Oberbürgermeister in
den Stadtrat eingebracht und dort am 26. November 2010 beschlossen. Seine
im November erbrachten Leistungen rechnete der Angeklagte unter dem
1. Dezember 2010 gegenüber der j. -H. AG ab.
Bereits zuvor hatte der Angeklagte am 23. November 2010 verschiedene
j. -Mitarbeiter über die Planungen des Thüringer Umweltministeriums infor-
miert, die Verordnung über den Naturpark Ei. , auf des-
sen Gebiet sich die von der j. -Gruppe gewünschten Windvorranggebiete
teilweise befanden, dergestalt zu ändern, dass innerhalb des Naturparks Wind-
kraftanlagen verboten sein sollten. Der Angeklagte wurde daraufhin seitens der
j. -Gruppe beauftragt, sich gegen diese Änderung einzusetzen. Dem kam der
Angeklagte nach und informierte die Beigeordnetenrunde am 8. Dezember
2010 über diese Problematik, worauf ihn der Oberbürgermeister ersuchte, den
Sachstand mit dem zuständigen Bearbeiter im Umweltministerium zu klären. Im
unmittelbaren Anschluss an die Beigeordnetenrunde erörterte der Angeklagte
mit dem Thüringer Umweltminister Re. die geplante Grenzziehung der
Windvorranggebiete. Dieser riet dazu, dass die betroffenen Gemeinden ihren
Wunsch sofort schriftlich an das Ministerium herantragen und begründen müss-
ten. Von diesem Gespräch unterrichtete der Angeklagte die Beigeordnetenrun-
de sowie den gesondert Verfolgten W. und stellte es, neben weiteren
Gesprächen, der j. -H. AG am 3. Januar 2011 in Rechnung.
Am 20. Dezember 2010 unterzeichnete der Angeklagte namens und in
Vollmacht der E. GmbH eine Vereinbarung mit der j. -H. AG, in
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der der bestehende Beratervertrag bis zum 31. Dezember 2011 verlängert und
der "Ressourcenbedarf" bis auf maximal 10 Personentage pro Monat erhöht
wurde. Auch bei Abschluss dieses Verlängerungsvertrages gingen der Ange-
klagte und der gesondert Verfolgte W. zumindest stillschweigend da-
von aus, dass auch eventuelle dienstliche Tätigkeiten des Angeklagten hono-
riert werden sollten. Auf Grund dieses Vertrages wurde der Angeklagte auch im
Jahr 2011 vielfach sowohl in der E. Stadtverwaltung als auch thürin-
genweit tätig, bis er - auf Grund des politischen Drucks, nachdem der Berater-
vertrag mehrfach in der Presse bekannt gemacht worden war - mit Wirkung
vom 31. Dezember 2011 sein Stadtratsmandat, seine Tätigkeit als ehrenamtli-
cher Beigeordneter und alle sonstigen Ämter niederlegte.
Bereits zuvor, am 28. Dezember 2011, hatte der Angeklagte namens und
in Vollmacht der E. GmbH mit der j. -H. AG einen neuen, zum
1. Januar 2012 beginnenden unbefristeten Beratervertrag geschlossen, der ei-
ne pauschale Vergütung von 8.000 Euro im Monat und weiter vorsah, dass der
Angeklagte bis zum Beginn des Vertrages sämtliche politischen Positionen nie-
derlegt. Dass dieser Beratervertrag eine nachträgliche Belohnung für seine zu-
vor erbrachten Leistungen war, hat die Strafkammer nicht feststellen können.
Die j. -H. AG zahlte nur das Pauschalhonorar für Januar 2012 in Höhe
von 8.000 Euro und kündigte den Vertrag alsbald. Weitere Zahlungen wurden
trotz der vertraglich vorgesehen Kündigungsfrist von sechs Monaten nicht mehr
geleistet.
Insgesamt zahlte die j. -H. AG an die E. GmbH auf alle
Verträge im Zeitraum Juli 2010 bis Januar 2012 ein Honorar in Höhe von
66.450 Euro netto zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 6.458,35 Euro netto.
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3. Am 28. Februar 2011 nahm der Angeklagte Kontakt zu seinem lang-
jährigen Bekannten Dr. L. , alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied
der TU. AG, auf, um diesen angesichts seiner erheblichen privaten
Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 350.000 Euro um die Gewährung eines Pri-
vatdarlehens über 15.000 Euro zu bitten. Der gesondert Verfolgte Dr. L.
lehnte dies ab, schlug dem Angeklagten aber den Abschluss eines Beraterver-
trages bezüglich der von der TU. AG geplanten Errichtung eines
Elektrofachmarktes "M. Markt" auf einem Grundstück in E. -S.
vor. Hintergrund war eine seit mehreren Jahren laufende Bauleitplanung für
dieses Gebiet. So hatte der Stadtrat von E. am 24. Juni 2005 unter Be-
teiligung des Angeklagten einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen, dort
keine weiteren Einzelhandelsflächen mehr auszuweisen. Um einschätzen zu
können, ob für eine Aufhebung des Beschlusses vom 24. Juni 2005 eine Mehr-
heit im Stadtrat zu finden sei, ließ sich Dr. L. vom Angeklagten detailliert
darüber informieren, mit welcher Stärke und welchen Stimmanteilen die Partei-
en im Stadtrat vertreten waren. Beiden war bewusst, dass mit einem knappen
Abstimmungsergebnis zu rechnen war und es dabei auf jede Stimme - auch die
des Angeklagten - ankäme. Vor diesem Hintergrund einigten sie sich mündlich
darauf, dass die Unterstützungsleistung des Angeklagten auch eine Stimmab-
gabe zugunsten der TU. AG in der baldig zu erwartenden neuen
Abstimmung im Stadtrat beinhalten und mit den Zahlungen aus dem Berater-
vertrag honoriert werden sollte.
Der am 1. März 2011 schriftlich abgeschlossene Beratervertrag zwischen
der TU. AG und dem Angeklagten sah die Unterstützung des Bau-
leitverfahrens insgesamt und hinsichtlich aller Planphasen einschließlich der
Genehmigung sowie eine Vorauszahlung bei Vertragsabschluss in Höhe von
7.500 Euro netto und einen weiteren Betrag gleicher Höhe nach erteilter Ge-
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nehmigung des Bebauungsplans vor. Nach § 5 des Vertrags war die Voraus-
zahlung zurückzuzahlen, falls die Genehmigung des Bebauungsplans nicht bis
zum 31. Dezember 2011 erreicht werden sollte; diese Regelung wurde am
11. April 2011 auf die gesamte Vergütung ausgeweitet. Die mündliche Verein-
barung über das Stimmverhalten des Angeklagten wurde nicht in den Ver-
tragstext aufgenommen.
In der Folge nahm die TU. AG Kontakt zu den im E.
Stadtrat vertretenen Fraktionen auf und versuchte diese, durch gezielte Lob-
byarbeit zu beeinflussen, bei einer Abstimmung für die Aufhebung des Stadt-
ratsbeschlusses vom 24. Juni 2005 zu stimmen; ferner entwarf ein Mitarbeiter
der TU. AG einen Beschlussvorschlag, der den Fraktionen über-
sandt wurde. Dieser Entwurf wurde nur geringfügig abgeändert in den Stadtrat
eingebracht. In der Sitzung vom 24. Juni 2011 hob der Stadtrat mit einer Mehr-
heit von 18:16 Stimmen unter Mitwirkung des Angeklagten, der entsprechend
der getroffenen mündlichen Vereinbarung stimmte, den Beschluss vom 24. Juni
2005 auf und beschloss, dass ein neuer Entwurf zum Bebauungsplan erarbeitet
werden solle, der auch einen Elektrofachmarkt mit einer maximal zulässigen
Verkaufsfläche von 3.000 m
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vorsehe. In der Folgezeit erstellte die TU.
AG den Entwurf eines Bebauungsplans entsprechend diesem Be-
schluss, der im Jahr 2012 - nach dem Ausscheiden des Angeklagten - vom
Stadtrat gebilligt wurde. Die von der TU. AG an den Angeklagten
gezahlten Vorschüsse und Honorare wurden trotz der Zeitüberschreitung nicht
zurückgefordert.
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II.
Das Landgericht hat die beiden zu den Beratungsverträgen vom 28. Juli
und 20. Dezember 2010 zwischen dem Angeklagten und der j. -H. AG
jedenfalls stillschweigend geschlossenen Zusatzvereinbarungen, auch eventu-
elle dienstliche Tätigkeiten des Angeklagten zu honorieren, jeweils als Vorteils-
annahme gemäß § 331 Abs. 1 StGB (Fall II.1. der Urteilsgründe) gewertet.
Hin-
sichtlich
des Vorwurfs der Vorteilsannahme durch Abschluss des letzten Bera-
tervertrages mit der j. -H. AG vom 28. Dezember 2011 hat das Landge-
richt den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Ab-
schluss der mündlichen Zusatzvereinbarung zum Beratervertrag vom 1. März
2011 (Fall II.2. der Urteilsgründe) hat das Landgericht als Abgeordnetenbeste-
chung gemäß § 108e Abs. 1 StGB a. F. gewertet.
B.
Revision des Angeklagten
I.
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen §§ 261, 249 Abs. 2 StPO ver-
stoßen, da der Vorsitzende keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass die
Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Kenntnisnahme der im Selbstleseverfah-
ren eingeführten Urkunden (Beweismittelordner I bis III) hatten, ist unzulässig.
Wenn sich - wie hier - dem Revisionsvorbringen selbst entnehmen lässt,
dass bereits vor der Durchführung des Selbstleseverfahrens "eine Vielzahl die-
ser Urkunden bereits in der Hauptverhandlung verlesen" wurden (RB S. 3), ge-
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nügt die pauschale Behauptung, der Inhalt der Urkunden sei auch sonst weder
durch Verlesung noch sonst in prozessordnungsgemäßer Weise eingeführt
worden, nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Vielmehr
muss sich das Revisionsvorbringen mit den nach den Umständen des Falles
naheliegenden Möglichkeiten, wie der in der Urkunde verkörperte Beweisstoff
auf andere Weise zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden sein könnte,
konkret auseinandersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 1 StR 532/12,
wistra 2014, 18, 20). Dies hätte es hier erfordert, sich mit den ausweislich des
Protokolls erfolgten Verlesungen und Vorhalten im Einzelnen zu befassen. Oh-
ne näheren Vortrag hierzu kann das Revisionsgericht nicht beurteilen, ob die
entsprechende Urkunde nicht auf andere Weise prozessordnungsgemäß in die
Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Hinzu kommt, dass ein Teil des Revi-
sionsvortrags, was die Nichtverlesung von Urkunden anbelangt, unzutreffend
ist. Dies führt ebenfalls zur Unzulässigkeit der Rüge (vgl. KK-StPO/Gericke,
7. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN).
2. Soweit die Revision rügt, das Landgericht habe in seiner Beweiswür-
digung zu Fall II.2. der Urteilsgründe eine in der Hauptverhandlung verlesene
Email vom 29. März 2011 nicht berücksichtigt, bleibt dies auch unter dem Ge-
sichtspunkt des § 261 StPO ohne Erfolg. Allein aus dem Umstand, dass ein
Beweismittel in den Urteilsgründen unerwähnt bleibt, ist noch nicht zu schlie-
ßen, dass es übersehen worden ist. Wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht
zur erschöpfenden Würdigung der Beweise lückenhaft und damit rechtsfehler-
haft ist die Beweiswürdigung vielmehr nur dann, wenn sich die Erörterung des
Beweismittels mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen aufdrängen muss-
te (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 120/11, NStZ 2012, 49; KK-
StPO/Ott, 7. Aufl., § 261 Rn. 82, jeweils mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Ent-
gegen der Auffassung der Revision ist die bezeichnete Email kein "eindeutiges
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Indiz" dafür, dass die vom Angeklagten darin empfohlene Aufhebung des Stadt-
ratsbeschlusses vom 24. Juni 2005 bei Abschluss des Beratervertrages am
1. März 2011 noch keine Rolle spielte. Vielmehr setzt der Inhalt dieser Email, in
der anlässlich eines Gespräches des Angeklagten mit dem Präsidenten des
Landesverwaltungsamtes die aktuelle Sachlage dargestellt wird, vorherige Ge-
spräche zwischen dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten Dr. L.
gerade voraus.
3. Die weiter erhobene Aufklärungsrüge ist aus den in der Zuschrift des
Generalbundesanwalts genannten Gründen jedenfalls unbegründet.
II.
Die Schuldsprüche weisen keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.
1. Der Schuldspruch wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen durch Ab-
schluss der beiden Beraterverträge vom 28. Juli und 20. Dezember 2010 (Fall
II.1. der Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Der Angeklagte war als ehrenamtlicher Beigeordneter Ehrenbeamter
(§ 32 Abs. 9 Thüringer Kommunalordnung, § 2 Abs. 2 Thüringer Gesetz über
kommunale Wahlbeamte) und daher Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a)
StGB. Da Handlungen des Angeklagten als mit Verwaltungsfunktionen betrau-
ter ehrenamtlicher Beigeordneter und nicht Tätigkeiten bei Wahrnehmung sei-
nes Mandats als Stadtratsmitglied inmitten stehen, richtet sich die Strafbarkeit
allein nach § 331 StGB und nicht nach den Vorschriften über die Abgeordne-
tenbestechung (vgl. BT-Drucks. 18/476 S. 8 zu § 108e Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1
StGB n. F., sowie Senat, Urteil vom 12. Juli 2006 - 2 StR 557/05, wistra 2006,
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419, 420 und BGH, Urteil vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44, 57 f.,
jeweils zu § 108e Abs. 1 a. F.).
b) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei von einer Unrechtsvereinba-
rung dergestalt überzeugt, dass sich der Angeklagte durch die Zusatzvereinba-
rungen zu den Beraterverträgen für seine Dienstausübung Vorteile hat verspre-
chen lassen, die er hinsichtlich des Beratervertrages vom 28. Juli 2010 zudem
auch gefordert und angenommen hat.
aa) Das Landgericht hat die gegenüber der j. -H. AG abgerechne-
ten Tätigkeiten des Angeklagten vom 7. Oktober (Gespräch im Thüringer
Bauministerium), 24. November (Instruieren der Zeugin S. ) und vom
8. Dezember 2010 (Gespräch mit dem Thüringer Umweltminister) als Dienst-
handlungen gewertet und hieraus unter Berücksichtigung der Gesamtumstände
geschlossen, dass die in den Beraterverträgen festgelegte Gesamtvergütung
zumindest auch für die Dienstausübung des Angeklagten gewährt werden soll-
te. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die spätere Vornahme einer
Diensthandlung im Sinne des Vorteilsgebers stellt ein gewichtiges Indiz für eine
Unrechtsvereinbarung im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB dar (vgl. BGH, Urteil
vom 21. Juni 2007 - 4 StR 99/07, NStZ 2008, 216, 217).
Soweit die Revision geltend macht, die genannten Tätigkeiten des Ange-
klagten seien als Privathandlungen ("Informationsbeschaffung i.w.S.") einzustu-
fen, da sie zwar auf Weisung des Oberbürgermeisters, aber außerhalb des
konkreten Zuständigkeitsbereichs des Angeklagten erfolgt seien, vermag der
Senat dem nicht zu folgen. Zwar war dem Angeklagten formal nur der Ge-
schäftsbereich "Städtische Beteiligungen" als eigenständiger dienstlicher Zu-
ständigkeitsbereich zugewiesen. Indes kommt es für die Frage, ob eine Hand-
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lung als Dienstausübung zu qualifizieren ist, nicht darauf an, ob der Amtsträger
nach der internen Geschäftsverteilung konkret zuständig war (allg. M.; vgl. Se-
nat, Urteile vom 3. Dezember 1997 - 2 StR 267/97, NStZ 1998, 194 und vom
5. Oktober 1960 - 2 StR 427/60, BGHSt 16, 37, 38; Fischer, StGB, 62. Aufl.,
§ 331 Rn. 6; Heine/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 331 Rn. 32;
SSW-StGB/Rosenau, 2. Aufl., § 331 Rn. 33; Sowada in LK, StGB, 12. Aufl.,
§ 331
Rn. 56;
MüKoStGB/Korte,
2. Aufl.,
§ 331
Rn. 86;
Sinner
in
Matt/Renzikowski, StGB, § 331 Rn. 15). Die Grenze zur Privathandlung ist erst
dann überschritten, wenn die Tätigkeit in keinerlei funktionalem Zusammenhang
mit dienstlichen Aufgaben mehr steht (vgl. OLG Hamburg, StV 2001, 277, 278;
Heine/Eisele aaO; Rosenau aaO; Sowada aaO; Korte aaO; Sinner aaO; siehe
auch Senat, Urteil vom 19. Februar 2003 - 2 StR 371/02, BGHSt 48, 213, 220
f.).
So liegt es hier aber nicht. Der Angeklagte wurde in allen Fällen auf
konkrete Ersuchen des Oberbürgermeisters D. tätig. Dieser beauftragte den
Angeklagten in seiner Eigenschaft als Leiter der Gemeindeverwaltung und Ver-
treter der Gemeinde nach außen (§ 29 Abs. 1 Satz 1, § 32 Abs. 1 Thüringer
Kommunalordnung) mit den bezeichneten Gesprächen, die allesamt örtliche
Angelegenheiten der Stadt E. zum Gegenstand hatten. Der Angeklagte
nahm mithin Aufgaben wahr, die zum Zuständigkeitsbereich der Gemeinde ge-
hören und die einem ehrenamtlichen Beigeordneten grundsätzlich auch dauer-
haft übertragen werden können (vgl. § 32 Abs. 7 Thüringer Kommunalordnung).
Der Angeklagte trat auch gegenüber seinen Gesprächspartnern außerhalb der
Stadtverwaltung ersichtlich nicht als Privatperson, sondern als Beauftragter der
Stadt E. auf. Der Angeklagte handelte somit nicht nur "bei Gelegenheit"
der Dienstausübung, sondern in dienstlicher Eigenschaft und im Rahmen seiner
dienstlichen Obliegenheiten; dies genügt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2000
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- 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596, 598; Urteil vom 10. März 1983 - 4 StR 375/82,
BGHSt 31, 264, 280; OLG Köln, NJW 2000, 3727 f.; KG, NJW 1988, 1877,
1878; OLG Hamm, NJW 1973, 716, 717 f.).
bb) Ungeachtet des Umstandes, dass auch Drittvorteile dem Anwen-
dungsbereich der §§ 331 ff. StGB unterfallen, flossen dem Angeklagten die für
die Dienstausübung versprochenen Vorteile als alleinigem Geschäftsführer und
50%igem Anteilseigner E. GmbH wenigstens mittelbar zu.
cc) Das Landgericht hat auch die konkurrenzrechtliche Situation zutref-
fend bewertet, in dem es die Rechnungsstellungen für die Diensthandlungen
vom 7. Oktober, 24. November und 8. Dezember 2010 nicht als eigenständige
Taten des "Forderns" gewertet, sondern wegen des zu Grunde liegenden Bera-
tervertrags vom 28. Juli 2010 eine tatbestandliche Handlungseinheit angenom-
men hat. Maßgeblich ist insoweit, ob die Unrechtsvereinbarung den Vorteil hin-
reichend genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen
sein (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 1 StR 355/13 juris
Rn. 40; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 331 Rn. 39, jeweils mwN). Durch die Laufzeit
des Beratervertrags war der Zeitraum der Vorteilsgewährung abschließend
festgelegt; ebenso stand durch die Vergütungsvereinbarung jedenfalls die ma-
ximale Höhe der monatlichen Teilleistungen fest, die jeweils auch für die
Dienstausübung des Angeklagten gewährt werden konnte.
c) Entgegen der Auffassung der Revision sind die Taten auch nicht nach
§ 331 Abs. 3 StGB gerechtfertigt, weil sie der Oberbürgermeister als Dienstvor-
gesetzter des Angeklagten genehmigt hätte.
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Gemäß § 331 Abs. 3 StGB ist die Tat u. a. dann nicht als Vorteilsannah-
me strafbar, wenn sich der Amtsträger einen nicht von ihm geforderten Vorteil
versprechen lässt oder annimmt, unverzüglich bei der zuständigen Behörde
Anzeige erstattet und diese im Rahmen ihrer Befugnisse die Annahme des Vor-
teils genehmigt. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte nach den rechtsfehler-
frei getroffenen Feststellungen Oberbürgermeister D. zwar frühestens Ende
August 2010 über das Bestehen eines Beratervertrags der E. GmbH
mit der j. -H. AG informiert, ihm aber weder zu diesem noch zu einem
späteren Zeitpunkt die zu Grunde liegenden Konditionen mitgeteilt und ihn auch
in der Folge nicht darüber informiert, welche konkrete Tätigkeiten er der j. -
H. AG in welcher Höhe in Rechnung stellte (UA S. 19, 51). Damit hatte der
Angeklagte dem zuständigen Dienstvorgesetzten gerade nicht mitgeteilt, dass
im Rahmen des Beratungsvertrages auch eventuelle dienstliche Tätigkeiten
honoriert werden sollten. Schon deswegen kann in seiner pauschalen Mitteilung
keine Anzeige des versprochenen Vorteils gemäß § 331 Abs. 3 StGB und
- entgegen der Auffassung der Revision - in den späteren Aufgabenzuweisun-
gen durch den Oberbürgermeister keine konkludente Genehmigung erblickt
werden.
2. Auch der Schuldspruch wegen Abgeordnetenbestechung (Fall II.2. der
Urteilsgründe) hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die zu Grunde liegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler
auf.
aa) Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertra-
gen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck
der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklag-
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ten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es
genügt, dass sie möglich und nachvollziehbar sind. Die revisionsgerichtliche
Überprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlau-
fen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich,
unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ver-
stößt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - 3 StR 504/14 juris
Rn. 8 mwN).
bb) Gemessen daran ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu
beanstanden. Es hat bei seiner Überzeugungsbildung zur Unrechtsvereinba-
rung als wesentliche Umstände berücksichtigt, dass
- dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten Dr. L. als erfah-
renen Kommunalpolitikern die Notwendigkeit einer Aufhebung des
Stadtratsbeschlusses vom 24. Juni 2005 bewusst war, wenn der ge-
plante Elektrofachmarkt an diesem Standort errichtet werden sollte,
- die Aufhebung des Beschlusses zwingende Voraussetzung dafür war,
dass der Angeklagte seine zu vergütenden Beratungsleistungen
überhaupt erbringen konnte,
- die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat schon bei dem Gespräch am
28. Februar 2011 intensiv erörtert und dokumentiert wurden und die-
se nach den Umständen so knapp waren, dass der Stimme des An-
geklagten ersichtlich entscheidende Bedeutung zukommen würde,
und
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- dass ein negatives Stimmverhalten des finanziell angeschlagenen
Angeklagten den Beratungsvertrag (und seine Vergütungsansprüche)
gefährdet hätte.
Der vom Landgericht gezogene Schluss, das Stimmverhalten des Ange-
klagten sei Teil der vereinbarten und zu vergütenden Beratungsleistung gewe-
sen, ist nicht nur möglich, sondern überaus naheliegend. Das - zum Teil urteils-
fremde - Vorbringen der Revision zeigt dagegen keine Rechtsfehler auf, son-
dern beschränkt sich auf eine eigene, im Revisionsverfahren unbeachtliche
Würdigung der Beweise.
b) Die Feststellungen tragen auch unter Berücksichtigung der durch das
48. Strafrechtsänderungsgesetz vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410) mit Wir-
kung vom 1. September 2014 geänderten Gesetzesfassung den Schuldspruch
wegen Abgeordnetenbestechung.
aa) Die Feststellungen belegen den Abschluss einer konkreten Un-
rechtsvereinbarung im Sinne des § 108e StGB a. F. dergestalt, dass das ver-
einbarte Honorar dem Angeklagten zumindest auch für ein künftiges, bestimm-
tes Abstimmungsverhalten im Stadtrat zu Gute kommen sollte (vgl. BGH, Urteil
vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44, 59 ff.; Fischer, StGB, 61. Aufl.,
§ 108e Rn. 6 f.).
bb) Die festgestellte Unrechtsvereinbarung erfüllt auch die tatbestandli-
chen Voraussetzungen des § 108e Abs. 1 StGB n. F.; denn sie beinhaltet, dass
der Angeklagte als Gegenleistung für das versprochene Honorar im Auftrag
bzw. nach Weisung des gesondert Verfolgten Dr. L. im Stadtrat und damit
bei Wahrnehmung seines Mandats zu dessen Gunsten abstimmt. Nach der Ge-
setzesbegründung sind die Tatbestandsmerkmale Auftrag und Weisung weit
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und im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen; sie erfassen
jede Handlung, die den Abgeordneten dazu bewegen soll, sich dem Interesse
des Auftrags- oder Weisungsgebers zu unterwerfen (vgl. BT-Drucks. 18/476
S. 8). Ob sich der Mandatsträger dabei innerlich vorbehält, sein Abstimmungs-
verhalten nicht durch die Zuwendung beeinflussen zu lassen, ist für die Straf-
barkeit ebenso wie bei § 108e StGB a. F. unerheblich (vgl. hierzu BGH, Urteil
vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44, 59 ff.). Entscheidend sind nicht
innere Vorbehalte, sondern der vom Vorsatz umfasste äußere Erklärungswert
des Verhaltens. Der Mandatsträger kann sich in diesem Zusammenhang nicht
darauf berufen, dass er sich ohnehin im Sinne des Zuwendenden verhalten
wollte (BT-Drucks. 18/476 aaO).
Der äußere Erklärungswert des festgestellten Verhaltens, nämlich das
Eingehen des Angeklagten auf den ihm offerierten Beratervertrag, der - wenn
auch ungeschrieben - sein zukünftiges Abstimmungsverhalten hinsichtlich eines
bestimmten, vom Vorteilsgeber betriebenen Projekts beinhaltete, lässt sich hier
nur so interpretieren, dass der Angeklagte nach Weisung des Vorteilsgebers
abstimmen sollte und etwaige entgegenstehende innere Überzeugungen des-
sen Interessen unterordnete (vgl. BT-Drucks. 18/476 S. 5 ff.).
Die Annahme eines Honorars für eine bestimmte Stimmabgabe stellt zu-
dem einen ungerechtfertigten Vorteil im Sinne des § 108e Abs. 4 n. F. dar.
Nach § 24 der Thüringer Kommunalordnung üben Gemeinderatsmitglieder ihr
Ehrenamt nach dem Gesetz und ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten
Überzeugung aus und sind an Aufträge und Weisungen gerade nicht gebunden.
Mit dieser Rechtsstellung ist ein bereits dem Kernbereich des § 108e StGB a. F.
unterfallender Stimmenkauf nicht vereinbar.
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cc) Da das neue, am 1. September 2014 in Kraft getretene Gesetz nicht
milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist, bleibt es bei der Anwendung des zur
Tatzeit geltenden Gesetzes.
III.
Dagegen hält der Einzelstrafausspruch für die zweite Tat im Fall II.1. der
Urteilsgründe (Beratervertrag vom 20. Dezember 2010) rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung hinsichtlich der ers-
ten Tat (Fall II.1., Beratervertrag vom 28. Juli 2010) strafschärfend berücksich-
tigt, dass Leistungen nicht nur versprochen, sondern auch tatsächlich abge-
rechnet und bezahlt worden sind, und für diese Tat eine Einzelfreiheitsstrafe
von sechs Monaten verhängt. Für die zweite Tat (Fall II.1., Beratervertrag vom
20. Dezember 2010) hat es ebenfalls eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verhängt, "obwohl der Angeklagte insoweit keine nachweisbaren dienstlichen
Tätigkeiten erbracht hat, die von der j. -H. AG vergütet worden sind.
Dies war für den Angeklagten und den gesondert Verfolgten W. bei
Abschluss des Vertrages jedoch nicht vorhersehbar, so dass für diese Tat die
Verhängung einer milderen Strafe nicht sachgerecht erscheint" (UA S. 62).
Gegen diese Gewichtung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
Das Landgericht hat bei der ersten Tat das sich aus den weiteren tatbestands-
mäßigen Handlungen des Angeklagten ergebende überschießende Handlungs-
unrecht berücksichtigt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Dann aber durf-
te es bei der zweiten Tat, bei der es ein solches überschießendes Handlungs-
unrecht nicht feststellen konnte, nicht ohne Weiteres die gleiche Strafe verhän-
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gen. Dass für den Angeklagten die weitere Entwicklung nicht voraussehbar war,
ändert nichts daran, dass weitere tatbestandsmäßige Handlungen gerade nicht
erfolgten, noch erhöht sich dadurch im Vergleich zur ersten Tat das Maß der
kriminellen Energie bei Vertragsabschluss. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar,
weshalb das Landgericht bei der zweiten Tat eine gleich hohe Strafe für erfor-
derlich erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 1 StR
136/11, wistra 2011, 423, 424). Die danach nötige Aufhebung der Einzelstrafe
zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Die Aufhebung erstreckt sich auch auf die zugehörigen Feststellungen,
da der Senat nicht sicher ausschließen kann, dass in einer neuen Hauptver-
handlung noch weitere dienstliche Tätigkeiten festgestellt werden können, die
durch den zweiten Beratervertrag vergütet wurden.
C.
Revision der Staatsanwaltschaft
I.
Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vorteilsannahme
durch Abschluss des letzten Beratervertrages vom 28. Dezember 2011 hält
rechtlicher Nachprüfung stand.
Geschäftsgrundlage für diesen Vertrag war die Niederlegung sämtlicher
Ämter bei der Stadt E. durch den Angeklagten, weshalb es denkgesetz-
lich ausgeschlossen ist, dass damit Vorteile für eine künftige Dienstausübung
gewährt werden sollten. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Vertrag eine zusätzli-
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che nachträgliche Belohnung für die vom Angeklagten bereits erbrachten
Diensthandlungen darstellte, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Die
Angriffe der Beschwerdeführerin zeigen insoweit keinen Rechtsfehler auf, son-
dern beschränken sich auf eine eigene, im Revisionsverfahren unbeachtliche
Bewertung und Gewichtung der festgestellten Beweisanzeichen.
II.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Verurteilung im Fall II.1.
der Urteilsgründe wendet, ist die Revision wirksam auf den Strafausspruch be-
schränkt. Umstände, die der Wirksamkeit der Beschränkung entgegenstehen
könnten, liegen nicht vor.
1. Durchgreifende Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten zeigt die
Revision nicht auf. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lassen die
Urteilsgründe nicht besorgen, dass das Landgericht von einem zu geringen
Schuldumfang ausgegangen ist. Das Landgericht stellt ausdrücklich darauf ab,
dass sich der Angeklagte durch die Beraterverträge vom 28. Juli 2010 und
20. Dezember 2010 einschließlich der zumindest stillschweigend geschlosse-
nen Zusatzvereinbarungen jeweils der Vorteilsannahme in der Variante des
"sich-Versprechen-lassens" schuldig gemacht hat (UA S. 56). Wenn das Land-
gericht im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt hat, dass Leistungen
nicht nur versprochen, sondern auch tatsächlich gefordert und bezahlt worden
sind (UA S. 62), ergibt sich daraus gerade nicht, dass es bei Bemessung des
Schuldumfangs ausschließlich auf die abgerechneten Diensthandlungen abge-
stellt hat. Vielmehr hat es, wie bereits dargestellt, nur den sich aus den weiteren
tatbestandsmäßigen Handlungen bei der ersten Tat (Fall II.1., Beratervertrag
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vom 28. Juli 2010) ergebenden überschießenden Unrechts- und Schuldgehalt
in Rechnung gestellt.
2. Jedoch führt die Revision - insoweit zu Gunsten des Angeklagten
(§ 301 StPO) - aus den unter B.III. dargestellten Gründen zur Aufhebung der
diesbezüglichen Einzelstrafe und der Gesamtstrafe.
D.
Die Sache war nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Straf-
kammer des Landgerichts Meiningen zurückzuverweisen.
Zwar sind nach § 120b Satz 1 GVG für die Verhandlung und Entschei-
dung im ersten Rechtszug bei Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträ-
gern (§ 108e StGB) mit Wirkung vom 1. September 2014 die Oberlandesgerich-
te zuständig, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben; zustän-
dige Staatsanwaltschaft ist dabei nach §§ 141, 142 Abs. 1 Nr. 2 GVG die dorti-
ge Generalstaatsanwaltschaft (vgl. BT-Drucks. 18/607 S. 9). Derartige Ände-
rungen des Verfahrensrechts gelten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt
ist, bereits für schwebende Verfahren und sind daher grundsätzlich auch vom
Revisionsgericht zu beachten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., Einl.
Rn. 203). Indes ist hier der Schuld- und Strafausspruch über die zuständig-
keitsbegründende Straftat der Abgeordnetenbestechung rechtskräftig und nur
noch über die Einzelstrafe für die Vorteilsannahme und den Gesamtstrafenaus-
spruch zu entscheiden. Insoweit unterscheidet sich die Situation nicht maßgeb-
lich von der einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB.
Auch dort ist der jeweilige Tatrichter nicht gehindert, Strafen einzubeziehen, für
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deren Aburteilung er selbst nicht zuständig wäre. Die Wertung des § 462a
Abs. 3 Satz 3 StPO steht nicht entgegen, da im vorliegenden Fall gerade noch
kein Urteil eines Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug vorliegt.
Fischer RiBGH Dr. Appl ist Krehl
an der Unterschrifts-
leistung gehindert.
Krehl
Eschelbach Ott