Urteil des BGH vom 10.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Mitbestrafte Nachtat, Unrichtige Angabe, Berechnung der Steuer, Schenkung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 S t R 4 0 5 / 1 4
vom
10. Februar 2015
BGHSt:
ja
BGHR:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
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StGB § 52; AO § 370 Abs. 1 AO; ErbStG § 14
1. Die in einer Schenkungsteuererklärung enthaltene unzutreffende Angabe,
vom Schenker keine Vorschenkungen erhalten zu haben, stellt sowohl für
die Besteuerung der Schenkung, auf die sich die Erklärung bezieht, als
auch für diejenige der Vorschenkungen eine unrichtige Angabe über steu-
erlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar.
2. Eine hierdurch im Hinblick auf eine Vorschenkung begangene Steuerhin-
terziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) ist gegenüber einer zuvor durch Unter-
lassen für diese Schenkung begangenen Hinterziehung von Schenkung-
steuer (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit
entfällt, wenn die Vortat nicht mehr verfolgbar ist.
BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 1 StR 405/14 - LG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
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wegen Steuerhinterziehung
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Februar 2015 beschlos-
sen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Frankfurt am Main vom 11. März 2014 im Straf-
ausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wen-
det sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen
Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Straf-
ausspruch Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte die Angeklagte im
Zeitraum von Januar 2004 bis November 2007 mit dem zwischenzeitlich ver-
storbenen Generalkonsul S. eine Beziehung. Einer beruflichen
Tätigkeit ging sie während dieser Zeit nicht nach, da S. sie in seiner Nä-
he haben wollte und ihr zudem einen kostspieligen Lebenswandel finanzierte.
Sie wohnte in verschiedenen Wohnungen in F. , die von S. finan-
ziert wurden. Zeitweise lebte sie auch in einem Haus in R. , das ihr von
S. als Wohndomizil für ihre Eltern geschenkt wurde.
Im Zeitraum von 23. März 2004 bis 3. Januar 2008 erhielt sie von S.
zahlreiche Schenkungen im Gesamtwert von mindestens 2.514.549 Euro.
Bei den Schenkungen handelte es sich um Barzuwendungen, Überweisungen,
Kraftfahrzeuge, Immobilien sowie um Zahlungen für Mieten, Hotelkosten, Ein-
käufe und Reisen. Bei den Schenkungen wurde soweit wie möglich vermieden,
in Deutschland Spuren nachvollziehbarer Zahlungsflüsse zu hinterlassen. Ein-
käufe in Modeboutiquen wickelte die Angeklagte mit einer schweizerischen
Kreditkarte ab, die ihr von S. zur Verfügung gestellt worden war und über
die sie frei verfügen konnte. Einen Betrag in Höhe von 500.000 Euro ließ
S. von einer ihm gehörenden Liechtensteiner Stiftung für sie auf ein
Nummernkonto bei einer Züricher Bank überweisen. Ebenfalls aus der Stiftung
stammte der Kaufpreis für eine ihr geschenkte Immobilie in Österreich, den
S. persönlich in bar zu einem Notar nach Sa. brachte. Ein ihr von
S. als Schenkung überlassener Porsche wurde in Österreich erworben
und angemeldet. Schenkungsteuererklärungen gab die Angeklagte für die
Schenkungen nicht ab.
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Nachdem ihr S. mit notariellem Vertrag vom 12. Dezember 2006
ein mit einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung bebautes Grundstück in
R. geschenkt hatte, gab die Angeklagte am 20. Mai 2008 hierfür eine
Schenkungsteuererklärung ab, die sie jedoch erst am 7. Juli 2008 unterzeich-
nete. Die im Schenkungsteuerformular enthaltene Frage nach Vorschenkungen
verneinte sie. Sie gab vielmehr in der Steuererklärung an, von dem Zuwenden-
den keine weiteren Schenkungen oder (teil-)unentgeltlichen Zahlungen erhalten
zu haben. Bei Abgabe der Schenkungsteuererklärung am 20. Mai 2008 war ihr
bewusst, dass sämtliche Schenkungen gegenüber den Finanzbehörden anzu-
zeigen bzw. zu erklären waren.
Nachdem der für die Grundstücksschenkung anzusetzende Grundbe-
sitzwert von der Bewertungsstelle des Lagefinanzamts mit 364.000 Euro fest-
gesetzt worden war, setzte das Finanzamt Fu. mit Bescheid vom 23. Juli
2008 Schenkungsteuer in Höhe von 104.052 Euro fest.
2. Nach der Berechnung des Landgerichts hinterzog die Angeklagte
dadurch, dass sie in ihrer Schenkungsteuererklärung vom 20. Mai 2008 für die
Schenkung der Immobilie in R. im Dezember 2006 nicht nur die Vor-
schenkungen (im Umfang von 979.345 Euro), sondern auch alle weiteren bis
zur Abgabe der Schenkungsteuererklärung von S. erhaltenen Schen-
kungen (im Wert von 1.171.204 Euro) verschwiegen hatte (UA S. 5 f.), Schen-
kungsteuer in Höhe von 768.139,50 Euro. Dieser Betrag wurde der Strafzu-
messung zugrunde gelegt.
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II.
Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergän-
zend verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antrags-
schrift des Generalbundesanwalts.
III.
Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Beweiswürdigung hinsichtlich der im Wesentlichen geständigen
Angeklagten, die nur einzelne Schenkungen bestritten hat, weist keinen
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Steuerhinterzie-
hung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
a) Indem die Angeklagte in ihrer für die am 12. Dezember 2006 erfolgte
Grundstücksschenkung abgegebenen Schenkungsteuererklärung wahrheits-
widrig angab, von dem Zuwendenden S. keine weiteren
Schenkungen oder (teil-)unentgeltliche Zuwendungen erhalten zu haben (UA
S. 3), machte sie unrichtige und zugleich unvollständige Angaben im Sinne des
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
aa) Eine Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht, wer den Fi-
nanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen
unrichtige oder unvollständige Angaben macht.
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Dies ist hier der Fall. Unrichtig waren die Angaben, weil die Angeklagte
in der Schenkungsteuererklärung (vgl. Mantelbogen der Schenkungsteuererklä-
rung, Zeile 20) der Wahrheit zuwider angab, vom Schenker S.
keine weiteren Schenkungen erhalten zu haben. Unvollständig waren die An-
gaben, weil die Angeklagte die vom Schenker erhaltenen Vorschenkungen (in
den Zeilen 110 bis 114 des Mantelbogens der Schenkungsteuererklärung) nicht
im Einzelnen erklärte.
bb) Die Vorschenkungen waren in doppelter Hinsicht steuerlich erheblich
im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Zum einen hatten sie Bedeutung für die
Höhe des Steuersatzes und den steuerlichen Freibetrag (vgl. § 16 und 19
ErbStG in der für die Schenkungen geltenden Fassung); zum anderen waren
die Angaben über die Vorschenkungen Grundlage für die Überprüfung der ord-
nungsgemäßen Besteuerung sämtlicher Schenkungen des Zuwendenden in-
nerhalb eines Zehnjahreszeitraums. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Be-
sonderheiten der Besteuerung von Schenkungen in § 14 ErbStG.
(1) Gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG bemisst sich die Höhe der für eine
Schenkung zu erhebenden Schenkungsteuer in Abhängigkeit von früheren
Schenkungen der vorangehenden zehn Jahre. Mehrere innerhalb von zehn
Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden dabei in
der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwer-
be nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).
Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die
früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf
der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erhe-
ben gewesen wäre (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG; vgl. dazu BFH, Urteil vom
9. Juli 2009
– II R 55/08, DStR 2009, 2243).
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Alle Erwerbe aus diesem Zehnjahreszeitraum sind damit maßgebliche
Berechnungsfaktoren für die Höhe des anzuwendenden Steuersatzes und die
Höhe der für die einzelne Schenkung zu erhebenden Schenkungsteuer. Indem
mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe
bei der Besteuerung des letzten jeweiligen Erwerbs im Zehnjahreszeitraum zu-
sammenzurechnen sind, soll verhindert werden, dass bei aufeinanderfolgenden
Schenkungen die Freibeträge nach § 16 ErbStG innerhalb von zehn Jahren
mehrfach ausgenutzt werden können; zudem soll ausgeschlossen werden,
dass die progressive Steigerung des Steuersatzes nach § 19 ErbStG durch
Zerlegung einer größeren Schenkung in mehrere Teilschenkungen vermieden
werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 9. Juli 2009
– II R 55/08, DStR 2009, 2243;
Högl in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht - BewG, ErbStG, Stand 1. Oktober
2013, § 14 ErbStG Rn. 1; Cramer in Lippross, Basiskommentar Steuerrecht,
§ 14 ErbStG, Lfg. 76, Rn. 1).
(2) § 14 ErbStG nimmt dabei den vorhergehenden Einzelerwerben nicht
den Charakter selbständiger steuerpflichtiger Vorgänge und führt auch nicht zu
einer nachträglichen Besteuerung der vorherigen Erwerbe, sondern verändert
nur die Steuerprogression für den letzten Erwerb (vgl. BFH, Urteil vom
14. Januar 2009
– II R 48/07, DStR 2009, 1142 mwN; Högl aaO Rn. 2). Die
Vorschrift enthält lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der
Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzu-
setzen ist (BFH, Urteil vom 9. Juli 2009
– II R 55/08, DStR 2009, 2243 mwN).
Damit handelt es sich bei § 14 ErbStG um eine Regelung der Steuerberech-
nung für die Steuer auf den Letzterwerb, nicht jedoch um die Ermittlung einer
Gesamtsteuer für sämtliche Erwerbe innerhalb eines zehnjährigen Zeitraums
(Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 64. Lfg., § 14 Rn. 1.2).
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(3) Allerdings hat das Finanzamt, wenn es bei der Besteuerung des letz-
ten Erwerbs noch nicht versteuerte Schenkungen feststellt, deren Besteuerung
durch einen besonderen Schenkungsteuerbescheid nachzuholen, sofern noch
keine steuerrechtliche Verjährung eingetreten ist (Högl aaO Rn. 3; vgl. auch
BFH, Urteil vom 24. August 2008
– II R 16/02, DStRE 2006, 85). Damit sind die
Angaben in einer Schenkungsteuererklärung über das Vorhandensein oder
Nichtvorhandensein von Vorschenkungen desselben Schenkers stets Grundla-
ge für die Prüfung der ordnungsgemäßen Besteuerung sämtlicher Schenkun-
gen des vorangehenden Zehnjahreszeitraums.
(4) Somit war die von der Angeklagten in der von ihr eingereichten
Schenkungsteuererklärung enthaltene Angabe, vom Zuwendenden keine weite-
ren Schenkungen erhalten zu haben, steuerrechtlich sowohl für die Besteue-
rung des Erwerbs, für den die Erklärung abgegeben wurde, von Bedeutung als
auch für die Besteuerung der Vorerwerbe der vorangehenden zehn Jahre.
b) Der Angeklagten war nicht im Hinblick auf bereits begangene Steuer-
hinterziehungen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) unzumutbar, die
Vorschenkungen, auf die sich die Unterlassungstaten bezogen, zu offenbaren.
Eine solche Unzumutbarkeit ergibt sich auch nicht aus dem verfassungsrecht-
lich verankerten Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung (sog. Nemo-tenetur-
Grundsatz; vgl. dazu Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 393 Rn. 26, mN aus der
Rspr.).
Allerdings legen die Urteilsfeststellungen nahe, dass sich die Angeklagte
im Hinblick auf die Vorschenkungen bereits jeweils wegen vorsätzlicher Steuer-
hinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) strafbar gemacht hat,
weil sie diese entgegen § 30 ErbStG nicht angezeigt hat (vgl. zur Tatvollendung
und Tatbeendigung der Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen
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BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011
– 1 StR 631/10, Rn. 41 f., BGHSt 56, 298,
312 f.).
Eine sich aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz ergebende Unzumutbarkeit
normgemäßen Verhaltens bestand gleichwohl nicht, weil die Angeklagte die
Möglichkeit hatte, mit vollständigen und richtigen Angaben zu den Vorschen-
kungen zugleich die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige im
Sinne von § 371 AO zu erfüllen. Durch eine Selbstanzeige kann der Steuer-
pflichtige regelmäßig Straf- bzw. Sanktionsfreiheit erlangen (§ 371, § 378
Abs. 3 AO). Die Angeklagte befand sich damit nicht in einer unauflösbaren
Kon
fliktlage, die im Hinblick auf den Grundsatz „nemo tenetur se ipsum
accusare“ und das in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO normierte Zwangsmittel-
verbot ihrer steuerrechtlichen Erklärungspflicht entgegenstehen könnte (vgl.
BGH, Beschluss vom 17. März 2009
– 1 StR 479/08, Rn. 26, BGHSt 53, 210,
218). Sofern eine Selbstanzeige wegen eines Sperrgrundes im Sinne von § 371
Abs. 2 AO nicht in Betracht gekommen sein sollte, war der Angeklagten die
Angabe der Vorschenkungen ebenfalls nicht unzumutbar. Denn soweit erzwun-
gene Angaben zu einer mittelbaren Selbstbelastung führen können, besteht für
sie ein strafrechtliches Verwendungsverbot (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Au-
gust 2012
– 1 StR 26/12, BGHR AO § 393 Abs. 2 Verwertungsverbot 3; BGH,
Beschluss vom 12. Januar 2005
– 5 StR 191/04, wistra 2005, 148).
c) Die unrichtige Angabe der Angeklagten, vom Schenker S. (in-
nerhalb des vorangehenden Zehnjahreszeitraums) keine Vorschenkungen er-
halten zu haben, führte sowohl hinsichtlich der erklärten Grundstücksschen-
kung vom 12. Dezember 2006 als auch hinsichtlich der von ihr zuvor von S.
erhaltenen weiteren Schenkungen zu einer Steuerverkürzung. Gemäß
§ 370 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz AO sind Steuern namentlich dann verkürzt,
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wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.
Dies war hier der Fall.
aa) Aufgrund der unrichtigen Angaben zu den Vorschenkungen wurde
hinsichtlich der erklärten Schenkung eines Grundstücks vom 12. Dezember
2006 die Schenkungsteuer in Höhe von 23.348 Euro zu niedrig festgesetzt und
damit verkürzt.
Das Finanzamt hat die Schenkungsteuer für den Erwerb des Grund-
stücks ausgehend von einem gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG ermittelten Wert von
364.000 Euro bei Zugrundelegung der Steuerklasse III und unter Berücksichti-
gung eines Freibetrages von 5.200 Euro anhand eines Steuersatzes von
29 Prozent berechnet und die Schenkungsteuer in Höhe von 104.052 Euro
festgesetzt. Bei Berücksichtigung der Vorschenkungen wäre ausgehend von
§ 14 ErbStG in der im Jahr 2006 geltenden Fassung ein Steuersatz von
35 Prozent zugrundezulegen gewesen; der Freibetrag wäre nur bei den Vor-
schenkungen anzusetzen gewesen. Damit wäre für die Schenkung des Grund-
stücks eine Schenkungsteuer von 127.400 Euro, mithin 23.348 Euro mehr,
festzusetzen gewesen.
bb) Auch hinsichtlich der Vorschenkungen führten die unrichtigen Anga-
ben der Angeklagten zu einem angeblichen Fehlen von Vorschenkungen je-
weils zu einer Steuerverkürzung. Denn bei zutreffender Angabe der Vorschen-
kungen hätte das Finanzamt alsbald durch Erlass entsprechender Steuerbe-
scheide die Besteuerung der Vorerwerbe nachgeholt (vgl. dazu Högl aaO
Rn. 3).
Der in der Literatur zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zum
Teil vertretenen Auffassung, verkürzt sei nur die Steuer auf den neuerlichen
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Erwerb, sodass es nur für den Steuersatz und mögliche Freibeträge auf die
Vorerwerbe ankomme (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht,
7. Aufl., § 370 AO Rn. 233h; ihm zustimmend Hilgers-Klautzsch in Kohlmann,
Steuerstrafrecht, 51. Lfg., § 370 AO Rn. 1517.1; demgegenüber ablehnend
Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, EL 103, § 370 Rn. 593),
folgt der Senat nicht. Zwar trifft es zu, dass in Fällen, in denen die Verfolgung
einer Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1
Nr. 2 AO) wegen eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr in Betracht
kommt, die Verfolgung der Hinterziehung derselben Steuer durch nachfolgen-
des aktives Tun wieder möglich wird, wenn der Täter später
– und sei es nur
zur Verdeckung seiner Unterlassungstat
– gegenüber den Finanzbehörden un-
richtige Angaben macht. Allerdings widerspricht dieses Ergebnis nicht der „ge-
setzgeberis
chen Grundwertung“ der Verfolgungsverjährung (so aber Joecks
aaO); vielmehr ist es die Folge einer neuen tatbestandlichen Handlung, die zu
einem neuen Taterfolg führt und für die deshalb die Verfolgungsverjährung ei-
genständig zu prüfen ist. Die Tatbestandsmäßigkeit einer solchen neuen Tat
scheidet lediglich dann aus, wenn für die Schenkungsteuer bereits die steuerli-
che Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) eingetreten ist.
d) Allerdings stellt hier die in der Angabe, Vorschenkungen hätten nicht
stattgefunden, liegende Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1
Nr. 1 AO) insoweit eine mitbestrafte und damit konsumierte Nachtat dar, als die
Angeklagte wegen noch nicht verjährter Taten der Hinterziehung von Schen-
kungsteuer bezogen auf die einzelnen Vortaten noch verfolgt werden kann.
aa) Die mitbestrafte Nachtat ist eine selbständige, den Tatbestand eines
Strafgesetzes erfüllende rechtswidrige und schuldhafte Handlung, durch die der
Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position sichert, aus-
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nutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn die Bewertung des konkreten
Sachverhalts ergibt, dass dieser nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung
wegen ihres inneren
– funktionalen – Zusammenhangs mit der Vortat kein ei-
gener Unwertgehalt zukommt, so dass auch kein Bedürfnis besteht, sie neben
der Haupttat selbständig zu bestrafen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2007
– 2 StR
69/07, wistra 2007, 458; vgl. auch Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., Vor § 52
Rn. 151; Fischer, StGB, 62. Aufl., Vor § 52 Rn. 65 f.; Sternberg-Lieben/Bosch
in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vor § 52 Rn. 129). Voraussetzung für die
Straflosigkeit der Nachtat ist, dass die Geschädigten der beiden Straftaten
identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qua-
litativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2014
– 3 StR 178/13, Rn. 11, wistra 2014,
392; Beschluss vom 21. August 2012
– 1 StR 26/12, BGHR AO § 370 Abs. 1
Konkurrenzen 22; Urteil vom 24. September 1986
– 3 StR 348/86, BGHR StGB
§ 1 Nachtat, mitbestrafte 1; Urteil vom 22. April 1954
– 4 StR 807/53, BGHSt 6,
67, 68; Urteil vom 4. Februar 1954
– 4 StR 445/53, BGHSt 5, 295, 297; Rissing-
van Saan aaO Vor § 52 Rn. 153; Sternberg-Lieben/Bosch aaO Rn. 131).
So verhält es sich auch hier im Hinblick auf die Taten der Hinterziehung
von Schenkungsteuer durch Unterlassen der Angeklagten betreffend die von ihr
erhaltenen Vorschenkungen. Mit der Falschangabe, es habe keine Vorschen-
kungen gegeben, sicherte sich die Angeklagte lediglich die Vorteile der Hinter-
ziehung der Schenkungsteuer durch vorangegangene Unterlassungstaten (zur
Sicherung der Vorteile aus einer Unterlassungstat als mitbestrafte Nachtat vgl.
Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 247 mwN). Es wurde insoweit weder ein
neues Rechtsgut verletzt noch entstand eine weitergehende Steuerverkürzung
(vgl. zur Verhinderung der Festsetzung einer bereits verkürzten Steuer BGH,
Beschluss vom 7. Juli 1993
– 5 StR 212/93, wistra 1993, 302).
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bb) Allerdings entfällt die Straflosigkeit einer Nachtat, wenn die Vortat
– z.B. wegen Verjährung – nicht mehr verfolgbar ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH,
Beschluss vom 13. November 2008
– 5 StR 344/08, wistra 2009, 105, 106 so-
wie BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1992
– 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366,
jeweils mwN).
Ob hier für einzelne der länger zurückliegenden Vortaten bereits Verjäh-
rung eingetreten ist, kann der Senat nicht ohne weiteres feststellen. Es fehlt an
entsprechenden tatsächlichen Feststellungen, da das Landgericht die Vortaten
nicht in den Blick genommen hat (zum Verjährungsbeginn bei Hinterziehung
von Schenkungsteuer durch Unterlassen vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli
2011
– 1 StR 631/10, Rn. 41 f., BGHSt 56, 298, 312 f.). Die Prüfung, ob und
gegebenenfalls in welchen Fällen hinsichtlich der Hinterziehung von Schen-
kungsteuer für Vorschenkungen die Nachtat durch eine Unterlassungs-Vortat
mitbestraft ist, obliegt daher dem neuen Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom
19. Oktober 2010
– 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6).
e) Der Schuldspruch der Steuerhinterziehung wird bereits durch die Ver-
kürzung der Schenkungsteuer für die Grundstücksschenkung vom 12. Dezem-
ber 2006 getragen.
Sofern sich die Angeklagte durch Verschweigen von Vorschenkungen
wegen weiterer in gleichartiger Tateinheit begangener Steuerhinterziehungen
durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) strafbar gemacht hat, muss dies im
Urteilstenor nicht zum Ausdruck kommen. Zwar kann es sich grundsätzlich
auch bei gleichartiger Tateinheit empfehlen, dies im Urteilsspruch kenntlich zu
machen. Davon kann aber gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO abgesehen wer-
den, wenn der Tenor unübersichtlich würde. Denn dies widerspräche dem auch
zu berücksichtigenden Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel
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(vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2007
– 5 StR 127/07, wistra 2007, 388, 391). So
verhält es sich auch hier; einer Aufhebung des Schuldspruchs bedarf es daher
nicht.
IV.
Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht
der Strafzumessung einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat.
Das Landgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es sich
bei den in einer Schenkungsteuererklärung anzugebenden Vorschenkungen
um alle Schenkungen desselben Zuwendenden innerhalb eines Zehnjahreszeit-
raums vor Abgabe der Erklärung handelt. Zwar trifft es zu, dass die Schen-
kungsteuer anhand eines zehn Jahre in die Vergangenheit reichenden Zeit-
raums zu bemessen ist. Maßgeblicher Stichtag für die Anwendung des § 14
ErbStG ist dabei aber entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht der
Zeitpunkt der Abgabe der Schenkungsteuererklärung, sondern derjenige der
Entstehung der Steuer des letzten Erwerbs, auf den sich die Schenkungsteuer-
erklärung bezieht (vgl. BFH, Urteil vom 28. März 2012
– II R 43/11, DStRE
2012, 1067; vgl. auch Högl aaO Rn. 25 und Cramer aaO Rn. 6). Dies war hier
die Grundstücksschenkung vom 12. Dezember 2006. Bei allen nach diesem
Zeitpunkt erfolgten Schenkungen an die Angeklagte handelt es sich somit um
Nachschenkungen, die in der sich auf die Grundstücksschenkung beziehenden
Schenkungsteuererklärung nicht anzugeben waren.
Das Verschweigen der Nachschenkungen stellt daher keine Tathandlung
i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar. Eine Strafbarkeit wegen pflichtwidrigen Unter-
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lassens der Abgabe weiterer Schenkungsteuererklärungen für die nach der
Grundstücksschenkung vom 12. Dezember 2006 erfolgten weiteren Schenkun-
gen ist nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils. Indem das Landgericht
Nachschenkungen im Wert von 1.171.204 Euro mit einbezogen hat, ist es so-
mit rechtsfehlerhaft von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen. Es be-
darf daher einer neuen tatrichterlichen Strafzumessung.
Die Urteilsfeststellungen sind von dem Rechtsanwendungsfehler nicht
betroffen; sie haben daher Bestand. Soweit für die Strafzumessung erforder-
lich, hat das neue Tatgericht weitere Feststellungen
– insbesondere zu den
Vorschenkungen
– zu treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch ste-
hen.
V.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat im Hinblick auf den
für die vorzunehmende Strafzumessung maßgeblichen Schuldumfang:
Das neue Tatgericht wird die Gelegenheit haben, bei den einzelnen Vor-
schenkungen zu prüfen, ob ein Steuerbefreiungstatbestand gemäß § 13
ErbStG in Betracht kommt. Insbesondere bei den der Angeklagten vom Schen-
ker S. als Taschengeld und für Mieten zugewendeten Beträgen
erscheint das Vorliegen des Steuerbefreiungstatbestands für Zuwendungen
unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts (§ 13 Abs. 1
Nr. 12 ErbStG) nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. dazu Hartmann in
Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht - BewG, ErbStG, Stand 1. April 2013,
§ 13 ErbStG, Rn. 112; Cramer in Lipross, Basiskommentar Steuerrecht § 13
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ErbStG, Lfg. 75, Rn. 68 f.), wenngleich dies im Hinblick auf die Höhe der ein-
zelnen Zuwendungen eher fernliegt. Angemessen ist gemäß § 13 Abs. 2
ErbStG eine Zuwendung, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstel-
lung des Bedachten entspricht; eine dieses Maß übersteigende Zuwendung ist
in vollem Umfang steuerpflichtig (§ 13 Abs. 2 Satz 2 ErbStG).
Soweit sich das Tatgericht hinsichtlich der Vorschenkungen von Vortaten
der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) seitens der
Angeklagten überzeugt, wird es das Konkurrenzverhältnis zu dem hier abgeur-
teilten Tatgeschehen in den Blick nehmen. Es wird dabei insbesondere zu klä-
ren haben, inwieweit sich das Verschweigen von Vorschenkungen in der ver-
fahrensgegenständlichen Schenkungsteuererklärung als im Hinblick auf nicht
verjährte Unterlassungstaten mitbestraftes und damit strafloses Nachtatverhal-
ten darstellt.
Rothfuß Jäger Radtke
Mosbacher Fischer
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