Urteil des BGH vom 27.07.2016

Überprüfung, Unterbringung, Grenzwert, Verkehr

ECLI:DE:BGH:2016:270716B1STR336.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 336/16
vom
27. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. Juli
2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Hof vom 22. März 2016 im Strafausspruch sowie im Aus-
spruch über die Dauer des Vorwegvollzugs aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneter unerlaubter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsan-
stalt angeordnet. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersicht-
lichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im
Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung
des Angeklagten wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (vgl. BGH, Beschluss
vom 5. April 2016
– 1 StR 38/16 Rn. 4 ff. mwN).
2. Der Strafausspruch erweist sich allerdings als rechtsfehlerhaft. Auch
unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungs-
maßstabs hält die Begründung der Ablehnung eines minder schweren Falles
gemäß § 30a Abs. 3 BtMG sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte über
den ehemaligen Grenzübergang S. nach Deutschland, wobei er 13,99
Gramm Methamphetamin in seinem Darm inkorporiert einführte. Auf der Rück-
sitzbank des Fahrzeugs befand sich griffbereit in einem Rucksack ein in der
Tschechischen Republik erworbenes Pfefferspray, das nicht über das erforder-
liche PTB-Prüfzeichen verfügte. Dabei war ihm bewusst, dass dieses Pfeffer-
spray in Deutschland verboten und zur Verletzung von Personen geeignet und
bestimmt war.
b) Die Versagung eines minder schweren Falls hält rechtlicher Überprü-
fung nicht stand (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 11. März 2015
- 2 StR 423/14, NStZ-RR 2016, 110 mwN).
So stellt das Landgericht eine Vielzahl gravierender, zu Gunsten des An-
geklagten sprechender, schuldmindernder Gesichtspunkte fest, u.a. dass er
vollumfänglich geständig ist, sich reuig und schuldeinsichtig gezeigt hat, die
erworbenen Betäubungsmittel lediglich zum Eigenkonsum dienen sollten und er
als Konsument unter erheblichem Suchtdruck stand, der Grenzwert der nicht
geringen Menge nur um das 1,9-fache überschritten wurde, die Betäubungsmit-
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tel sichergestellt werden konnten und nicht in den Verkehr gelangten sowie vor
allem auch, dass dem Pfefferspray im Vergleich zu anderen Waffen eine weit-
aus mindere Gefährlichkeit innewohnt.
Zu Lasten des Angeklagten hat das Landgericht neben einigen Vorstra-
fen nur das hier gerade wenig belastende
„gesamte Tatbild“ berücksichtigt (UA
S. 29). Angesichts des Umfangs und Gewichts der vom Landgericht zugunsten
des Angeklagten angeführten gravierenden Milderungsgründe, denen hier nur
wenig bedeutsame Strafschärfungsgründe gegenübergestellt wurden, ist es für
das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar, weshalb dem Angeklagten die An-
nahme eines minder schweren Falles versagt worden ist.
c) Da es sich bei dem aufgezeigten Rechtsfehler lediglich um einen Wer-
tungsmangel handelt, bleiben die Feststellungen zum Strafausspruch aufrecht-
erhalten (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann aber ergänzende
Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch
stehen.
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3. Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
(§ 64 StGB) bleibt bestehen, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betrof-
fen ist. Die Aufhebung des Strafausspruchs entzieht dem vom Landgericht an
sich rechtsfehlerfrei angeordneten Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten aber die Grundlage.
Raum Radtke Mosbacher
Fischer Bär
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