Urteil des BGH vom 20.05.2015

Leitsatzentscheidung zu Untreue, Beihilfe, Strafzumessung, Anteil

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 S t R 3 3 / 1 5
vom
20. Mai 2015
BGHSt:
nein
BGHR:
ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung:
ja
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StGB § 261 Abs. 1 Satz 1
Ist Giralgeld sowohl aus rechtmäßigen Zahlungseingängen als auch aus von
§ 261 Abs. 1 Satz 2 StGB erfassten Straftaten hervorgegangen, handelt es sich
dabei insgesamt um einen "Gegenstand", der aus Vortaten "herrührt", wenn der
aus diesen stammende Anteil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht völlig
unerheblich ist.
BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 1 StR 33/15 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
1.
2.
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wegen zu 1.: Untreue u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Untreue u.a.
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2015 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Mannheim vom 24. September 2014 werden als unbe-
gründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in Tateinheit mit
Betrug in 128 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe sowie die Angeklagte we-
gen Beihilfe zur Untreue und wegen vorsätzlicher Geldwäsche in 21 Fällen zu
einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 200 Euro verurteilt. Ein Teil
der Strafen ist jeweils wegen der Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt worden.
Außerdem hat das Landgericht Verfallsentscheidungen getroffen.
Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Beschwerdeführer sind
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf bezüglich
der Revision der Angeklagten lediglich das Folgende:
1. Die auf fehlerfreien Feststellungen beruhende Verurteilung der Ange-
klagten wegen 21 Fällen der Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB in
der Tatvariante des „Verwendens“ (Fälle C.II.2. der Urteilsgründe; Taten 129 –
149) weist keine Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf.
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a) Bei den jeweiligen Guthaben auf dem Konto bei der V.
eG, deren Inhaber die Angeklagten gemeinschaftlich waren,
handelte es sich im Tatzeitraum zwischen Juli 2007 und April 2009 insgesamt
um einen „Gegenstand“ im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB, der aus von
dem Angeklagten gewerbsmäßig begangenen Straftaten jeweils tateinheitlicher
Untreue und Betruges herrührte (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4a StGB). Gegen-
stand ist jeder Vermögensgegenstand, der seinem Inhalt nach bewegliche oder
unbewegliche Sachen oder Rechte umfasst (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 261
Rn. 6; Neuheuser in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 261
Rn. 29 mwN; näher Voß, Die Tatobjekte der Geldwäsche, 2007, S. 16 ff.). Dazu
gehört Buchgeld ebenso wie Forderungen im Allgemeinen (Neuheuser aaO
mwN; siehe auch BT-Drucks. 12/989 S. 27 li.Sp.).
Der Tatobjektseigenschaft der gesamten Guthaben steht nicht entgegen,
dass diese im genannten Tatzeitraum sowohl aus rechtmäßigen Zahlungsein-
gängen als auch aus den Untreue- und Betrugsstraftaten des Angeklagten re-
sultierten. Jedenfalls bei den von dem Landgericht festgestellten Anteilen des
Zuflusses aus deliktischen Quellen zwischen 5,9 % bis ca. 35 % in den Jahren
2007 bis 2009 war das jeweilige Giralgeld insgesamt ein aus Straftaten nach
§ 261 Abs. 1 Satz 2 StGB stammender Gegenstand. Es bedarf daher vorlie-
gend keiner Festlegung, ob es in Fällen der Vermischung von Mitteln aus
rechtmäßigen und unrechtmäßigen Quellen einer Mindestquote des delikti-
schen Anteils bedarf (so etwa Barton NStZ 1993, 159, 163 f.; Leip/Hardtke
wistra 1997, 281, 283; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, 2. Aufl.,
S. 108
– 110), um insgesamt von einem tauglichen Tatobjekt der Geldwäsche
ausgehen zu können.
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Der Senat folgt damit einer in der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Be-
schluss vom 20. Januar 2005
– 3 Ws 108/04, NJW 2005, 767, 769) und in der
Strafrechtswissenschaft (etwa Schmidt/Krause in Leipziger Kommentar zum
StGB, 12. Aufl., Band 8, § 261 Rn. 12; Altenhain in Nomos Kommentar zum
StGB, 4. Aufl., Band 3; § 261 Rn. 76 f.; siehe auch Neuheuser aaO Rn. 55 f.;
krit. Voß aaO S. 50
– 52) vielfach vertretenen Auffassung. Danach kommt es in
Fällen der Vermischung im Grundsatz lediglich darauf an, dass der aus Vorta-
ten herrührende Anteil bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig unerheblich
ist. Dafür spricht sowohl die Auslegung des § 261 Abs. 1 StGB anhand der Ent-
stehungsgeschichte als auch der mit der Strafvorschrift verfolgte Zweck (eben-
so Altenhain aaO § 261 Rn. 76). Aus den Gesetzesmaterialien im Zuge der Ein-
führung des § 261 StGB ist die Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren
Beteiligten deutlich abzulesen, Vermögensgegenstände, die aus einer Vermi-
schung von Mitteln aus legalen und illegalen Quellen entstanden sind, insge-
samt als Gegenstände anzusehen, die aus einer Straftat herrühren (BT-Drucks.
12/3533 S. 12 re.Sp. mit dem dortigen Beispiel). Diese Vorstellung hat in den
sprachlich weiten Begriffen „Gegenstand“ und „herrührt“ hinreichend deutlich
Ausdruck gefunden (siehe zur Wortbedeutung „herrühren“ bereits Senat, Be-
schluss vom 18. Februar 2009
– 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 208 – 210 Rn. 12
– 15). Der Zweck des Geldwäschetatbestandes, das Einschleusen von Vermö-
gensgegenständen aus bestimmten Kriminalitätsformen in den legalen Finanz-
und Wirtschaftskreislauf zu verhindern (BT-Drucks. 12/989 S. 26 li.Sp.), spricht
ebenfalls für eine Einbeziehung von Vermischungskonstellationen in den Kreis
gemäß § 261 Abs. 1 StGB tauglicher Tatobjekte (ebenso OLG Karlsruhe aaO,
Altenhain aaO; insoweit auch Neuheuser aaO; Leip/Hardtke wistra 1997, 281,
284). Die notwendige Begrenzung (vgl. BT/Drucks. 12/989 S. 27 li.Sp.) erfolgt,
indem der aus deliktischen Quellen stammende Anteil nicht lediglich völlig un-
erheblich sein darf. Das ist bei den hier festgestellten Quoten nicht der Fall.
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b) Die Feststellungen tragen die Annahme der Tathandlung des Ver-
wendens i.S.v. § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Darunter fällt jeder bestimmungsge-
mäße Gebrauch des inkriminierten Gegenstandes (Neuheuser NStZ 2008, 492,
496 mwN). Das ist bei allen im Einzelnen durch das Landgericht festgestellten
Verfügungen der Angeklagten über das jeweilige Guthaben auf dem Konto in
Gestalt des Tätigens von Überweisungen (Taten 129, 132, 134, 136
– 139, 141
– 146, 148, 149), der Barabhebung (Tat 130), der Erteilung von Ermächtigun-
gen zum Lastschrifteneinzug (Taten 131 und 147) sowie der von Einzugser-
mächtigungen (Taten 133, 135 und 140) der Fall. Rechtsfehlerfrei hat der
Tatrichter für das Lastschrifteinzugsverfahren und die Erteilung von Einzugser-
mächtigungen selbst dann nur eine Tathandlung der Angeklagten angenom-
men, wenn die Begünstigten mehrfach von der ihnen erteilten Ermächtigung
(bei periodisch fällig werdenden Schulden; exemplarisch Tat 140) Gebrauch
gemacht haben.
c) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Angeklagte bezüglich der Taten
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– 149 auch die Varianten des Verschaffens (§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und
des Verwahrens (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB; zu den Anforderungen BGH, Be-
schluss vom 26. Januar 2012
– 5 StR 461/11, NStZ 2012, 321, 322) der Geld-
wäsche verwirklicht hat und wie sich dies konkurrenzrechtlich zu den Tathand-
lungen des Verwendens (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB) verhalten hätte (vgl. dazu
Neuheuser NStZ 2008, 492, 496). Dass das Landgericht die vorgenannten Va-
rianten nicht angenommen hat, wirkt sich nicht zu Lasten der Angeklagten aus.
2. Die getroffenen Feststellungen tragen auch den Schuldspruch und die
Einzelstrafe wegen Beihilfe zur Untreue im Fall 112 (C.II.1. der Urteilsgründe).
Indem die Angeklagte in Kenntnis der Herkunft einen von Verantwortlichen der
geschädigten M. AG begebenen Scheck auf der Rückseite unter-
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schrieb, um ihrem mitangeklagten Ehemann zu ermöglichen, den Scheck auf
das gemeinsame Konto einzureichen, unterstützte sie diesen vorsätz-
lich bei dessen Untreue (§ 266 StGB) zu Lasten seines Arbeitgebers, der M.
AG.
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafe von 120 Tagessätzen wegen die-
ser Tat hat das Landgericht zwar nicht erkennbar die Strafmilderung aus § 28
Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB berücksichtigt. Dies wäre neben der Milderung
aus § 27 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB aber erforderlich gewesen, weil die
Angeklagte das besondere persönliche Merkmal der Vermögensbetreuungs-
pflicht aus § 266 Abs. 1 StGB (siehe nur BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015
– 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN) in eigener Person nicht aufwies und die
Beteiligungsform der Beihilfe nicht aus dem Fehlen der Betreuungspflicht, son-
dern bereits aus dem geringen Gewicht ihres Tatbeitrags resultiert (UA S. 87;
zur erforderlichen Berücksichtigung beider vertypter Milderungsgründe auch bei
Geldstrafe KG, Beschluss vom 2. April 2012
– [4] 161 Ss 30/12 [67/12], StV
2013, 89, 91). Dass die Angeklagte bei der Tatbegehung Leiterin der Abteilung
Schulung und Training der U. GmbH, einer zum M. -Konzern gehö-
renden Gesellschaft, war (UA S. 6 und 7), begründete keine eigene Vermö-
gensbetreuungspflicht im Verhältnis zu der durch die Taten des Angeklagten
geschädigten M. AG.
b) Der Senat schließt aber im Hinblick auf die von dem Tatgericht seiner
Strafzumessung zugrunde gelegten Erwägungen ein Beruhen der Einzelstrafe
auf dem Rechtsfehler aus. Das Landgericht hat sich bei der Strafzumessung
der Einzelstrafe bedenkenfrei auch an der Höhe des durch die Haupttat ent-
standenen Schadens für die M. AG orientiert. Die Einzelstrafen für
die täterschaftliche Geldwäsche der Angeklagten hat es im Vorgehen ver-
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gleichbar an der Höhe der jeweils „verwendeten“ Beträge ausgerichtet (UA
S. 87 f.). Angesichts des Umfangs des Untreueschadens hätte das Tatgericht
bei Anlegen seiner Strafzumessungsmaßstäbe auch unter Berücksichtigung
eines weiteren vertypten Strafmilderungsgrundes keine geringere Einzelstrafe
verhängt.
c) Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob ein Beruhen auch deshalb
ausgeschlossen werden könnte, weil bei der Tat 112 zudem die tatbestandli-
chen Voraussetzungen einer Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2
StGB in den Tatvarianten des Verschaffens und Verwahrens vorliegen könnten.
Insoweit wäre zwar eine Verurteilung der Angeklagten ausgeschlossen, weil zu
ihren Gunsten die als persönlicher Strafausschließungsgrund und als Konkur-
renzregel zu verstehende Vorschrift des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB (näher Se-
nat, Beschluss vom 18. Februar 2009
– 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 207 Rn. 8)
eingriff. Einer Berücksichtigung bei der Strafzumessung hätte dies aber nicht
zwingend entgegengestanden (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit im Fall der
Gesetzeseinheit allgemein Miebach in Münchener Kommentar zum StGB,
2. Aufl., Band 2, § 46 Rn. 162).
Ebenso kann offen bleiben, ob der Unrechts- und Schuldgehalt der Bei-
hilfe dadurch beeinflusst war, dass die Haupttat sich gegen das Vermögen ei-
ner Gesellschaft richtete, die zu demselben Konzern gehörte, wie die Arbeitge-
berin der Angeklagten.
3. Angesichts des rechtsfehlerfrei festgestellten Einkommens der Ange-
klagten geboten ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht, ihr
wegen Unzumutbarkeit der vollständigen Zahlung der verhängten Geldstrafe
(näher Radtke in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 2, § 42
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Rn. 11; Satzger/Schmitt/Widmaier/Mosbacher, StGB, 2. Aufl., § 42 Rn. 4 aE)
Zahlungserleichterungen gemäß § 42 Satz 1 StGB zu gewähren.
4. Im Rahmen der Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO genügte es,
dass das Landgericht hinsichtlich eines Betrages von 86.429,70 Euro eine ge-
samtschuldnerische Haftung beider Angeklagten in den Urteilsgründen festge-
stellt hat (UA S. 93); eines entsprechenden Ausspruchs im Tenor bedurfte es
nicht zwingend (Senat, Beschluss vom 10. April 2013
– 1 StR 22/13, NStZ-RR
2013, 254, 255 mwN).
Rothfuß Jäger Radtke
Mosbacher Fischer
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