Urteil des BGH vom 29.09.2015

Steuerhinterziehung, Verletzter, Staat, Alkohol

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 S t R 1 8 7 / 1 5
vom
29. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des
Landgerichts Augsburg vom 14. Juli 2014 - soweit es ihn betrifft -
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festge-
stellt ist, dass hinsichtlich eines Betrages in Höhe von
1.213.703,29 Euro die Ansprüche Verletzter der Anordnung des
(Wertersatz-)Verfalls entgegenstehen (§ 111i Abs. 2 StPO).
II. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Steuerhinterzie-
hung in 17 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamt-
freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es fest-
gestellt, dass lediglich deshalb nicht auf (Wertersatz-)Verfall in Höhe von
1.213.703,29 Euro erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Es
hat weiterhin ausgesprochen, dass die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung
im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.
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Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf
mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechts-
mittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4
StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
Die vom Landgericht getroffene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO
hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Här-
tevorschrift des § 73c StGB nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Regelung des
§ 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden
Entscheidung zu beachten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 4 StR
173/15; vom 18. März 2015 - 3 StR 644/14, wistra 2015, 270; vom 12. März
2015 - 2 StR 322/14, NStZ-RR 2015, 171 f. und vom 6. November 2014 - 4 StR
290/14, NStZ-RR 2015, 44). Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB ganz
oder teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge,
dass der in der Entscheidungsformel allein zu bezeichnende Vermögensge-
genstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen
des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter
dem Erlangten bzw. dessen Wert zurückbleibt (BGH, Beschluss vom 17. Juli
2013 - 4 StR 208/13, wistra 2013, 386; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010
- 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 f.). Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1
StGB sind zu erörtern, wenn naheliegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen
gegeben sind (BGH, Beschlüsse vom 12. März 2015 - 2 StR 322/14, NStZ-RR
2015, 171 f.; vom 17. Juli 2013 - 4 StR 208/13, wistra 2013, 386 und vom
11. April 2013 - 4 StR 39/13, StV 2013, 610). So verhält es sich hier.
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Das Landgericht hat die im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionszah-
lungen ersichtlich in voller Höhe in die Wertberechnung nach § 111i Abs. 2
Satz 3 StPO eingestellt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Angeklag-
te die erhaltenen Zahlungen für seinen Lebensunterhalt, Alkohol und Glücks-
spiel aufgewendet hat, weiterhin unterstützte er Freunde und Verwandte (UA
S. 9). Danach ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im
Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollstän-
dig vorhanden waren (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Daran anknüpfend hätte sich
das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung der
Härtevorschrift auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung
treffen müssen (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen BGH, Ur-
teile vom 26. März 2015 - 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 178 und vom
2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234 f.).
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Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO. Der
Senat hebt - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - auch die
zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie
Feststellungen - insbesondere zu den Vermögensverhältnissen des Angeklag-
ten - zu ermöglichen.
Rothfuß Jäger Cirener
Radtke Fischer
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