Urteil des BGH vom 14.10.2013

BGH: verkündung, form, unabhängigkeit, entlastung, arbeitsgericht, disziplinarverfahren, zugang, verfügung, anwendungsbereich, rechtsnorm

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
RiZ(R) 6/12
Verkündet am:
14. Oktober 2013
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Prüfungsverfahren
des Richters am Arbeitsgericht
Antragsteller und Revisionskläger,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
-
gegen
Antragsgegner und Revisionsbeklagter,
wegen Feststellung und Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
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Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesge-
richtshof Prof. Dr. Bergmann, die Richterin am Bundesgerichtshof Safari Cha-
bestari, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher sowie die Richter am
Bundesarbeitsgericht Reinfelder und Dr. Spinner
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Antragstellers wird der Gerichtsbescheid des
Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Leipzig vom
18. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten der Revision - an das Dienstgericht für
Richter zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller durch schriftsätzli-
che Äußerungen des Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts in
einem Verfahren zwischen den Beteiligten gegenüber dem Sächsischen Ober-
verwaltungsgericht und in dem vorliegenden Verfahren gegenüber dem Land-
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gericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - in seiner richterlichen Unabhängig-
keit beeinträchtigt ist.
Der geborene Antragsteller steht seit dem 1. August 1991 im rich-
terlichen Dienst des Antragsgegners. Seit dem 1. März 2000 ist er als Richter
am Arbeitsgericht L. tätig und dort Vorsitzender einer Kammer.
Über den Antragsteller wurde durch den Präsidenten des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts unter dem 8. Februar 2006 / 19. April 2006 eine periodi-
sche dienstliche Beurteilung für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Dezember
2005 erstellt, in der u.a. folgendes festgehalten wurde:
„Vier Entscheidungen wurden erst nach Ablauf von fünf
Monaten nach ihrer Verkündung in vollständig abgesetzter
Form der Geschäftsstelle vorgelegt.“
Diese Beurteilung hat der Antragsteller sowohl vor dem Landgericht
Leipzig - Dienstgericht für Richter - als auch vor dem Verwaltungsgericht
Leipzig angefochten. Mit Urteil vom 3. Juli 2008 hat das Landgericht Leipzig
- Dienstgericht für Richter - verschiedene Formulierungen in der Beurteilung für
unzulässig erklärt, andere jedoch unbeanstandet gelassen. Der Bundesge-
richtshof - Dienstgericht des Bundes - hat auf die Revision des Antragstellers
seinem Begehren insgesamt stattgegeben und die Revision des Antragsgeg-
ners zurückgewiesen (BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - RiZ(R) 5/08 - BGHZ 181,
268). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller vorgetragen,
dass sich die Parteien in einem der vier Rechtsstreite vor Ablauf von fünf Mona-
ten zu gerichtlichem Protokoll verglichen hätten, das bereits verkündete Urteil
gleichwohl in vollständiger Form abgesetzt und den Parteien übermittelt worden
sei.
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Das Verwaltungsgericht Leipzig hat die Beurteilung vom 8. Februar 2006
in Gestalt des Prüfungsvermerks vom 19. April 2006 und des Widerspruchsbe-
scheids vom 24. Juli 2007 mit Urteil vom 3. Juli 2008 aufgehoben und in den
Entscheidungsgründen ausgeführt:
„Die Beurteilung geht auch von einem falschen Sachver-
halt aus. Denn unwidersprochen hat der Kläger vorgetra-
gen, dass von den in der Beurteilung erwähnten vier Urtei-
len, die nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung
abgesetzt worden seien, ein Verfahren durch Vergleich
erledigt worden sei.“
Die Berufung wurde nicht zugelassen. Deshalb beantragte der beklagte
Freistaat deren Zulassung durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht und
begründete diesen Antrag mit Schriftsatz vom 16. September 2008, in dem er
u.a. folgendes ausführte:
„Von den vier genannten Entscheidungen, welche in voll-
ständig abgesetzter Form binnen fünf Monaten nach ihrer
Verkündung nicht zur Geschäftsstelle vorgelegt worden
sind, wurden danach nur drei vorgelegt. Das vierte Urteil
wurde nicht mehr abgesetzt, nachdem die Parteien sich
- wohlgemerkt mehr als fünf Monate nach Verkündung
des Urteils - verglichen hatten
.“
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2009 erhob der Antragsteller gegen die-
se schriftsätzlichen Ausführungen Widerspruch. Dieser wurde mit Wider-
spruchsbescheid des Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom
29. Dezember 2009 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem
Antragsteller am 20. Januar 2010 zugestellt.
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Durch die Rücknahme des Antrags auf Zulassung der Berufung am
22. Dezember 2009 wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig rechts-
kräftig.
Mit seinem am 19. Februar 2010 beim Dienstgericht für Richter einge-
gangenen Antrag hat der Antragsteller die Feststellung der Unzulässigkeit der
Formulierung im Schriftsatz vom 16. September 2008 begehrt, weil diese ihn in
seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtige.
Der Antragsteller hat im Wesentlichen vorgetragen, es handele sich bei
den angegriffenen Ausführungen um unzulässige, weil sachlich falsche Vorhal-
te i.S.d. § 26 DRiG. Ihm werde vorgehalten, er habe ein Urteil überhaupt nicht
abgesetzt und somit auch der Geschäfts
stelle nicht „vorgelegt“. Durch diese
Formulierung werde ihm - öffentlich - ein Verstoß gegen § 60 Abs. 4 Satz 1
ArbGG und damit ein Dienstvergehen zur Last gelegt. Durch die wahrheitswid-
rige Auslassung in dem Schriftsatz vom 16. September 2008, der sowohl beim
Sächsischen Oberverwaltungsgericht als auch in der Kanzlei der ihn vertreten-
den Rechtsanwälte durch zahlreiche Hände gegangen sei, werde darüber hin-
aus sein Persönlichkeitsrecht verletzt.
Der Antragsteller hat beantragt,
unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Präsi-
denten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom
29. Dezember 2009 festzustellen, dass es sich bei dem
Schreiben des Präsidenten des Sächsischen Landesar-
beitsgerichts vom 16. September 2008 in Gestalt des Wi-
derspruchsbescheides vom 29. Dezember 2009 um eine
unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht handelt, soweit
dort ausgeführt wird:
„Zu 3. f): Von den vier genannten Entscheidungen, welche
in vollständig abgesetzter Form binnen fünf Monaten nach
ihrer Verkündung nicht der Geschäftsstelle vorgelegt wor-
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den sind, wurden danach nur drei vorgelegt. Das vierte
Urteil wurde nicht mehr abgesetzt, nachdem die Parteien
sich - wohl gemerkt mehr als fünf Monate nach Verkün-
dung des Urteils -
verglichen hatten.“
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Mit einem am 24. März 2010 beim Dienstgericht für Richter eingegange-
nen Schriftsatz hat der Antragsteller seinen Antrag erweitert und zur Begrün-
dung vorgetragen, der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts habe
ihm mit dem im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 4. März
2010 erneut vorgeworfen, in dem Rechtsstreit - -
„objektiv“ die
„Fünf-Monats-Frist gerissen“ zu haben. Dies sei unzutreffend, da eine Über-
schreitung der Fünf-Monats-Frist in dem Verfahren - - nicht statt-
gefunden habe. Dieser Rechtsstreit sei, nachdem am 9. September 2002 ein
Urteil in der Sache verkündet worden sei, am 3. Februar 2003 verglichen wor-
den. Dies sei vor Ablauf von fünf Monaten seit der Urteilsverkündung gesche-
hen. Nach dem 3. Februar 2003 sei deshalb keine Frist mehr gelaufen und ha-
be deshalb auch nicht überschritten („gerissen“) werden können. Dieser Vortrag
des Antragsgegners greife in unzulässiger Weise in seine richterliche Unab-
hängigkeit ein.
Der Antragsteller hat zusätzlich beantragt
festzustellen, dass die Formulierung „Gerissen hat der
Antragsteller objektiv auch die Fünf-Monats-
Frist“ in dem
an das Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - in
dem Verfahren - 66 DG 1/10 - gerichteten Schreiben des
Sächsischen Landesarbeitsgerichts - Der Präsident - vom
4. März 2010 (AZ.: 200-8/07) unzulässig ist.
Das Dienstgericht für Richter hat die Anträge durch Gerichtsbescheid zu-
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rückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Antragsteller seine Anträge weiter
und rügt neben der Verletzung materiellen Rechts die nicht ordnungsgemäße
Besetzung des Dienstgerichts für Richter und die Unzulässigkeit der Entschei-
dung durch Gerichtsbescheid. Der Antragsgegner begehrt die Zurückweisung
der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Gerichtsbescheids und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Dienstge-
richt für Richter.
I. Das Dienstgericht für Richter hat über die Anträge rechtsfehlerhaft oh-
ne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO entschie-
den. Nach §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG und § 45 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG gel-
ten für das Verfahren nach § 34 Nr. 3 und 4 SächsRiG (Prüfungsverfahren) die
Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Die angeordnete
entsprechende Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung erfasst entgegen der
Auffassung des Dienstgerichts den Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO nicht.
Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbe-
scheids und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das Dienstgericht für Richter, § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG
i.V.m. § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO. Auf die von der Revision geltend ge-
machten Besetzungs- und materiell-rechtlichen Rügen kommt es nicht an.
1. Die durch §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG und § 45 Abs. 1 Satz 1
SächsRiG bestimmte sinngemäße bzw. entsprechende Geltung der Vorschrif-
ten der Verwaltungsgerichtsordnung für das Verfahren nach § 34 Nr. 3 und 4
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SächsRiG (Prüfungsverfahren) erfasst den Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO
nicht.
a) Nach § 83 DRiG sind durch den Landesgesetzgeber Disziplinarverfah-
ren, Versetzungsverfahren und Prüfungsverfahren entsprechend § 63 Abs. 2,
§ 64 Abs. 1, §§ 65 bis 68 DRiG zu regeln. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG gelten
für die Prüfungsverfahren die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung
sinngemäß. Diese bundesrechtlichen Vorgaben setzt § 45 Abs. 1 SächsRiG
um, indem es u.a. für die Prüfungsverfahren nach § 34 Nr. 3 und Nr. 4 Sächs-
RiG die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für entsprechend an-
wendbar erklärt, soweit das Sächsische Richtergesetz nichts anderes bestimmt.
Die Vorschriften des II. Teiles der Verwaltungsgerichtsordnung sind demnach
mit Ausnahme des 8. Abschnitts über die Anfechtungs- und Verpflichtungskla-
ge sinngemäß bzw. entsprechend anwendbar (vgl. für das DRiG: Schmidt-
Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 6. Aufl., § 65 Rn. 5), nicht jedoch die Be-
stimmung des § 84 VwGO über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
durch Gerichtsbescheid.
b) Zwar lässt der Wortlaut von § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG und § 45 Abs. 1
Satz 1 SächsRiG auch eine Auslegung zu, wonach die Anordnung der sinnge-
mäßen bzw. entsprechenden Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung die An-
wendbarkeit der Vorschrift des § 84 VwGO erfasst. Die rahmenrechtlich gem.
§ 83 DRiG in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG vorgegebene sinngemä-
ße Geltung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bedeutet aber
deren Anwendbarkeit nur, soweit diese sich mit der Ausgestaltung des Prü-
fungsverfahrens im Deutschen Richtergesetz vereinbaren lässt (BGH, Urteil
vom 29. März 2000 - RiZ(R) 4/99, BGHZ 144, 123, 130). Die Gesetzgebungs-
geschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung sprechen dafür, die Bestim-
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mung über den Gerichtsbescheid als von der entsprechenden bzw. sinngemä-
ßen Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht erfasst anzusehen.
aa) Die Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
durch Gerichtsbescheid wurde durch Art. 2 § 1 des Gesetzes zur Entlastung
der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978
(BGBl. I S. 446) geschaffen. Dadurch sollte der akuten Überlastung der Gerich-
te der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie des Bundesdisziplinargerichts, und
damit ganz bestimmter Gerichte, durch zeitlich begrenzte Maßnahmen entge-
gengewirkt werden. Es sollte insbesondere der langen Verfahrensdauer der
dort anhängigen Verfahren begegnet und diesen Gerichten die Möglichkeit ge-
geben werden, ihre Rückstände zu erledigen (vgl. BT-Drucks. 8/842 S. 7 f.).
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 wurde der Gerichtsbescheid in § 84
VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtli-
chen Verfahrens (Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
- 4. VwGO-ÄndG - vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2809) als Dauerrecht in
die Verwaltungsgerichtsordnung übernommen (vgl. Eyermann/Geiger, VwGO,
13. Aufl., § 84 Rn. 1). Der Gesetzgeber wollte mit der Einfügung des Gerichts-
bescheids in die Verwaltungsgerichtsordnung und der gleichzeitig erfolgten Ein-
fügung in die Bundesdisziplinarordnung (vgl. § 70a BDO) der besonderen Be-
lastungssituation dieser Gerichte dauerhaft begegnen. Der Gerichtsbescheid
nach Art. 2 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs-
und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446) habe sich be-
währt und als besonders wirkungsvolle Entlastungsmaßnahme für die Verwal-
tungsgerichte erwiesen (BR-Drucks. 135/90 S. 77 f.). Es ist aber nicht ersicht-
lich, dass der Gesetzgeber damit zugleich den Dienstgerichten für Richter, für
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die er ein solches Entlastungsbedürfnis ersichtlich nicht geprüft hat, diese Ent-
scheidungsform zur Verfügung stellen wollte.
bb) Der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Rege-
lungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG und des § 45 Abs. 1 SächsRiG sprechen
dafür, den Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO als von der entsprechenden
bzw. sinngemäßen Anwendung nicht erfasst anzusehen. Das dienstgerichtliche
Prüfungsverfahren dient der Sicherung der Unabhängigkeit der Richter. Der
Gesetzgeber hat diesem in Art. 97 GG verfassungsrechtlich verankerten Prinzip
besondere Bedeutung beigemessen und das dienstgerichtliche Verfahren im
Deutschen Richtergesetz gesondert geregelt. Der Besonderheit des Prüfungs-
verfahrens als eigenständiges, durch die verfassungsrechtlich garantierte Un-
abhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) bestimmtes Verfahren ist bei der
Festlegung des Umfangs, in dem die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsord-
nung (sinngemäß) anzuwenden sind, Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil
vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 4/83, BGHZ 90, 34, 36). Dabei ist für die hier
maßgebliche Frage, ob im Prüfungsverfahren durch Gerichtsbescheid ent-
schieden werden kann, weiter zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das
Prüfungsverfahren wie auch das Versetzungsverfahren dadurch gegenüber den
sonstigen dienstgerichtlichen Verfahren hervorgehoben hat, dass nach § 80
Abs. 2 DRiG in Versetzungs- und Prüfungsverfahren stets eine Zulassung der
Revision zum Dienstgericht des Bundes vorgesehen ist. Demgegenüber ist in
Disziplinarverfahren nach § 81 DRiG der Zugang zur Revisionsinstanz - vorbe-
haltlich der grundsätzlichen landesrechtlichen Eröffnung der Revision in Diszip-
linarsachen (vgl. § 79 Abs. 3 DRiG) - auf die Fälle grundsätzlicher Bedeutung
und Divergenz begrenzt (§ 81 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DRiG) und der Rechtsbehelf
der Nichtzulassungsbeschwerde vorgesehen (§ 81 Abs. 2 DRiG). Der stetigen
Zulassung der Revision zum Dienstgericht des Bundes lässt sich die Wertung
des Gesetzgebers entnehmen, dass die Versetzungs- und Prüfungsverfahren
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aus seiner Sicht grundsätzlich sehr bedeutsam sind (vgl. schon Schmidt-
Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 1. Aufl. 1962, § 80 Rn. 4) und er die Bil-
dung einer bundeseinheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung außerhalb
der jeweiligen Bundesländer für geboten hält (vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches
Richtergesetz, 6. Aufl., Einleitung Rn. 41a). Die Entscheidung durch Gerichts-
bescheid ist dagegen nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur für Streitfälle vorge-
sehen, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagert sind. Die
Bestimmung des § 84 VwGO steht daher schon von ihrem grundsätzlichen An-
wendungsbereich her in Widerspruch zur Besonderheit und Bedeutung des
dienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens.
cc) Weiter ist zu beachten, dass den Dienstgerichten und - soweit lan-
desrechtlich in Prüfungsverfahren vorgesehen - den Dienstgerichtshöfen die
tatrichterliche Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts obliegt,
die vom Dienstgericht des Bundes als Revisionsgericht nur in einem einge-
schränkten Umfang überprüft werden kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom
16. Dezember 2010 - RiZ(R) 2/10, BGHZ 188, 20, Rn. 32 ff.). Das Dienstgericht
des Bundes ist an die vom Tatrichter getroffenen tatsächlichen Feststellungen
gebunden, es sei denn, dass zulässige und begründete Revisionsgründe gegen
diese Feststellungen vorgebracht werden, § 82 Abs. 2 DRiG. Die Revision kann
nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Nichtanwen-
dung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht, § 80 Abs. 3 DRiG.
Will die Revision beispielsweise beanstanden, wie das Dienstgericht eine Maß-
nahme der Dienstaufsicht i.S.v. § 26 Abs. 3 DRiG in tatsächlicher Hinsicht ge-
würdigt, etwa eine bestimmte Formulierung in einer dienstlichen Beurteilung
oder einem Schreiben einer dienstaufsichtführenden Stelle verstanden hat,
muss sie einen Rechtsfehler des Tatrichters aufzeigen und darf nicht aus-
schließlich das aus ihrer Sicht zutreffende Verständnis der Maßnahme an die
Stelle der Würdigung des Tatrichters setzen (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom
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14. April 1997 - RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 469). Auch wegen dieses einge-
schränkten Überprüfungsmaßstabs in der Revisionsinstanz ist es geboten, dem
Antragsteller eines Prüfungsverfahrens die Möglichkeit einer mündlichen Ver-
handlung in der Tatsacheninstanz zu eröffnen, damit er dort durch seinen
mündlichen Vortrag und das Rechtsgespräch mit dem Dienstgericht und dem
Antragsgegner seine Sichtweise mündlich erläutern kann. Soweit nach § 84
Abs. 2 Nr. 2, 4 und 5 VwGO die Beteiligten nach einer Entscheidung durch Ge-
richtsbescheid unter bestimmten Voraussetzungen mündliche Verhandlung be-
antragen können, sind die Voraussetzungen dieser Bestimmungen wegen der
uneingeschränkten Eröffnung der Revision in Prüfungsverfahren nicht gegeben.
2. Danach konnte das Dienstgericht für Richter das vorliegende Prü-
fungsverfahren nicht durch Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO entscheiden.
Der Gerichtsbescheid ist von der Verweisung in §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG
bzw. § 45 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG nicht erfasst. Das Dienstgericht hat für die
angefochtene Entscheidung mit dem Gerichtsbescheid folglich eine Entschei-
dungsform gewählt, die das dienstgerichtliche Verfahrensrecht nicht vorsieht.
Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbe-
scheids und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung, § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
VwGO.
II. Für das weitere Verfahren vor dem Dienstgericht weist der Senat da-
rauf hin, dass die Annahme des Dienstgerichts, dass der Antrag zu 1 zulässig
aber unbegründet ist, nicht fernliegend ist. Es spricht vieles für die Richtigkeit
der Annahme des Dienstgerichts, dass die Frage, ob der Antragsteller ein
Dienstvergehen begangen hat, indem er im Verfahren das am
9. September 2002 verkündete Urteil entgegen seiner Verpflichtung aus § 60
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Abs. 4 Satz 3 ArbGG nicht innerhalb von drei Wochen, ggf. vor Ablauf von fünf
Monaten, in vollständig abgefasster Form der Geschäftsstelle übermittelt hat,
keine im Prüfungsverfahren zu klärende Frage darstellt und dies auch für die
Frage der Richtigkeit der Ausführungen des Antragsgegners in Schriftsätzen
gegenüber dem Oberverwaltungsgericht gilt.
Soweit es den mit der Antragserweiterung in das Verfahren eingeführten
weiteren Prüfungsantrag angeht, wird das Landgericht zu prüfen haben, ob in-
soweit das nach § 48 Satz 2, § 34 Nr. 4 Buchst. f SächsRiG, §§ 83, 66 Abs. 2
DRiG erforderliche Vorverfahren durchgeführt wurde. Der Antragsteller hat dies
bislang selbst nicht behauptet und den Akten ist die Durchführung eines Vor-
verfahrens nicht zu entnehmen. Dies könnte zur Unzulässigkeit dieses Antrags
führen.
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III. Das Dienstgericht für Richter wird auch über die Kosten der Revision
zu entscheiden haben. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
5.000,00 Euro gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Bergmann Safari Chabestari Drescher
Reinfelder Spinner
Vorinstanzen:
Dienstgericht für Richter beim LG Leipzig, Entscheidung vom 18.07.2012
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