Urteil des BGH vom 09.11.2010

BGH (lasten, stgb, stpo, menge, antrag, gewinn, strafzumessung, umstand, gewinnerzielungsabsicht, abstand)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 532/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Schwerin vom 21. Mai 2010 im Strafaus-
spruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem
hat es Verfalls- und Einziehungsanordnungen getroffen. Mit seiner hiergegen
eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiel-
len Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
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a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungserwägungen zu Las-
ten des Angeklagten gewertet, "dass ihm der Ausstieg aus den illegalen Ge-
schäften jederzeit möglich war, denn er war weder in finanzieller Not noch
selbst drogenabhängig. Ein daraus abzuleitendes Motiv ist nicht ersichtlich. Er
wollte mit den Geschäften Gewinne erzielen bzw. eigene Aufwendungen erspa-
ren" (UA 21).
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b) Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklag-
ten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung
gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, denn das
Handeltreiben im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG setzt stets voraus, dass
der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vor-
teil verspricht (vgl. BGH - Großer Senat -, Beschluss vom 26. Oktober 2005
- GSSt 1/05 -, BGHSt 50, 252, 256; BGH, Beschlüsse vom 23. November 1988
- 3 StR 503/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15 m.w.N., und
vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Auch die
strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte von der Möglichkeit, von der
Begehung der Taten Abstand zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, stellt
einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (vgl. BGH, Beschluss
vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 332/03 m.w.N.). Schließlich begegnet es auch
rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Fehlen möglicher Strafmilde-
rungsgründe (Suchtmittelabhängigkeit, finanzielle Notlage) zu Lasten des An-
geklagten berücksichtigt hat (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB
28. Aufl. § 46 Rn. 57d m.w.N.).
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c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht
ohne die fehlsamen Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine noch
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mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher - entsprechend dem Antrag
des Generalbundesanwalts - den gesamten Strafausspruch mit den zugehöri-
gen Feststellungen auf.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer