Urteil des BGH vom 20.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 179/13
vom
20. Februar 2014
in der Grundbuchsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 879 Abs. 3; GBO § 45 Abs. 3
Trägt das Grundbuchamt das Rangverhältnis unter mehreren in das Grundbuch ein-
zutragenden Rechten abweichend von einer verfahrensrechtlichen Rangbestimmung
ein, hat das nicht die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894 BGB zur Fol-
ge. Diese ist jedoch gegeben, wenn die Eintragung unter Verstoß gegen eine materi-
ell-rechtliche Rangvereinbarung erfolgt.
BGH, Beschluss vom 20. Februar 2014 - V ZB 179/13 - OLG Frankfurt am Main
AG Hanau
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und Dr. Roth und
die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2013
wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihre
Beschwerde gegen die Eintragung der Vermerke bei den im
Grundbuch von G. auf Blatt 4955 in Abteilung II unter
den laufenden Nummern 5 und 7 eingetragenen Rechte, dass die-
se untereinander den gleichen Rang haben, als unzulässig ver-
worfen wird.
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 und 3 wird der Beschluss
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2013
aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, einen Wider-
spruch gegen die Eintragung der vorgenannten Vermerke einzu-
tragen.
Der Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
5.000
€.
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Gründe:
I.
Mit notarieller Urkunde vom 19. Juni 2012 übertrug der Beteiligte zu 2
seiner Tochter, der Beteiligten zu 1, u.a. den im Eingang dieses Beschlusses
bezeichneten Grundbesitz. Er behielt sich den Nießbrauch daran vor. Seiner
Ehefrau, der Beteiligten zu 3, wurde das Recht eingeräumt, nach seinem Tod
die Bestellung eines inhaltsgleichen Nießbrauchs zu verlangen. Weiter behielt
sich der Beteiligte zu 2 das Recht vor, unter bestimmten Bedingungen die
Rückübertragung des Grundbesitzes zu verlangen. Schließlich verpflichtete sich
die Beteiligte zu
1 zur „Wartung und häuslichen Pflege“ des Beteiligten zu 2 und
der Beteiligten zu 3.
In Abschnitt
VII, überschrieben mit „Auflassung und Grundbuch“, heißt es
u.a.:
„1. Die Erschienenen sind darüber einig, dass das Eigentum am
Vertragsgrundbesitz auf den Übernehmer zu obigem Beteili-
gungsverhältnis übergeht. ...
2. ...
3. Es wird bewilligt und beantragt, den Nießbrauch für den Überge-
ber im Grundbuch an nächst offener Rangstelle einzutragen ...
4. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs des Ehegatten des
Übergebers wird die Eintragung einer Vormerkung zugunsten
des Ehegatten im Rang nach dem vorbehaltenen Nießbrauch
des Übergebers bewilligt und beantragt. ...
5. Für die Wartungs- und Pflegeverpflichtung wird die Eintragung
einer Reallast für die Berechtigten gemäß § 428 BGB bewilligt
und beantragt. ... Die Eintragung soll im Gleichrang mit obigem
Recht erfolgen. ...
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6. Zur Sicherung des vorstehend begründeten bedingten Rücküber-
tragungsanspruchs wird bewilligt und beantragt, eine Vormer-
kung für den Übergeber ... einzutragen. Die Vormerkung soll
Rang nach den in dieser Urkunde bestellten und übernommenen
Rechten erhalten ...“.
Am 20. Juli 2012 beantragte der Urkundsnotar gemäß § 15 GBO die
Grundbucheintragung entsprechend den Bestimmungen in Abschnitt VII Nr. 1
und Nr. 3 bis 6 der Urkunde. Mit Zwischenverfügung vom 10. August 2012 ver-
langte das Grundbuchamt die Klarstellung der Rangbestimmung in Abschnitt VII
Nr. 5. Daraufhin reichte der Notar eine Nachtragsurkunde vom 30. August 2012
bei dem Grundbuchamt ein, in welcher es u.a. heißt:
„Mit der Rangbestimmung in Ziffer VII.5 ist der Gleichrang mit dem
obigen Recht, nämlich dem gemäß Ziffer VII.4. gemeint.“
Das Grundbuchamt hat, soweit hier von Belang, am 11. Oktober 2012 in
Abteilung II des Grundbuchs folgende Eintragungen vorgenommen:
Laufende Nr. 5: Nießbrauch für W. S. [= der Beteiligte
zu 2]; Gleichrang mit Abteilung II Nr. 7.
Laufende Nr. 6: Vorgemerkt nach § 883 BGB: Nießbrauch für B.
S. [= Beteiligte zu 3]; Gleichrang mit Abteilung II Nr. 7.
Laufende Nr. 7: Reallast für B. und W. S. ; gleich-
rangig mit Abteilung II Nr. 5 und 6.
Laufende Nr. 8: Rückauflassungsvormerkung für W. S.
.
Der Beschwerde, mit welcher die Beteiligten gerügt haben, dass der
Nießbrauch zu Unrecht im Gleichrang mit der Reallast eingetragen worden sei,
hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat sie zu-
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rückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteilig-
ten ihr Beschwerdeziel weiter.
II.
Das Beschwerdegericht sieht die Rechtsmittel als beschränkte Be-
schwerden mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Ein-
tragung des Gleichrangs auch des Rechts Abteilung II laufende Nr. 5 mit den
Rechten Abteilung II laufende Nr. 6 und laufende Nr. 7 an. Die Beschwerdebe-
fugnis der Beteiligten zu 1 lässt es dahingestellt, weil die Rechtsmittel jedenfalls
unbegründet seien. Zwar sei die Eintragung der verfahrensgegenständlichen
Rangbestimmung hinsichtlich des Gleichranges des Nießbrauchs unter Verlet-
zung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 GBO erfolgt. In der Nachtragsurkunde sei
klargestellt worden, dass Gleichrang der Reallast nur mit der Nießbrauchsvor-
merkung zugunsten der Beteiligten zu 3 und nicht mit dem Nießbrauch gemeint
sei. Die Vormerkung habe den Rang nach dem Nießbrauch erhalten und nicht
mit diesem gleichrangig sein sollen. Aber es fehle an der für die Eintragung ei-
nes Amtswiderspruchs zusätzlich erforderlichen Grundbuchunrichtigkeit, weil
„der Grundbuchinhalt durch die Eintragung des Rangvermerks betreffend den
Gleichrang von Nießbrauch und Vormerkung“ nicht von der materiellen Rechts-
lage abweiche. Denn bei den in dem Übergabevertrag getroffenen Rangbe-
stimmungen handele es sich lediglich um verfahrensrechtliche Bestimmungen,
deren Verletzung nicht zu einer Grundbuchunrichtigkeit führe.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
III.
Die gemäß § 78 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GBO statthaften Rechtsbeschwer-
den der Beteiligten sind zulässig (§ 71 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3
GBO). Das folgt aus der Zurückweisung ihrer Beschwerden. Dies gilt auch, so-
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weit die Beschwerde der Beteiligten zu 1 als unzulässig hätte verworfen werden
müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Februar 2005 - V ZB 44/04, BGHZ 162,
137, 138).
1. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 ist bereits deshalb unbe-
gründet, weil ihre Beschwerde unzulässig ist. Denn die Befugnis für eine - wie
hier gegebene - Beschwerde gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO, die auf die An-
weisung an das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 53
GBO gerichtet ist, steht nur demjenigen zu, der durch die Grundbucheintra-
gung, wäre sie unrichtig, in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt wäre und ein
rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hätte; die Beeinträchtigung nur wirt-
schaftlicher Interessen genügt nicht (Senat, Beschluss vom 6. März 1981
- V ZB 18/80, BGHZ 80, 126, 127 f.). Zu diesem Personenkreis gehört die Be-
teiligte zu 1 nicht. Ein Rangvermerk wirkt sich nicht auf ihre rechtliche Stellung
als Grundstückseigentümerin aus.
2. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 sind begründet. Zu
Unrecht hat das Beschwerdegericht ihre Beschwerden zurückgewiesen.
a) Noch zutreffend sieht es allerdings die Rechtsmittel als Beschwerden
gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswider-
spruchs (§ 53 GBO) an. Diese setzt voraus, dass das Grundbuchamt unter Ver-
letzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die
das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diese Voraussetzungen sind nach An-
sicht der Beteiligten erfüllt.
b) Rechtsfehlerhaft meint das Beschwerdegericht jedoch, die Beschwer-
den richteten sich gegen die Eintragung des Gleichrangs des Nießbrauchs (Ab-
teilung II laufende Nr. 5) mit der Nießbrauchsvormerkung (Abteilung II laufende
Nr. 6) und der Reallast (Abteilung II laufende Nr. 7). Denn die Beteiligten haben
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nur gerügt, dass bei dem Nießbrauch und bei der Reallast der Gleichrang bei-
der Rechte vermerkt wurde. Gegen einen Gleichrang des Nießbrauchs auch mit
der Nießbrauchsvormerkung haben sie sich nicht gewandt. Dazu bestand auch
kein Anlass, denn der Grundbuchinhalt weist den Nießbrauch und die Nieß-
brauchsvormerkung nicht als gleichrangig aus.
aa) Nach der Bewilligung in dem Übergabevertrag sollte die Nieß-
brauchsvormerkung den Rang nach dem Nießbrauch erhalten. So ist die Ein-
tragung beantragt worden und so ist sie auch erfolgt. Das ergibt sich aus den
Regelungen in § 45 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 3 Alt. 2 GBO. Danach ist bei - wie
hier - gleichzeitig gestellten Anträgen auf Eintragungen in einer Abteilung des
Grundbuchs (hier in Abteilung II) zu vermerken, dass die Eintragungen gleichen
Rang haben, es sei denn, die Antragsteller haben - ebenfalls wie hier - ein ab-
weichendes Rangverhältnis bestimmt. Dann unterbleibt der Vermerk des
Gleichrangs; das Rangverhältnis bestimmt sich gemäß § 879 Abs. 1 Satz 1
BGB nach der Reihenfolge der Eintragungen.
bb) Da hier ein Gleichrang des Nießbrauchs mit der Nießbrauchsvormer-
kung nicht vermerkt ist und der Nießbrauch unter der laufenden Nr. 5, die Nieß-
brauchsvormerkung unter der laufenden Nr. 6 eingetragen ist, hat der Nieß-
brauch - wie von den Beteiligten gewollt - Vorrang vor der Nießbrauchsvormer-
kung.
c) Das Beschwerdegericht hat somit, indem es seiner rechtlichen Beur-
teilung die Eintragung eines Vermerks betreffend den Gleichrang zwischen
Nießbrauch und Nießbrauchsvormerkung zugrunde legt, über einen Sachver-
halt entschieden, der nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war und
den es auch nicht gibt. Seine Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig.
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aa) Das Grundbuchamt hat die den Gleichrang von Nießbrauch und Re-
allast ausweisenden Vermerke unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 45
Abs. 3 Alt. 2 GBO eingetragen.
(1) Aus den in dem Übergabevertrag getroffenen Rangbestimmungen
und der in der Nachtragsurkunde enthaltenen Klarstellung ergibt sich, dass
ausschließlich die Nießbrauchsvormerkung und die Reallast untereinander den
gleichen Rang haben sollen; ein Gleichrang zwischen Nießbrauch und Reallast
ist nicht gewollt. Das folgt zwar nicht aus dem Wortlaut der Urkunden. Darin ist
zu dem Rangverhältnis dieser beiden Rechte nichts gesagt. Die Folge davon ist
grundsätzlich, dass der Gleichrang im Grundbuch - wie hier geschehen - zu
vermerken ist (§ 45 Abs. 1 Halbs. 2 GBO). Aber die Auslegung der Eintra-
gungsbewilligungen, die der Senat selbst vornehmen kann (Senat, Beschluss
vom 17. November 2011 - V ZB 58/11, NJW 2012, 530 Rn. 12), führt zu diesem
Ergebnis. Denn wenn die Beteiligten gewollt hätten, dass auch der Nießbrauch
und die Reallast untereinander den gleichen Rang haben, hätten sie wegen der
Regelung in § 45 Abs. 1 Halbs. 2 GBO keine Rangbestimmung hinsichtlich der
Nießbrauchsvormerkung und der Reallast treffen müssen. Es wäre dann der
Gleichrang zwischen dem Nießbrauch und der Reallast sowie der Gleichrang
zwischen der Nießbrauchsvormerkung und der Reallast im Grundbuch zu ver-
merken gewesen. Dass sie jedoch den Gleichrang zwischen der Nießbrauchs-
vormerkung und der Reallast ausdrücklich bestimmt haben, lässt als nächstlie-
gende Bedeutung dieser Bestimmung nur den Schluss zu, dass der Nießbrauch
und die Reallast nicht den gleichen Rang haben sollen. Aus der weiteren Rang-
bestimmung, dass der Nießbrauch „an nächst offener Rangstelle“ eingetragen
werden soll, ergibt sich zudem, dass er Vorrang auch vor der Reallast haben
soll.
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(2) Die auf der Verletzung von § 45 Abs. 3 Alt. 2 GBO beruhenden fal-
schen Eintragungen der beiden Rangvermerke hat - darin ist dem Beschwerde-
gericht zu folgen - nicht die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894
BGB zur Folge (allg. Meinung, siehe nur KG, FGPrax 2012, 238, 239; OLG
Frankfurt, FGPrax 1995, 17; Bamberger/Roth/Eckert, BGB, 3. Aufl., § 879
Rn. 12; Erman/Lorenz, BGB, 13. Aufl., § 879 Rn. 21; NK-BGB/U. Krause,
3. Aufl., § 879 Rn. 25; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 879 Rn. 11; Stau-
dinger/Kutter, BGB [2012], § 879 Rn. 45; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 45
Rn. 10; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 45 Rn. 22; Lemke/Wagner, Immobi-
lienrecht, § 45 GBO Rn. 36; vgl. auch RGZ 57, 277, 279 ff.; Senat, Urteil vom
20. Juni 1956 - V ZR 28/55, BGHZ 21, 98, 99 ff.). Die Eintragung eines Amtswi-
derspruchs (§ 53 GBO) scheidet aus.
bb) Sie kommt jedoch in Betracht, wenn das Grundbuchamt auch gegen
§ 879 Abs. 3 BGB verstoßen hat. Danach bedarf eine von den Absätzen 1
und 2 der Vorschrift abweichende Bestimmung des Rangverhältnisses der Ein-
tragung in das Grundbuch.
(1) Anders als die Regelungen in § 45 GBO, bei denen es sich um an
das Grundbuchamt gerichtete Vorschriften zum Vollzug der für die Entstehung
des materiell-rechtlichen Rangverhältnisses maßgeblichen Erklärungen im
Grundbuch handelt, betrifft § 879 BGB das materiell-rechtliche Rangverhältnis
unter mehreren Rechten. Es bestimmt sich, wenn - wie hier - die Rechte in der-
selben Abteilung des Grundbuchs eingetragen sind, nach der Reihenfolge der
Eintragungen (§ 879 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Regelung ist dispositiv. Das
Rangverhältnis kann von vornherein abweichend vereinbart werden. Die Ver-
einbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch (§ 879
Abs. 3 BGB).
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(2) Entgegen der von dem Beschwerdegericht - ohne Begründung - ver-
tretenen Ansicht haben die Beteiligten Rangvereinbarungen in diesem Sinn und
nicht bloß Rangbestimmungen im Sinn von § 45 Abs. 3 Alt. 2 GBO getroffen.
Das folgt schon aus dem Wortlaut der die Eintragung des Nießbrauchs, der
Nießbrauchsvormerkung, der Reallast und der Rückauflassungsvormerkung
betreffenden Bewilligungen. Bei diesen handelt es sich zwar um verfahrens-
rechtliche
Erklärungen
(Senat,
Beschluss
vom
15. November
2012
- V ZB 99/12, NJW 2013, 934 Rn. 16). Sie können aber auch eine materiell-
rechtliche
Rangvereinbarung
enthalten
(vgl.
Senat,
Urteil
vom
15. Dezember 1972 - V ZR 76/71, BGHZ 60, 46, 53; OLG Düsseldorf, Mit-
tRhNotK 1994, 80). So liegt es hier. Sämtliche Beteiligte haben die Bewilligun-
gen abgegeben. Die gewünschten Rangverhältnisse zwischen den einzutra-
genden Rechten entsprechen ihren jeweiligen Interessen und Willen (vgl.
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 317). Bei bloßen Rangbestim-
mungen von § 45 Abs. 3 Alt. 2 GBO wäre es ausreichend gewesen, wenn die
Beteiligte zu 1 einseitig die Eintragung der Rangverhältnisse bewilligt hätte.
(3) Inhaltlich sind die Vereinbarungen darauf gerichtet, dass die Nieß-
brauchsvormerkung und die Reallast gleichrangig sind und der Nießbrauch den
Vorrang vor ihnen hat. Die bei dem Nießbrauch und der Reallast eingetragenen
Vermerke, dass diese Rechte untereinander den gleichen Rang haben, geben
somit nicht die materielle Rechtslage wieder. Das hat die Unrichtigkeit des
Grundbuchs zu Folge.
(a) Dies gilt allerdings nicht für das Bestehen der Rechte selbst. Ob sie
trotz der falschen Rangvermerke durch Einigung und Eintragung entstanden
sind (§ 873 Abs. 1 BGB), richtet sich nach § 139 BGB analog (Senat, Urteil vom
29. September 1989 - V ZR 343/87, NJW-RR 1990, 206). Danach ist die Un-
wirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts die Regel, die Wirksamkeit die
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Ausnahme. Von letzterer ist hier jedoch auszugehen. Denn es ist nichts dafür
ersichtlich, dass die Beteiligten die Rechte ohne den vereinbarten Rang nicht
bestellt hätten. Sie sind deshalb entstanden (Senat, Urteil vom 29. September
1989 - V ZR 343/87, aaO). Hinsichtlich der Eintragung dieser Rechte ist das
Grundbuch somit richtig.
(b) Anders ist es jedoch bei den Rangvermerken. Das sich aus ihnen er-
gebende Rangverhältnis zwischen dem Nießbrauch und der Reallast ist man-
gels Übereinstimmung mit dem materiellen Recht nicht entstanden. Das verein-
barte Rangverhältnis ist ebenfalls nicht entstanden, weil es nicht eingetragen
ist. Da die Rechte jedoch in einem bestimmten Rangverhältnis zueinander ste-
hen müssen, ist nach herrschender Ansicht die gesetzliche Rangfolge eingetre-
ten, die sich aus § 879 Abs. 1 BGB ergibt; das Grundbuch ist unrichtig, weil es
nicht dieses, sondern ein anderes Rangverhältnis (Gleichrang) verlautbart (vgl.
Senat, Urteil vom 29. September 1989 - V ZR 343/87, NJW-RR 1990, 206; OLG
München, NJW-RR 2006, 239, 240; OLG Brandenburg, FGPrax 2002, 49, 51 f.;
Bamberger/Roth/Eckert, BGB, 3. Aufl., § 879 Rn. 16; Erman/Lorenz, BGB
13. Aufl., § 879 Rn. 21; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl., § 879 Rn. 38; NK-
BGB/U. Krause, 3. Aufl., § 879 Rn. 28; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 879
Rn. 12; Planck/Strecker, BGB, 5. Aufl., § 879 Anm. 6b; PWW/Huhn, BGB
8. Aufl., § 879 Rn. 13; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 879 Rn. 15; Staudin-
ger/Kutter, BGB [2012], § 879 Rn. 71; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 45 Rn. 8;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 324, 399; Lemke/Wagner, Im-
mobilienrecht, § 45 GBO Rn. 36). Soweit dagegen vertreten wird, es gelte nicht
das gesetzliche, sondern das sich aus der Grundbucheintragung ergebende
Rangverhältnis, weil anderenfalls ein Rang entstehe, der weder der Rangver-
einbarung noch der Grundbucheintragung entspreche (Bauer/von Oefele/
Knothe, GBO, 3. Aufl., § 45 Rn. 25; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 45
Rn. 221; Bestelmeyer, Rpfleger 2006, 318, 319; Streuer, Rpfleger 1985, 388,
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389), braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden. Denn die Bedenken
der Mindermeinung kommen hier nicht zum Tragen, weil hinsichtlich des in Ab-
teilung II unter der laufenden Nummer 5 eingetragenen Nießbrauchs und der in
Abteilung II unter der laufenden Nummer 7 eingetragenen Reallast das gesetz-
liche Rangverhältnis (§ 879 Abs. 1 Satz 1 BGB) dem vereinbarten Rangverhält-
nis (Vorrang des Nießbrauchs vor der Reallast) entspricht.
d) Wegen der Unrichtigkeit des Grundbuchs betreffend die bei dem
Nießbrauch und bei der Reallast eingetragenen wechselseitigen Vermerke des
Gleichrangs beider Rechte ist die von den Beteiligten erstrebte Eintragung ei-
nes Amtswiderspruchs zulässig. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist
somit aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 GBO).
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 ist das Grundbuchamt gemäß
§ 71 Abs. 2 Satz 2 GBO anzuweisen, einen Widerspruch gegen die Eintragung
der beiden Rangvermerke einzutragen.
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 25 Abs. 1 GNotKG, § 84 FamFG in
Verbindung mit § 78 Abs. 2 GBO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts be-
ruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Dr. Stresemann
Dr. Lemke
Dr. Roth
Dr. Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Hanau, Entscheidung vom 11.10.2012 - GS-4955-6 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.10.2013 - 20 W 28/13 -
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