Urteil des BGH vom 06.02.2013

BGH: widerruf, beendigung, erheblichkeit, rückerstattung, lebensversicherungsvertrag

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZB 29/12
vom
6. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzen-
de Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richt e-
rin Dr. Brockmöller
am 6. Februar 2013
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der B e-
schluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom
4. Juli 2012 aufgehoben.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwe r-
te vom 30. November 2011 wird zugelassen.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 584,83 €
Gründe:
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem zwischenzeitlich g e-
kündigten Lebensversicherungsvertrag auf Rückerstattung der geleiste-
ten Prämien und Zinsen in Anspruch. Die Parteien streiten insbesondere
darüber, ob der Versicherungsvertrag wirksam widerrufen werden kon n-
te, nachdem der Kläger diesen zuvor bereits gekündigt hatte . Das Amts-
1
- 3 -
gericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen g e-
richtete Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 1 ZPO verworfen,
weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600
€ nicht übersteige. Da-
gegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitli-
chen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und der angefochtene Be-
schluss aufzuheben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Unrecht
nach § 522 Abs. 1 ZPO mangels ausreichender Beschwer als unzulässig
verworfen, weil es zuvor keine Entscheidung über die Zulassung der Be-
rufung getroffen hat, obgleich das erstinstanzliche Gericht davon ausg e-
gangen ist, dass die Beschwer des Klägers 60
0 € übersteige und deswe-
gen keine solche Prüfung vorgenommen hat. In einem solchen Fall muss
das Berufungsgericht, wenn es von einer geringeren Beschwer ausgeht,
die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Z u-
lassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO erfüllt sind (Senats-
urteil vom 7. März 2012 - IV ZR 277/10, NJW -RR 2012, 633 Rn. 13;
BGH, Beschlüsse vom 12. April 2011 - VI ZB 31/10, VersR 2011, 1199
Rn. 11 m.w.N. und vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06, NJW 2008,
218 Rn. 12).
2
3
4
- 4 -
3. Der Senat kann die Erheblichkeit der fehlenden Zulassungsen t-
scheidung durch die Instanzgerichte im Rechtsbeschwerdeverfahren
selbst prüfen und die Zulassung gegebenenfalls nachholen (BGH, Be-
schlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 128/09, NJW -RR 2011, 934 Rn. 21
und vom 12. April 2011 - VI ZB 31/10, VersR 2011, 1199 Rn. 12, 14). Die
fehlende Prüfung der Zulassung der Berufung durch das Landgericht ist
hier erheblich, weil eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Frage, ob ein Widerruf nach zuvor erklärter Kündigung
und Beendigung eines Versicherungsvertragsverhältnisses noch möglich
ist, geboten war. Der erkennende Senat wird in Kürze über diese Frage
zu befinden haben.
Mayen
Wendt
RiBGH Felsch ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
Lehmann
Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Schwerte, Entscheidung vom 30.11.2011 - 2 C 118/11 -
LG Hagen, Entscheidung vom 04.07.2012 - 3 S 93/11 -
5