Urteil des BGH vom 25.02.2014

BGH: ablauf der frist, wirtschaftlicher nutzen, einfluss, erlass, mindestbetrag, zusage, bedingung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I I Z R 1 5 6 / 1 3
vom
25. Februar 2014
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Prof. Dr. Strohn, die
Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen
Oberlandesgerichts in Hamburg vom 15. März 2013 wird auf
ihre Kosten verworfen.
Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu ma-
chenden Beschwer und der Streitwert des Nichtzulassungs-
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hwerdeverfahrens betragen bis zu 7.000 €.
Gründe:
I. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des T.
G. . Die Klägerin, eine GmbH, begehrt die Feststellung einer Forderung auf
Zahlung eines Aufgeldes aus einer Geschäftsanteilsübernahme in Höhe von
150.000
€ zur Insolvenztabelle. Ein Teilbetrag von 60.000 € aus dem ursprüng-
lich eingeklagten Gesamtbetrag von 210.000
€ wurde bereits zur Insolvenztab-
elle festgestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsge-
richt hat die Berufung mit dem auf Grund der mündlichen Verhandlung vom
12. Februar 2013 ergangenen Urteil zurückgewiesen und den Streitwert für das
Berufungsverfahren auf 6.500
€ festgesetzt.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die mit der Revision geltend zu machen-
de Beschwer betrage 44.010
€. Bei der Bemessung der Beschwer für die Nicht-
zulassungsbeschwerde komme es nicht auf die im Zeitpunkt der letzten mündli-
chen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu erwartende Insolvenzquote an.
Deshalb sei folgender Umstand zu berücksichtigen: Der Vater des Schuldners
habe seinem Sohn die Übernahme des Aufgeldes zugesagt. Zwar habe der
beklagte Insolvenzverwalter diese Forderung des Schuldners gegen seinen Va-
ter zunächst nicht geltend gemacht, weil offenbar zwischen den Parteien keine
Einigkeit über die Finanzierung dieses Rechtsstreits habe erzielt werden kön-
nen. Gemäß Schreiben vom 29. Juli 2013 habe sich die Klägerin dem Beklag-
ten gegenüber zur Übernahme der Kosten einer Klage gegen den Vater des
Schuldners bereiterklärt. Einer Klage unter der Bedingung der Vorfinanzierung
habe der Beklagte zugestimmt. Die Befriedigungsmöglichkeit der Klägerin wer-
de daher erweitert. Die Forderung sei mit mindestens einem Viertel ihres
Nennwerts anzusetzen. Hiervon ausgehend errechne sich zusammen mit der
bisher erwartbaren quotalen Befriedigung von 6.510
€ ein Beschwerdewert von
44.010
€.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Wert der mit der Revision geltend
zu machenden Beschwer der Klägerin beträgt nicht mehr als 7.000
€ und liegt
damit unter dem gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Mindestbetrag von
20.000 €.
1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8
EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten
Revisionsverfahren maßgebend. Nach § 182 InsO bestimmt sich der Wert des
Streitgegenstandes einer gemäß § 180 InsO erhobenen Klage auf Feststellung
einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insol-
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venzgläubiger bestritten wird, zur Insolvenztabelle nach dem Betrag, der bei der
Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Diese Rege-
lung gilt sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeits- und
Rechtsmittelstreitwert, mithin auch für die Ermittlung des Werts der mit der Re-
vision geltend zu machenden Beschwer (BGH, Beschluss vom 21. Dezember
2006 - VII ZR 200/05, ZIP 2007, 247 Rn. 3; Beschluss vom 25. September 2013
- VII ZR 340/12, juris Rn. 3).
Den Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung
der Klägerin zu erwarten ist, hat das Berufungsgericht bezogen auf den Zeit-
punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, von der
Nichtzulassungsbeschwerde im Wesentlichen unbeanstandet, auf 6.500
€ fest-
gesetzt, so dass von einem Wert der mit der Revision geltend zu machenden
Beschwer von bis zu 7.000
€ auszugehen ist.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat innerhalb der Beschwerdebe-
gründungsfrist keinen höheren Wert glaubhaft gemacht.
a) Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und
glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung
des Berufungsurteils in einem Umfang erstreben will, der die Wertgrenze von
20.000
€ übersteigt (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - IV ZR 7/13, ZEV
2013, 511 Rn. 2).
b) Der Umstand, dass nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in
der Berufungsinstanz durch die Kostenzusage der Klägerin für eine Klage des
Beklagten gegen den Vater des Schuldners die Möglichkeit geschaffen wurde,
die Insolvenzmasse zu vergrößern, kann bei der Bemessung der Beschwer
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nicht berücksichtigt werden, so dass nicht entschieden werden muss, welcher
Wert diesem Sachverhalt beizumessen ist.
aa) Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbe-
schwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beru-
fungsgericht (BGH, Beschluss vom 27. August 2008 - VI ZR 78/07, VersR 2009,
279 Rn. 3; Beschluss vom 24. Februar 2011 - II ZR 288/09, juris Rn. 1; Be-
schluss vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 141/10, VersR 2012, 204 Rn. 5). Neue
Tatsachen können für die Wertbemessung nur soweit von Bedeutung sein, als
sie bereits zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
relevant sind.
bb) Der Beklagte hält die Zusage des Vaters des Schuldners auf Über-
nahme des Aufgeldes für nicht rechtsverbindlich, weshalb er vor Schluss der
mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht bereit war, diese auf
Kosten der Insolvenzmasse auf dem Klageweg durchzusetzen. Die Nichtzulas-
sungsbeschwerde meint zwar, es könne keine Rolle spielen, dass der Insol-
venzverwalter die Forderung nicht für rechtsverbindlich halte. Sie macht aber
keine Umstände glaubhaft, die diese Einschätzung entkräften, sondern führt
selbst aus, „Zweifel [an der Forderung] mögen im tatsächlichen und rechtlichen
Bereich bestehen“. Die von einem Insolvenzverwalter begründete Nichtverfol-
gung von vom Gläubiger behaupteter Ansprüche führt dazu, dass diese unab-
hängig von ihrem Bestehen und ihrer Durchsetzbarkeit bei der Verteilungsmas-
se keine Berücksichtigung finden können (BGH, Beschluss vom 21. Dezember
2006 - VII ZR 200/05, ZIP 2007, 247 Rn. 11).
Erst die Kostenzusage der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung führt zu einer Änderung der Situation und der daraus resultieren-
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den Möglichkeit einer Vergrößerung der Insolvenzmasse. Neue Tatsachen, die
erst nach Erlass des Berufungsurteils zu einer Wertveränderung führen, haben
aber außer Betracht zu bleiben (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2000
- VI ZR 283/99, NJW 2000, 1343; Beschluss vom 27. August 2008
- VI ZR 78/07, VersR 2009, 279 Rn. 3). Aus dem von der Nichtzulassungsbe-
schwerde herangezogenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. September
1999 (IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811) lässt sich nichts Abweichendes entneh-
men. Dort ging es um den Wert des Beschwerdegegenstandes einer Berufung.
cc) Das Vorbringen der Klägerin nach Ablauf der Frist zur Begründung
der Nichtzulassungsbeschwerde darf nicht berücksichtigt werden. Zudem ist die
Behauptung nicht glaubhaft gemacht, im Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver-
handlung habe bereits festgestanden, dass die Forderung gegen den Vater des
Schuldners zum Vorteil der Klägerin rechtshängig gemacht werde; allein unent-
schieden sei gewesen, ob die Forderung von dem Insolvenzverwalter einge-
klagt werde, der hierfür Kostenfreihaltung von der Klägerin begehrt habe, oder
ob sie an die Klägerin zu einem ihrer Durchsetzungswahrscheinlichkeit entspre-
chenden Preis verkauft werde. Letztlich lässt dieses Vorbringen die Möglichkeit
offen, dass die Forderung zu einem Preis verkauft worden wäre, der nicht aus-
reichend gewesen wäre, um den Wert der Beschwer über 20.000
€ anzuheben.
c) Die angebliche Forderung des Schuldners gegen seinen Vater kann
unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ferner bereits deshalb die für
die Bemessung der Beschwer zu berücksichtigende Verteilungsmasse nicht
erhöhen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Beschwerdebe-
gründungsfrist nicht glaubhaft gemacht hat, dass der Anspruch besteht. Im Ge-
genteil hat sie sich, wie bereits ausgeführt, insoweit eingelassen, dass Zweifel
an der Forderung im tatsächlichen und rechtlichen Bereich bestehen mögen.
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d) Soweit die Klägerin geltend macht, das vorliegende Verfahren sei vor-
greiflich für die beabsichtigte Klage des Beklagten gegen den Vater des
Schuldners, beeinflusst das den Wert der Beschwer nicht. Für die Bewertung
der Rechtsmittelbeschwer ist allein der rechtskräftige Inhalt der angefochtenen
Entscheidung maßgebend. Der tatsächliche und rechtliche Einfluss der Ent-
scheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleibt hingegen ebenso außer Be-
tracht (BGH, Beschluss vom 3. November 2008 - II ZR 103/08, juris Rn. 3; Be-
schluss vom 5. Februar 2013 - VIII ZB 59/12, juris Rn. 1) wie ein über die er-
strebte Verurteilung hinausgehender weiterer wirtschaftlicher Nutzen, den die
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Klägerin durch den Prozessgewinn erreichen will (vgl. BGH, Beschluss vom
4. Dezember 2008 - V ZR 64/08, juris Rn. 6).
3. Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Bemessung des Streit-
werts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend.
Bergmann
Strohn
Reichart
Drescher
Born
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.11.2011 - 409 HKO 134/10 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.03.2013 - 11 U 221/11 -
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