Urteil des BGH vom 19.12.2013

BGH: schuldfähigkeit, diagnose, zustand, einfluss, verfügung, erpressung, unterbringung, anhörung, überzeugung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 534/13
vom
19. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2013 mit den zugehöri-
gen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren
Raubs und versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklag-
ten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer be-
fand sich der Angeklagte bei Begehung der Taten, "hervorgerufen durch die
Nebenwirkungen der notwendigen ihm ärztlicherseits verabreichten Medika-
mente, im Zustand verminderter Schuldfähigkeit i.S.v. § 21 StGB" (UA S. 7);
seine Steuerungsfähigkeit war "aufgrund der gestörten Impulskontrolle und ggf.
wahnhaften Vorstellungen" (UA S. 7; vgl. auch UA S. 11) stark eingeschränkt.
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2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei bei Begehung der
Taten - vermindert - schuldfähig gewesen, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
a) Es mangelt schon an einer hinreichend klaren Feststellung, welches
Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllt sein soll. Das Landgericht beschränkt
sich auf die Mitteilung der vom Sachverständigen vorgenommenen Diagnose
und der Symptome der festgestellten Störung. Allein die Diagnose des Sach-
verständigen ist aber nicht mit einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB gleich-
zusetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2013 - 1 StR 71/13 und vom
12. November 2004
– 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352). Vielmehr sind der
Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungs-
fähigkeit entscheidend. An einer tragfähigen Darlegung der entsprechenden
Beurteilungsgrundlagen fehlt es.
b) Darüber hinaus sind die Urteilsausführungen zur Schuldfähigkeit auch
im Übrigen unklar. Das Landgericht hat einerseits ausgeschlossen, dass der
Angeklagte bei Begehung der Taten schuldunfähig i.S.v. § 20 StGB gewesen
sei, weil dieser planvoll gehandelt habe. Andererseits sei die Steuerungsfähig-
keit des Angeklagten "aufgrund der gestörten Impulskontrolle und ggf. wahnhaf-
ten Vorstellungen" (UA S. 7; vgl. auch UA S. 11) stark eingeschränkt gewesen.
Einem Wahnkranken stehen indes in Situationen, die durch den Wahn bestimmt
sind, Handlungsalternativen praktisch nicht zur Verfügung. Oft fehlt dann zu-
gleich auch die Einsicht in das Unrecht der vom Wahn bestimmten Handlungen
(vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Juli 1997
– 1 StR 351/97, NStZ-RR 1998,
5, 6 mwN). Damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
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3. Die aufgezeigten Mängel führen nicht nur zur Aufhebung des Rechts-
folgenausspruchs, sondern auch zur Aufhebung des Schuldspruchs, da der Se-
nat, sollten die Taten unmittelbarer Ausfluss aktueller Wahnvorstellung des An-
geklagten gewesen sein, die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit i.S.d. § 20 StGB
nicht ausschließen kann.
Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen war nicht veranlasst. Eine
neuerliche umfassende Aufklärung ist schon wegen möglicher Rückschlüsse
auf den psychischen Zustand des Angeklagten bei Begehung der ihm vorge-
worfenen Taten unerlässlich. Der neue Tatrichter wird zu erwägen haben, ob er
zur Frage der Schuldfähigkeit und der Maßregelanordnung einen anderen
Sachverständigen mit der Gutachtenerstattung beauftragt.
Appl
Schmitt
Eschelbach
Ott
Zeng
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