Urteil des BGH vom 18.11.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 385/02
Verkündet am:
18. November 2003
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR: ja
BGB § 823 B Bf.; StVO §§ 12, 45
Halteverbote im Rahmen von Baustellen schützen nicht das Vermögen eines Bau-
unternehmers oder eines von diesem beauftragten weiteren Unternehmers.
BGH, Urteil vom 18. November 2003 - VI ZR 385/02 - LG Halle
AG Merseburg
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die
Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landge-
richts Halle vom 18. Oktober 2002 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin führte am 6. Dezember 1999 und an weiteren Tagen Kran-
und Schwerlasttransportarbeiten für eine Bauunternehmerin zum Zweck von
Bauarbeiten auf einem Privatgrundstück aus. Dazu war wegen der Größe des
Krans die Sperrung der Straße notwendig. Mit Genehmigung der Stadt hatte die
Klägerin daher ein Halteverbot durch Zeichen Nr. 283 zu § 41 StVO mit dem
Zusatz "ab 6.12.1999 7.00 Uhr Krananfahrt" eingerichtet.
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Am Morgen des 6. Dezember 1999 parkte die Beklagte mit ihrem Pkw im
Halteverbot und verhinderte dadurch die Anfahrt des Krans. Nachdem die Hal-
terin des Fahrzeugs nicht ausfindig gemacht werden konnte, wurde dieses vom
Ordnungsamt abgeschleppt.
Die Klägerin macht einen Schaden von 4.765,- DM nebst Zinsen geltend,
weil sie den Kraneinsatz wegen des Parkens der Beklagten erst verspätet habe
durchführen können. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung
ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revisi-
on verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin aus
§ 823 Abs. 2 BGB scheitere schon daran, daß es an einem ihren Vermögens-
interessen dienenden Schutzgesetz fehle. § 12 Abs. 1 Nr. 6 StVO schütze nicht
die Vermögensinteressen Dritter, sondern lege nur fest, welche verkehrsregeln-
den Zeichen ein Halteverbot begründeten. Auch die konkrete Ausgestaltung
des Halteverbots durch die behördliche Anordnung komme als Schutzgesetz
nicht in Betracht. Auch wenn die Anordnung im Interesse des Bauunternehmers
erfolge und die Interessen der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs hierbei
kaum zu erkennen seien, so handele es sich doch um einen Verwaltungsakt
und nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Der Verwal-
tungsakt konkretisiere auch nicht ein die Vermögensinteressen der Klägerin
schützendes Gesetz; die als Rechtsgrundlagen in Betracht kommenden §§ 45
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 StVO schützten ausschließlich die Sicherheit und
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Ordnung des Verkehrs. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 45 Abs. 2 kämen als
Rechtsgrundlagen nicht in Betracht, weil es sich nicht um Arbeiten im Straßen-
raum oder um sonstige Straßenbauarbeiten gehandelt habe.
Ergänzend hat das Berufungsgericht auf die Entscheidungsgründe des
amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. In diesem wird ausgeführt, ein An-
spruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den einge-
richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheide mangels eines betriebsbe-
zogenen Eingriffs aus. Das Eigentum der Klägerin an ihrem blockierten Fahr-
zeug habe die Beklagte nicht verletzt. Eigentümer des Baugrundstücks sei die
Klägerin nicht gewesen.
II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsurteil sei schon deshalb
aufzuheben, weil es wegen der nicht erfolgten Wiedergabe der Berufungsanträ-
ge nicht erkennen lasse, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt
habe (§§ 545 Abs. 1, 546, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zwar ist auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung der
Zivilprozeßordnung, welche vorliegend anzuwenden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO),
eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil nicht entbehrlich.
Der Antrag des Berufungsklägers braucht aber nicht unbedingt wörtlich wieder-
gegeben zu werden. Es genügt, wenn aus dem Zusammenhang der Ausfüh-
rungen des Berufungsgerichts wenigstens sinngemäß deutlich wird, was der
Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (vgl. BGH, Urteile vom
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26. Februar 2003 – VIII ZR 262/02 – NJW 2003, 1743 und vom 6. Juni 2003 –
V ZR 392/02 – NJW-RR 2003, 1290, 1291).
Hiernach ergibt sich aus dem Berufungsurteil, daß der Kläger sein erstin-
stanzliches Begehren weiterverfolgt hat. Dieses wird in den Entscheidungs-
gründen des erstinstanzlichen Urteils genannt, auf die das Berufungsgericht
verweist. Somit ist das Berufungsbegehren der Klägerin hinreichend deutlich zu
erkennen.
2. Die Sachrüge der Revision bleibt gleichfalls ohne Erfolg.
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der Klägerin ein
Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, auf den sich die Revision in
erster Linie beruft, nicht zusteht. Die Beklagte hat kein Schutzgesetz im Sinne
dieser Vorschrift verletzt. Weder dient die Straßenverkehrsordnung im Ganzen
dem Vermögensschutz noch handelt es sich bei §§ 12 Abs. 1 Nr. 6 a, 45 Abs. 1
Satz 1, Satz 2 Nr. 1 oder Absatz 6 StVO um Schutzvorschriften zugunsten der
Vermögensinteressen der Klägerin.
aa) Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Rechtsnorm, die nach Zweck
und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Per-
sonenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen.
Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Ge-
setzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes gerade
einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch ge-
nommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkrei-
sen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, daß die Norm auch das in
Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster
Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben (vgl. BGHZ 116, 7, 13;
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BGHZ 122, 1, 3 f. je m.w.N.). Andererseits soll der Anwendungsbereich von
Schutzgesetzen nicht ausgeufert werden. Deshalb reicht es nicht aus, daß der
Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht wer-
den kann; er muß vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Dann aller-
dings kann eine im Gesetz angelegte drittschützende Wirkung der Norm auch
zu Schadensersatzansprüchen führen, wenn sie in bezug auf die im Einzelfall
zu erlassenden Ge- und Verbote noch der Konkretisierung durch einen Ver-
waltungsakt bedarf (vgl. BGHZ 62, 265, 266 f.; BGHZ 122, 1, 3 ff.; BGH, Urteil
vom 27. September 1996 - V ZR 335/95 - VersR 1997, 367, 368).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Straßenverkehrsordnung nicht im
Ganzen ein Gesetz zum Schutz des Vermögens. Sie ist Teil des Straßenver-
kehrsrechts, durch welches die Teilnahme am Straßenverkehr geregelt und
insbesondere dessen Sicherheit und Leichtigkeit gewährleistet werden soll.
Dieses dient als sachlich begrenztes Ordnungsrecht der Abwehr von typischen
Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgehen und die dem Straßenverkehr von
außen oder durch Verkehrsteilnehmer erwachsen (vgl. BGHZ 60, 54, 60;
BGHSt 37, 366, 369; BGH, Beschluß vom 4. Dezember 2001 - 4 StR 93/01 -
NJW 2002, 1280, 1281 m.w.N.; BVerfGE 40, 371, 379 f.; 67, 299, 314, 322 f. je
m.w.N.; BVerwGE 37, 112, 114 f.; 85, 332, 341 f.). Daran ändert auch der Um-
stand nichts, daß einzelne Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zugleich
dem Schutz von Individualinteressen dienen, namentlich der Gesundheit, der
körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums (vgl. Senatsurteile vom
25. Januar 1983 – VI ZR 212/80 – VersR 1983, 438, 439 und vom
25. September 1990 - VI ZR 19/90 - VersR 1990, 1366, 1367 m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der erkennende Senat bereits dar-
auf hingewiesen, daß dem Verkehrsteilnehmer, der durch eine auf einem Ver-
kehrsverstoß beruhenden Verkehrsstockung einen Vermögensschaden erleidet,
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in Ansehung dieses Schadens kein Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit der verletzten Verkehrsvorschrift zusteht. Derlei Beeinträchti-
gungen müssen vielmehr von jedem Benutzer öffentlicher Straßen als schick-
salhaft ersatzlos hingenommen werden (Senatsurteil vom 21. Juni 1977 –
VI ZR 58/76 – VersR 1977, 965, 967).
cc) Zu den hier als Schutznormen in Betracht kommenden §§ 12 Abs. 1
Nr. 6 a, 45 StVO ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob bei Halte-
verboten im Rahmen von Baustellen das Vermögen eines Bauunternehmers
und eines von diesem beauftragten weiteren Unternehmers – wie hier der Klä-
gerin - geschützt ist (bejahend LG Berlin, VersR 1972, 548 m.w.N.; LG Mün-
chen I, NJW 1983, 288; AG Charlottenburg, VersR 1971, 92 und ZfS 1981, 2;
AG Waiblingen, VersR 2003, 605 f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl.,
Rdn. 29 zu § 12 StVO m.w.N.; verneinend LG Berlin, NJW 1983, 288 f.; LG
Stuttgart, NJW 1985, 3028 f.; AG Frankfurt a.M., NJW-RR 1990, 730 f.; Grüne-
berg, NJW 1992, 945, 947 f.; Janssen, NJW 1995, 624, 626 f.; Wussow-
Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl. 2002, Kap. 4, Rdn. 14; vgl. auch LG
München I, NJW-RR 1987, 804 f.; LG Bonn, Schaden-Praxis 2001, 85 f.).
Nach Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ist diese Frage zu
verneinen. Zwar hat der Senat entschieden, daß das absolute Halteverbot des
§ 12 Abs. 1 Nr. 6 a StVO nicht darauf beschränkt ist, den Ablauf des fließenden
Verkehrs zu erleichtern, sondern auch die Gesundheit der die Fahrbahn über-
querenden Fußgänger schützen kann (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1983
- VI ZR 212/80 –, aaO). Da es in jenem Fall darum ging, dem Fußgänger eine
bessere Übersicht über den Verkehrsablauf zu ermöglichen und ihn dadurch
vor einer Schädigung zu bewahren, kann aus dieser Rechtsprechung aber kei-
ne Folgerung für den vorliegenden Fall gezogen werden, in dem es um den Er-
satz eines Vermögensschadens geht. Voraussetzung für einen Anspruch nach
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§ 823 Abs. 2 BGB ist nämlich stets, daß der konkrete Schaden aus der Verlet-
zung eines Rechtsguts entstanden ist, zu dessen Schutz die Rechtsnorm erlas-
sen worden ist (vgl. BGHZ 19, 114, 125 f.; BGHZ 27, 137, 143; BGHZ 39, 366,
367 f.). Diese Voraussetzung ist bei dem hier geltend gemachten Vermögens-
schaden nicht erfüllt.
(1) Weder aus dem allgemein gehaltenen Wortlaut des § 12 Abs. 1
Nr. 6 a StVO noch aus den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. BR-Drucks. 420/70,
S. 46 und 60 f.; Bundesrat, Bericht über die 357. Sitzung vom 23. Oktober
1970, S. 241 ff.) läßt sich ein über die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
hinausgehender Schutzzweck dieser Norm entnehmen.
(2) Auch die Zusammenschau mit § 45 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1
StVO sowie § 45 Abs. 6 StVO führt zu keinem anderen Ergebnis.
§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO ordnet ausdrücklich an, daß die Straßenver-
kehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus
Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken können. § 45
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO gewährt ihnen dasselbe Recht zur Durchführung von
– hier nicht vorliegenden - Arbeiten im Straßenraum. Dazu stehen ihnen Ver-
kehrszeichen (einschließlich der auf eine Baustelle hinweisenden Zusatzschil-
der) und Verkehrseinrichtungen zur Verfügung (§ 45 Abs. 4 StVO). Die Ent-
scheidung, welche Verkehrszeichen anzubringen sind, obliegt den Straßenver-
kehrsbehörden als Amtspflicht im Interesse und zum Schutz aller Verkehrsteil-
nehmer, die die Straße nach Art ihrer Verkehrsöffnung benutzen dürfen. Inhalt-
lich ist sie darauf gerichtet, für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu
sorgen und die Einrichtungen für die Regelung des Verkehrs so zu gestalten,
daß sie ihrem Zweck gerecht werden, den Verkehr zu erleichtern und Verkehrs-
gefahren zu verhüten (BGH, Urteil vom 24. März 1988 - III ZR 104/87 - VersR
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1988, 697 m.w.N.). Diesem Normzweck entspricht auch die systematische
Stellung des § 45 StVO im III. Abschnitt der Straßenverkehrsordnung unter den
Durchführungs-, Bußgeld- und Schlußvorschriften.
Soweit Befürworter eines Schadensersatzanspruchs wegen erlittener
Vermögenseinbußen argumentieren, das Halteverbot diene vor allem dem
Schutz des Bauunternehmers, da es die ungehinderte Durchführung der Bau-
arbeiten gewährleisten solle, wird dies dem in § 45 Abs. 1 StVO genannten
Zweck nicht gerecht. Aus Wortlaut und Sinn dieser Norm ergibt sich vielmehr
eine Befugnis zum Aufstellen von Halteverbotsschildern um sicherzustellen,
daß der Straßenverkehr durch die Bauarbeiten nicht über Gebühr beeinträchtigt
wird, indem etwa wartende Baustellenfahrzeuge die Fahrbahn blockieren oder
der Verkehrsablauf durch die Baumaßnahmen länger als unbedingt erforderlich
behindert wird. Deshalb handelt es sich bei den Vorteilen für den Bauunter-
nehmer nur um einen Reflex der im Allgemeininteresse getroffenen Maßnah-
men.
Aus § 45 Abs. 6 StVO ist nichts anderes zu entnehmen. Diese Vorschrift
regelt lediglich die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde im Zusammen-
spiel mit den Aufgaben des Bauunternehmers. Dies ergibt sich aus ihrem
Wortlaut, dem Gesetzgebungsverfahren und dem Umstand, daß in § 49 Abs. 4
Nr. 3 StVO derjenige mit einem Bußgeld bedroht wird, der entgegen § 45 Abs. 6
StVO mit Arbeiten beginnt, ohne zuvor Anordnungen eingeholt zu haben, diese
Anordnungen nicht befolgt oder Lichtzeichenanlagen nicht bedient. So heißt es
in den Motiven des Gesetzgebers zu § 45 Abs. 6 StVO als Grund für den Erlaß
der Vorschrift, es sei angezeigt, die Aufgaben zwischen der Behörde und dem
Bauunternehmer – hier Anordnung, dort deren Ausführung - klar zu scheiden,
weil die Beschilderung von Baustellen weithin im Argen liege (vgl. BR-Drucks.
420/70, S. 86 f.).
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Aus den als Schutzgesetz in Betracht kommenden Normen ergibt sich
demnach kein Hinweis darauf, daß diese zumindest auch dem Schutz der Ver-
mögensinteressen des Bauunternehmers oder der von ihm – wie die Klägerin –
beauftragten Unternehmen dienen sollen. Die bloße Reflexwirkung der im All-
gemeininteresse getroffenen Maßnahmen zugunsten der Vermögensinteressen
der beteiligten Unternehmen reicht für die Annahme eines Schutzgesetzes im
Sinne des § 823 Abs. 2 BGB jedoch nicht aus.
Die vorstehende Wertung steht nicht in Widerspruch zu der von der Re-
vision ins Feld geführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 4
Abs. 1 Satz 1 StVO in der Fassung vom 29. März 1956/30. April 1964 (BGBl. I
S. 327/1964 I S. 305), die in BVerwGE 37, 112 veröffentlicht worden ist. Die
Besonderheit jenes Falles lag darin, daß der Verkehr, dessen Behinderung der
Kläger jenes Verfahrens geltend machte - nämlich die freie Ein- und Ausfahrt
bei der Benutzung seiner Garage -, zu dem von der Straßenverkehrsordnung
geregelten und in bezug auf Sicherheit und Leichtigkeit geschützten öffentlichen
Straßenverkehr gehörte, wenn das die Garage verlassende Fahrzeug bereits in
der Ausfahrt öffentlichen Verkehrsgrund erreicht oder bei der Einfahrt noch
nicht die öffentliche Straßenfläche verlassen hatte. Für diesen Fall hat das
Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß der Einzelne einen Anspruch auf
Erlaß eines verkehrsregelnden Verwaltungsakts zum Schutz seiner eigenen
straßenverkehrsrechtlichen Belange und der verkehrlichen Nutzbarkeit seines
Grundstücks haben kann. Es ging also nicht um die Frage, ob die Vorschrift
auch den Vermögensinteressen des Betroffenen diente.
dd) Da die in Betracht kommenden Normen schon keinen Willen des
Verordnungsgebers erkennen lassen, das Vermögen des Bauunternehmers zu
schützen, gibt der vorliegende Fall keinen Anlaß zu entscheiden, ob ein solcher
Schutz durch die Ermächtigungsgrundlage des § 6 StVG gedeckt wäre.
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b) Zutreffend haben die Vorinstanzen auch einen Anspruch der Klägerin
aus § 823 Abs. 1 BGB verneint. Zwar kann die Verletzung des Eigentums an
einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern
auch durch eine sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Ein-
wirkung auf die Sache erfolgen, etwa wenn ein Fahrzeug jede Bewegungsmög-
lichkeit verliert und seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen wird
(vgl. BGHZ 55, 153, 159). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn wie hier ein Fahr-
zeug nur wenige Stunden an der konkret geplanten Weiterfahrt gehindert und
dadurch seine wirtschaftliche Nutzung vorübergehend eingeengt wird (vgl.
BGHZ 86, 152, 154 f.).
c) Auch ein Anspruch der Klägerin aus Verletzung ihres eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetriebs ist nicht gegeben. Ein solcher Anspruch
kommt nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich
des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem
ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Dabei kann das Erfordernis der Be-
triebsbezogenheit sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß der Eingreifende
solche Verhaltenspflichten verletzt haben muß, die ihm im Hinblick auf das be-
sondere Schutzbedürfnis des Gewerbebetriebs oblagen. Es ist nämlich nicht
der Sinn dieses besonderen Rechtsinstituts, dem Gewerbetreibenden einen
Schadensersatzanspruch für solche Vermögensschäden zu gewähren, die ein
anderer unter sonst gleichen Umständen ersatzlos hinnehmen müßte, im
Streitfall also eine vorübergehende Behinderung des Gemeingebrauchs an ei-
ner Straße. Dieser Grundsatz darf nicht auf dem Umweg über den Schutz des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs außer Kraft gesetzt werden.
Deshalb ist auch eine spezifische Betriebsbezogenheit eines solchen Eingriffs
zu verneinen. An dieser fehlt es, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer
entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein kann und sie dann nach den das
Haftungsrecht prägenden wertenden Zurechnungsgrundsätzen entschädi-
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gungslos hinnehmen müßte. Das aber ist bei einer vorübergehenden Behinde-
rung der Straßenbenutzung der Fall (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 1977 – VI
ZR 58/76 – aaO; vgl. auch BGHZ 55, 153, 160 f.; BGHZ 86, 152, 156 ff.; je
m.w.N.).
d) Die vom Berufungsgericht festgestellten Umstände geben keinen An-
laß zu prüfen, ob eine absichtliche Blockade von Bauarbeiten eine sittenwidrige
Schädigung des Bauunternehmers nach § 826 BGB darstellen könnte.
III.
Die Revision ist demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zu-
rückzuweisen.
Müller
Greiner
Wellner
Pauge
Stöhr