Urteil des BGH vom 13.11.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 142/12
Verkündet am:
13. November 2013
Küpferle
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
PrKG §§ 8, 9
Durch das Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes am 14. September 2007 wur-
den Wertsicherungsklauseln, die bis dahin weder genehmigungsfrei noch ge-
nehmigt waren und für die bis dahin keine Genehmigung beantragt war, mit
Wirkung für die Zukunft auflösend bedingt wirksam.
BGH, Urteil vom 13. November 2013 - XII ZR 142/12 - OLG Brandenburg
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LG Frankfurt (Oder)
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Oktober 2012
wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung der
Klage auf Nebenkostennachzahlung in Höhe von insgesamt
134.030,33
€ nebst Zinsen sowie gegen die Abweisung der Klage
auf Zahlung einer Differenz der ursprünglichen Pacht zu einer auf
Grundlage der Wertsicherungsklausel erhöhten Pacht für die Zeit
bis zum 13. September 2007 einschließlich des insoweit hilfsweise
geltend gemachten Anspruchs auf Vertragsanpassung richtet.
Im Übrigen (Pachterhöhung ab dem 14. September 2007) wird
das vorbezeichnete Urteil, soweit darin zum Nachteil der Klägerin
erkannt worden ist, auf ihre Revision aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsver-
fahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Streitwert
: bis 390.000 €
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Wertsicherungsklausel
sowie den Inhalt der Nebenkostenabrede eines Pachtvertrages über ein Grund-
stück, auf dem die Beklagte ein Alten- und Pflegeheim betrieb.
Das Pachtobjekt stand unter Zwangsverwaltung und wurde durch die
Klägerin mit Zuschlagsbeschluss vom 23. Juni 2008 im Rahmen der
Zwangsversteigerung erworben. Mit Beschluss vom 29. Juli 2008 wurden die
Zwangsverwaltung aufgehoben und der Zwangsverwalter ermächtigt, die Pacht-
rückstände aus der Zeit bis zum 22. Juni 2008 einzutreiben. Die bis dahin ent-
standenen und noch offenen Ansprüche aus Pachterhöhungen trat der
Zwangsverwalter an die Klägerin ab.
Die Wertsicherungsklausel des auf fünf Jahre mit Verlängerungsoption
über weitere fünf Jahre geschlossenen Pachtvertrages vom 7. Oktober 1999, in
den beide Parteien als Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien
eingetreten sind, lautet:
"Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden fest-
gelegte Index der Lebenshaltungskosten aller privaten Haushalte
im früheren Bundesgebiet (Basis 1985 = 100) im Verhältnis zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zu dem bei der letzten
Mietänderung festgestellten Index um mehr als fünf Prozent nach
oben oder unten, so ändert sich der jeweilige Mietzins im gleichen
Verhältnis. Der neue Mietzins ist mit Beginn des nächsten, auf die
Überschreitung des der Fünf-Prozent-Grenze folgenden Kalen-
dermonats an zu zahlen. (
…) Sollte die Wertsicherungsklausel von
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der Landeszentralbank nicht genehmigt werden, so verpflichten
sich die Vertragsparteien, eine Vereinbarung in den Vertrag auf-
zunehmen, die den in diesem Vertrag vereinbarten Bestimmungen
am nächsten kommt und genehmigungsfähig ist."
Die Nebenkostenabrede in § 4 des schriftlichen Pachtvertrages lautet:
"1. Die Pächterin übernimmt sämtliche mit dem Pachtobjekt in Zu-
sammenhang stehenden Betriebskosten. Diese werden, soweit
möglich, von ihr unmittelbar gezahlt, (...).
2. Die Leitungswasser-, Sturm-, Feuer- und Gebäudehaftpflicht-
versicherung sowie die Grundsteuer werden zunächst unmittelbar
vom Verpächter gezahlt und der Pächterin in Rechnung gestellt,
die diese dann binnen einer Frist von vier Wochen der Verpächte-
rin zu erstatten hat."
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine direkte Abrechnung mit
den Versorgungsunternehmen nicht möglich war, vereinbarten die Vertragspar-
teien am 6. Juni 2001 mündlich, dass anstelle des vorher Vereinbarten die Be-
klagte einen monatlichen Betrag von 5.113
€ an die Klägerin für die Nebenkos-
ten entrichten solle, welcher fortan auch gezahlt wurde. Während die Klägerin
behauptet, der Betrag sei als eine abzurechnende Nebenkostenvorauszahlung
vereinbart gewesen, geht die Beklagte von einer vereinbarten Nebenkosten-
pauschale aus.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Differenz der ursprünglichen
Pacht zu einer auf Grundlage der Wertsicherungsklausel erhöhten Pacht in Hö-
he von 133.012,12
€ für Dezember 2004 bis Mai 2008, hilfsweise die Verurtei-
lung der Beklagten zur Zustimmung, die Wertsicherungsklausel des Pachtver-
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trages durch eine andere, näher bezeichnete Klausel zu ersetzen. Ferner ver-
langt sie Nachzahlung - inzwischen abgerechneter - Nebenkosten für die Jahre
2005 bis 2007 in Höhe von insgesamt 134.030,33
€. Die Beklagte hat Wider-
klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattge-
geben. Die Berufung der Klägerin hatte lediglich im Hinblick auf die Widerklage
Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision
der Klägerin, mit der sie ihre Ansprüche weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht hat seine in ZMR 2013, 184 veröffentlichte Ent-
scheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin sei auch hinsichtlich derjenigen Pachtansprüche aktivlegiti-
miert, die bereits vor der Zwangsversteigerung am 23. Juni 2008 entstanden
seien, da der Zwangsverwalter diese Ansprüche an die Klägerin in zulässiger
Weise abgetreten habe.
Die Wertsicherungsklausel, die nach dem bei Vertragsschluss geltenden
Recht zunächst genehmigungsfrei wirksam gewesen sei, sei nunmehr nach
dem am 14. September 2007 in Kraft getretenen und auch nicht verfassungs-
widrigen Preisklauselgesetz zu beurteilen. Die Übergangsregelung des § 9
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Abs. 1 PrKG regele zwar die Fortgeltung bereits erteilter Genehmigungen, nicht
aber die Fortgeltung von Genehmigungsfiktionen nach früherem Recht. Es
handle sich auch nicht um einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt.
Die Wertsicherungsklausel sei wegen Verstoßes gegen die Schriftform
unwirksam geworden. Die Genehmigung einer automatischen Wertsicherungs-
vereinbarung in einem Immobilienpachtvertag werde nicht fingiert, wenn die von
den Parteien erstrebte langfristige Bindung wegen Nichteinhaltung der gesetz-
lich gebotenen Schriftform (§ 550 BGB) scheitere und der Vertrag deshalb mit
gesetzlicher Frist kündbar sei.
Der Verstoß gegen die Schriftform nach § 550 BGB sei jedenfalls
dadurch gegeben, dass der Pachtvertrag nachträglich hinsichtlich eines wesent-
lichen Vertragsinhalts mündlich geändert worden sei, indem die Nebenkosten
nicht mehr wie ursprünglich vereinbart soweit möglich unmittelbar von der Be-
klagten zu begleichen gewesen seien, sondern nunmehr durch monatliche Zah-
lungen von 5.113
€ an die Klägerin, wobei insoweit dahin stehen könne, ob dies
als abzurechnende Vorauszahlung oder als Pauschale zu verstehen sei. Die
Änderung sei wesentlich, weil die Nebenkostenvorauszahlung oder -pauschale
als Teil der Pacht anzusehen sei und deshalb Auswirkungen auf die außeror-
dentlichen Kündigungsmöglichkeiten wegen zweimonatigen Pachtverzuges ha-
be. Mit insgesamt knapp 15 % der Grundpacht handle es sich bei den Neben-
kosten auch nicht um einen nur unwesentlichen Teil der Gesamtzahlungspflicht.
Die Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel greife von dem Zeitpunkt
an, in dem der Schriftformverstoß eingetreten sei. Die gesetzliche Regelung,
wonach vereinbarte Wertsicherungsklauseln bis zum Zeitpunkt einer gerichtli-
chen Feststellung schwebend wirksam seien (§ 8 PrKG), gelte nur für die nach
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diesem Gesetz zu beurteilenden Wertsicherungsklauseln, nicht jedoch für die
schon nach früherem Recht unwirksamen Klauseln.
Zwar könne die Klägerin von der Beklagten grundsätzlich verlangen, ei-
ner Änderung der vereinbarten Klausel in eine solche mit genehmigungsfähi-
gem oder nicht genehmigungsbedürftigem Inhalt zuzustimmen. Die Klägerin
habe jedoch nicht dargelegt, dass die von ihr verlangte Vertragsänderung der
Billigkeit entspräche. Denn die verlangte Anpassung berücksichtige nur die all-
gemeine Preisentwicklung, ohne auch der Pachtzinsentwicklung für vergleich-
bare Objekte angemessen Rechnung zu tragen.
Auch die verlangte Nebenkostennachzahlung stehe der Klägerin nicht
zu, da sie nicht bewiesen habe, dass zwischen den Vertragschließenden abzu-
rechnende Nebenkostenvorauszahlungen und nicht eine Betriebskostenpau-
schale vereinbart worden seien.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen
Punkten stand.
1. Zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings angenommen, dass
die Klägerin auch zur Geltendmachung der von Dezember 2004 bis Mai 2008
entstandenen Pachtansprüche aktivlegitimiert ist. Zwar stand das Pachtobjekt in
der Zeit bis 22. Juni 2008 unter Zwangsverwaltung. Der Zwangsverwalter war
jedoch befugt, die in dieser Zeit entstandenen Ansprüche an die Klägerin, die
das Pachtobjekt durch Zuschlagsbeschluss vom 23. Juni 2008 erwarb, abzutre-
ten.
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Zuständig für die Einziehung der bis 22. Juni 2008 entstandenen An-
sprüche blieb zwar der Zwangsverwalter, dessen Befugnisse insoweit mit dem
Zuschlagsbeschluss vom 23. Juni 2008 ausdrücklich nicht endeten (vgl. BGHZ
155, 38 = NJW-RR 2003, 1419). Er war somit weiterhin zur ordnungsgemäßen
Abwicklung, auch zur Einziehung rückständiger Pachten, berechtigt und ver-
pflichtet (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2004 - XII ZR 196/99 - ZInsO 2004,
340; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 187, 10 = NJW 2010, 3033).
Die nach § 152 Abs. 1 ZVG bestehende Aufgabe des Zwangsverwalters,
für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grundstücks zu sorgen,
schließt die Befugnis ein, über die zur Verwaltungsmasse gehörenden Rechts-
ansprüche zu verfügen, insbesondere auch sie abzutreten (vgl. Böttcher ZVG
5. Aufl. § 152 Rn. 37; Haarmeyer Rpfleger 2000, 30, 32; Vonnemann Rpfleger
2002, 415, 418 f.; offengelassen in BGH Urteil vom 29. Juni 2006 - IX ZR
119/04 - NZM 2006, 677). Denn das Verwaltungsrecht des Zwangsverwalters
reicht weiter als etwa nur die Überweisung einer Forderung zur Einziehung im
Rahmen einer Einzelzwangsvollstreckung. Der Verwalter tritt in die Abwicklung
der gesamten grundstücksbezogenen Rechtsbeziehungen einschließlich der
Befugnis zur Ausübung bestehender Gestaltungsrechte und der Begründung
neuer Rechtsverhältnisse ein. Das umfasst auch die Befugnis zur Verfügung
über bestehende Pacht- und Mietforderungen. Ob die Verfügung pflichtgemäß
erfolgt, ist keine Frage ihrer Wirksamkeit, sondern einer eventuellen Haftung
des Verwalters.
2. Zu Unrecht ist das Oberlandesgericht hingegen von der vollständigen
Unwirksamkeit der vereinbarten Wertsicherungsklausel ausgegangen.
a) Zutreffend ist allerdings die Annahme des Oberlandesgerichts, dass
der ursprünglich abgeschlossene Pachtvertrag spätestens seit der mündlich
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vereinbarten Vertragsänderung vom 6. Juni 2001 nicht mehr diejenigen
Voraussetzungen erfüllte, unter denen die enthaltene Preisklausel gemäß § 2
Abs. 2 PaPkG iVm § 4 PrKV als genehmigt galt. Denn Voraussetzung hierfür
war gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 PrKV, dass der Verpächter für die Dauer von min-
destens zehn Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet oder
der Pächter das Recht hatte, die Vertragsdauer auf mindestens zehn Jahre zu
verlängern. Zwar war im schriftlichen Pachtvertrag eine Vertragsdauer von fünf
Jahren mit einer Verlängerungsoption für den Pächter um weitere fünf Jahre
vereinbart. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Vertragsbindung für länger
als ein Jahr ist jedoch gemäß § 550 BGB die Einhaltung der Schriftform. Diese
war zumindest ab dem Zeitpunkt der durch mündliche Vereinbarung abgeän-
derten Nebenkostenabrede nicht mehr gewahrt. Nach ständiger Rechtspre-
chung des Senats ist die Schriftform des § 550 BGB nämlich nur gewahrt, wenn
sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle we-
sentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere den Mietgegenstand, die Miete
sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses - aus einer von beiden
Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Durch die Einführung einer an die
Verpächterin zu entrichtenden Nebenkostenpauschale oder -vorauszahlung von
monatlich 5.113
€ anstelle der ursprünglich vereinbarten Direktabrechnung mit
den Versorgungsunternehmen wurden die Zahlungspflichten der Pächterin ge-
genüber der Verpächterin erheblich erweitert mit der Folge, dass auch die Be-
dingungen, unter denen bei Zahlungsverzug eine Kündigung hätte ausgespro-
chen werden können, erheblich verändert wurden. Denn Pacht im Sinne von
§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ist die Grundpacht zuzüglich der geschuldeten
Nebenkostenzahlung (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2001 - XII ZR
307/98 - BGHReport 2002, 225 und vom 23. Juli 2008 - XII ZR 134/06 - NJW
2008, 3210). Um den Voraussetzungen des § 550 BGB - weiterhin - zu genü-
gen, hätte die Nachtragsvereinbarung vom 6. Juni 2001 ebenfalls unter Wah-
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rung der Schriftform (vgl. dazu Senatsurteil vom 30. Januar 2013 - XII ZR
38/12 - NJW 2013, 1083 Rn. 22 f.) geschlossen werden müssen. Da die Ver-
tragsparteien dieses nicht beachtet haben, war die Schriftform des § 550 BGB
von dem Zeitpunkt an insgesamt nicht mehr gewahrt. Der Pachtvertrag galt
damit als auf unbestimmte Zeit geschlossen und war somit für die Vertragspar-
teien auch vor Ablauf der ursprünglichen Bindungsfrist kündbar.
Auf diesen Vertrag geänderten Inhalts wirkt die Genehmigungsfiktion des
§ 2 Abs. 2 PaPkG iVm § 4 PrKV auch nicht fort, die für den ursprünglichen Ver-
trag gegolten haben mag, soweit deren Voraussetzungen erfüllt waren. Denn
der mündlich abgeänderte Vertrag stellt einen anderen, eigenständig zu prüfen-
den Genehmigungsgegenstand dar.
b) Seit dem Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes am 14. September
2007 richtet sich die Wirksamkeit der Klausel allerdings nach diesem Gesetz.
Das folgt aus der Übergangsvorschrift des § 9 PrKG, wonach nur für solche
Preisklauseln, die nach früherem Recht schon genehmigt waren oder deren
Genehmigung nach früherem Recht bereits beantragt war, die Genehmigung
fortgilt bzw. die bislang geltenden Vorschriften weiter anzuwenden sind. Andere
Preisklauseln, deren schwebende Unwirksamkeit sich bis zum 13. September
2007 aus dem Genehmigungserfordernis nach § 2 Abs. 2 PaPkG iVm § 3 PrKV
ergab, können seit dem 14. September 2007 nicht mehr durch ein Genehmi-
gungsverfahren, sondern nur noch nach den Vorschriften des Preisklausel-
gesetzes Wirksamkeit erlangen (ebenso Neuhaus MDR 2010, 848; Hel-
ler/Rousseau NZM 2009, 301, 303; Aufderhaar/Jaeger NZM 2009, 564, 566;
vgl. auch OLG Celle NJW-RR 2008, 896, 897; BT-Drucks. 16/4391 S. 29).
Dass die Rechtsänderung nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs auch auf bereits endgültig abgeschlossene Sachverhalte wirkt (vgl.
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BGH Urteile vom 9. Dezember 2010 - VII ZR 189/08 - NJW-RR 2011, 309 und
BGHZ 168, 96, 98 = NJW 2006, 2978), kann dahinstehen. Denn das Pachtver-
hältnis ist noch nicht endgültig abgewickelt.
c) Nach § 8 PrKG tritt die Unwirksamkeit einer Preisklausel zum Zeit-
punkt des rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen dieses Gesetz ein, so-
weit nicht eine frühere Unwirksamkeit vereinbart ist. Die Rechtswirkungen der
Preisklausel bleiben bis zum Zeitpunkt der Unwirksamkeit unberührt. Damit gel-
ten Preisklauseln - abweichend von der früheren Rechtslage - als auflösend
bedingt wirksam (vgl. Neuhaus MDR 2010, 848).
Das Oberlandesgericht sieht sich an der Anwendung dieser Vorschrift
gehindert, weil es meint, die Regelung betreffe nur die Unwirksamkeit von
Preisklauseln nach den Bestimmungen des Preisklauselgesetzes, nicht jedoch
die schon nach früherem Recht unwirksamen Klauseln. Das folge aus dem all-
gemeinen Grundsatz, wonach, wenn ein Verbotsgesetz aufgehoben werde, es
bei der Nichtigkeit der Geschäfte bleibe, die gegen dieses Gesetz verstoßen
haben.
Dabei verkennt jedoch das Oberlandesgericht zum einen, dass sich die
Unwirksamkeit der streitigen Klausel seit dem Inkrafttreten des Preisklauselge-
setzes nach diesem Gesetz und nicht mehr nach früherem Recht richtet, zum
anderen, dass die vereinbarte Wertsicherungsklausel keineswegs von vornhe-
rein nichtig war, sondern - jedenfalls seit der mündlichen Abänderung der Ne-
benkostenabrede - unter einem Erlaubnisvorbehalt nach § 2 Abs. 2 PaPkG iVm
§ 3 PrKV stand.
Lediglich die Folgen des Schwebezustandes hat das Gesetz geändert,
indem es Klauseln, die nach früherem Recht bis zur Erteilung der Genehmigung
als schwebend unwirksam galten, nunmehr als anfänglich wirksam behandelt,
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auflösend bedingt durch die gerichtliche Feststellung des Verstoßes. Dass
daran auch die vor dem Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes vereinbarten
Wertsicherungsklauseln teilhaben, ist schon deshalb geboten, weil es bei dem
alten Zustand der schwebenden Unwirksamkeit nicht bleiben könnte. Denn das
neue Recht kennt kein Genehmigungsverfahren mehr, welches einer schwe-
bend unwirksamen Klausel noch zur Wirksamkeit verhelfen könnte (im Ergebnis
ebenso Heller/Rousseau NZM 2009, 301, 303; Schulz NZM 2008, 425, 427;
Aufderhaar/Jaeger NZM 2009, 564, 567; Neuhaus MDR 2010, 848, 850; vgl.
auch Gerber NZM 2008, 152). Die Geltung des neuen Preisklauselgesetzes für
alle Preisklauseln, die unter der Geltung des § 2 PaPkG oder des § 3 WährG
vereinbart worden waren und für die bis zum Tag der Verkündung des neuen
Gesetzes kein Genehmigungsantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Aus-
fuhrkontrolle gestellt war, entspricht erkennbar auch der Vorstellung des Regie-
rungsentwurfs (BT-Drucks. 16/4391 S. 29).
Darin liegt keine unangemessene Benachteiligung der Vertragsparteien,
weil die Folge der
– zumindest auflösend bedingten – Wirksamkeit der Klausel
dem zwischen ihnen Vereinbarten entspricht.
Da ein Verstoß der vereinbarten Wertsicherungsklausel gegen das
Preisklauselgesetz bisher nicht gerichtlich festgestellt ist, stehen die Vorschrif-
ten dieses Gesetzes einer Anwendung der vereinbarten Klausel nicht entgegen.
Daher kommt es auf die verschiedentlich unter dem Blickwinkel der Gesetzge-
bungskompetenz angezweifelte Vereinbarkeit des Preisklauselgesetzes mit
dem Grundgesetz (vgl. Schultz NZM 2008, 425, 426; Hellner/Rousseau NZM
2009, 301, 302; MünchKommBGB/Grundmann 6. Aufl. § 245 Rn. 71; ferner
Kirchhof Wertsicherungsklauseln für Euro-Verbindlichkeiten S. 159 ff.) im Er-
gebnis nicht an.
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d) Die durch das Preisklauselgesetz eingeführte, auflösend bedingte
Wirksamkeit vereinbarter Preisklauseln greift allerdings nur ab dem Inkrafttreten
dieses Gesetzes mit Wirkung für die Zukunft. Eine Rückwirkung auf Zeiträume
vor seinem Inkrafttreten ordnet das Preisklauselgesetz nicht an. Gegen eine
Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses sprechen auch Vertrau-
ensgesichtspunkte, weil Vertragsparteien sonst rückwirkenden Zahlungspflich-
ten auch aus solchen Preisklauseln ausgesetzt sein könnten, welche nach
früherem Recht nicht genehmigungsfähig waren. Für den Zeitraum vor dem
Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes richtet sich die Wirksamkeit der verein-
barten Klausel daher weiterhin nach dem bis 13. September 2007 geltenden
Recht, wobei ab Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes kein Genemigungsan-
trag mehr möglich ist.
e) Für den Zeitraum bis 13. September 2007 kann die Klägerin auch
nicht die mit dem Hilfsantrag verfolgte Vertragsanpassung verlangen. Dem
steht zum einen entgegen, dass vorrangig vor der Vertragsanpassung um eine
Genehmigung der Preisklausel gemäß § 2 Abs. 2 PaPkG iVm § 3 PrKV hätte
nachgesucht werden müssen; erst wenn diese endgültig gescheitert wäre, hätte
eine Verpflichtung der Vertragsparteien auf Zustimmung zu einer Vertragsan-
passung begründet sein können. Zum anderen steht dem Anspruch auf Ver-
tragsanpassung entgegen, dass die vereinbarte automatische Pachtanpassung
ihre innere Berechtigung in der vom Verpächter eingegangenen zehnjährigen
Vertragsbindung hatte. Nachdem diese Vertragsbindung als Folge der mündli-
chen Nachtragsabrede vom 6. Juni 2001 entfallen war, hätte die Klägerin den
Vertrag jederzeit mit der gesetzlichen Frist kündigen können, sofern ihr die ver-
einbarte Pacht nicht mehr auskömmlich erschien. Damit war schon die innere
Rechtfertigung für eine automatische, an Preisindizes gekoppelte Pachtanpas-
sung entfallen, was auch der hilfsweise vereinbarten Vertragsanpassung die
Grundlage entzieht. Schließlich ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden,
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dass das Oberlandesgericht die von der Klägerin herangezogene allgemeine
Preisentwicklung von Gewerbeimmobilien nicht als einen geeigneten Maßstab
für eine Pachtanpassung der hier vorliegenden Sonderimmobilie eines Alten-
und Pflegeheims angesehen hat, so dass es insgesamt an einer hinreichenden
Substanziierung des vermeintlichen Anspruchs der Klägerin auf Zustimmung zu
der konkret verlangten Vertragsanpassung fehlt.
3. Erfolglos bleiben auch diejenigen Angriffe der Revision, die sich gegen
die Abweisung der auf Nachzahlung inzwischen abgerechneter Nebenkosten
zielenden Klage richten. Der im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme be-
hauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor. Die von beiden Parteien in der münd-
lichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25. März 2011 abgegebene Erklä-
rung, anstelle einer erneuten Vorladung des erkrankungsbedingt nicht erschie-
nenen Zeugen B. solle das Protokoll seiner früheren Vernehmung aus einem
anderen Verfahren verwertet werden, durfte von den Instanzgerichten dahin
ausgelegt werden, dass auf eine Einvernahme des Zeugen in diesem Verfahren
und somit auf die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von dem Zeugen
übereinstimmend verzichtet werde (§ 399 ZPO). Von diesem Verzicht konnte
die Klägerin nicht einseitig wieder abrücken, indem sie in dem - ihr zwar nach-
gelassenen - Schriftsatz vom 18. April 2011 erneut auf die persönliche Verneh-
mung der Zeugen antrug. Denn der Schriftsatznachlass war nicht dazu gewährt,
den Zeugenverzicht nachträglich zu revidieren, sondern um rechtliches Gehör
zu dem von der Beklagten im Termin neu vorgebrachten Streitstoff zu gewäh-
ren. Dass sich ausgerechnet aus diesem Veranlassung ergeben habe, nun
doch auf einer persönlichen Vernehmung des Zeugen zu bestehen, hat die Klä-
gerin weder im nachgelassenen Schriftsatz noch mit ihrer Revision aufgezeigt.
Im Gegenteil rekurriert auch der nachgelassene Schriftsatz bezüglich der hier
bedeutsamen Frage eines vereinbarten Nebenkostenvorschusses oder einer
Nebenkostenpauschale im Wesentlichen auf die früher bereits protokollierte
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Aussage des Zeugen. Zu Recht ist daher das Landgericht nicht wieder in die
mündliche Verhandlung eingetreten und hat das Oberlandesgericht die erneute
Benennung des Zeugen in der Berufungsinstanz nach den Maßstäben des
§ 531 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH Beschluss vom 22. Februar 2007 - III ZR 114/06 -
NJW-RR 2007, 774) zurückgewiesen.
4. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers hinsichtlich der Wirksamkeit
der Preisklausel für die Zeit ab dem 14. September 2007 kann die angefochte-
ne Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in
der Sache entscheiden, weil das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt
aus folgerichtig - noch keine endgültigen Feststellungen bezüglich einer mögli-
chen Verwirkung des Anspruchs getroffen hat.
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 29.04.2011 - 11 O 153/10 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.10.2012 - 3 U 75/11 -
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