Urteil des BGH vom 01.02.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 289/06
Verkündet
am:
1. Februar 2007
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 31; HPflG § 2; BGB § 242 Cd; AVBWasserV §§ 10, 35
a) Inhaber des von einer Wasserversorgungsanlage abzweigenden Haus-
anschlusses ist das Versorgungsunternehmen (hier: die Gemeinde als
Betreiberin des Städtischen Wasserwerks), auch soweit die Anschlusslei-
tung innerhalb des Privatgrundstücks verläuft.
b) Die Gemeinde ist bei öffentlich-rechtlicher Regelung der Wasserversor-
gung berechtigt, in ihrer Satzung die Unterhaltungskosten für Hausan-
schlüsse den Anschlussnehmern aufzuerlegen (ebenso BVerwGE 82,
350). Einen dahingehenden Erstattungsanspruch kann sie bei einem
Bruch der Anschlussleitung dem auf Ersatz der Reparaturkosten gerich-
teten, auf § 2 Abs. 1 HPflG gestützten Schadensersatzanspruch des
Grundstückseigentümers nach Treu und Glauben entgegenhalten. Der
Vorrang des Bundesrechts gemäß Art. 31 GG steht dem nicht entgegen.
BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - III ZR 289/06 - LG Stuttgart
AG
Leonberg
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dörr
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2006 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Oktober 2005 ver-
kündete Urteil des Amtsgerichts Leonberg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Gebäudeversicherer der Wohnungseigentümergemein-
schaft L. Straße 16 in W. . Versichert waren unter ande-
rem Leitungswasserschäden. Die beklagte Stadt betreibt im Gemeindegebiet
unter dem Namen "Städtisches Wasserwerk" als Eigenbetrieb die öffentliche
Wasserversorgung auf der Grundlage ihrer Wasserversorgungssatzung (WVS)
vom 3. Juni 1997.
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Am 13. Oktober 2001 brach die Hausanschlussleitung auf dem versicher-
ten Anwesen. Die Wohnungsverwaltung ließ daraufhin Aushub- und Wiederein-
füllarbeiten zur Behebung des Rohrbruchs mit einem Kostenaufwand von
9.107,74 DM (= 4.656,70 €) durchführen. Diesen Betrag erstattete ihr die Kläge-
rin. Die Reparatur der Leitung selbst erfolgte durch die Beklagte, deren durch
Kostenbescheid vom 19. Dezember 2001 auf 533,29 DM festgesetzte Aufwen-
dungen von der Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlt wurden.
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Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin gemäß § 67 VVG Rück-
griff gegen die Beklagte wegen der an ihre Versicherungsnehmerin geleisteten
4.656,70 €. Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit für die Anschlusslei-
tung auf dem Grundstück der Versicherungsnehmerin. Die Beklagte beruft sich
außerdem auf einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Grundstückseigen-
tümerin entsprechend ihrer Wasserversorgungssatzung. Die entsprechenden
Satzungsbestimmungen lauten:
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§ 14
Haus- und Grundstücksanschlüsse
(1) Der Hausanschluss besteht aus der Verbindung des Vertei-
lungsnetzes mit der Anlage des Anschlussnehmers. Er be-
ginnt an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und endet
mit der Hauptabsperrvorrichtung.
(2) Diejenigen Teile des Hausanschlusses, die in öffentlichen
Verkehrs- und Grünflächen verlaufen (Grundstücksanschlüs-
se), sind Teil der öffentlichen Wasserversorgungsanlage. Im
Übrigen sind sie Teil der Anlage des Anschlussnehmers
(§ 17).
(3) Grundstücksanschlüsse werden vom "Städtischen Wasser-
werk" hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert, abgetrennt
und beseitigt. …
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§ 15
Kostenerstattung
(1) Der Anschlussnehmer hat dem "Städtischen Wasserwerk" zu
erstatten:
1. die Kosten der Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Ver-
änderung und Beseitigung der notwendigen Hausanschlüs-
se. Dies gilt nicht für den Teil des Hausanschlusses
(Grundstücksanschluss), der in öffentlichen Verkehrs- und
Grünflächen verläuft (§ 14 Abs. 2).
§ 17
Anlage des Anschlussnehmers
(1) Für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung
und Unterhaltung der Anlage hinter dem Grundstücksan-
schluss - mit Ausnahme der Messeinrichtungen des "Städti-
schen Wasserwerks" - ist der Anschlussnehmer verantwort-
lich. Hat er die Anlage oder Anlagenteile einem Dritter vermie-
tet oder sonst zur Benutzung überlassen, so ist er neben die-
sem verantwortlich.
(2) Die Anlage darf nur unter Beachtung der Vorschriften dieser
Satzung und anderer gesetzlicher oder behördlicher Bestim-
mungen sowie nach den anerkannten Regeln der Technik er-
richtet, erweitert, geändert und unterhalten werden. Die Errich-
tung der Anlage und wesentliche Veränderungen dürfen nur
durch das "Städtische Wasserwerk" oder ein vom "Städtischen
Wasserwerk" zugelassenes Installationsunternehmen erfol-
gen. Das "Städtische Wasserwerk" ist berechtigt, die Ausfüh-
rung der Arbeiten zu überwachen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr
stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
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I.
Das
Berufungsgericht
bejaht
einen auf die Klägerin übergegangenen
Schadensersatzanspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die
Beklagte aus § 2 HPflG. Inhaber der schadensstiftenden Rohrleitung sei gemäß
§ 10 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit
Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (BGBl. I S. 750, 1067) die Beklagte.
Diese übe hierüber die tatsächliche Sachherrschaft aus und sei damit alleinige
"Herrin der Gefahr". Durch das austretende Wasser sei auch das Eigentum der
Anschlussnehmerin beschädigt worden und ihr ein Vermögensschaden ent-
standen.
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Hiergegen könne sich die Beklagte nicht auf eine unzulässige Rechts-
ausübung wegen eines eigenen Kostenerstattungsanspruchs gegen die Versi-
cherungsnehmerin der Klägerin berufen. Eine solche Rückgriffsforderung sei
vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen und durch die ordentlichen Ge-
richte nicht verbindlich zu klären. Die Prüfung eines Rechtsmissbrauchs sei da-
her kompetenzwahrend auf die Erfolgsaussichten einer auf die Wasserversor-
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gungssatzung gestützten Rückforderungsklage zu beschränken. Diese Prüfung
führe zu einem für die Beklagte negativen Ergebnis. So habe das Verwaltungs-
gericht Karlsruhe mit Urteil vom 10. Dezember 2003 (10 K 308/02) entschieden,
dass die Gemeinde nach Zahlung an die Versicherung, gestützt auf die auch
hier streitgegenständliche Wasserversorgungssatzung, nicht beim Anschluss-
nehmer Rückgriff nehmen könne. Andernfalls würde nämlich die bundesrechtli-
che Haftungsregelung des § 2 Abs. 1 HPflG sowie die in § 7 HPflG normierte
Beschränkung eines Haftungsausschlusses unterlaufen. Die Kammer teile die-
se Rechtsauffassung. Die gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil eingelegte
Berufung sei ohne Erfolg geblieben (VGH Mannheim, Urteil vom 22. Februar
2006 - 2 S 566/04).
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Um-
fang stand.
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1.
Im Ausgangspunkt zu Recht nimmt das Landgericht an, dass nach dem
Tatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG die Beklagte der Versicherungsnehme-
rin der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist. Nach den tatrichterlichen
Feststellungen hat das infolge des Wasserrohrbruchs austretende Wasser das
Grundstückseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft beschädigt. Dem
Berufungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, dass im Bereich der Schadens-
stelle die beklagte Stadt und nicht die Versicherungsnehmerin Inhaberin der
Hausanschlussleitung war.
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a) Inhaber der Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG ist, wer die
tatsächliche Herrschaft über ihren Betrieb ausübt und die hierfür erforderlichen
Weisungen erteilen kann (Senatsurteil vom 14. Juli 1988 - III ZR 225/87 - NJW
1989, 104; Filthaut, HPflG, 7. Aufl., § 2 Rn. 45 m.w.N.). Bei Anschlussleitungen
zu den Abnehmern einer Versorgungsanlage, wie hier, hängt es wesentlich von
den Regelungen in den Satzungen oder den Versorgungsbedingungen der Un-
ternehmen ab, wo die Übergabestelle liegt, somit die haftungsrechtliche Ver-
antwortlichkeit des Versorgungsunternehmens endet und die des Anschluss-
nehmers beginnt (Filthaut, aaO, § 2 Rn. 48).
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b) Für den Streitfall weist das Berufungsgericht zutreffend in Anwendung
der Wasserversorgungssatzung der Beklagten und der bundesrechtlichen Vor-
schriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit
Wasser die Verfügungsgewalt über den Hausanschluss der Beklagten zu. Das
kann der Senat trotz § 545 Abs. 1 ZPO nicht nur, soweit das Berufungsgericht
die gemeindlichen Satzungsregelungen an Bundesrecht gemessen hat, son-
dern in vollem Umfang nachprüfen. Die Satzung der Beklagten gilt zwar nicht
über den Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart hinaus. Sie beruht aber un-
streitig auf einer Mustersatzung des Gemeindetags Baden-Württemberg für das
gesamte Bundesland und wird, wie das Berufungsgericht in anderem Zusam-
menhang feststellt, inhaltsgleich auch im Bezirk des Oberlandesgerichts Karls-
ruhe verwendet. In solchen Fällen bewusster und gewollter Übereinstimmung
sind nach gefestigter Rechtsprechung auch Vorschriften mit Rang unter dem
Bundesrecht revisibel (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1988 - IX ZR 75/87 -
WM 1988, 1211, 1212 f.; Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 64/06 - Um-
druck S. 5 Rn. 9, z.V.b.; für Musterberufsordnungen BGH, Urteil vom 13. Juni
1996 - I ZR 102/94 - NJW 1997, 799, 800 m.w.N.; Senatsurteil vom 20. März
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2003 - III ZR 135/02 - NJW-RR 2003, 1175; s. auch BGHZ 161, 145, 147 und
BGH, Urteil vom 14. Juli 1997 - II ZR 168/96 - VersR 1997, 1540).
c) In der Sache ist allerdings davon auszugehen, dass die Satzung der
Beklagten den Übergabepunkt auf die Grenze zum Grundstück des Anschluss-
nehmers legen und hierdurch die Verantwortlichkeit für den Bereich danach
dem Anschlussnehmer übertragen will. Nur diejenigen Teile des Hausanschlus-
ses, die in öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verlaufen, sind nach § 14
Abs. 2 Satz 1 WVS Teil der öffentlichen Wasserversorgungsanlage. Im Übrigen
sind sie Satz 2 der Bestimmung zufolge Teil der Anlage des Anschluss-
nehmers, für dessen ordnungsgemäße Unterhaltung dieser gemäß § 17 Abs. 1
WVS verantwortlich sein soll. Die in den §§ 12, 17 Abs. 2 und 19 WVS be-
stimmten einzelnen Zutritts- und Kontrollrechte des Städtischen Wasserwerks,
auf die das Berufungsgericht verweist, treten gegenüber dieser ausdrücklichen
Regelung zurück und gewährleisten insbesondere nicht ohne weiteres eine tat-
sächliche Sachherrschaft des Städtischen Wasserwerks ohne oder möglicher-
weise gegen den Willen des besitzenden Grundstückseigentümers.
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d) Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an. Denn bei einem sol-
chen Verständnis würde die Satzung der Beklagten, wie das Berufungsgericht
richtig erkennt, gegen die vorrangige bundesrechtliche Verordnung über Allge-
meine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser verstoßen. Nach deren § 10
Abs. 3 gehören Hausanschlüsse zu den Betriebsanlagen des Wasserversor-
gungsunternehmens und stehen vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen in
dessen Eigentum. Sie werden ausschließlich von diesem hergestellt, unterhal-
ten, erneuert, geändert, abgetrennt und beseitigt. Der Anschlussnehmer selbst
darf dem entgegen keine Einwirkungen auf den Hausanschluss vornehmen o-
der vornehmen lassen. Das gilt § 35 AVBWasserV zufolge auch dann, wenn
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das Versorgungsverhältnis - wie hier - öffentlich-rechtlich geregelt ist, und lässt
insgesamt nur den Schluss zu, dass das Versorgungsunternehmen haftungs-
rechtlich im Ganzen auch als Inhaber der Hausanschlüsse anzusehen ist (e-
benso OLG Naumburg, Urteil vom 17. November 1998 - 9 U 135/98 - juris Rn.
23; Filthaut, aaO, § 2 Rn. 48 m.w.N.; wohl auch OLG Zweibrücken, Recht und
Steuern im Gas- und Wasserfach 1988, 29).
e) Zu dem nach § 2 Abs. 1 HPflG ersatzfähigen Schaden gehören die
notwendigen und vorliegend allein geltend gemachten Aufwendungen des Ge-
schädigten zur Beseitigung der Schadensursache, hier der Kosten der von Sei-
ten der Grundstückseigentümer in Auftrag gegebenen Arbeiten zum Aushub
und zur Wiederverfüllung des Grabens. Angesichts dieser Rechtslage kann of-
fen bleiben, inwieweit sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch au-
ßerdem auf das zwischen dem Grundstückseigentümer und der Gemeinde
in Bezug auf die Wasserversorgungsanlage bestehende öffentlich-rechtliche
Schuldverhältnis stützen ließe (s. dazu etwa BGHZ 17, 191, 192 f., 195; 59,
303, 305 f.).
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2.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hat die Beklagte jedoch für
den Fall, dass sie hiernach der Anschlussnehmerin die aufgewandten Kosten
für die Reparatur der Anschlussleitung ersetzt, ihrerseits gegen diese einen (öf-
fentlich-rechtlichen) Erstattungsanspruch auf der Grundlage ihrer Wasserver-
sorgungssatzung. Diesen Gegenanspruch, der im Rahmen des Arglisteinwands
auch vom Zivilgericht uneingeschränkt zu prüfen ist, kann sie nach den §§ 404,
412 BGB auch der Klägerin entgegenhalten. Er führt dazu, dass die der Klage
zugrunde liegende Schadensersatzforderung gemäß § 242 BGB aus dem Ge-
sichtspunkt einer unzulässigen Rechtsausübung (dolo agit, qui petit, quod sta-
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tim redditurus est; vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 242 Rn. 52
m.w.N.) nicht durchsetzbar ist.
a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 WVS hat der Anschlussnehmer dem Städti-
schen Wasserwerk unter anderem die Kosten für die Unterhaltung der notwen-
digen Hausanschlüsse zu erstatten. Dies gilt lediglich nicht für den Teil des
Hausanschlusses (Grundstücksanschluss), der in öffentlichen Verkehrs- und
Grünflächen verläuft (§ 14 Abs. 2), bezieht sich daher gerade auf den hier in
Rede stehenden Leitungsabschnitt zwischen der Grundstücksgrenze und der
Hauptabsperrvorrichtung. Zu solchen Unterhaltungsaufwendungen gehören
auch die zur Erhaltung der Rohrleitung in gebrauchsfähigem Zustand und zur
Beseitigung von Schäden erforderlichen Kosten (vgl. VGH Kassel NVwZ 1988,
754; KStZ 1998, 179; OVG Münster NWVBL 1993, 419, 420; Dietzel in
Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 1999, § 10 KAG NW Rn. 23;
Gössl/Reif, KAG für Baden-Württemberg, Stand Oktober 2006, §
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Anm. 3.2.4). Von einem solchen Sachverhalt ist hier auszugehen. Dafür, dass
die Beklagte den Wasserrohrbruch auf dem Grundstück der Anschlussnehmerin
verschuldet hätte und deswegen keine bloße Unterhaltungsmaßnahme vorläge,
besteht nach dem Parteivorbringen kein Anhalt.
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b) Eine dahingehende gemeindliche Satzungsregelung widerspricht zwar
gleichfalls den bundesrechtlichen Vorgaben in § 10 AVBWasserV. Nach dessen
Absatz 4 Satz 1 ist das Wasserversorgungsunternehmen ausschließlich be-
rechtigt, vom Anschlussnehmer die Erstattung der bei wirtschaftlicher Betriebs-
führung notwendigen Kosten für die Erstellung sowie für von ihm veranlasste
Veränderungen des Hausanschlusses zu verlangen. Die Vorschrift schließt da-
mit für sich gesehen eine Kostenerstattung für reine Unterhaltungsmaßnahmen
an der Anschlussleitung aus.
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§ 15 Abs. 1 WVS ist aber deswegen nicht unwirksam. Denn § 35 AVB-
WasserV nimmt, wie schon das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat
(BVerwGE 82, 350, 354 ff.), Satzungsbestimmungen dieses Inhalts von der dort
geregelten Anpassungspflicht aus. Nach § 35 Abs. 1 Halbs. 1 AVBWasserV
sind Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich
regeln, den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu gestalten und
bis zum 1. Januar 1982 anzupassen (Absatz 2). Das gilt gemäß § 35 Abs. 1
Halbs. 2 AVBWasserV aber nicht für "gemeinderechtliche Vorschriften zur Re-
gelung des Abgabenrechts". Hierunter fallen nach der Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts, die der erkennende Senat teilt, auch die Kostener-
stattungsansprüche des gemeindlichen Wasserversorgungsrechts (BVerwG
aaO). Die gesetzlich zugelassene Ausnahme erfasst entgegen der Revisions-
erwiderung auch erst nachträglich in Kraft getretene gemeinderechtliche Nor-
men wie die hier maßgebende Satzung der Beklagten aus dem Jahre 1997 so-
wie § 10a des ihr zugrunde liegenden Kommunalabgabengesetzes des Landes
Baden-Württemberg in der Fassung vom 28. Mai 1996 (GBl. S. 481; jetzt § 42
KAG vom 17. März 2005, GBl. S. 206). An einer entsprechenden Ermächtigung
des Bundesministers für Wirtschaft durch den früheren § 27 AGBG ist nicht zu
zweifeln (vgl. BVerfG NVwZ 1982, 306).
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c) Der Anwendbarkeit des § 15 Abs. 1 WVS auf das Streitverhältnis ste-
hen schließlich, anders als das Berufungsgericht meint, die Regelungen des § 2
Abs. 1 und des § 7 HPflG als Normen des Bundesrechts nicht entgegen. Bun-
desrecht bricht zwar nach Art. 31 GG Landesrecht einschließlich des zum Lan-
desrecht zählenden Rechts der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften.
Das setzt aber voraus, dass diese Normen zumindest teilweise miteinander kol-
lidieren: Beide Vorschriften müssen, die Kollisionsnorm hinweggedacht, auf
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Sachverhalt anwendbar sein und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen
Ergebnissen, nämlich zu unterschiedlichen Rechtsfolgen, führen (BVerfGE 36,
342, 363; 98, 145, 159; März in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 31
Rn. 40 m.w.N.). Eine solche Kollision besteht hier, anders als im Verhältnis zu
der oben erörterten Verordnung über Allgemeine Versorgungsbedingungen,
nicht. Die unterschiedlichen Bestimmungen betreffen nicht denselben Lebens-
sachverhalt. § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG regelt (unter anderem) Schadensersatz-
pflichten des Anlageninhabers durch die Wirkungen von seiner Anlage ausge-
hender Flüssigkeiten. Mit einem solchen Vorgang befasst sich § 15 Abs. 1 der
Wasserversorgungssatzung aber nicht. Die Vorschrift enthält auch keinen nach
§ 7 HPflG unzulässigen Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung.
Sie knüpft vielmehr an von dem Städtischen Wasserwerk getragene Kosten für
die Herstellung oder Unterhaltung der Hausanschlüsse an und begründet dafür
einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Richtig ist allein, dass es bei
wörtlicher Anwendung beider Regelungen auf den Streitfall zu ei-
nem Wertungswiderspruch kommt, weil sie Reparaturkosten an der Anschluss-
leitung letztlich unterschiedlichen Schuldnern zuweisen - einerseits der Beklag-
ten als Inhaberin der Rohrleitung und andererseits dem Grundstückseigentümer
als Anschlussnehmer - und so einen Kreislauf von Regressen zu begründen
scheinen. Ein normativer Gegensatz dieser Art ist aber nicht schlicht nach Art.
31 GG durch einen Vorrang des Bundesrechts, sondern, wenn sonstige Kon-
fliktregeln wie die Kompetenzvorschriften der Art. 70 ff., 28 Abs. 2 GG nicht
greifen, auf der Grundlage der allgemeinen Auslegungsregeln, insbesondere
dem Sinn und Zweck der konkurrierenden Bestimmungen, aufzulösen (vgl.
auch März in v. Mangoldt/Klein/Starck, aaO, Art. 31 Rn. 42).
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Für die vorliegende Fallgestaltung führt dies zu einer endgültigen Belas-
tung der Grundstückseigentümerin und Rechtsvorgängerin der Klägerin mit den
Reparaturaufwendungen. Die Herstellungs- und Unterhaltungskosten für die
Hausanschlüsse beruhen, jedenfalls soweit es um den hier interessierenden
Leitungsabschnitt innerhalb des angeschlossenen Privatgrundstücks geht,
grundsätzlich auf einem Sonderinteresse des Anschlussnehmers (vgl. hierzu
OVG Münster NVwZ-RR 1996, 599, 600; Dietzel in Driehaus, aaO, § 10 Rn. 30,
32, 37). Die Regelung des § 10 Abs. 3 AVBWasserV soll lediglich die techni-
sche Verantwortlichkeit des Wasserversorgungsunternehmens sicherstellen
(VGH Mannheim NVwZ-RR 1998, 675, 676). Die Gemeinde hat deswegen ein
berechtigtes Interesse daran, mit diesen Kosten nicht über das allgemeine Bei-
trags- und Gebührenaufkommen die Gesamtheit aller Abnehmer, sondern
allein die Eigentümer der begünstigten Grundstücke zu belasten. Das gilt auch
dann, wenn Anlass für die ausgeführten Reparaturarbeiten erst ein Rohrbruch
mit der Haftungsfolge des § 2 Abs. 1 HPflG war, sofern dieses Schadensereig-
nis ohne Verschulden der Gemeinde eingetreten ist und der dem Anschluss-
nehmer dadurch entstandene Schaden - wie hier - nicht über die notwendigen
Wiederherstellungsmaßnahmen hinausgeht. Insoweit überlagert das öffentlich-
rechtliche Schuldverhältnis zwischen dem Anschlussnehmer und der Gemeinde
und die durch deren Wasserversorgungssatzung vorgenommene Aufgaben-
und Verantwortungsabgrenzung die mit den Regeln des Haftpflichtgesetzes
erfolgte allgemeine zivilrechtliche Pflichtenzuweisung. Einer abweichenden
Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim und des Verwaltungsge-
richts Karlsruhe in den vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen wä-
re nicht zu folgen.
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3.
Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat gemäß
§ 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und das klageabweisende
Urteil des Amtsgerichts wiederherstellen.
21
Schlick
Streck
Wurm
Kapsa
Dörr
Vorinstanzen:
AG Leonberg, Entscheidung vom 20.10.2005 - 8 C 444/05 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 24.05.2006 - 5 S 320/05 -