Urteil des BGH vom 17.06.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 220/04
Verkündet am:
17. Juni 2005
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 138 Abs. 1 D
Ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das den
Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten rechtfertigt, kann nicht allein
deshalb verneint werden, weil mehrere Hundert Erwerber im Rahmen eines Steuer-
sparmodells denselben oder einen annähernd gleichen Preis für ihre Immobilie bezahlt
haben.
BGH, Urt. v. 17. Juni 2005 - V ZR 220/04 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 2004 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Kläger zur Zahlung von
Erbbauzinsen. Am 28. Oktober 1993/8. November 1993 schlossen die Kläger
mit der Revisions- und Treuhand GmbH G. , M. & Partner (nachfol-
gend GMP genannt) im Rahmen eines Steuersparmodells einen Treuhandver-
trag. Darin beauftragten sie die GMP mit dem Erwerb eines anteiligen Erbbau-
rechts an einem Grundstück in D. und des Sondereigentums an einer
noch zu errichtenden Wohnung von der C. GmbH (Rechtsvorgängerin der
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Beklagten, im folgenden: C. ). Zugleich erteilten die Kläger der GMP die
unwiderrufliche Vollmacht zur Vornahme aller nach Ansicht der GMP für den
Erwerb erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen, auch zu der Un-
terwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes
Vermögen. Die GMP besaß keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz.
Die C. bestellte sich am 22. Dezember 1993 ein Eigentümererbbau-
recht an dem Grundstück, legte den Erbbauzins auf 1.007.273,40 DM jährlich
fest und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes
Vermögen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3. März 1994 übertrug sie
den von der GMP vertretenen Klägern Anteile an dem Erbbaurecht; der von
ihnen für die Zeit bis zur Fertigstellung der Wohnung zu zahlende Erbbauzins
war in der an den Bauträger zu zahlenden Vergütung enthalten. In der Urkunde
ist vermerkt, daß die der GMP erteilte Vollmacht in Ausfertigung ohne Wider-
rufsvermerk vorlag.
Die Kläger, wiederum vertreten durch die GMP, und andere Erbbaube-
rechtigte vereinbarten mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15. November
1994 die Bildung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten. In derselben Urkun-
de unterwarfen sie sich hinsichtlich des ab der Fertigstellung zu zahlenden
Erbbauzinses von 3.354,75 DM pro Jahr gegenüber dem Eigentümer der sofor-
tigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Der Erbbauzins ist
durch eine in dem Wohnungserbbaugrundbuch eingetragene Reallast für den
jeweiligen Eigentümer des Erbbaugrundstücks gesichert.
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Später veräußerte die C. das Grundstück an die Beklagte. Nach der
Fertigstellung von zwei Wohnanlagen mit insgesamt 232 Wohneinheiten ver-
mieteten die Kläger ihre Wohnung und machten die Erwerbskosten und sonsti-
ge Aufwendungen steuerlich geltend. Seit dem Jahr 2001 zahlen sie keinen
Erbbauzins mehr, weil er nach ihrer Meinung sittenwidrig überhöht ist. Die Be-
klagte betreibt die Zwangsvollstreckung wegen des rückständigen Erbbauzin-
ses aus dem Aufteilungsvertrag vom 15. November 1994.
Die Kläger halten den Vertrag und die Zwangsvollstreckungsunterwer-
fungserklärung für nichtig. Mit ihrer Klage erstreben sie, die Zwangsvollstre-
ckung für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Herausgabe der ihr er-
teilten vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde vom 15. November 1994 zu
verurteilen. Die Beklagte hat Hilfswiderklagen erhoben, mit denen sie die Ver-
urteilung der Kläger zur Zahlung des rückständigen Erbbauzinses, die Rück-
abwicklung des Erbbaurechtsübertragungsvertrages und die Herausgabe der
von den Klägern vereinnahmten Mieten erreichen will. Das Landgericht hat die
Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der von
dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Be-
klagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, es bestünden keine materiell-rechtlichen
Einwendungen der Kläger gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung des Erbbau-
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zinses in der vereinbarten Höhe, denn der Vertrag vom 15. November 1994 sei
wirksam. Zwar sei der zwischen den Klägern und der GMP abgeschlossene
Treuhandvertrag einschließlich der darin erteilten Vollmacht wegen Verstoßes
gegen das gesetzliche Verbot der unerlaubten Rechtsbesorgung nichtig. Aber
die Beklagte könne sich auf den Rechtsschein einer wirksamen Bevollmächti-
gung der GMP bei dem Abschluß des Aufteilungsvertrags am 15. November
1994 unabhängig davon berufen, ob eine Ausfertigung der von den Klägern der
GMP erteilten Vollmacht vorgelegen habe oder nicht; denn diese Ausfertigung
sei bereits bei dem Abschluß des Übertragungsvertrags am 3. März 1994 vor-
gelegt worden, so daß die C. auf den dadurch erzeugten Rechtsschein
auch noch am 15. November 1994 habe vertrauen dürfen. Die Nichtigkeit der
Vollmacht und damit den Mangel der Vertretungsmacht habe sie weder ge-
kannt noch kennen müssen. Der Vertrag vom 15. November 1994 sei auch
nicht im Hinblick auf eine enge Zusammenarbeit zwischen der GMP und der
C. wegen Verstoßes gegen das Verbot der unerlaubten Rechtsbesorgung
nichtig, denn er habe lediglich dazu gedient, den Klägern ein Wohnungserb-
baurecht zu verschaffen. Schließlich sei der Vertrag auch nicht wegen einer
sittenwidrigen Überhöhung des von den Klägern geschuldeten Erbbauzinses
nichtig. Es fehle an einem groben Mißverhältnis zwischen der Höhe des Erb-
bauzinses und dem Wert des Erbbaurechts. Nach der hier anzuwendenden
Vergleichswertmethode sei der von den Klägern zu zahlende Erbbauzins mit
den von den übrigen 231 Wohnungs- und Teilerbbauberechtigten zu zahlen-
den Erbbauzinsen zu vergleichen. Dabei komme man kaum auch nur in die
Nähe eines groben oder auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und
Gegenleistung.
II.
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Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Fehlerfrei - und von der Revision als für die Kläger günstig nicht ge-
rügt - ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der zwi-
schen den Klägern und der GMP abgeschlossene Treuhandvertrag und die
darin erteilten Vollmachten nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das
Rechtsberatungsgesetz nichtig sind. Das entspricht der neueren ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der rechtlichen Abwicklung eines
Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträger- oder Bauherrenmodells
durch einen Geschäftsbesorger, der - wie hier die GMP - keine Erlaubnis nach
Art. 1 § 1 RBerG besitzt (siehe nur BGH, Urt. v. 23. März 2004, XI ZR 194/02,
WM 2004, 1221, 1223 mit umfangreichen Nachweisen). Nichts anderes gilt für
den hier vorliegenden Fall, daß im Rahmen eines Steuersparmodells (Senat,
Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2352) ein Erbbaurecht
nebst dem Sondereigentum an einer noch zu errichtenden Wohnung erworben
werden soll. Die GMP durfte alle für den Erwerb erforderlichen Rechtshandlun-
gen vornehmen; ihre Tätigkeit war somit auf eine unerlaubte Rechtsbesorgung
gerichtet.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß die GMP
gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB gegenüber der C. bei dem
Abschluß des Vertrags am 15. November 1994 vertretungsbefugt war.
a) Die §§ 171, 172 BGB sind auch dann anwendbar, wenn die umfas-
sende Bevollmächtigung des Geschäftsbesorgers - wie hier - unmittelbar ge-
gen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und deshalb nach § 134 BGB nichtig ist (BGH,
Urt. v. 23. März 2004, XI ZR 194/02, aaO.; Senat, Urt. v. 8. Oktober 2004,
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V ZR 18/04, aaO; Urt. v. 17. Juni 2005, V ZR 78/04, Umdruck S. 5 ff.). Die Be-
klagte ist auch nicht gehindert, sich auf den Rechtsschein nach §§ 171 Abs. 2,
172 Abs. 2 BGB zu berufen, weil - wie die Kläger in anderem Zusammenhang
behaupten - die C. an der verbotenen Tätigkeit der GMP mitgewirkt habe.
Nach § 173 BGB wird der gute Glaube des Vertragspartners an den gemäß
§§ 171, 172 BGB gesetzten Rechtsschein nur dann nicht geschützt, wenn er
den Mangel der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts
kennt oder kennen muß. Daran fehlt es nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts.
b) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht fest-
gestellt, daß die Parteien des Vertrags vom 15. November 1994 auf die bereits
bei dem Vertragsschluß am 3. März 1994 in Ausfertigung vorgelegte Vollmacht
vom 28. Oktober 1993 Bezug genommen hätten, so daß die C. sich nicht
auf den Rechtsschein dieser Vollmacht habe verlassen können. Das
übersieht den Hinweis im Eingang der Urkunde vom 15. November 1994 - auf
die das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellun-
gen in dem erstinstanzlichen Urteil verwiesen hat -, daß die GMP für die Kläger
aufgrund der Vollmacht vom 28. Oktober 1993 gehandelt hat. Das Erfordernis
der Bezugnahme auf die dem Geschäftsgegner bereits früher einmal in Ausfer-
tigung vorgelegte Vollmacht bei dem Abschluß eines weiteren Vertretungsge-
schäfts (Bamberger/Roth/Habermeier, BGB, § 172 Rdn. 8; Erman/Palm, BGB
11. Aufl., § 172 Rdn. 7; MünchKomm-BGB/Schramm, 4. Aufl., § 172 Rdn. 8;
Staudinger/Schilken [2004], § 172 Rdn. 5) ist somit erfüllt.
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3. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Ver-
trags vom 15. November 1994 nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das
Rechtsberatungsgesetz verneint.
a) Ein Verstoß des Rechtsbesorgers gegen Art. 1 § 1 RBerG führt
grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der von ihm als Vertreter des Auftraggebers
abgeschlossenen Verträge (BGH, Urt. v. 16. März 2004, XI ZR 60/03, WM
2004, 1127, 1129). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn die andere
Vertragspartei in einer Weise mit dem Rechtsbesorger zusammenarbeitet, daß
ihre Tätigkeit als Beteiligung an der unerlaubten Rechtsbesorgung angesehen
werden muß (BGH, Urt. v. 3. Juni 2003, XI ZR 289/02, WM 2003, 1710, 1711;
Urt. v. 23. März 2004, XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1224). Das ist hier je-
doch - auch wenn man den Vortrag der Kläger zu der Einbindung der C. in
die Konzeption des Steuersparmodells als richtig unterstellt - nicht der Fall.
aa) Der Bundesgerichtshof hat in den sog. "Unfallhilfefällen" Darlehens-
verträge von Banken mit Unfallopfern für nichtig gehalten, bei denen die Darle-
hen gegen Abtretung aller Ersatzansprüche aus den Unfällen zur Finanzierung
unfallbedingter Aufwendungen gewährt wurden und die Banken in organisier-
tem Zusammenwirken mit anderen Beteiligten (Mietwagenunternehmen,
Rechtsanwälte) ein Verfahren betrieben, welches auf die vollständige Entlas-
tung der Geschädigten von der gesamten Schadensabwicklung hinauslief. Da-
bei hat er entscheidend auf das Verhalten der Bank und auf das von ihr abge-
schlossene Kreditgeschäft abgestellt (BGHZ 61, 317, 321 ff; Urt. v. 9. Oktober
1975, III ZR 31/73, WM 1976, 100, 102 f.; Urt. v. 29. Juni 1978, III ZR 174/76,
WM 1978, 1062, 1063 f.). Auch in anderen Fällen, in denen die Rechtspre-
chung einen Vertrag wegen Beteiligung an einer unerlaubten Rechtsbesorgung
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als nichtig angesehen hat (BGHZ 98, 330, 332 ff.; Urt. v. 24. Juni 1987,
I ZR 74/85, WM 1987, 1263, 1264), kam es darauf an, daß in dem jeweils ver-
traglich geschuldeten Verhalten die Beteiligung an der Rechtsbesorgung lag.
bb) Im Zusammenhang mit der rechtlichen Abwicklung eines Grund-
stückserwerbs im Rahmen eines Bauträger- oder Bauherrenmodells hat der
Bundesgerichtshof dagegen - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinge-
wiesen hat - entschieden, daß die von dem Rechtsbesorger in Vertretung des
Auftraggebers mit Banken abgeschlossenen Darlehensverträge nicht der ver-
botenen Rechtsbesorgung dienten, sondern allein dem zulässigen Zweck des
Erwerbs einer Eigentumswohnung (BGH, Urt. v. 3. Juni 2003, XI ZR 289/02,
WM 2003, 1710, 1713; Urt. v. 16. März 2004, XI ZR 60/03, WM 2004, 1127,
1129). Eine organisatorische Zusammenarbeit zwischen dem Rechtsbesorger
und den Banken sowie deren Einbeziehung in das Bauobjekt ändern daran
nichts, sondern haben allenfalls zur Folge, daß die Banken in anderer Weise
als durch den Abschluß des Darlehensvertrags an der verbotenen Rechtsbe-
sorgung mitgewirkt oder zu ihr beigetragen haben (BGH, Urt. v. 16. März 2004,
XI ZR 60/03, aaO.; Urt. v. 23. März 2004, XI ZR 192/02, WM 2004, 1221,
1224).
cc) Ebenso hat der Senat den Abschluß eines Immobilienkaufvertrags im
Rahmen eines Steuersparmodells, der sich auf den kaufvertragstypischen Lei-
stungsaustausch beschränkt, nicht als Teilnahme an der unerlaubten Rechts-
besorgung des in diesem Modell tätigen Treuhänders angesehen (Urt. v.
8. Oktober 2004, V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2553).
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dd) Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich der Abschluß des Ver-
trags am 15. November 1994 nicht als Beteiligung der C. an der unerlaub-
ten Rechtsbesorgung der GMP dar. Der Vertrag diente nicht der Verwirklichung
des verbotenen Gesamtzwecks des Treuhandvertrags. Der bestand entgegen
der Auffassung der Revision nicht in dem Erwerb eines Wohnungserbbau-
rechts, sondern darin, die Kläger von allen mit diesem Erwerb und der Herstel-
lung der Eigentumswohnung zusammenhängenden Handlungen einschließlich
des Abschlusses der dafür erforderlichen Verträge zu befreien. Der Vertrag
vom 15. November 1994 war jedoch allein auf den Erwerb der Eigentumswoh-
nung gerichtet. Dieser Vertragszweck war zulässig.
b) Daran ändert die von den Klägern behauptete Einbindung der
C.
in die Konzeption des Steuersparmodells nichts. Die etwa daraus folgende Mit-
wirkung an der verbotenen Rechtsbesorgung durch die GMP vollzog sich auf
andere Art und Weise als dem Vertragsschluß am 15. November 1994. Aus
diesem Grund kommt es auf die von der Revision angenommene sekundäre
Darlegungslast der C. GmbH zu der Offenlegung der Innenverhältnisse
zwischen den an dem Steuersparmodell beteiligten Unternehmen nicht an.
4. Schließlich ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu
beanstanden, daß es den Klägern nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ver-
wehrt sei, sich gegenüber der Beklagten auf die Unwirksamkeit der Zwangs-
vollstreckungsunterwerfungserklärung zu berufen, weil die Kläger sich zu der
Abgabe der Unterwerfungserklärung verpflichtet hätten (vgl. BGH, Urt. v.
15. März 2005, XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830).
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5. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch die Nichtigkeit des Ver-
trags vom 15. November 1994 nach § 138 Abs. 1 BGB verneint. Die bisherigen
Feststellungen tragen diese Auffassung nicht.
a) Gegenseitige Verträge können nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig
sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Miß-
verhältnis besteht und außerdem ein weiterer Umstand hinzu kommt, der den
Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als
sittenwidrig erscheinen läßt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerf-
liche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere des Senats, kann ein
besonders grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, von
dem bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der Wert
der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, den
Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung rechtfertigen (siehe nur Senat, BGHZ
146, 298, 302 mit umfangreichen Nachweisen).
b) Dies hat das Berufungsgericht zwar nicht verkannt; es hat aber ein
grobes oder auffälliges Mißverhältnis zwischen dem von den Klägern zu zah-
lenden Erbbauzins und dem Wert der dafür erlangten Gegenleistung fehlerhaft
verneint. Indem es lediglich die anderen 231 Wohnungserbbaurechte als Ver-
gleichsobjekte herangezogen und darauf abgestellt hat, daß für sie ein ver-
gleichbarer oder sogar gleich hoher Erbbauzins vereinbart worden war, hat es
das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Wahrheit nicht
ermittelt. Denn diese Betrachtungsweise berücksichtigt nur den Wert der Leis-
tung der Kläger, nicht aber den Wert der Gegenleistung der Beklagten. Sie be-
steht in der anteiligen Belastung des Grundstücks zugunsten der Kläger mit
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dem Recht, darauf ein Bauwerk zu haben. Der objektive Wert dieser Nut-
zungsüberlassung bestimmt sich nach der marktüblichen Verzinsung des dem
Anteil der Kläger an dem gesamten Erbbaurecht entsprechenden Grund-
stückswerts am 15. November 1994. Die Frage der Marktüblichkeit darf hier
nicht ausschließlich danach beantwortet werden, welche Verzinsung bei der
Bestellung der anderen 231 Erbbaurechte vereinbart wurde. Denn da sämtliche
Rechte von einem einzigen Ausgeber zu dem von ihm einheitlich festgelegten
Erbbauzins angeboten wurden, fehlte es seinerzeit mangels anderer Angebote
an einem für die Preisbildung aussagekräftigen Markt. Diese Situation war in-
soweit vergleichbar mit der, daß Gemeinden Grundstücke in neu ausgewiese-
nen Gewerbegebieten zu einem weit geringeren Preis als sonst üblich verkau-
fen, um die Ansiedlung von Betrieben wegen der damit einhergehenden Vortei-
le für die Allgemeinheit zu fördern. Die unter solchen Umständen zustande ge-
kommenen Kaufpreise sind für einen Vergleich zum Zweck der Bodenwerter-
mittlung
nicht
geeignet
(Simon/
Cors/Halaczinsky/Teß, Handbuch der Grundstückswertermittlung, 5. Aufl., B 2
Rdn. 3). Die Vorgehensweise des Berufungsgerichts hat - worauf die Revision
zutreffend hinweist - zur Folge, daß bei der den örtlichen Markt prägenden Be-
stellung einer großen Zahl von Erbbaurechten die Möglichkeit einer Nichtigkeit
der Geschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB wegen wucherähnlicher Sittenwidrigkeit
aufgrund eines groben Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung
von vornherein ausscheidet, die Bestellung eines einzelnen Erbbaurechts zu
denselben Bedingungen aber dieser Nichtigkeitsfolge unterliegen kann. Ein
solches unterschiedliches Ergebnis ist nicht gerechtfertigt. Deshalb durfte das
Berufungsgericht den beweisbewehrten Vortrag der Kläger, der von ihnen zu
zahlende Erbbauzins sei um nahezu 250 % überhöht, nicht als unschlüssig
ansehen, sondern mußte ihm nachgehen. Das wird es nachzuholen haben und
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dabei für die Wertermittlung auch auf die Bestellung von Erbbaurechten au-
ßerhalb von D. zurückgreifen müssen, damit es seiner Beurteilung
eine ausreichende Zahl von geeigneten Vergleichsgeschäften zugrunde legen
kann. Die so ermittelte marktübliche Verzinsung des Grundstückswerts - die,
wie allgemein bekannt ist, bei der Neubestellung eines Erbbaurechts für den
Geschoßwohnungsbau durchschnittlich zwischen 4 % und 5 % beträgt (Kleiber/
Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl., VII
Rdn. 72) - ist für die Beurteilung des Wertverhältnisses zwischen Leistung und
Gegenleistung mit dem mit den Klägern vereinbarten Erbbauzins zu verglei-
chen. Dabei muß das Berufungsgericht auch berücksichtigen, daß dem Erwer-
ber bei einem Steuersparmodell der Erwerb der Immobilie und die sonstigen
Leistungen nicht gesondert, sondern als einheitliches Gesamtpaket angeboten
werden; deshalb kann auch nur ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen
dem Gesamtaufwand und dem Wert des gesamten "Leistungspakets" (unter
Berücksichtigung der erzielbaren Steuervorteile) für die Frage der Sittenwidrig-
keit des gesamten Vertragswerks bedeutsam sein (Senat, Urt. v. 8. Oktober
2004, V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2351).
c) Die Überlegung des Berufungsgerichts, daß die C. die verlangten
Preise nur deshalb erzielen konnte, weil eine entsprechende Nachfrage be-
stand, also viele Anleger zur Zahlung des hohen Erbbauzinses freiwillig bereit
waren, spielt für die Feststellung eines groben Mißverhältnisses zwischen Lei-
stung und Gegenleistung keine Rolle. Spezielle Motive der Vertragsparteien
erlangen jedoch für die Prüfung der subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit Be-
deutung. Denn die mit dem zulässigen Schluß auf die verwerfliche Gesinnung
des Begünstigten begründete und von dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung
zu berücksichtigende tatsächliche Vermutung kann dann nicht zur Anwendung
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kommen, wenn sie im Einzelfall durch besondere, von dem Begünstigten dar-
zulegende und zu beweisende Umstände erschüttert ist (Senat, BGHZ 146,
298, 305). Zu solchen Umständen gehört auch der Fall, daß den Vertragspar-
teien das Wertverhältnis der beiderseitigen Leistungen völlig gleichgültig war,
weil der Erwerber zur (vermeintlichen) Steuerersparnis das Erbbaurecht auf
jeden Fall erwerben wollte. Hierzu wird das Berufungsgericht gegebenenfalls
die erforderlichen Feststellungen treffen müssen.
6. Falls das Berufungsgericht auch aufgrund der neuen Verhandlung
den Vertrag vom 15. November 1994 als wirksam ansieht, wird es der Beklag-
ten Gelegenheit geben müssen, zu ihrer Forderungsinhaberschaft vorzutragen.
Daß sich diese nur aus einer Abtretungsvereinbarung mit der C. und nicht
etwa aus der in dem Wohnungserbbaugrundbuch eingetragenen Reallast er-
geben kann, ist bisher übersehen worden.
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III.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-
weisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Wenzel Krüger Lem-
ke
Schmidt-Räntsch Czub