Urteil des BGH vom 26.09.2013

BGH: bande, beihilfe, mitarbeit, zusammenwirken, form, unterlassen, zugehörigkeit, überzeugung, postpaket, verfahrensrecht

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 256/13
vom
26. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 26. September 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Aachen vom 21. Januar 2013 mit den Feststellungen auf-
gehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-
mer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßi-
gen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fäl-
len zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des
Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg, so dass es auf die
Rügen der Verletzung von Verfahrensrecht nicht ankommt.
Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die ehemaligen
Mitangeklagten M. und Mc spätestens seit Mai 2010 Teil einer grö-
ßeren Gruppierung, der zu jeder Zeit mindestens drei Personen angehörten und
die sich zusammen geschlossen hatte, um wiederholt größere Mengen Mari-
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huana in den Niederlanden zu beschaffen und an Abnehmer in ganz Deutsch-
land gewinnbringend zu verkaufen. M. fiel vor allem die Aufgabe zu, die
Betäubungsmittel zu besorgen. Mc war in der Gruppierung in die Entge-
gennahme des Kaufpreises eingebunden. Er nahm für R. Gelder ent-
gegen und leitete diese an ihn weiter. Andere Bandenmitglieder übernahmen
die Akquirierung von Abnehmern, nahmen Bestellungen entgegen und koordi-
nierten den Versand. Dabei bediente sich die Gruppierung verschiedener teil-
weise unbekannt gebliebener Kuriere, verpackte das Marihuana aber auch in
zahlreiche Pakete, die über einen Paketversandbetrieb an unterschiedliche
Empfänger verschickt wurden.
Der Angeklagte lernte im Mai oder Juni 2010 den ehemaligen Mitange-
klagten M. kennen, für den er im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit als
Betreiber eines "Assistenz-Service" genauso Hilfeleistungen erbrachte wie für
den ehemaligen Mitangeklagten B. , für den er Fahrdienste übernahm. Et-
wa im Mai 2011 kam er mit dem gesondert verfolgten Mc in Kontakt. Im
Rahmen dieser Bekanntschaften, die sich zunehmend zu einer Freundschaft
entwickelten, bekam der Angeklagte mit, dass M. und Mc in illegalen
Betäubungsmittelhandel verstrickt waren. Ab Mitte Juni 2011 übernahm der An-
geklagte auf Bitten des M. in sechs Fällen die Einlieferung von Paketen,
die jeweils zwischen drei und fünf Kilogramm an Cannabisprodukten enthielten;
er erhielt dafür in jedem Fall 100 Euro in bar ausgezahlt. Nachdem das letzte
von dem Angeklagten eingelieferte Paket sichergestellt worden war, ließ die
Gruppierung von dem Versenden per Postpaket ab und konzentrierte sich auf
Transporte per Kurier. In dieser Tatphase stellte sich der Angeklagte der Grup-
pierung nicht mehr zur Verfügung.
b) Das Landgericht hat in der Einlieferung der Pakete eine Beihilfe zum
bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gesehen. Es ist davon
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ausgegangen, dass der Angeklagte bei seinen Taten als Mitglied einer Bande,
die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden habe, gehandelt
hat. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass außer ihm sich noch min-
destens zwei weitere Täter zur dauerhaften Begehung solcher Taten zusam-
men geschlossen hätten und am Handeltreiben mittels der einzelnen Paketver-
sendungen beteiligt gewesen seien. Die Strafkammer hat infolgedessen ange-
nommen, dass er sich dieser Gruppierung durch die auf unbestimmte Zeit an-
gelegte Mitarbeit als Einlieferer auch zumindest konkludent angeschlossen ha-
be.
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe als Mitglied ei-
ner Bande Beihilfe zu Betäubungsmitteldelikten begangen, wird von den Fest-
stellungen nicht getragen.
a) Eine Bande im Sinne von § 30a BtMG setzt den Zusammenschluss
von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung ei-
ner Mehrzahl von Betäubungsmitteldelikten verbunden haben (vgl. allg. BGH,
Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt [GS] 46, 321, 325; zur Be-
täubungsmittelbande BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 281/01, BGHR
BtMG § 30a Bande 10; Senatsbeschluss vom 23. Juni 2006 - 2 StR 217/06, StV
2006, 639). Erforderlich ist eine - ausdrückliche oder stillschweigende - Ban-
denabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens
zwei anderen Personen zur Begehung dieser Straftaten zusammenzutun (BGH,
Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164). Es genügt hin-
gegen nicht, wenn sich die Täter von vornherein nur zu einer einzigen Tat ver-
binden und erst in der Folgezeit jeweils aus neuem Entschluss wiederum derar-
tige Taten begehen (Senatsurteil vom 21. Dezember 2007 - 2 StR 372/07, NStZ
2009, 35, 36). Kennzeichnend für die Bande ist eine auf gewisse Dauer ange-
legte Verbindung mehrerer Täter zu künftiger gemeinsamer Deliktsbegehung.
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Ob eine Bandenabrede anzunehmen ist, ist auf Grund einer Gesamtwür-
digung zu entscheiden, die die maßgeblichen für und gegen eine Bandenabre-
de sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und gegeneinander abzu-
wägen hat. Dies gilt insbesondere für die Annahme einer stillschweigenden
Übereinkunft, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch
- obwohl sie regelmäßig den Bandentaten vorausgeht - aus dem konkret fest-
stellbaren deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden
kann (BGHSt 50, 160, 162; st. Rspr.). Bleiben im Rahmen der hiernach erfor-
derlichen Gesamtwürdigung wesentliche Indizien unberücksichtigt, wird für oder
gegen eine Bandenabrede sprechenden Umständen fehlerhaft eine entspre-
chende Indizwirkung zu- oder aberkannt oder werden einzelne Indizien nur iso-
liert bewertet, ohne dass die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen
wird, erweist sich die Feststellung einer Bandentat als fehlerhaft (so schon Se-
natsurteil vom 21. Dezember 2007 - 2 StR 372/07, NStZ 2009, 35, 36; Senats-
beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StraFo 2013, 128).
b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme einer Ban-
denabrede begründet hat, lassen besorgen, dass diese Maßstäbe keine hinrei-
chende Beachtung gefunden haben.
aa) Den Urteilsgründen lässt sich schon nicht hinreichend deutlich ent-
nehmen, wer an der Bandenabrede im Einzelnen beteiligt gewesen sein soll. So
bleibt unklar, ob sich der Angeklagte einer schon bestehenden Bande ange-
schlossen hat oder ob sich erst mit seiner Beteiligung eine solche gebildet hat.
Zum einen ist das Landgericht wohl davon ausgegangen, dass sich bereits im
Mai 2010 - ohne Beteiligung des Angeklagten - eine Gruppierung von mindes-
tens drei Personen gebildet hatte, um auf Dauer angelegt größere Mengen Ma-
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rihuana in den Niederlanden zu beschaffen und in Deutschland gewinnbringend
zu verkaufen (UA S. 8). Wer zu dieser Gruppierung gehörte, hat die Strafkam-
mer, die zwar verschiedene Beteiligte wie die früheren Mitangeklagten M.
und Mc namentlich benennt, ansonsten aber nur von "anderen Banden-
mitgliedern" spricht (UA S. 9), nicht mitgeteilt, so dass der Senat insoweit nicht
überprüfen kann, ob schon die Verbindung dieser Personen eine Bande dar-
stellt. Zum anderen ist die Kammer davon ausgegangen, dem Angeklagten sei
bewusst gewesen, dass sich außer ihm noch mindestens zwei weitere Täter zur
dauerhaften Begehung von Betäubungsmitteltaten zusammengeschlossen hät-
ten. Diese Feststellung enthält zumindest die Möglichkeit, dass erst mit dem
Hinzutreten des Angeklagten im Juni 2011 ein bandenmäßiger Zusammen-
schluss entstanden ist.
bb) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte
durch eine auf unbestimmte Zeit angelegte Mitarbeit als Einlieferer der Gruppie-
rung auch zumindest konkludent angeschlossen habe. Worauf das Landgericht
diese Überzeugung gründet, lässt sich den Urteilsgründen allerdings nicht hin-
reichend entnehmen. Der Angeklagte hat zwar den "Sachverhalt insbesondere
hinsichtlich seiner Bekanntschaft mit den ehemaligen Mitangeklagten und sei-
ner Beteiligung in Form der Einlieferung der Betäubungsmittelpakete sowie
auch bezüglich der ihm vorliegenden Erkenntnisse" eingeräumt (UA S. 12), (ge-
ständnisgleiche) Angaben zu einer bandenmäßigen Begehung sind darin aller-
dings nicht enthalten. Auch in den geständigen Einlassungen der ehemaligen
Mitangeklagten Mc und M. zur "Bandenstruktur und insbesondere zu
[ihren] Aufgaben" (UA S. 12), die das Landgericht auch nicht im Einzelnen mit-
geteilt hat, fehlen Erkenntnisse gerade zur Einbindung des Angeklagten in die
bandenmäßige Struktur der Gruppierung.
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Da sich auch bei einer auf unbestimmte Zeit angelegten Mitarbeit als Zu-
lieferer (vgl. UA S. 12) die Zugehörigkeit des Angeklagten zu einer bandenmä-
ßigen Gruppierung nicht von selbst versteht, hätte sich das Landgericht davon
im Rahmen einer Gesamtabwägung der für und gegen eine Bandenabrede
sprechenden Umstände überzeugen müssen. Insbesondere im Hinblick auf die
Annahme eines nur "konkludenten" Beitritts wäre darzulegen gewesen, in wel-
chen Handlungen eine solche Erklärung gesehen werden soll. Dabei wäre etwa
zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte berufsmäßig Hilfs- und auch
Fahrdienste angeboten und die Einlieferung der Pakete womöglich in diesem
Rahmen jeweils einzeln und nicht im Wege einer damit verbundenen Einord-
nung in ein Bandengefüge übernommen hat. Das Landgericht hätte weiter in
den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte mit den früheren Mitangeklag-
ten seit längerem befreundet war und die Übernahme von Unterstützungshand-
lungen der illegalen Betäubungsmittelgeschäfte auch deshalb, jedenfalls bei der
ersten Tat, nicht mit der Einbindung in eine bandenmäßige Gruppierung ver-
bunden gewesen sein muss, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass offen
bleibt, aus welchem Grund der Angeklagte die Einliefertätigkeit übernommen
hat, die zuvor von anderen Fahrern erbracht worden war. Schließlich hätte sich
das Landgericht auch mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass der
Angeklagte schon nach kurzer Zeit im Juli 2011 seine Tätigkeit für die Bande
wieder eingestellt und sich in der Folgezeit nicht als Kurierfahrer angeboten hat
bzw. eingesetzt worden ist. Dass das Landgericht eine solche Gesamtwürdi-
gung unterlassen hat, macht die Annahme bandenmäßiger Begehung rechts-
fehlerhaft. Da der Senat nicht ausschließen kann, dass bei der gebotenen Wür-
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digung eine Bandenabrede mit dem Angeklagten zu verneinen wäre, führt dies
zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an eine
andere Strafkammer des Landgerichts.
Fischer Schmitt Krehl
Ott Zeng