Urteil des BGH vom 14.11.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 268/12
vom
14. November 2012
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 14. November 2012
beschlossen:
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung
der Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Brandenburg vom 13. Juli 2011 Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gewährt (§ 233 ZPO).
Die beantragte Verlängerung der Frist für den Antrag auf Wieder-
einsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist wird abge-
lehnt.
Gründe:
Für die Verlängerung der vom Gesetz bestimmten Frist zur Anbringung
des Wiedereinsetzungsantrags in eine versäumte Rechtsmittelbegründungsfrist
(§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) fehlt die in § 224 Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Er-
mächtigung. Sie kommt daher nur in atypischen Fällen in Betracht, in denen die
Fristverlängerung gewährt werden muss, um das verfassungsrechtliche Gebot
eines fairen Verfahrens nicht zu Lasten einer Partei zu verletzen. So liegt es,
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wenn die Instanzakten zur Begründung des Rechtsmittels innerhalb der Frist
des § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht übersandt werden kön-
nen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2007 - V ZB 48/06, WM 2007, 1841
Rn. 12). Ein solches Hindernis besteht für die Begründung der zugelassenen
Revision nicht.
Der Kläger wird durch Nichtanwendung von § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6
ZPO auf die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht schlechter gestellt als eine
Partei, die trotz Bedürftigkeit das Rechtsmittel zunächst hat einlegen können
und der dann Prozesskostenhilfe für das weitere Verfahren bewilligt worden ist.
Eine vollständige Gleichstellung einer unbemittelten mit der bemittelten Partei
auf dem Weg zum Rechtsmittel ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Ist
schon die Einlegungsfrist von Berufung oder Revision versäumt worden, genügt
es jedenfalls, wenn die Monatsfrist nach § 234 Abs. 2 ZPO erst in dem Moment
anläuft, in dem die Wiedereinsetzung in die Einlegungsfrist mitgeteilt wird (BGH,
Beschluss vom 19. Juni 2007 - XI ZB 40/06, BGHZ 173, 14 Rn. 18 ff; vom
29. Mai 2008 - IX ZB 197/07, BGHZ 176, 379 Rn. 6). Denn die bedürftige Partei
gewinnt von der Bekanntgabe der Prozesskostenhilfebewilligung und Beiord-
nung bis zur Wiedereinsetzung in die versäumte Einlegungsfrist zusätzliche
Zeit, welche für die Vorbereitung der Rechtsmittelbegründung genutzt werden
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kann und einer Partei, die das Rechtsmittel sogleich eingelegt hätte, nicht zu
Gebote stünde.
Kayser
Raebel
Gehrlein
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 23.07.2010 - 10 O 320/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 13.07.2011 - 7 U 164/10 -