Urteil des BGH vom 15.04.2010

BGH (uwg, arzneimittel, schutz der gesundheit, wert, erwerb, apotheke, wettbewerb, abgabe, werbung, verhalten)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 125/08
Verkündet am:
9. September 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 15. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2008 auf-
gehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 8. Mai 2007 ab-
geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Darmstadt. Sie gab dort ab dem
18. Mai 2006 gemäß einem Kundenprospekt "Sammeln Sie E. -TALER für
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tolle Prämien!" sogenannte E. -Taler aus. Diese können bei der Beklagten
oder bei Partnerunternehmen gegen Prämien eingetauscht werden.
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Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.
Sie sieht in der Ausgabe der "E. -Taler" einen Verstoß gegen die Preisbin-
dungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverord-
nung. Mit ihrer deshalb nach erfolgloser Abmahnung der Beklagten erhobenen
Klage hat die Klägerin zuletzt beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verur-
teilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-
bewerbs "E. -Taler", die wie aus der Anlage K 1 ersichtlich gegen Prämien
eingelöst werden können, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen
preisgebundenen Arzneimitteln zu gewähren;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 189 € nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, dass ein
einzelner E. -Taler lediglich einen Wert von 0,40 € habe. Wegen der Ausge-
staltung des Prämiensystems liege ein Preisnachlass tatsächlich nicht vor. Die
Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung
stellten im Übrigen keine Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG
dar.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 5. Juni 2008
- 6 U 118/07, juris). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, de-
ren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag
auf Klageabweisung weiter.
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Entscheidungsgründe:
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I. Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Beklagten als gemäß §§ 3,
4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV wettbe-
werbswidrig beurteilt und hierzu ausgeführt:
Die Bestimmungen des § 78 AMG und der Arzneimittelpreisverordnung
seien neben § 7 HWG anwendbar, weil diese Vorschrift die Fälle unsachlich
beeinflussender und eine mittelbare Gesundheitsgefährdung auslösender Wert-
reklame regele, während § 78 AMG bei der Abgabe verschreibungspflichtiger
Arzneimittel auf der letzten Handelsstufe einen Preiswettbewerb ausschließen
solle.
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Die Arzneimittelpreisverordnung werde auch dann verletzt, wenn für ein
preisgebundenes Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt werde, dem
Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Mittels Vorteile gewährt würden,
die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erschienen ließen. Dies sei beim
Prämiensystem der Beklagten der Fall. Die in Aussicht gestellten Vorteile seien
nicht mit einer im Rahmen des § 7 HWG erlaubten geringwertigen Sachbeigabe
vergleichbar. Maßgeblich sei insoweit nicht allein der Wert eines einzelnen E.
-Talers, sondern der Wert, den die gesammelten Taler beim Einlösen der
jeweiligen Prämie hätten, weil der von der Arzneimittelpreisverordnung nicht
gewünschte Preiswettbewerb bei einem Absatz preisgebundener Arzneimittel
gerade durch die in Aussicht gestellten Prämien beeinflusst werde. Diese seien
für die Entscheidung des Kunden maßgeblich, die Apotheke der Beklagten oder
eine andere Apotheke aufzusuchen. Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreis-
verordnung liege ferner auch dann vor, wenn eine Gutschrift bzw. die Einlösung
eines durch den Erwerb preisgebundener Medikamente erlangten Gutscheins
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erst beim Kauf nicht preisgebundener anderer Produkte aus der Apotheke ge-
währt werde.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Er-
folg. Der Klägerin stehen die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche
nicht zu.
1. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr
nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützt und dazu von der Beklagten ab dem
18. Mai 2006 begangene Zuwiderhandlungen vorgetragen. Da der Unterlas-
sungsanspruch auf die Abwehr künftiger Verletzungshandlungen gerichtet ist,
ist die Klage nur dann begründet, wenn auf der Grundlage des nunmehr gelten-
den Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung
zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es an-
dernfalls an der für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderlichen Wie-
derholungsgefahr fehlt. Das im Jahr 2006 geltende Gesetz gegen den unlaute-
ren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (UWG 2004) ist nach Verkündung des Beru-
fungsurteils durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 22. Dezember 2008 geändert worden
(UWG 2008). Diese Gesetzesänderung erfordert jedoch keine Unterscheidung
bei der rechtlichen Bewertung des Streitfalls.
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Das beanstandete Verhalten der Beklagten stellt sowohl eine Wettbe-
werbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2004 als auch eine geschäftli-
che Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2008 dar. Der Wortlaut des § 4
Nr. 11 UWG ist gleich geblieben. Der Anwendung der zuletzt genannten Vor-
schrift steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG
über unlautere Geschäftspraktiken keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Un-
lauterkeitstatbestand kennt. Die Richtlinie 2005/29/EG bezweckt gemäß ihrem
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Art. 4 allerdings die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitglied-
staaten über unlautere Geschäftspraktiken, soweit sie die wirtschaftlichen Inter-
essen der Verbraucher beeinträchtigen. Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 3 sowie ihrem
Erwägungsgrund 9 bleiben die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf die
Gesundheits- und Sicherheitsaspekte jedoch unberührt. Die Anwendung des
§ 4 Nr. 11 UWG steht daher mit der Richtlinie 2005/29/EG im Einklang, soweit
Marktverhaltensregelungen - wie hier - dem Schutz der Gesundheit und Sicher-
heit von Verbrauchern dienen (BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 141/06,
GRUR 2009, 881 Rn. 16 = WRP 2009, 1089 - Überregionaler Krankentrans-
port).
2. Der von der Klägerin aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 78 Abs. 2
Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs.1 und 4, § 3 AMPreisV geltend ge-
machte Unterlassungsanspruch ist nicht begründet.
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a) Das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt
allerdings gegen die vorstehend genannten Bestimmungen des Arzneimittelge-
setzes und der Arzneimittelpreisverordnung.
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aa) Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG ist für die verschreibungspflich-
tigen (Fertig-)Arzneimittel und die zwar nicht verschreibungs-, aber apotheken-
pflichtigen (Fertig-)Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversi-
cherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu ge-
währleisten. Die Einzelheiten regelt die auf der Grundlage des § 78 Abs. 1 AMG
ergangene Arzneimittelpreisverordnung. Diese legt für verschreibungspflichtige
Arzneimittel in § 2 die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wie-
derverkauf an Apotheken und in § 3 die Preisspannen der Apotheken bei der
Abgabe im Wiederverkauf jeweils zwingend fest (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2,
Abs. 4 AMPreisV). Die Bestimmung des § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG stellt die
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Rechtslage insoweit zusammenfassend klar, als danach ein einheitlicher Abga-
bepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewähr-
leisten ist, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die
Arzneimittelpreisverordnung bestimmt sind. Erst hierdurch ergibt sich in Verbin-
dung mit den Handelszuschlägen, die die Arzneimittelpreisverordnung festlegt,
ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothe-
kenabgabepreis. Diese Regelungen sollen insbesondere gewährleisten, dass
die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Ver-
sorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt ist (vgl. Stellungnahme
des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung
des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373 Anl. 2 S. 27; BSGE 101, 161
Rn. 18 f.; BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 7/09 R, juris Rn. 13-15;
Schmid in Festschrift Ullmann, 2006, S. 875, 876; Dettling, A&R 2008, 118,
120; zu weiteren mit der Regelung des § 78 AMG verfolgten Zwecken vgl.
Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 67. Erg.-Lief., § 78 AMG, Anm. 1 und Münch-
Komm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rn. 326).
bb) Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt nicht
nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem
anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis
abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr
auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte
Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arznei-
mittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger
erscheinen lassen (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2006, 233; KG, GRUR-RR
2008, 450, 451; OVG Lüneburg, GRUR-RR 2008, 452, 453; OLG Karlsruhe,
GRUR-RR 2009, 176, 177; OLG Köln, GRUR 2006, 88 = WRP 2006, 130; OLG
Oldenburg, WRP 2006, 913, 916; Wille/Harney, A&R 2006, 34; Köhler in
Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.138; Gerstberger/Reinhart in
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Gröning, Heilmittelwerberecht, 3.
Aktualisierungslieferung 2009, §
7 HWG
Rn. 40; Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 7 Rn. 29; a.A. OLG Rostock,
GRUR-RR 2005, 391; Peter, GRUR 2006, 910, 912; Kappes, WRP 2009, 250,
253; im Hinblick auf § 7 HWG a.F. bejahend, im Hinblick auf § 78 AMG, § 3
AMPreisV dagegen verneinend OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336, 338;
GRUR-RR 2007, 159 = WRP 2006, 1393; vgl. ferner Mand in Prütting, Medizin-
recht, § 7 HWG Rn. 48).
Insbesondere ein über einen bestimmten Geldbetrag lautender Gutschein
stellt einen Vorteil im vorstehend genannten Sinn dar (OLG Köln, GRUR 2006,
88 = WRP 2006, 130; OLG Oldenburg, WRP 2006, 913, 916; Wille/Harney,
A&R 2006, 34; differenzierend OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336, 338;
GRUR-RR 2007, 159 = WRP 2006, 1393). Abweichendes kann allenfalls dann
gelten, wenn der Gutscheinseinlösung wesentliche Hindernisse entgegenste-
hen (OLG Oldenburg, WRP 2006, 913, 916) oder die Vorteile nicht allein für
den Erwerb des preisgebunden Arzneimittels, sondern auch aus anderem An-
lass gewährt werden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in
Kauf nehmen muss (OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 403, 404; Dembowski,
jurisPR-WettbR 9/2007 Anm. 3). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht
vor.
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Die vorstehend beschriebenen Merkmale eines Verstoßes gegen diese
arzneimittelpreisrechtlichen Bestimmungen liegen im Streitfall vor. Die in der
Apotheke der Beklagten oder bei ihren Partnerunternehmen gegen Prämien
einzulösenden "E. -Taler" lauten zwar nicht auf einen bestimmten Geldbe-
trag. Die Beklagte hat jedoch selbst vorgetragen, dass sie (immerhin) einen
Wert von 0,40 € haben. Ihrer Einlösung stehen auch keine wesentlichen Hin-
dernisse entgegen. Angesichts des bekannten breiten Angebots von in Apothe-
ken frei verkäuflichen Produkten befinden sich darunter nicht wenige, die jeder
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Verbraucher im Alltag gebrauchen kann (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2006, 88 =
WRP 2006, 130). Dass dies bei der Apotheke der Beklagten anders wäre, ist
weder festgestellt noch ersichtlich. Zudem verbliebe die Möglichkeit, die "E. -
Taler" gegebenenfalls bei den Partnerunternehmen der Beklagten gegen Prä-
mien einzutauschen.
b) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG,
§ 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV sind neben § 7 HWG anwendbar. Die beiden
Regelungsbereiche weisen unterschiedliche Zielsetzungen auf (OLG Frankfurt
a.M., GRUR-RR 2008, 306 = WRP 2008, 969; KG, GRUR-RR 2008, 450, 452;
OVG Lüneburg, GRUR-RR 2008, 452, 453; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009,
176; OLG Hamburg, Urteil vom 25. März 2010 - 3 U 126/09, juris Rn. 101;
Gerstberger/Reinhart in Gröning aaO § 7 HWG Rn. 45; Dembowski, jurisPR-
WettbR 9/2007 Anm. 3; a.A. Kappes, WRP 2009, 250, 253). Der Zweck der in
§ 7 HWG enthaltenen Regelung besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei
der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht
durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst wer-
den sollen (BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 - I ZR 145/03, GRUR 2006, 949 Rn. 24
= WRP 2006, 1370 - Kunden werben Kunden; BGH, Urteil vom 26. März 2009
- I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082 Rn. 16 = WRP 2009, 1385 - DeguSmiles &
more; Gerstberger/Reinhart in Gröning aaO § 7 HWG Rn. 11 f.). Er unterschei-
det sich daher erheblich von den Zwecken, die mit der arzneimittelpreisrechtli-
chen Regelung verfolgt werden (vgl. oben unter II 2 a aa).
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c) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG,
§ 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt, den
(Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln (vgl. BVerfG, Kammerbe-
schluss vom 19. September 2002 - 1 BvR 1385/01, NJW 2002, 3693, 3695).
Sie stellen daher Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dar (KG,
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GRUR-RR 2008, 450, 452; OLG München, GRUR-RR 2010, 53, 55; OLG Ham-
burg, Urteil vom 25. März 2010 - 3 U 126/09, juris Rn. 97; Köhler in Köhler/
Bornkamm aaO § 4 Rn. 11.138; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11
Rn. 326; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 198; Harte/
Henning/v. Jagow, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 63; Ebert-Weidenfeller in
Götting/Nordemann, UWG, § 4 Rn. 11.66; Fezer/Götting, UWG, 2. Aufl., § 4-11
Rn. 147, jeweils m.w.N.).
d) Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist jedoch nicht geeignet,
den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und sonstigen Marktteilnehmer
i.S. des § 3 UWG 2004 nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen sowie die Inte-
ressen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern i.S. des § 3 Abs. 1
UWG 2008 spürbar zu beeinträchtigen.
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aa) Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG lässt in dem durch § 1
HWG bestimmten Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes und damit
insbesondere bei produktbezogener Werbung für Arzneimittel (§ 1 Abs. 1 Nr. 1
HWG) Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) unter
den dort in den Nummern 1 bis 5 im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen
zu. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 HWG, der den durch § 7 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 HWG für Rabatte eröffneten Bereich einschränkt, sind
Zuwendungen oder Werbegaben, die in einem bestimmten oder auf bestimmte
Weise zu berechnenden Geldbetrag bestehen (Barrabatte), unzulässig, soweit
sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arznei-
mittelgesetzes gelten. Eine entsprechende Beschränkung, die der Abstimmung
des Heilmittelwerberechts mit dem Arzneimittelpreisrecht dient, ist für die ande-
ren Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nicht vorgesehen, in denen das grund-
sätzliche Verbot der Wertreklame im Heilmittelwerberecht nicht gilt. Dement-
sprechend ist davon auszugehen, dass Zuwendungen und sonstige Werbega-
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ben, die den in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG für zulässige Wertre-
klame vorgegebenen Rahmen nicht überschreiten, auch dann heilmittelwerbe-
rechtlich zulässig sind, wenn sie entgegen den Preisvorschriften gewährt wer-
den, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Arzneimittelrechtlich liegt
dann zumindest in den Fällen, in denen es sich bei den Zuwendungen oder
Werbegaben um geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 Fall 2 HWG handelt (vgl. dazu nachstehend unter II 2 d bb), lediglich ein
Verstoß vor, der nicht geeignet ist, den Wettbewerb bzw. die Interessen von
Marktteilnehmern in relevanter Weise zu beeinträchtigen. Dies hat auch dann
zu gelten, wenn die Werbung nicht produktbezogen erfolgt, das heißt nicht auf
ein bestimmtes Mittel oder eine Mehr- oder auch Vielzahl bestimmter Mittel von
Arzneimitteln bezogen ist (vgl. dazu BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 15 f.
- DeguSmiles & more; BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 213/06, BGHZ
180, 355 Rn. 12 ff. - Festbetragsfestsetzung). Denn eine - wie im Streitfall - auf
sämtliche verschreibungspflichtigen Arzneimittel bezogene Imagewerbung ei-
nes Apothekers stellt sich im Blick auf die Zwecke, die mit der Preisbindung für
die in § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG genannten Arzneimittel verfolgt werden
(vgl. oben unter II 2 a aa), nicht als bedenklicher dar als eine entsprechende
Werbung, die auf ein bestimmtes Mittel oder eine Mehr- oder Vielzahl bestimm-
ter Mittel bezogen ist. Ebenso wenig kommt im Hinblick auf diese Zwecke dem
Umstand Bedeutung zu, dass eine Publikumswerbung für verschreibungspflich-
tige Arzneimittel heilmittelwerberechtlich gemäß § 10 Abs. 1 HWG stets unzu-
lässig ist.
bb) Die im Streitfall in Rede stehende Werbung des Beklagten wäre im
Falle ihrer Produktbezogenheit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG zuläs-
sig. Die E. -Taler der Beklagten haben, soweit sie in einen bei der Beklagten
einzulösenden Einkaufsgutschein umgetauscht werden, einen Wert von 0,40 €.
Soweit sie zur Bezahlung von Esswaren oder Getränke verwendet werden kön-
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nen, kommt ihnen in etwa derselbe Wert zu. Der Durchschnittsverbraucher wird
daher annehmen, dass sie auch insoweit, als sie in sonstige Sachprämien um-
getauscht werden können, deren Wert aufgrund der Abbildungen und Beschrei-
bungen in dem entsprechenden Prospekt der Beklagten nicht genauer einge-
schätzt werden kann, einen vergleichbaren Wert haben. Danach handelt es sich
bei den E. -Talern um geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des § 7 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung fallen unter
diesen Begriff allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante
unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint
(vgl. OLG Oldenburg, WRP 2006, 913, 915; Gerstberger/Reinhart in Gröning
aaO § 7 HWG Rn. 32; Mand in Prütting aaO § 7 HWG Rn. 42). Als geringwerti-
ge Kleinigkeiten sind daher kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck
allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen (vgl. Gerstberger/Reinhart in
Gröning aaO § 7 HWG Rn. 32; Mand in Prütting aaO § 7 HWG Rn. 43). Auch
wenn bei einer Publikumswerbung im Hinblick auf die leichtere Beeinflussbar-
keit der Werbeadressaten von einer eher niedrigen Wertgrenze auszugehen ist,
überschreitet in diesem Bereich eine Werbegabe mit einem Wert von rund
0,40 € oder auch 0,50 € die Wertgrenze nicht (BGH, Urteil vom 9. September
2010 - I ZR 98/08 Rn. 22 - Bonuspunkte; vgl. ferner Gerstberger/Reinhart in
Gröning aaO § 7 HWG Rn. 32; Mand in Prütting aaO § 7 HWG Rn. 43).
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III. Nach alledem ist auf die Revision der Beklagten die Klage unter Auf-
hebung des Berufungsurteils und Abänderung des Urteils des Landgerichts ab-
zuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher
Schaffert
Bergmann
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 08.05.2007 - 12 O 403/06 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.06.2008 - 6 U 118/07 -