Urteil des BGH vom 25.09.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 207/11
Verkündet am:
25. September 2013
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 3 Abs. 1; VBL-Satzung §§ 78, 79 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 2;
VBL-Satzung a.F. § 40 Abs. 2 Buchst. c)
1. Die Bezugnahme in § 79 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Versorgungsanstalt des
Bundes und der Länder (VBLS) auf § 44a VBLS a.F. führt nicht zur Unwirksamkeit
einer auf dieser Grundlage ermittelten Startgutschrift.
2. Es begegnet - für sich genommen - keinen rechtlichen Bedenken, dass bei Er-
rechnung der Startgutschrift rentennaher berufsständisch grundversorgter Versi-
cherter der von der Gesamtversorgung in Abzug zu bringende Grundversorgungs-
betrag gemäß § 79 Abs. 5 Satz 2 VBLS n.F. i.V.m. § 40 Abs. 2 Buchst. c) VBLS
a.F. auf der Grundlage der Arbeitgeberbeiträge ermittelt wird.
3. Zu den Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen bei Prüfung der Frage, ob
die mit einer - grundsätzlich zulässigen - Typisierung oder Generalisierung ver-
bundene Ungleichbehandlung rentennaher und rentenferner Versicherter mit be-
rufsständischer Grundversorgung nach Art. 3 Abs. 1 GG hingenommen werden
muss.
BGH, Urteil vom 25. September 2013 - IV ZR 207/11 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsit-
zende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 25. September 2013
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zi-
vilsenats
des
Oberlandesgerichts
Karlsruhe
vom
30. September 2011 aufgehoben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, der von der Beklagten seit dem 1. April 2010 eine Z u-
satzrente bezieht, verlangt höhere Rentenzahlungen, wendet sich dabei
insbesondere gegen die der Rentenberechnung zugrunde gelegte Star t-
gutschrift und beantragt hilfsweise, deren Unverbindlichkeit festzustellen.
I. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
(VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Vers i-
cherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebe-
nenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. No-
1
2
- 3 -
vember 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) stellte die Beklagte ihr
Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 um. Den
Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dien s-
tes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart.
Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. No-
vember 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Ge-
samtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Pun k-
temodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsreg e-
lungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen R entenan-
wartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte
Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten
übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht
eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschie-
den. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vol l-
endet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlag e-
satz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversich e-
rungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen
kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten
werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertr a-
gen (vgl. dazu Senatsurteil vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07,
BGHZ 178, 101 ff.).
Die Übergangsregelung der VBLS lautet - im Wesentlichen über-
einstimmend mit den § 32 Abs. 1, 4 Satz 1, § 33 Abs. 2, 4 f. ATV - aus-
zugsweise wie folgt:
3
4
- 4 -
"§ 78 Grundsätze zur Anwartschaftsübertragung
(1)
1
Für die Versicherten werden die Anwartschaften nach
dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht der Zusat z-
versorgung nach den §§ 79 bis 81 ermittelt (…).
(2)
1
Für die Berechnung der Anwartschaften sind, soweit
jeweils erforderlich, die Rechengrößen (insbesondere En t-
gelt, Gesamtbeschäftigungsquotient, Steuertabelle, Sozial-
versicherungsbeiträge, Familienstand, aktueller Rente n-
wert, Mindestgesamtversorgung) vom 31. Dezember 2001
maßgebend; soweit gesamtversorgungsfähiges Entgelt zu
berücksichtigen ist, ergibt sich dieses (…) aus den entspre-
chenden K
alenderjahren vor diesem Zeitpunkt (…).
§ 79 Anwartschaften für am 31. Dezember 2001 schon und
am 1. Januar 2002 noch Pflichtversicherte
(…)
(2)
1
Für Beschäftigte im Tarifgebiet West bzw. für Beschä f-
tigte, für die der Umlagesatz des Abrechnungsverbandes
West maßgeblich ist (§ 64 Abs. 2 Satz 3) oder die Pflich t-
versicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem
1. Januar 1997 haben, und die am 1. Januar 2002 das
55. Lebensjahr vollendet haben (rentennahe Jahrgänge), ist
Ausgangswert für die bis zum 31. Dezember 2001 in der
Zusatzversorgung (Gesamtversorgung) erworbene Anwar t-
schaft die Versorgungsrente, die sich unter Beachtung der
Maßgaben des § 78, insbesondere unter Berücksichtigung
der Mindestgesamtversorgung (§ 41 Abs. 4 d.S. a.F.) und
des § 44a d.S. a.F., für die Berechtigte/den Berechtigten
bei Eintritt des Versicherungsfalls am 31. Dezember 2001,
frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Vollendung des 63.
Lebensjahres vor Berücksichtigung des Abschlags ergeben
würde.
2
Von diesem Ausgangswert ist der Betrag abzuzie-
hen, den die Versicherten aus dem Punktemodell bis zur
Vollendung des 63. Lebensjahres vor Berücksichtigung des
Abschlags wegen vorzeitiger Renteninanspruchnahme noch
erwerben könnten, wenn für sie zusatzversorgungspflicht i-
ge Entgelte in Höhe des gesamtversorgungsfähigen Ent-
gelts - unter Berücksichtigung des Gesamtbeschäftigungs-
quotienten -
gezahlt würden (…).
- 5 -
(4)
1
Für die Berechnung der Anwartschaften nach Absatz 2
ist die Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversich e-
rungsträgers zum Stichtag 31. Dezember 2001 nach Durch-
führung einer Kontenklärung maßgebend (…).
5
Soweit bis
zum 31. Dezember 2002 bereits ein bestands- oder rechts-
kräftiger Rentenbescheid der gesetzlichen Rentenversich e-
rung vorliegt, ist - abweichend von Satz 1 - dieser Grundla-
ge für die Berechnung nach Absatz 2.
(5)
1
Für die Zeit bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres
werden Entgeltpunkte in Höhe des jährlichen Durchschnitts
der in dem Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember
2001 tatsächlich aus Beitragszeiten erworbenen Entgelt-
punkte in Ansatz gebracht.
2
Bei Pflichtversicherten, die
nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert
sind, wird der anzurechnende Bezug nach der bisher ge l-
tenden Regelung berücksichtigt; Zuschüsse werden in H ö-
he des jährlichen Durchschnitts der in der Zeit vom 1. Ja-
nuar 1999 bis 31. Dezember 2001 tatsächlich gemeldeten
.
Die Anwartschaften der übrigen ca. 1,7 Millionen rentenfernen
Versicherten berechnen sich demgegenüber nach § 32 Abs. 1 , 4, § 33
Abs. 1 Satz 1 ATV, § 78 Abs. 1, 2, § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V.m. § 18
Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG; vgl. zu dieser Übergang s-
regelung Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174,
127 ff.). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f BetrA VG ist die - im
Rahmen der Startgutschriftenerrechnung auf die Gesamtversorgung a n-
zurechnende - Grundversorgung nach dem so genannten Näherungsve r-
fahren zu ermitteln (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO
Rn. 102 ff.). Anders als bei rentennahen Versicherten wird insoweit keine
Unterscheidung danach getroffen, ob die jeweilige Grundsicherung ta t-
sächlich mittels einer gesetzlichen Rente oder einer anderweitigen Ve r-
sorgung erfolgt.
5
- 6 -
II. Der am 1. April 1945 geborene Kläger zählt zu den rentennah en
Versicherten. Er war als angestellter Arzt im öffentlichen Dienst beschä f-
tigt und seit 1974 ununterbrochen bei der Beklagten versichert. Im Zuge
der Systemumstellung erteilte ihm die Beklagte eine Startgutschrift über
147 Versorgungspunkte (das entspricht einer monatlichen Rentenan-
wartschaft von 588,01 €). Seit dem 1. April 2010 bezieht er als Grun d-
versorgung eine monatliche Altersrente in Höhe von 2.946,80 € von sei-
ner berufsständischen Versorgungskasse, sowie eine Zusatzrente von
der Beklagten, deren Höhe seit dem 1. Juli 2010 mon
atlich 995,21 € be-
trägt. Nach dem bis zur Systemumstellung geltenden Satzungsrecht der
Beklagten hätte ihm unstreitig lediglich eine geringere monatlich e Zu-
satzrente von 878,52 € zugestanden.
Der Kläger sieht sich dadurch verfassungswidrig benachteiligt (Art.
3 Abs. 1 GG), dass bei der Startgutschriftenberechnung rentennaher
Versicherter mit berufsständischer Grundversorgung von der Gesamtver-
sorgung die - gemäß § 40 Abs. 2 Buchst. c) VBLS a.F. aufgrund der Bei-
tragsleistung des Arbeitgebers an das jeweilige Versorgungswerk ermit-
telte - Grundversorgung in Abzug gebracht wird, während bei rentenfe r-
nen berufsständisch grundversorgten Versicherten gemäß § 79 Abs. 1
Satz 1 VBLS n.F. i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrAVG lediglich eine im Nähe-
rungsverfahren ermittelte fiktive gesetzliche Rente angerechnet wird. Der
Kläger verweist darauf, dass diese fiktive Rentenanrechnung bei rente n-
fernen Versicherten zu deutlich geringeren Abzügen führe, so dass be i-
spielsweise ein rentenferner Kollege mit ansonsten vergleichbarer E r-
werbsbiographie im Ergebnis eine um circa
1.000 € höhere Zusatzrente
erreichen könne. Überdies sei die bei ihm in Abzug gebrachte, nach § 40
Abs. 2 Buchst. c) VBLS a.F. ermittelte Grundversorgung mit monatlich
3.171,71 € höher als seine tatsächliche monatliche Grundrente von ledi g-
6
7
- 7 -
lich 2.946,80
€. Weiter ist der Kläger der Auffassung, seine Startgut-
schrift müsse schon deshalb gemäß dem auch für die Startgutschrifte n-
errechnung rentenferner Versicherter geltenden § 18 Abs. 2 BetrAVG er-
rechnet werden, weil die Übergangsregelung für rentennahe Versiche rte
in § 79 Abs. 2 VBLS n.F. die verfassungswidrige Regelung des § 44a
VBLS a.F. in Bezug nehme. Wegen deren Unwirksamkeit sei zumindest
der Hilfsantrag begründet.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der
Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Z u-
rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach dessen Auffassung ist die Startgutschrift des Klägers z u-
treffend ermittelt und verbindlich. Weder die Unwirksamkeit des § 44a
VBLS a.F. noch der Gleichheitssatz führten dazu, dass bei Ermittlung der
Startgutschrift des Klägers § 18 Abs. 2 BetrAVG Anwendung finde. Die
Übergangsvorschriften für rentennahe Versicherte seien wirksam .
Zwar treffe es zu, dass § 44a VBLS a.F. ebenso wie der inhalt s-
gleiche, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte
(vgl. BVerfG VersR 1999, 600 ff.) § 18 BetrAVG a.F. mit Ablauf des
31. Dezember 2000 nicht mehr anzuwenden sei; darau s ergebe sich aber
nicht die Unwirksamkeit der Startgutschrift des Klägers. Soweit die
8
9
10
11
- 8 -
Übergangsregelung für rentennahe Versicherte auf § 44a VBLS a.F.
verweise, beruhe dies auf einer Grundentscheidung der Tarifvertragspar-
teien, den rentennahen Versicherten einen erweiterten Besitzstands-
schutz in der Weise zu gewähren, dass die nach § 44a VBLS a.F. erwo r-
benen Versicherungsrentenanwartschaften den rentennahen Versiche r-
ten als Mindestbetrag der mit der Startgutschrift zu ermittelnden Rente n-
anwartschaft erhalten bleiben sollten. In erster Linie sei aber nicht dieser
Mindestbetrag, sondern die Differenz zwischen der nach den §§ 41 bis
43b VBLS a.F. ermittelten Gesamtversorgung und den Altersbezügen für
die Ermittlung der dem rentennahen Versicherten zum Umstellu ngsstich-
tag zustehenden Rentenanwartschaft maßgeblich. Die Beibehaltung der
früheren Mindestversorgung als bloße Untergrenze führe zu keiner ve r-
fassungswidrigen Benachteiligung.
Der Kläger könne auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG wegen der von
ihm beanstandeten Ungleichbehandlung berufsständisch versorgter ren-
tennaher und rentenferner Versicherter eine Meistbegünstigung in dem
Sinne für sich herleiten, dass ihm ebenfalls eine Startgutschrift nach
Maßgabe der Regelungen für rentenferne Versicherte zu erte ilen sei. Die
auf eine Grundentscheidung der Tarifpartner zurückgehenden Übe r-
gangsregelungen für rentennahe und -ferne Versicherte überschritten
nicht den den Tarifvertragsparteien eröffneten Handlungs - und Ermes-
sensspielraum oder die Grenze der verfassungsrechtlich zulässigen Ty-
pisierung. Die stichtagsbezogene Übergangsregelung für rentennahe be-
rufsständisch versorgte Versicherte erhalte deren bis zum Umstellung s-
stichtag erworbene Anwartschaften, schaffe für die Betroffenen somit
keinen Nachteil und sei deshalb weder mit gleichheitswidrigen Härten
oder Ungerechtigkeiten verbunden, noch stelle sie die Betroffenen
schutzlos.
12
- 9 -
Die Übergangsregelung verstoße auch nicht deshalb gegen den
Gleichheitssatz, weil rentenferne berufsständisch grundversorgte Vers i-
cherte infolge geringerer Abzüge von der Gesamtversorgung höhere
Startgutschriften erwerben könnten. Der Gestaltungsspielraum des
Normgebers sei bei der Gewährung von Vorteilen größer als bei der B e-
nachteiligung von Normadressaten, weil es bei wertender Bet rachtung
leichter erträglich sei, wenn als Folge einer Typisierung auch Personen
in den Genuss von Vorteilen kämen, die ihnen nach dem strengen Zweck
der Regelung nicht gebührten, als wenn Personen von Vorteilen ausg e-
schlossen würden, die ihnen nach dem Zweck der Regelung zustünden.
Eine Härtefallkorrektur sei schon deshalb nicht geboten, weil die
jetzige Zusatzrente des Klägers diejenige übersteige, die ihm ohne die
Systemumstellung nach altem Satzungsrecht zugestanden hätte.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Beru-
fungsgericht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen einen Ve r-
stoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ausgeschlossen hat.
1. Zutreffend ist es allerdings davon ausgegangen, dass die Be-
zugnahme auf § 44a VBLS a.F. in § 79 Abs. 2 VBLS n.F. nicht zur Un-
wirksamkeit der Startgutschrift des Klägers führt.
a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 24. September 2008 (IV ZR
134/07, BGHZ 178, 101) entschieden und im Einzelnen begründet, dass
die im Rahmen der Systemumstellung der Zusatzversorgung des öffentli-
chen Dienstes in der VBLS getroffene Übergangsregelung für rentenn a-
13
14
15
16
17
- 10 -
he Versicherte (§ 32 Abs. 1, 4 Satz 1, § 33 Abs. 2, 4 ff. ATV; § 78 Abs. 1,
2 Satz 1; § 79 Abs. 2, 4 ff. VBLS) wirksam ist. Daran ist festzuhalten.
Der Senat hat die Berechnungsweise der Startgutschriften rente n-
naher Versicherter im vorgenannten Senatsurteil (aaO Rn. 29 ff.) im Ei n-
zelnen dargelegt und im Ergebnis gebilligt. Darauf wird Bezug geno m-
men.
b) Die mit der Bezugnahme auf § 44a VBLS a.F. begründeten Ein-
wände des Klägers gegen diese Startgutschriftenermittlung greifen nicht
durch.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift des § 18
BetrAVG in ihrer früheren Fassung für mit dem Grundgesetz unvereinbar
erklärt (BVerfGE 98, 365 ff.) und darf auch die der beanstandeten Vor-
schrift nachgebildete Satzungsbestimmung des § 44a VBLS a.F. seit A b-
lauf der bis zum 31. Dezember 2000 gesetzten Übergangsfrist nicht mehr
für die Errechnung von Versicherungsrenten herangezogen werden ( vgl.
dazu Senatsurteile vom 14. Januar 2004 - IV ZR 56/03, VersR 2004, 453
unter II 1 a und b; 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127
Rn. 90). Dies führt aber nicht dazu, dass auch der Verweis auf § 44a
VBLS a.F. in der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS n.F.
als unwirksam erachtet und die Übergangsregelung insgesamt durch e i-
ne analoge Anwendung des § 18 Abs. 2 BetrAVG in der seit dem 1. Ja-
nuar 2001 geltenden neuen Fassung ersetzt werden muss.
Die Verweisung auf § 44a VBLS a.F. in § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS
n.F. bezweckt lediglich, den rentennahen Versicherten bei Ermittlung i h-
rer Startgutschriften eine Untergrenze für ihre bis zur Systemumstellung
18
19
20
21
- 11 -
erdienten Rentenanwartschaften in Höhe einer nach § 44a VBLS a.F. zu
errechnenden Versicherungsrente zu garantieren. Insoweit unterscheidet
sich die Verweisung von derjenigen des § 80 VBLS (vgl. dazu Senatsu r-
teil vom 29. September 2010 - IV ZR 8/10, juris), die für die Bestimmung
der Anwartschaften beitragsfrei Versicherter ausdrück lich auf die "am
31. Dezember 2001 geltende Versicherungsrentenberechnung" und mi t-
hin nur auf solche Satzungsbestimmungen verweist, die zum genannten
Stichtag gültig waren. Mit der Verweisung in § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS
n.F. wird den Versicherten hingegen Vertrauens- und Bestandsschutz
gewährt; ihnen soll ungeachtet der Verfassungswidrigkeit der Satzung s-
bestimmung jedenfalls die danach errechnete Rentenanwartschaft als
Mindestbetrag erhalten bleiben. Damit wurde für die rentennahen Vers i-
cherten - anders als in der Übergangsregelung für rentenferne Versicher-
te - insbesondere auch dem Umstand Rechnung getragen, dass vor der
Systemumstellung eine Verunsicherung über die Anwendbarkei t des
§ 44a VBLS a.F. deshalb eingetreten war, weil die Klausel ungeachtet
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 18 BetrAVG bis
zur erst im November 2002 genehmigten - rückwirkenden - Satzungsum-
stellung auf das neue Betriebsrentensystem zum 31. Dezember 2001
nicht aufgehoben worden war (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. November
2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 89-95). An einer solchen Be-
standsschutzregelung waren die Tarifvertragsparteien und - ihnen fol-
gend - der Satzungsgeber aus Rechtsgründen nicht gehindert, da die
Startgutschrift in erster Linie nach Maßgabe des § 40 VBLS a.F . zu er-
mitteln ist, weshalb die Übergangsregelung die Mängel, aus denen he r-
aus das Bundesverfassungsgericht die Regelungen in § 18 BetrAVG
a.F./§ 44a VBLS a.F. beanstandet hat, nicht perpetuiert. Wie das Ber u-
fungsgericht zutreffend gesehen hat, hatte das B undesverfassungsge-
richt an der früheren Fassung des § 18 BetrAVG (und damit mittelbar
- 12 -
auch an § 44a VBLS a.F.) in erster Linie beanstandet, dass durch die
Abkoppelung der Zusatzrentenanwartschaften von den gegebenen Ve r-
sorgungszusagen im Falle vorzeitigen Ausscheidens eines Versicherten
aus dem öffentlichen Dienst Nachteile entstehen konnten, die auch g e-
eignet waren, den Betroffenen vom Wechsel in einen anderen Beruf a b-
zuhalten (BVerfGE 98, 365, 384 ff., 395 ff.).
Darum geht es bei der Feststellung der bis zum Umstellungsstich-
tag erworbenen Rentenanwartschaften nicht. Die in § 79 Abs. 2 Satz 1
VBLS n.F. i.V.m. § 44a VBLS a.F. getroffene Mindestregelung kommt g e-
rade Versicherten wie dem Kläger zugute, bei denen infolge einer hohen
Grundversorgung im Rahmen der Startgutschriftenerrechnung hohe Ab-
züge vom Gesamtversorgungsbetrag vorzunehmen sind. Deshalb übe r-
steigt im Falle des Klägers die nach § 40 Abs. 4 i.V.m. § 44a VBLS a.F.
ermittelte Rentenanwartschaft die nach § 40 Abs. 1 VBLS a.F. errechn e-
te um mehr als 1
00 €. Eine verfassungswidrige Benachteiligung liegt da-
rin nicht.
2. Die in § 79 Abs. 2 VBLS n.F. geschaffene Übergangsregelung
für rentennahe Versicherte stützt sich auf eine Grundentscheidung der
Tarifvertragsparteien (§ 33 Abs. 2 ATV; vgl. dazu Kie fer/Langenbrinck,
Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, Stand: 8 7. EL, April
2013, § 33 ATV A 1.2). Sie ist an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen (vgl. dazu
im einzelnen Senatsurteile vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ
174, 127 Rn. 28 ff., 58 ff.; vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07,
BGHZ 178, 101 Rn. 25 ff.).
a) Anders als die Revision meint, begegnet es allerdings für sich
genommen keinen rechtlichen Bedenken, sondern bewegt sich noch im
22
23
24
- 13 -
Rahmen der zulässigen Typisierung, dass bei Errechnung der Startgut-
schrift rentennaher berufsständisch grundversorgter Versicherter der von
der Gesamtversorgung in Abzug zu bringende Grundversorgungsbetrag
gemäß § 79 Abs. 5 Satz 2 VBLS n.F. i.V.m. § 40 Abs. 2 Buchst. c) VBLS
a.F. auf der Grundlage der Arbeitgeberbeiträge i.S. des § 65 Abs. 4
Satz 5 VBLS a.F. ermittelt wird. Insoweit muss es der Kläger hinnehmen,
dass in seinem Falle der der Startgutschrift zugrunde gelegte monatliche
Abzug von 3.171,71
€, der lediglich eine fingierte Rechengröße darstellt,
die inzwischen tatsächlich bezogene monatliche Grundrente von lediglich
2.946,80
€ übersteigt. Entscheidend dafür, dass es zu Abweichungen
zwischen dem der Startgutschrift zugrunde gelegten Gr undversorgungs-
betrag und der später tatsächlich gewährten Grundversorgung kommen
kann, ist der Verzicht der Übergangsregelung auf einen nachträglichen
Datenabgleich und eine entsprechende Korrektur der Startgutschrift im
Zeitpunkt des Renteneintritts. Dafür sprechen triftige Gründe; eine sol-
che nachträgliche Korrektur der für die Festschreibung erdienter Rente n-
anwartschaften maßgeblichen Parameter hätte nicht nur erheblichen z u-
sätzlichen Verwaltungs- und Kostenaufwand erfordert, sondern auch die
Verbindlichkeit der Startgutschriften als Kalkulationsgrundlage der B e-
klagten über Jahre hinausgeschoben. Das widerspräche dem berechti g-
ten Ziel der Systemumstellung, die Zusatzversorgung von den für das
frühere Gesamtversorgungssystem relevanten externen Faktoren abzu-
koppeln und stattdessen für den Übergang auf das kapitalgedeckte Ve r-
fahren eine überschaubare, frühzeitig kalkulierbare Finanzierungsgrun d-
lage zu schaffen. Eine nachträgliche Korrektur der Startgutschriften a n-
hand der erst bei Rentenbeginn ermittelten Rechengrößen (wie etwa der
dann tatsächlich geleisteten Grundversorgung) hätte dazu geführt, auf
lange Sicht die Abhängigkeit der Zusatzrente von externen Faktoren und
damit den Zustand partiell aufrecht zu erhalten, der nach der - von den
- 14 -
Gerichten hinzunehmenden - Bewertung der Tarifvertragsparteien drin-
genden Änderungsbedarf ausgelöst hatte (vgl. dazu auch den Zweiten
und Dritten Versorgungsbericht der Bundesregierung BT -Drucks.
14/7220 und 15/5821). Die Tarifvertragsparteien haben insoweit ihren
durch die Tarifautonomie eröffneten weiten Handlungsspielraum nicht
überschritten. Die Gerichte haben die Regelung nicht daran zu messen,
ob auch andere, für die Versicherten günstigere oder als gerechter em p-
fundene Lösungen in Betracht zu ziehen gewesen wären.
b) Der vom Berufungsgericht erkannte Ausschluss eines Verstoßes
gegen Art. 3 Abs. 1 GG beruht dagegen auf einer unzureichenden Tatsa-
chengrundlage. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts
lassen eine Entscheidung darüber noch nicht zu, ob sich eine mögliche
Ungleichbehandlung rentenferner und rentennaher berufsständisch
grundversorgter Versicherter - nach der Klägerbehauptung insbesondere
eine Schlechterstellung von aus Bestandsschutzgründen an sich besser
zu stellenden rentennahen gegenüber rentenfernen Versicherten - noch
im Rahmen einer zulässigen Typisierung bewegt und Art. 3 Abs. 1 GG
mithin nicht verletzt ist.
aa) Zwar hat die Übergangsregelung der VBLS nach der von der
Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts d azu
g
eführt, dass der Kläger aktuell eine um ca. 116 € höhere Zusatzrente
bezieht, als sie ihm nach dem früheren Gesamtversorgungssystem der
Beklagten zugestanden hätte. Das belegt zunächst, dass die Übergang s-
regelung für rentennahe Versicherte im Falle des Klä gers zu keinen An-
wartschaftsverlusten geführt hat.
25
26
- 15 -
bb) Dennoch könnte sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG da r-
aus ergeben, dass sich die Übergangsregelung für rentenferne beruf s-
ständisch grundversorgte Versicherte zum Teil als noch weitaus günst i-
ger erweist, weil ihnen im Rahmen der Startgutschriftenermittlung nicht
die voraussichtliche Grundversorgung, sondern lediglich eine im Näh e-
rungsverfahren zu ermittelnde fiktive gesetzliche Rente von der Gesam t-
versorgung abgezogen wird, was zu höheren Startgutschriften führen
kann.
(1) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt - auch für die Tarif-
vertragsparteien (vgl. dazu BAGE 111, 8, 16 ff.) - das Gebot, wesentlich
Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVe r-
fGE 3, 58, 135; seither ständige Rechtsprechung). Das Grundrecht ist
verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender
oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die jeweilige Differenzi e-
rung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 1 , 14, 52; 1,
264, 275 f.; 98, 365, 385; seither ständige Rechtsprechung). Bei einer
ungleichen Behandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber
in der Regel einer strengen Bindung. Eine unterschiedliche Behandlung
ist bereits gleichheitswidrig, wenn eine Gruppe von Normadressaten im
Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht b e-
stehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE
105, 73, 110; BVerfG VersR 2000, 835, 837).
(2) Ob die mit einer - bei der Ordnung von Massenerscheinungen
und der Regelung hochkomplizierter Materien wie der Zusatzversorgung
im öffentlichen Dienst grundsätzlich zuläs sigen (Senatsurteil vom 14. No-
27
28
29
- 16 -
vember 2007 aaO Rn. 62 m.w.N.; BVerfGE 98, 365, 385; BVerfG VersR
2000, 835, 837) - Typisierung oder Generalisierung verbundenen Härten
und Ungerechtigkeiten hingenommen werden müssen, hängt zum einen
von der Intensität der Benachteiligungen und der Zahl der betroffenen
Personen ab. Es darf lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Pe r-
sonen betroffen und die Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein
(vgl. BVerfGE 100, 59, 90; 111, 115, 137). Zum anderen kommt es auf
die Dringlichkeit der Typisierung und die mit ihr verbu ndenen Vorteile an.
Dabei ist zu berücksichtigen, wie kompliziert die geregelte Materie ist,
welche praktischen Erfordernisse für sie sprechen und wie groß die
Schwierigkeiten bei der Vermeidung der Ungleichbehandlung sind (vgl.
u.a. BVerfGE 63, 119, 128; 87, 234, 255 f.; BVerfG VersR 2000, 835,
837).
(3) Im Grundsatz bestehen gegen die unterschiedliche Behandlung
rentenferner und rentennaher Versicherter und den für die Untersche i-
dung maßgeblichen Stichtag in der Übergangsregelung der §§ 33 ATV,
78, 79 VBLS keine rechtlichen Bedenken (vgl. Senatsurteil vom
24. September 2008 - IV ZR 134/07, BGHZ 178, 101 Rn. 30). Die unter-
schiedlichen Übergangsregelungen beruhen auf einer generalisierenden
und pauschalierenden Betrachtung (vgl. Clemens/Scheuring/Steing en/
Wiese, BAT Teil VII - Vorbem. zum ATV Stand Juni 2002 Erl. 4.2.5
S. 30), die das Ziel verfolgt, den rentennahen Versicherten einen weite r-
gehenden Schutz ihres - deshalb möglichst konkret zu ermittelnden - Be-
sitzstandes zu gewährleisten, während die etwa 1,7 Millionen rentenfer-
nen Versicherten es grundsätzlich hinnehmen müssen, dass ihre Star t-
gutschriften im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung der
Systemumstellung mittels weitgehend pauschalierter Parameter ermittelt
werden.
30
- 17 -
(4) Die unterschiedliche Ermittlung der abziehbaren Grundverso r-
gung kann bei beiden Versichertengruppen indes zu Ergebnissen führen,
die dem Zweck der Übergangsregelung, rentennahen Versicherten einen
weitergehenden Bestandsschutz zu gewährleisten als rentenfernen, ent-
gegenstehen. Damit verbundene Härten und Ungerechtigkeiten sind nur
so lange hinzunehmen, wie sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl
von Versicherten betreffen und die jeweilige Ungleichbehandlung nicht
sehr intensiv ist (vgl. BGHZ aaO unter Rn. 61; BVerfGE 100, 59, 90;
BVerfG ZTR 2008, 374, 375; VersR 2000 aaO). Maßgebend für die ve r-
fassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Übergangsregelung ist nicht, ob
sie in einzelnen Fällen zu Benachteiligungen rentennaher Versicherter
gegenüber rentenfernen führt, vielmehr ist auf die generellen Auswirku n-
gen der Regelung abzustellen (vgl. BAGE 99, 31, 38; 106, 374, 383).
Über die Vereinbarkeit der vom Kläger beanstandeten Ungleichbehan d-
lung mit Art. 3 Abs. 1 GG kann deshalb - anders als das Berufungsge-
richt meint - ohne Klärung der tatsächlichen Auswirkungen der bea n-
standeten Ungleichbehandlung nicht entschieden werden.
(a) Der Kläger hat anhand eines Beispiels dargelegt, dass die
Übergangsregelung für rentenferne Versicherte mit einer berufsständ i-
schen Grundversorgung zu wesentlich höheren Startgutschriften führen
könne als die Übergangsregelung für rentennahe Versicherte. Er hat wei-
ter darauf verwiesen, dass bei der Beklagten etwa 35.000 Ärzte vers i-
chert seien und weitere Berufsgruppen mit berufsständischen Grundver-
sorgungen hinzukämen. Da dem Kläger die maßgeblichen Daten im Üb-
rigen nicht zugänglich sind, hat er seiner Darlegungslast mit den vorge-
nannten Angaben zunächst genügt. Im Weiteren trifft die Beklagte eine
sekundäre Darlegungslast, weil nur sie in der Lage ist, Auskunft über die
31
32
- 18 -
Zahl der bei ihr Versicherten mit berufsständischer Grundversorgung, d e-
ren Verteilung auf die Gruppen der rentennahen und rentenfernen Vers i-
cherten und darüber zu geben, in welchem Umfang sich die vom Kläger
beanstandete Ungleichbehandlung auf die Zusatzrenten der begünsti g-
ten rentenfernen Versicherten auswirkt.
(b) Um beurteilen zu können, in welchem Umfang es zu Härten
oder Ungerechtigkeiten kommt, ob sie nur eine verhältnismäßig kleine
Zahl von Versicherten betreffen und wie intensiv die jeweilige Ungleich-
behandlung ist, müssen die tatsächlichen Auswirkungen der beanstand e-
ten Regelung bekannt sein. Dazu reicht es nicht, die Gruppe der insg e-
samt ca. 1,7 Millionen rentenfernen Versicherten zur - daneben möglich-
erweise gering erscheinenden - Zahl der Versicherten mit berufsständi-
scher Grundversorgung in Bezug zu setzen, denn die nach Art. 3 Abs. 1
GG gebotene Prüfung ist auch darauf zu erstrecken, ob eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressate n anders be-
handelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von
solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfert i-
gen können. Entscheidend ist deshalb, die Gruppe der Versicherten mit
einer berufsständischen Grundversorgung in den Blick zu nehmen und
danach zu fragen, für wie viele rentenferne Versicherte dieser Gruppe
und in welchem Umfang sich die Übergangsregelung konkret günstiger
auswirkt als die Übergangsregelung für rentennahe Versicherte. Dabei
darf nicht allein auf die jeweiligen Startgutschriften abgestellt, sondern
müssen die am Ende nach dem neuen Punktesystem voraussichtlich zu
leistenden Zusatzrenten verglichen werden. Da die Systemumstellung
mit weiteren Nachteilen für die Versicherten einhergehen kann, profiti e-
ren von der Anwendung des Näherungsverfahrens anstelle der Errec h-
nung der Grundversorgung möglicherweise vorwiegend diejenigen "ren-
33
- 19 -
tennäheren rentenfernen" Versicherten, bei welchen die Startgutschrift
die Höhe der Zusatzrente in besonderem Maße beeinflus st. Wie groß
diese Gruppe Versicherter ist und in welchem Umfang ihr Vorteile ge-
genüber rentennahen Versicherten entstehen, hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt. Seine diesbezüglichen Ausführungen stützen sich auf
eine bloße Vermutung.
(c) Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Begründung, mit
der das Berufungsgericht bisher von einer weitergehenden Klärung der
vorgenannten Fragen abgesehen hat. Es hat ausgeführt, eine mögliche
Begünstigung rentenferner berufsständisch grundversorgter V ersicherter
sei lediglich eine unbeabsichtigte Nebenfolge der mit dem Näherungsve r-
fahren verbundenen Pauschalierung und der Gestaltungsspielraum der
Tarifvertragsparteien sei bei der Gewährung solcher Vorteile größer als
bei einer Benachteiligung von Normadressaten. Im Lichte der Wertent-
scheidungen des Grundgesetzes erscheine es leichter erträglich, wenn
gelegentlich einer Typisierung Personen in den Genuss ihnen - nach
dem Regelungszweck - nicht gebührender Vorteile kämen, als wenn Per-
sonen von ihnen zustehenden Vorteilen ausgeschlossen würden. Schon
deshalb könne in Kauf genommen werden, dass ein "mäßiger Prozent-
satz" von Personen solche - nach der Idee der Übergangsregelung
zweckwidrigen - Vorteile erlange. Zudem werde der Gestaltungsspiel-
raum des Normgebers hier noch dadurch erweitert, dass der Übergangs-
regelung - gerade auch, soweit diese auf eine Meistbegünstigungsrege-
lung verzichte - eine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien zu-
grunde liege, deren Kompromisscharakter zu berücksichtigen sei. De s-
halb sei eine gleichheitswidrige Benachteiligung rentennaher berufsstä n-
disch grundversorgter Versicherter selbst dann nicht anzunehmen, wenn
man mit dem Kläger davon ausginge, dass diese Gruppe nicht nur eine
34
- 20 -
verhältnismäßig kleine Zahl Versicherter umfasse und ihr Vorteile in dem
vom Kläger angeführten Umfang entgingen.
(d) All das macht es nicht entbehrlich, im Rahmen der nach Art. 3
Abs. 1 GG gebotenen Abwägung auch die tatsächlichen quantitativen
Auswirkungen der beanstandeten Ungleichbehandlung festzustellen. Für
seine Annahme, lediglich eine relativ geringe Zahl berufsständisch Ver-
sicherter (ein "mäßiger Prozentsatz") erlange Vorteile, die mit dem
Grundgedanken der Systemumstellung nicht zu vereinbaren seien, fehlt
aber eine ausreichende Tatsachengrundlage, weil weder die Größenord-
nung der von der Übergangsregelung Begünstigten noch der Umfang der
Begünstigungen noch die Größe der in Bezug genommenen, nicht b e-
günstigten Vergleichsgruppe bekannt ist.
35
- 21 -
Dem wird das Berufungsgericht nach ergänzendem - von der Be-
klagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast geschuldetem -
Vortrag nachzugehen haben.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.01.2011 - 6 O 252/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.09.2011 - 12 U 75/11 -
36