Urteil des BGH vom 28.02.2007

Berichtigungsbeschluss

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 165/04 Verkündet
am:
28. Februar 2007
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 138 Cd, 242 D
a) Ein Ehevertrag, durch den der vereinbarte nacheheliche Unterhalt nach den Einkommens-
verhältnissen bei Vertragsschluss bemessen worden ist, ist nicht deshalb unwirksam, weil
darin eine Anpassung an künftige Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen aus-
geschlossen wurde. Auch eine richterliche Vertragsanpassung nach § 242 BGB ist im Fall
späterer Einkommenssteigerungen nicht gerechtfertigt.
b) Sind die Ehegatten bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts davon ausgegangen,
dass der voraussichtlich unterhaltsberechtigte Ehegatte in der Ehe die Haushaltsführung und
Kindesbetreuung mit einer teilweisen Erwerbstätigkeit verbinden werde, so kommt, wenn
dieser Ehegatte in der Ehe nicht erwerbstätig ist, eine richterliche Vertragsanpassung nur in
Betracht, wenn die vorgestellte, aber nicht verwirklichte Teilerwerbstätigkeit dieses
Ehegatten erheblich sein sollte und ihm ein unverändertes Festhalten am Ehevertrag des-
halb nicht zumutbar ist.
c) Die richterliche Vertragsanpassung führt in einem solchen Fall nur in dem Umfang zu einer
Anhebung des vereinbarten Unterhalts, in dem der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach den
Vorstellungen der Ehegatten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einer Teilerwerbstätigkeit
hätte nachgehen sollen; hinsichtlich des Teils seiner Arbeitskraft, den dieser Ehegatte nach
den dem Vertrag zugrunde liegenden Vorstellungen der Ehegatten auf die Haushaltsführung
und Kindesbetreuung hätte verwenden sollen, bewendet es dagegen bei der ehevertragli-
chen Unterhaltsregelung.
d) Durch die richterliche Vertragsanpassung darf der Ehegatte nicht besser gestellt werden, als
er sich ohne die Ehe und seinen mit dieser einhergehenden Erwerbsverzicht stünde.
BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 165/04 -
OLG Karlsruhe
AG
Heidelberg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Februar 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 16. Zivilsenats
- Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe
vom 15. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Ober-
landesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Höhe des nachehelichen Unterhalts.
1
Sie schlossen am 7. Dezember 1987 einen Ehevertrag, indem sie Güter-
trennung vereinbarten und zum Unterhalt folgende Regelung trafen:
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"Für den Fall der Scheidung ist der etwaige Unterhaltsberechtigte be-
rechtigt, von dem Unterhaltsverpflichteten einen monatlichen Unterhalt in
Höhe des Gehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe A
3,
10. Dienstaltersstufe - ohne Ortszuschlag - zu verlangen. Ein etwaiger
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Zuverdienst des Unterhaltsberechtigten bleibt bis zur Höhe dieses Un-
terhaltsbetrags bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht."
3
Die Antragsgegnerin (Ehefrau, geb. 21. September 1948) war bei Ab-
schluss des Ehevertrags schwanger. Am 30. Dezember 1987 schlossen die
Parteien die - für beide Parteien zweite - Ehe, aus der eine am 7. Juli 1988 ge-
borene Tochter hervorging. Seit August 2002 leben die Parteien getrennt. Das
Amtsgericht hat mit Verbundurteil vom 24. Oktober 2003 die Ehe geschieden,
den Versorgungsausgleich geregelt und den Antragsteller (Ehemann, geb.
31. Juli 1944) zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe eines von diesem
anerkannten Betrags von 1.782,72 € verurteilt; die weitergehende Unterhalts-
klage der Ehefrau, die einen konkreten Unterhaltsbedarf von 4.915 € geltend
macht und zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt (994,50 €) sowie Krankheitsvor-
sorgeunterhalt (271 €) verlangt, hat es abgewiesen.
Auf die Berufung der Ehefrau hat das Oberlandesgericht das Urteil ab-
geändert und den Ehemann verurteilt, an sie ab dem 1. April 2004 Unterhalt in
Höhe von monatlich 3.492 € zu zahlen.
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Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Ehe-
mann erstrebt die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils zum Unter-
halt; die Ehefrau verfolgt ihr über das erstinstanzliche Urteil hinausgehendes
Unterhaltsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
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Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Oberlandesgericht hält die Voraussetzungen für einen Unterhaltsan-
spruch der Ehefrau wegen Erwerbslosigkeit dem Grunde nach für gegeben. Sie
habe nach zwanzigjähriger Pause in ihrem Berufsleben trotz nachhaltiger, um-
fänglicher, letztlich aber vergeblicher Bemühungen um einen Arbeitsplatz keine
reale Anstellungschance auf dem Arbeitsmarkt. Das wird auch vom Ehemann,
der ihren Unterhaltsanspruch in Höhe des ehevertraglich vereinbarten Betrages
anerkannt hat, nicht in Zweifel gezogen.
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1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts regelt der Ehevertrag nicht,
wie die Ehefrau geltend macht, lediglich einen Mindestunterhalt. Denn der Satz,
nach dem "ein etwaiger Zuverdienst des Unterhaltsberechtigten … bis zur Hö-
he" des vereinbarten "Unterhaltsbetrages bei der Unterhaltsberechnung außer
Betracht" bleibe, eröffne gerade die Möglichkeit, den Unterhalt herabzusetzen,
wenn der Zuverdienst die festgelegte Höhe überschreiten sollte. Auch könne
die Regelung nicht dahin verstanden werden, dass der Unterhalt sich nach den
ehelichen Lebensverhältnissen bestimmen sollte - und zwar auch dann, wenn
der sich daraus ergebende Unterhalt höher läge als der vereinbarte Unterhalt;
denn dann hätten die Parteien auf eine vertragliche Regelung verzichten kön-
nen. Vielmehr hätten die Parteien, wie sich auch aus ihrer Anhörung ergebe,
die Unterhaltslast auf einen bestimmten Betrag beschränken, aber mit der An-
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koppelung an die Beamtenversorgung eine Wertsicherung erreichen wollen.
Motiv sei gewesen, dass der Ehemann nach einer gescheiterten Ehe, aus der
zwei Kinder hervorgegangen seien, das Risiko einer weiteren Unterhaltslast in
überschaubarem Rahmen habe halten wollen.
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2. Diese Regelung sei nicht sittenwidrig. Ein Anspruch auf nachehelichen
Unterhalt sei nicht ausgeschlossen, sondern - gleichgültig aus welchem Unter-
haltstatbestand herrührend - der Höhe nach begrenzt worden. Diese Höhe sei
nach Auffassung beider Parteien unter Berücksichtigung der damaligen Le-
bensverhältnisse angemessen gewesen. Das bereinigte Nettoeinkommen des
Ehemannes, der gegenüber zwei Kindern aus erster Ehe Unterhalt in Höhe von
mindestens 1.570 DM monatlich geschuldet habe, habe sich damals auf
4.530 DM belaufen; bei einer Quote von 3/7 habe sich deshalb ein Unterhalt
von knapp 2.000 DM ergeben. Eine Zwangslage, in der sich die Ehefrau auf-
grund ihrer Schwangerschaft bei Vertragsschluss befunden haben möge, be-
gründe keine Nichtigkeit, weil der Ehevertrag damals keine einseitige Lasten-
verteilung im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts herbeigeführt habe.
Durch die Abrede über einen möglichen Zuverdienst habe sich eher eine Bes-
serstellung der Ehefrau gegenüber der gesetzlichen Regelung ergeben.
3. Die vereinbarte Unterhaltsbegrenzung sei jedoch im Wege der richter-
lichen Ausübungskontrolle zu korrigieren.
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Betrachte man die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Scheiterns der eheli-
chen Lebensgemeinschaft, so ergebe sich eine Belastung der Ehefrau daraus,
dass sich die Einkommensverhältnisse des Ehemannes im Verlauf der Ehe au-
ßergewöhnlich gut entwickelt hätten, ein an den ehelichen Lebensverhältnissen
orientierter Bedarf der Ehefrau somit weit über dem in der Vereinbarung festge-
legten Unterhalt liege. Erschwerend komme hinzu, dass die Parteien bei Ab-
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schluss des Ehevertrags die - auch in der Vertragsbestimmung über die An-
rechnung eigenen Einkommens zum Ausdruck kommende - Vorstellung gehabt
hätten, die Ehefrau werde während der Ehe neben der Versorgung des Kindes
wieder arbeiten und sich zusätzlich als Autorin von Kochbüchern einen gerin-
gen Zuverdienst verschaffen. Diese Vorstellung habe sich nicht verwirklicht, da
die Ehefrau in der Ehe nicht erwerbstätig gewesen sei.
Da die Ehefrau heute im Hinblick auf ihr Alter keine reale Chance zum
Wiedereinstieg in das Berufsleben habe, habe sich für sie aus der gemeinsa-
men Entscheidung zur Führung einer Hausfrauenehe mit dem Scheitern der
Ehe ein Nachteil ergeben, den allein zu tragen ihr nicht zugemutet werden kön-
ne. Da mit dem Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und dem Aufstockungsunter-
halt nur Unterhaltsansprüche am Rande des Kernbereichs betroffen seien, er-
scheine es zwar nicht gerechtfertigt, der Ehefrau den vollen, sich an den eheli-
chen Lebensverhältnissen orientierenden Unterhalt zuzugestehen; jedoch seien
die ehebedingten Erwerbsnachteile auszugleichen. Für deren Bemessung kön-
ne auf die Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Ehevertrags zurückge-
griffen werden. Danach sei den Parteien ein in der Ehe zu erzielender Zuver-
dienst der Ehefrau - als der im Scheidungsfall voraussichtlich Unterhaltsberech-
tigten - in Höhe des festgesetzten Unterhaltsbetrags durchaus wahrscheinlich
und angemessen erschienen. Deshalb habe der Ehefrau einen solches zusätz-
liches Einkommen auch im Scheidungsfall weiterhin anrechnungsfrei zustehen
sollen. Deshalb könne die Ehefrau nunmehr - nachdem sich die Vorstellung
eines in der Ehe zu erzielenden und auch über den Scheidungszeitpunkt hinaus
erreichbaren Zuverdienstes zerschlagen habe - Unterhalt in Höhe des zweifa-
chen Grundgehalts der Besoldungsgruppe A 3 beanspruchen. Damit seien
auch Alters- und Krankenvorsorgeunterhalt abgegolten.
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II.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem
Umfang stand.
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1. Der Ehemann schuldet der Ehefrau, die trotz hinreichender Bemühun-
gen keinen Arbeitsplatz mehr findet, Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573
Abs. 1 BGB). Die Höhe des Unterhalts bestimmt sich nicht nach den ehelichen
Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB), da die Parteien in ihrem Ehevertrag
insoweit eine eigenständige Regelung getroffen haben. Zwar hat die Ehefrau
behauptet, die Parteien hätten mit ihrem Ehevertrag lediglich einen Mindestun-
terhalt festschreiben wollen. Dem ist das Oberlandesgericht indes nicht gefolgt.
Seine Auffassung, die Parteien hätten mit ihrem Ehevertrag die Unterhaltsver-
pflichtung des Ehemannes als des mutmaßlichen Unterhaltsschuldners der Hö-
he nach begrenzen wollen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Sie beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des Ehevertrags, die vom
Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob gesetzliche oder all-
gemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfah-
rungssätze verletzt sind oder ob sie auf Verfahrensfehlern beruht. Derartige
Auslegungsfehler hat die Revision der Ehefrau nicht aufgezeigt. Soweit sie rügt,
die Unterhaltsvereinbarung sei "so schwammig und schlecht formuliert", dass
sie keine geeignete Grundlage zur Ermittlung des Unterhaltsanspruchs darstel-
le, kann sie damit nicht durchdringen. Auch wenn man den Wortlaut der getrof-
fenen Abrede - mit der Revision der Ehefrau - als unzulänglich ansehen wollte,
so wäre doch von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass Vertragsparteien mit
der von ihnen getroffenen Abrede einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck ins
Auge gefasst und verfolgt haben, den sie mit der gewählten Formulierung zum
Ausdruck bringen wollten. Nur in Ausnahmefällen kann deshalb die Möglichkeit
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in Betracht gezogen werden, dass sich ein Vertrag - etwa wegen seines absolut
widerspruchsvollen oder widersinnigen Inhalts - als einer Auslegung nicht zu-
gänglich erweist (BGHZ 20, 109, 110). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
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2. Das Oberlandesgericht hat den Ehevertrag auch zu Recht für wirksam
erachtet.
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Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa BGHZ 158, 81 =
FamRZ 2004, 601 und Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ
2005, 1444), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen zwar
nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch
vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der
Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung
der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung ent-
stünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener
Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in
die Geltung der getroffenen Abrede - unter verständiger Würdigung des We-
sens der Ehe unzumutbar erscheint. Im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle
hat das Oberlandesgericht deshalb zunächst zu prüfen, ob die vereinbarte Be-
grenzung des Unterhalts, allein oder im Zusammenhang mit den übrigen Rege-
lungen des Ehevertrags, schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkun-
dig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt,
dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und
ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Aner-
kennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist,
dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB).
Diese Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht verneint, weil die ver-
tragliche Regelung - gemessen an den Verhältnissen im Zeitpunkt des Ver-
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tragsschlusses - keine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau
begründet habe. Es hat dies aus dem Umstand gefolgert, dass die vereinbarte
Unterhaltshöhe in etwa der am damaligen bereinigten Nettoeinkommen des
Ehemannes ausgerichteten Unterhaltsquote entsprach. Die Ehefrau sei durch
die Möglichkeit eines anrechnungsfreien Zuverdienstes in gleicher Höhe sogar
über die gesetzliche Regelung hinaus begünstigt worden. Dies ist frei von
Rechtsirrtum; auch die Revision der Ehefrau erinnert hiergegen nichts. Nicht zu
beanstanden ist auch, dass das Oberlandesgericht die Abrede nicht schon des-
halb für unwirksam erachtet hat, weil die Ehefrau bei deren Abschluss schwan-
ger war. Wie das Oberlandesgericht zu Recht ausgeführt hat, vermag - jenseits
der Anfechtungsgründe des § 123 BGB - die durch eine Schwangerschaft be-
gründete Zwangslage der Ehefrau Zweifel an der Wirksamkeit nur zu begrün-
den, wenn durch den Vertrag für den Scheidungsfall eine einseitige Lastenver-
teilung zum Nachteil der Schwangeren herbeigeführt wird. Dies war, wie darge-
legt, hier im maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht der Fall.
3. Nicht frei von Rechtsirrtum ist allerdings, dass das Oberlandesgericht
die Höhe des geschuldeten Unterhalts nach dem Doppelten des im Ehevertrag
vereinbarten Unterhaltssatzes bemessen hat.
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a) Hält ein Ehevertrag, wie hier, der Wirksamkeitskontrolle stand, so
muss der Tatrichter nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen der Aus-
übungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Ver-
trag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall
gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungs-
folge darauf beruft, dass diese durch den Ehevertrag wirksam abbedungen sei.
Dafür ist entscheidend, ob sich nunmehr - im Zeitpunkt des Scheiterns der
Ehe - aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident ein-
seitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten
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auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten
und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei ver-
ständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist. Das kann insbeson-
dere dann der Fall sein, wenn die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der
ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde
liegenden Lebensplanung grundlegend abweicht (vgl. etwa Senatsurteile
BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606 und vom 25. Mai 2005 - XII ZR
296/01 = FamRZ 2005, 1444, 1446).
b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht festgestellt.
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aa) Eine die Vertragsanpassung rechtfertigende erhebliche Abweichung
der tatsächlichen Verhältnisse in der Ehe von der ursprünglichen Lebenspla-
nung der Ehegatten kann - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts -
nicht in dem Umstand gefunden werden, dass der Ehemann nach Abschluss
des Ehevertrags eine außergewöhnliche Steigerung seines Einkommens erzielt
hat. Denn mit der im Ehevertrag vorgesehenen Limitierung des nachehelichen
Unterhalts haben die Parteien festgelegt, dass sich die Unterhaltshöhe gerade
nicht nach den jeweiligen ehelichen Lebensverhältnissen bemessen, sondern
sich nach der dort genannten Gruppe der Beamtenbesoldung als einer dynami-
schen Bezugsgröße bestimmen soll. Da der Ehevertrag wirksam ist, ist die von
den Parteien gewollte Abkoppelung des nachehelichen Unterhalts von der spä-
teren Einkommensentwicklung der Parteien bindend.
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bb) Eine grundlegende Abweichung der tatsächlichen ehelichen Lebens-
verhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag zugrunde liegenden Le-
bensplanung könnte aber darin begründet sein, dass die Parteien bei Vertrags-
schluss über die Aufteilung von Erwerbstätigkeit einerseits und Haushaltsfüh-
rung sowie Kinderbetreuung andererseits Vorstellungen hatten, die sie später
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nicht in der vorgestellten Weise umgesetzt haben. Das wäre möglicherweise
dann der Fall, wenn die Parteien bei Abschluss ihres Ehevertrags davon aus-
gegangen sind, die Ehefrau werde neben der Haushaltsführung und Kinder-
betreuung in nicht unerheblichem Umfang - sei es in ihrem erlernten Beruf, sei
es als Autorin von Kochbüchern oder in sonstiger Weise - erwerbstätig sein,
und wenn diese Erwartung nicht verwirklicht worden ist.
Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die Ehefrau in der Ehe
nicht erwerbstätig war; es hat jedoch keine Feststellungen zu der Frage getrof-
fen, ob und in welchem Umfang die Ehefrau nach den Vorstellungen, welche
die Parteien beim Vertragsschluss hatten, in der Ehe hätte erwerbstätig sein
sollen. Auch hat es nicht festgestellt, warum die Parteien ihre etwaige Vorstel-
lung, die Ehefrau solle auch in der Ehe - neben der Haushaltsführung und der
Betreuung des gemeinsamen Kindes - in nicht unerheblichem Umfang erwerbs-
tätig sein, nicht weiterverfolgt haben. Nur eine solche Feststellung würde indes
eine Beantwortung der Frage erlauben, inwieweit der Ehefrau ein Festhalten
am Ehevertrag im Hinblick darauf unzumutbar ist, dass sie - entgegen den ur-
sprünglichen und für die vertragliche Abrede maßgebenden Planungen der Par-
teien - in der Ehe dann doch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Für die
danach notwendigen Feststellungen trägt die Ehefrau die Darlegungslast, der
sie allerdings bislang nicht nachgekommen ist.
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c) Die genannten Voraussetzungen müssen nicht nur erfüllt sein, damit
überhaupt eine richterliche Vertragsanpassung Platz greifen kann; sie be-
schränken auch die Reichweite einer solchen Anpassung. Eine richterliche Ver-
tragsanpassung kommt nur in Betracht, soweit die Vorstellungen, welche die
Parteien bei Abschluss des Ehevertrags von der künftigen Erwerbstätigkeit der
Ehefrau hatten, von der später tatsächlich geführten "Hausfrauenehe" erheblich
abgewichen sind und der Ehefrau wegen dieser Abweichung ein Festhalten am
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Ehevertrag nicht zugemutet werden kann. Soweit hingegen die dem Ehevertrag
zugrunde liegenden Vorstellungen der Parteien mit der späteren Gestaltung des
ehelichen Lebens in Einklang stehen oder sich nur unwesentlich anders entwi-
ckelt haben, ist für eine Vertragsanpassung von vornherein kein Raum; insoweit
bleiben vielmehr die im - wirksamen - Ehevertrag getroffenen Regelungen un-
verändert in Geltung.
Im vorliegenden Fall sind die Parteien davon ausgegangen, dass sich die
Ehefrau zumindest mit einem Teil ihrer Arbeitskraft der Haushaltsführung und
der Kindesbetreuung widmen würde. Ein auf diesen Teil ihrer Tätigkeit entfal-
lender Erwerbsverzicht sollte - für den Scheidungsfall - durch den ihr im Ehever-
trag zugebilligten Unterhaltsbetrag ausgeglichen werden. Da der Ehevertrag
wirksam ist, hat es insoweit mit der ehevertraglichen Regelung sein Bewenden.
Etwas anderes gilt nur insoweit, als die Parteien beim Vertragsabschluss davon
ausgegangen sind, die Ehefrau werde in der Ehe in nicht unerheblichem Um-
fang auch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die sie nach einer etwaigen
Scheidung fortsetzen könnte. Nur hinsichtlich dieses - in seinem Umfang, wie
dargelegt, bislang nicht festgestellten - Teilbereichs fallen die dem Ehevertrag
zugrunde liegenden Vorstellungen der Parteien und deren spätere tatsächliche
Lebensführung auseinander. Nur dieser Teilbereich ist folglich auch einer rich-
terlichen Vertragsanpassung zugänglich; nur im Rahmen der von den Ehegat-
ten vorgestellten, aber nicht verwirklichten Erwerbsarbeit der Ehefrau in der Ehe
käme deshalb ein über die ehevertragliche Regelung hinausgehender unter-
haltsrechtlicher Ausgleich für den weitergehenden Erwerbsverzicht der Ehefrau
in Betracht.
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Dieser einer etwaigen richterlichen Vertragsanpassung verbleibende
Teilbereich kann nicht dadurch der veränderten Entwicklung angepasst werden,
dass der Ehefrau - wie im angefochtenen Urteil geschehen - ein zusätzlicher
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Unterhaltsbetrag zuerkannt wird, der sich nach dem ihr nach dem Ehevertrag
anrechnungsfrei verbleibenden Zuverdienst bestimmt. Das wäre nur dann ge-
rechtfertigt, wenn die Parteien - nach ihren Vorstellungen im Zeitpunkt des Ehe-
vertrags - davon ausgegangen wären, die Ehefrau werde in der Ehe einen Zu-
verdienst in dieser Höhe erzielen und deshalb auch nach der Beendigung der
Ehe durch Scheidung erzielen können. Dafür ist indes bislang nichts dargetan.
d) Durch richterliche Anpassung von Eheverträgen sollen ehebedingte
Nachteile ausgeglichen werden. Solche Nachteile liegen vor, wenn ein Ehegatte
um der gemeinsamen Lebensplanung willen für sein berufliches Fortkommen
Risiken auf sich genommen hat, und wenn diese Risiken sich aufgrund von
Abweichungen der bei Vertragsschluss vorgestellten Lebenssituation von der
späteren tatsächlichen Lebenslage im Scheidungsfall als Nachteil konkretisie-
ren. Denn es geht nicht an, dass das Risiko des Fehlschlagens eines gemein-
samen Lebensplanes einseitig nur einen Partner belastet. Daraus folgt aller-
dings zugleich, dass ein durch einen wirksamen Ehevertrag benachteiligter
Ehegatte im Rahmen der Ausübungskontrolle auch nicht besser gestellt werden
darf, als er sich ohne die Übernahme dieser Risiken - also insbesondere bei
kontinuierlicher Fortsetzung seines vorehelichen Berufswegs - stünde.
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Auch wenn im vorliegenden Fall - unter Berücksichtigung der unter b)
und c) dargestellten Gesichtspunkte - eine Vertragsanpassung zugunsten der
Ehefrau in Betracht käme, so könnte ein ihr zuzubilligender Unterhaltsbetrag
deshalb jedenfalls den Verdienst nicht überschreiben, den sie erzielt hätte,
wenn sie nach ihrer ersten Ehe nicht den Antragsteller geheiratet und in der mit
ihm geführten Ehe auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hätte. Darüber hinaus ist
im vorliegenden Fall auch zu bedenken, dass Nachteile, die sich für die "Be-
rufsbiographie" der Ehefrau ergeben, weil diese bereits während und nach ihrer
ersten Ehe, aus der ebenfalls ein Kind hervorgegangen ist, nur teilweise er-
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werbstätig war, nicht - als Ausgleichung ehebedingter Nachteile - auf den Ehe-
mann der zweiten Ehe verlagert werden können. Ob die Ehefrau - sofern die
übrigen Voraussetzungen einer richterlichen Vertragsanpassung vorliegen - bei
Anwendung dieser Grundsätze das Zweifache der im Ehevertrag in Bezug ge-
nommenen Beamtenbesoldung als Unterhalt beanspruchen könnte, erscheint
nach den vorliegenden Daten ihrer Erwerbsbiographie zweifelhaft und bedarf
tatrichterlicher Klärung.
III.
Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat
vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da es - wie dargelegt -
an den erforderlichen Feststellungen zu den im Rahmen der richterlichen
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Ausübungskontrolle maßgebenden Umständen fehlt. Diese Feststellungen wird
das Berufungsgericht nachzuholen haben.
Hahne
Sprick
Weber-Monecke
Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Heidelberg, Entscheidung vom 24.10.2003 - 36 F 234/02 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.07.2004 - 16 UF 238/03 -