Urteil des BGH vom 05.06.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 17/07
Verkündet
am:
5. Juni 2008
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
StPO § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2; InsO § 129
Die Einstellung eines Strafverfahrens darf nicht von der Zahlung einer Geldauflage
an die Staatskasse abhängig gemacht werden, wenn der Angeschuldigte durch die
Erfüllung der Auflage seine Gläubiger benachteiligt.
InsO § 134 Abs. 1
Entrichtet der Angeschuldigte einen Geldbetrag an die Staatskasse, um eine Auflage
zu erfüllen, von der die Einstellung eines Strafverfahrens gegen ihn abhängt, erbringt
er keine unentgeltliche Leistung, wenn die erteilte Auflage in einem ausgewogenen
Verhältnis zu dem Verurteilungsrisiko und dem öffentlichen Interesse an der Durch-
setzung des staatlichen Strafanspruchs steht.
InsO § 133 Abs. 1
Die vom Schuldner an die Staatskasse geleisteten Zahlungen können vom Insol-
venzverwalter zurückverlangt werden, wenn der Schuldner die hierdurch bewirkte
Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, um durch Erfül-
lung einer entsprechenden Auflage die Einstellung eines gegen ihn laufenden Straf-
verfahrens zu erreichen, während die Staatsanwaltschaft wusste, dass die Zahlungs-
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unfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die geleisteten Zahlungen seine
Gläubiger benachteiligten.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - IX ZR 17/07 - LG Würzburg
AG Würzburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf das am 23. Mai 2008 ge-
schlossene schriftliche Verfahren durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,
die Richter Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Würzburg vom 7. Februar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Das Landgericht H. stellte am 19. September 2002 ein Strafverfahren
wegen Verdachts der Begünstigung des Mitangeklagten M. in 38 Fällen des
Anlagebetruges mit Zustimmung des Angeklagten K. und der Staatsanwalt-
schaft nach § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein. Als Voraussetzung der endgülti-
gen Einstellung wurde K. die ratenweise Zahlung von 2.400 € an die Staatskas-
se auferlegt. K. überwies die beiden ersten Raten von je 400 € am 1. Oktober
und 15. November 2002. Am 3. Dezember 2002 ging sein Antrag auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht W. ein. In der Zeit vom
5. Februar bis zum 11. März 2003 entrichtete K. die weiteren Raten der Geld-
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auflage an die Staatskasse und erlangte daraufhin am 20. März 2003 die end-
gültige Einstellung des Strafverfahrens.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des K. wurde auf den ge-
stellten Eigenantrag hin am 8. Oktober 2003 eröffnet und der Kläger zum Ver-
walter bestellt. Im Mai 2004 focht dieser gegenüber dem beklagten Freistaat die
der Einstellungsauflage gemäß erbrachten Zahlungen an. Er verlangt mit der
Klage den Zahlbetrag zur Insolvenzmasse zurück.
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Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen
Sachantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
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I.
Das Landgericht hat in seinem Berufungsurteil ausgeführt: Die Klage for-
dere keine unentgeltliche Leistung des Schuldners zurück. Denn das Strafver-
fahren gegen den Schuldner sei in Abhängigkeit von der Auflagenerfüllung end-
gültig eingestellt worden. Die Leistung des Schuldners beruhe nicht auf Freigie-
bigkeit, sondern auf dem Druck der drohenden Fortsetzung des Strafverfah-
rens. Auch ein mittelbarer geldwerter Vorteil der Masse könne sich durch die
Einstellung ergeben, falls sonst eine höhere Geldstrafe verhängt worden wäre.
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Eine Deckungsanfechtung komme nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht In-
solvenzgläubiger des Schuldners geworden sei. Ebenso scheide eine Anfech-
tung gemäß § 132 InsO aus, weil kein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vor-
schrift vorliege. Es fehle an einem zivilrechtlichen Vertrag.
II.
Demgegenüber rügt die Revision fehlerhafte Rechtsanwendung, die
auch darin bestehe, dass sich das Berufungsgericht mit der Vorsatzanfechtung
nicht befasst habe. Der Schuldner sei nach seinem lediglich mit Nichtwissen
bestrittenen Vortrag in den Tatsacheninstanzen bei Entrichtung der Geldauflage
infolge von Verbindlichkeiten in Millionenhöhe - namentlich gegenüber der
Stadtsparkasse B. und geschädigten Kapitalanlegern - zahlungsunfähig
gewesen. Bereits im Jahre 2000 habe er deswegen die eidesstattliche Versi-
cherung abgegeben. Aus dem Ermittlungsverfahren gegen den Schuldner und
der Hauptverhandlung sei der Staatsanwaltschaft des beklagten Freistaates
dies bekannt gewesen. Die Ratenzahlung der Geldauflage habe dem Schuldner
gerade deswegen bewilligt werden müssen, weil er zur Einmalzahlung nicht
imstande gewesen sei.
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III.
Die vorgenannte Rüge der Revision greift durch.
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1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Anfech-
tungsgründe der §§ 130, 132 und 134 InsO verneint.
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a) Es kann dahinstehen, ob die Verfahrenseinstellung gemäß § 153a
Abs. 2 StPO als Rechtsgeschäft des Schuldners nach § 132 Abs. 1 InsO aufge-
fasst werden kann, weil sie von seiner Zustimmung abhängt. Jedenfalls sind
hierdurch die Insolvenzgläubiger des angeklagten Schuldners noch nicht unmit-
telbar benachteiligt worden, weil dessen Vermögen erst durch die ihm auferleg-
ten Zahlungen an die Staatskasse beeinträchtigt wurde. Vorher stand es dem
Schuldner trotz seiner Zustimmung zu der vorläufigen Verfahrenseinstellung
frei, ob er die auferlegten Zahlungen erbrachte. Eine neue Verbindlichkeit zu
Lasten seines Vermögens war dadurch nicht begründet worden (vgl. BGHSt 28,
174, 177). Mit Recht hat das Berufungsgericht daher auch eine Anfechtung we-
gen kongruenter Deckung gemäß § 130 InsO ohne weitere Begründung ver-
neint.
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Die auferlegten Zahlungen selbst waren kein einseitiges Rechtsgeschäft
des Schuldners, sondern nur eine geschäftsähnliche Handlung. Diese stellten
auch keine nach § 132 Abs. 2 InsO anfechtbaren Rechtshandlungen dar, weil
sie keine der dort bezeichneten Folgen hatten.
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b) Den Begriff der unentgeltlichen Leistung verwendet § 134 InsO gleich-
bedeutend mit § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO. In ständiger Rechtsprechung hat der
Bundesgerichtshof danach eine Leistung als unentgeltlich im Sinne der §§ 32
KO, 134 InsO angesehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine
Leistung des Empfängers gegenübersteht, die dem aufgegebenen Vermö-
genswert entspricht (BGHZ 113, 98, 101; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279; BGH,
Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156, 1157; v. 20. Juli 2006
- IX ZR 226/03, WM 2006, 1731 f; v. 9. November 2006 - IX ZR 285/03, WM
2007, 708, 709 Rn. 15; v. 19. April 2007 - IX ZR 79/05, ZIP 2007, 1118, 1120
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Rn. 16; v. 16. November 2007 - IX ZR 194/04, WM 2008, 173, 174 Rn. 8, z.V.b.
in BGHZ; v. 13. März 2008 - IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975, 976 Rn. 7). Hierüber
entscheidet grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte
(BGHZ 113, 98, 102 f; 113, 393, 395 f; 162, 276, 280 f; BGH, Urt. v. 30. März
2006, aaO; v. 9. November 2006, aaO). Die bisherige Formel ist jedoch nur auf
Austauschverträge zugeschnitten. Wie im Falle des gerichtlichen oder außerge-
richtlichen Vergleichs (siehe dazu BGH, Urt. v. 9. November 2006, aaO) ver-
langt auch die Prüfung einer Verfahrenseinstellung im Strafverfahren gegen
Erfüllung einer Auflage gemäß § 153a Abs. 2 StPO eine sinngemäße Fortbil-
dung dieses Grundsatzes.
Im Schrifttum wird die rechtsähnliche Bewährungsauflage gemäß § 56b
Abs. 2 Nr. 4 StGB teils als unentgeltliche Leistung beurteilt (Brömmekamp ZIP
2001, 951, 953), teils wird § 134 InsO als nicht anwendbar betrachtet (Ahrens
NZI 2001, 456, 459).
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Die zuletzt genannte Auffassung ist im Ergebnis zutreffend. Der Ange-
schuldigte erreicht durch die Erfüllung der Auflage gemäß § 153a Abs. 2 Satz 2
und Abs. 1 Satz 5 StPO, dass seine angeklagte Straftat nicht mehr als Verge-
hen verfolgt werden kann. Der Staat verzichtet damit auf die Durchsetzung sei-
nes Strafanspruchs. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen rechtsge-
schäftlich vereinbarten Leistungsaustausch, sondern um eine Rechtsfolge des
gerichtlichen Einstellungsbeschlusses. Leistung und Gegenleistung müssen
aber, um die Anwendung von § 134 InsO auszuschalten, nicht durch ein ver-
tragliches Synallagma verknüpft sein (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl.
§ 134 Rn. 17a; zur Einschaltung dritter Personen vgl. auch BGH, Urt. v.
16. November 2007, aaO). Es genügt für die Entgeltlichkeit auch eine freiwillige
Leistung, die aufschiebende Rechtsbedingung einer Gegenleistung, hier der
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endgültigen Einstellung des Strafverfahrens, ist. Denn nur der Empfänger einer
freigiebigen Zuwendung ist nach § 134 InsO weniger schutzwürdig als derjeni-
ge, der für die erhaltene Leistung oder durch diese eine eigene Rechtsposition
aufgibt (vgl. BGHZ 41, 298, 301; 58, 240, 243; BGH, Urt. v. 25. Juni 1992
- IX ZR 4/91, ZIP 1992, 1089, 1092; Prütting KTS 2005, 253, 255; HK-
InsO/Kreft 4. Aufl., § 134 Rn. 2).
Im Zwei-Personen-Verhältnis hängt die Entgeltlichkeit einer Leistung
auch nicht davon ab, ob ihre Gegenleistung - wie bei den meisten Austausch-
verträgen - dem Vermögen des Leistenden zufließt, wenn sie ihm in anderer
Weise zugute kommt. Das geschieht insbesondere, wenn der leistende Schuld-
ner Geld aufwendet, um sich eigene Rechtsgüter zu erhalten, so etwa in der
Absicht, Gefahren für seine Gesundheit, seine Freiheit oder sein Eigentum
durch Dienstleistungen eines Arztes oder Rechtsanwaltes abzuwenden. Im
Streitfall drohte dem angeklagten Schuldner die Verurteilung in eine Freiheits-
oder Geldstrafe nebst den Kosten des Strafverfahrens.
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Bei der gerichtlichen Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a
Abs. 2 StPO kann auch vorausgesetzt werden, dass das Verurteilungsrisiko des
Angeschuldigten und das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des staatli-
chen Strafanspruchs auf der einen Seite mit den erteilten Einstellungsauflagen
auf der anderen Seite in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Sach-
und Rechtslage ist in diesem Fall nicht anders zu beurteilen, als wenn die Ver-
fahrenseinstellung Gegenstand eines (im Strafprozess nicht zulässigen) Ver-
gleichsvertrages gewesen wäre, durch den die bei verständiger Würdigung des
Sachverhaltes oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit über Grund und
Höhe des staatlichen Strafanspruchs sowie das Interesse an seiner Durchset-
zung durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden sollte.
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2. Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, dass das Berufungsgericht
die Voraussetzungen von § 133 InsO nicht geprüft habe, die nach dem Vortrag
des Klägers erfüllt seien.
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a) Der Kläger hat sich auf den Tatbestand der Vorsatzanfechtung nicht
ausdrücklich berufen. Das schadet ihm prozessual nicht. Die Anfechtung einer
Rechtshandlung muss vom Insolvenzverwalter nicht ausdrücklich als solche
erklärt werden, sondern er übt das Anfechtungsrecht schon dadurch aus, dass
er erkennen lässt, eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz auf Kosten
des Anfechtungsgegners wieder ausgleichen zu wollen (BGHZ 135, 140, 149 ff;
BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003 - IX ZR 336/01, WM 2004, 540; v. 21. Februar
2008 - IX ZR 209/06, ZIP 2008, 888, 889 Rn. 11). Die gesetzliche Vorschrift, auf
welche sich die Anfechtungsklage stützt, braucht der Insolvenzverwalter in sei-
nem Prozessvortrag nicht zu bezeichnen. Es gelten die allgemeinen Grundsät-
ze der Schlüssigkeitsprüfung, welche die richterliche Rechtsfindung auch dann
nicht begrenzen, wenn der Kläger zwar einzelne Anfechtungsvorschriften aus-
drücklich nennt, zu einem anderen Anfechtungstatbestand aber nur den Sach-
verhalt vorträgt (vgl. BGH, Urt. v. 3. Dezember 1998 - IX ZR 313/97, NJW 1999,
645; v. 16. September 1999 - IX ZR 204/98, NJW 1999, 3636, 3637 unter I-
II. 2.).
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b) Der Kläger hat vorgetragen, dass der Schuldner bei Erfüllung der
Geldauflage zugunsten des Beklagten zahlungsunfähig gewesen sei. Diese Be-
hauptung stützte sich auf die Angaben des Schuldners im Ermittlungs- und
Strafverfahren sowie auf weitere Umstände. Sie lassen nur den Schluss zu,
dass der Schuldner selbst von seiner Zahlungsunfähigkeit ausging. Kennt der
Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, so hat er sich typischerweise bei Bewir-
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kung einer Leistung auch die Benachteiligung seiner Gläubiger zumindest als
möglich vorgestellt und in Kauf genommen, ohne sich durch die Vorstellung
dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (vgl. BGHZ 155, 75,
83 f; 162, 143, 153; 167, 190, 194 f Rn. 14). Jedenfalls nach Einreichung des
eigenen Insolvenzantrages ist für die Annahme, der Schuldner könne bei Zah-
lung der weiteren Raten an die Staatskasse die gläubigerbenachteiligenden
Folgen seines Handelns verdrängt und insoweit nur grob fahrlässig gehandelt
haben, praktisch kein Raum mehr.
Der Benachteiligungswille wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es
dem Schuldner allein darauf angekommen sein mag, mit Erfüllung der Einstel-
lungsauflage einer Bestrafung zu entgehen (vgl. auch Jaeger/Henckel, InsO
§ 133 Rn. 23). Der Strafdruck als Motiv gläubigerbenachteiligender Rechts-
handlungen ist bei der anfechtbaren Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen an
die Einzugsstellen der Sozialversicherung geradezu die Regel (vgl. § 266a
StGB), ohne dass dies dem bedingten Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung
entgegensteht. In der eröffneten Hauptverhandlung ergibt sich für den Schuld-
ner bei der Erfüllung einer Einstellungsauflage insoweit nichts anderes.
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Der Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 InsO
setzt auch kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger vor-
aus (BGH, Urt. v. 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598; siehe auch
Kirchhof, Festschrift für Gero Fischer S. 285, 291 f, 294 f) oder irgendeine Art
von Treu- oder Sittenwidrigkeit (Jaeger/Henckel, aaO Rn. 25 m.w.N.). Dem An-
geschuldigten werden zwar, worauf das Amtsgericht abgestellt hat, nach § 153a
Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 6 StPO Teilleistungen an die Staatskasse nicht er-
stattet, wenn er die ihm auferlegten Geldzahlungen nicht vollständig erbracht
hat. Daraus lässt sich aber für die Staatskasse nicht herleiten, dass sie auch im
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Falle einer Insolvenz des Angeschuldigten vor einer anfechtungsrechtlichen
Rückgewähr der Auflagezahlungen an die Insolvenzmasse geschützt ist. Haben
Gericht und Staatsanwaltschaft Kenntnis davon, dass eine Geldauflage zuguns-
ten der Staatskasse die Gläubiger des Angeschuldigten benachteiligt, wenn sie
erbracht wird, so darf eine solche Einstellungsauflage von vornherein nicht an-
geordnet werden.
Für die Einstellungsauflage und ihre anfechtungsrechtliche Rückgewähr
gilt die gleiche Wertung, die auch § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (vorher § 63 Nr. 3 KO)
zugrunde liegt: Die Folgen strafbarer Handlungen des Schuldners sollen nicht
den Insolvenzgläubigern aufgebürdet werden. Wenn deshalb Geldstrafen,
Geldbußen, Ordnungsgelder und ähnliche Sanktionen in der Insolvenz des
Schuldners nur nachrangige Insolvenzverbindlichkeiten sind, so wäre es wider-
sprüchlich, zur Einstellung eines Strafverfahrens gezahlte Geldauflagen zum
Nachteil der Masse vor einer anfechtungsrechtlichen Rückforderung besonders
zu schützen.
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c) Der Beklagte wusste durch seine zuständige Behörde, die Staatsan-
waltschaft, von den hohen Verbindlichkeiten, denen der Schuldner ausgesetzt
war. Er hat gleichwohl die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei Entrichtung
der Ratenzahlungen mit Nichtwissen bestritten. Das ist nach § 138 Abs. 4 ZPO
unzulässig, soweit es sich auf die gemachten Angaben des Schuldners, den in
der Klageschrift vorgetragenen Hergang zur Vernehmung der Zeugin S.
in der Hauptverhandlung, den Inhalt der Ermittlungsakten und die in diesem
Rechtsstreit vorgelegten Zahlungstitel gegen den Schuldner bezieht. Zulässig
kann der Beklagte mit Nichtwissen lediglich bestreiten, dass er über die ge-
nannten Tatsachen hinaus keine Kenntnis davon hatte, ob die Angaben des
Schuldners zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zutrafen.
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3. Ausreichende Feststellungen dazu, ob der Beklagte durch die zustän-
dige Staatsanwaltschaft die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu den maß-
geblichen Zeitpunkten kannte, ohne zugleich greifbare Anhaltspunkte dafür zu
besitzen, dass der Schuldner sich über die in dieser Lage mit einzelnen Zahlun-
gen typischerweise einhergehende Gläubigerbenachteiligung hinweggetäuscht
haben könnte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Sache ist deshalb
gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen, damit
im wieder eröffneten Berufungsverfahren die zur Vorsatzanfechtung gemäß
§ 133 Abs. 1 InsO noch notwendige Sachaufklärung erfolgen kann. Sollte der
Beklagte seine Kenntnis vom Vorsatz des Schuldners in weitergehendem Um-
fang als bisher bestreiten, wird der Kläger dazu möglicherweise noch dartun
müssen, welche Teile der von ihm in Bezug genommenen Strafak-
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ten des Landgerichts H. im Einzelnen der Staatsanwaltschaft die nach § 133
Abs. 1 InsO erhebliche Kenntnis vermittelt haben soll.
Ganter
Raebel
Vill
Fischer
Pape
Vorinstanzen:
AG Würzburg, Entscheidung vom 12.01.2006 - 30 C 2793/05 -
LG Würzburg, Entscheidung vom 07.02.2007 - 43 S 541/06 -