Urteil des BGH vom 19.09.2013

BGH: prospekthaftung, fonds, verjährungsfrist, reiter, anleger, berufsbild, auszahlung, nachlass, agio, ermessensausübung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 46/13
vom
19. September 2013
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2013 durch
den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Tombrink,
Dr. Remmert und Reiter
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil
des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
14. Dezember 2012 gemäß § 552a Satz 1 ZPO durch einstimmi-
gen Beschluss zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Mo-
nats nach Zustellung dieses Hinweisbeschlusses.
Gründe:
I.
Der Kläger macht als Testamentsvollstrecker für den Nachlass der zwi-
schenzeitlich verstorbenen, vormaligen Klägerin gegen die beklagte Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft einen Schadensersatzanspruch im Zusammen-
hang mit der Beteiligung an einem Filmfonds geltend. Die Erblasserin zeichnete
am 14. Dezember 2000, am 12. Dezember 2001 und am 11. September 2002
Beteiligungen an dem geschlossenen Medienfonds MBP -
mbH & Co. KG (nachfol-
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gend MBP KG II
) über insgesamt 204.516,76 € zuzüglich Agio. Die Beteiligun-
gen wurden von einer Treuhandgesellschaft gehalten.
Die Anlagen wurden anhand eines Emissionsprospekts vertrieben, aus
dem sich unter anderem die Mittelverwendungskontrolle durch eine internatio-
nal tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergab. Diese Aufgabe übernahm die
Beklagte. Der Mittelverwendungskontrollvertrag war mit der Fondsgesellschaft
und der Treuhänderin abgeschlossenen worden. Geschäftsführer der Komple-
mentärgesellschaft des Fonds war R. M. .
Der zwischen der Fondsgesellschaft MBP KG II, der Treuhänderin und
der Beklagten geschlossene Mittelverwendungskontrollvertrag war in dem
Emissionsprospekt abgedruckt. § 4 des Vertrags enthielt für den Mittelverwen-
dungskontrolleur detaillierte Regelungen zu den Voraussetzungen der Mittelbe-
reitstellung und -freigabe. Die Bestimmung lautete auszugsweise:
"5.1 Die Freigabe der auf einem Produktionskonto verfügbaren Produk-
tionsmittel zur Zahlung von Produktionskosten zur Herstellung von
Kino- und Fernsehfilmen darf nur erfolgen, wenn eine fällige Forde-
rung gegen die MBP KG II aufgrund eines Co-Produktions- oder ei-
nes Auftragsproduktionsvertrages besteht.
6. Die Freigabe der ersten Rate darf nur erfolgen, wenn
a) die MBP KG II folgende Unterlagen übergeben hat:
aa) unterzeichneter Vertrag über eine unechte Auftragsproduktion
sowie abgeschlossener Co-Produktionsvertrag;
ab) Nachweis einer Fertigstellungsgarantie durch Vorlage entspre-
chender Unterlagen oder Bestätigungserklärungen oder eines
Letter of Commitment einer Completion Bond Gesellschaft;
ac) Vorlage von Kopien der Versicherungspolicen der abgeschlos-
senen Ausfall-, Negativ- bzw. Datenträgerversicherung;
11.1 Der Mittelverwendungskontrolleur kann nach pflichtgemäßem Er-
messen fällige Beträge für Produktionen auch auszahlen, wenn für
die fälligen Beträge ein oder mehrere Nachweise nach diesem Ver-
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trag noch nicht vorliegen und die Auszahlung erforderlich ist
und/oder dazu dient, die Einstellung der Produktion und/oder finan-
zielle Schäden von der MBP KG II und/oder ihren Gesellschaftern
abzuwenden.
11.2 Dem Mittelverwendungskontrolleur ist vor Auszahlung eine schriftli-
che Erklärung des Co-Produzenten der MBP KG II oder des unech-
ten Auftragsproduzenten vorzulegen, die den Eintritt entschei-
dungsrelevanter Tatsachen i.S.v. § 4 Ziff. 11.1 dieses Vertrages
darlegt. Diese Erklärung ist vom Mittelverwendungskontrolleur auf
Plausibilität zu prüfen, im übrigen gilt § 3 Ziff. 6 dieses Vertrages."
Der Kläger hat behauptet, Mitarbeiter der Beklagten hätten sich an "road-
shows" genannten Werbeveranstaltungen für den Fonds beteiligt, die an Ver-
mittler, Finanzdienstleister und Großanleger gerichtet gewesen seien. Bei die-
sen Veranstaltungen habe der Mitarbeiter B. über die Rolle der Beklagten
aufgeklärt und dabei im Zusammenhang mit der Frage des Vertrauensvor-
schusses beziehungsweise der Sicherung der Verwendung der eingezahlten
Gelder betont, dass die Beklagte insbesondere durch die begleitende Ausga-
benkontrolle als zweite Säule die wirtschaftliche Seite des Projekts übernehme.
Ebenso wie das wirtschaftliche Konzept mit der Beklagten entwickelt worden
sei, werde die Durchführung so geschehen, dass ohne Begleitung der Beklag-
ten keine Dispositionen getroffen würden. Diese Informationen könnten an et-
waige Anleger weitergegeben werden.
Tatsächlich habe die Beklagte jedoch entgegen dem im Prospekt vermit-
telten Eindruck und im Widerspruch zum Gesamtkonzept der Anlage regelmä-
ßig von § 4 Nr. 11.1 des Mittelverwendungskontrollvertrags Gebrauch gemacht
und zudem die in § 4 Nr. 11.2 vorgesehenen Voraussetzungen missachtet.
Ferner hat der Kläger eine unterbliebene beziehungsweise fehlerhafte Ermes-
sensausübung durch die Beklagte behauptet. Hätte die Erblasserin hiervon
Kenntnis gehabt, hätte sie die Anlagen nicht getätigt.
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Das Landgericht hat die auf Ersatz des Zeichnungsschadens der Erblas-
serin gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung gegen dieses Urteil ist ohne
Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-
folgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Zulas-
sung der Revision nicht mehr vorliegen und das Rechtsmittel ungeachtet der
von den Parteien mit unterschiedlicher Zielrichtung erörterten Frage, ob es un-
beschränkt zugelassen worden ist, im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg hat.
1.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine auf bürgerlich-rechtlicher
Prospekthaftung beruhende Forderung des Klägers sei jedenfalls verjährt, da
die dafür maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist vor Klageerhebung abgelau-
fen sei. Dessen ungeachtet sei die Beklagte auch nicht prospektverantwortlich.
Deshalb bestünden Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn schon dem
Grunde nach nicht.
Forderungen aus uneigentlicher Prospekthaftung schieden ebenfalls aus.
Solche Ansprüche bestünden gegen den, der bei Vertragsverhandlungen als
künftiger Vertragspartner, Vertreter, Sachwalter oder Garant unter Benutzung
eines mangelhaften Prospekts persönliches Vertrauen in Anspruch genommen
habe. Die Beklagte habe mit den Anlegern keine Vertragsverhandlungen ge-
führt; bis zu deren Beitritt habe sie mit Anlageinteressenten keinen Verhand-
lungskontakt aufgenommen. Soweit der Kläger auf die Beteiligung von Mitarbei-
tern der Beklagten an "road-shows" hinweise, handle es sich um allgemeine
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Werbeveranstaltungen unter hauptsächlicher Beteiligung von Vermittlern, nicht
aber um konkrete Vertragsverhandlungen mit einzelnen Anlegern. Die Erblas-
serin habe auch nicht bei einer solchen Werbeveranstaltung von dem Fonds
erfahren.
Ansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher, durch den Mittelverwen-
dungskontrollvertrag begründeter Aufklärungspflichten seien jedenfalls verjährt.
Zwar komme eine Haftung wegen Verletzung von Pflichten aus einem Vertrag
mit Schutzwirkung zu Gunsten der Anleger in Betracht. Es gelte jedoch zu
Gunsten der Beklagten die fünfjährige Verjährungsfrist des § 51a WPO a.F.
Diese Vorschrift sei einschlägig, weil die Tätigkeit als Mittelverwendungskontrol-
leur, wie sie vorliegend ausgestaltet sei, zum Berufsbild des Wirtschaftsprüfers
gehöre. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Sekun-
därverjährung, weil diese Grundsätze hier nicht anzuwenden seien.
Deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 13 sowie § 266
StGB; § 826 BGB), die der Verjährung nach § 51a WPO a.F. nicht unterlägen,
bestünden nicht.
Das Berufungsgericht hat die Revision im Hinblick auf die Frage, ob die
Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Mittelverwendungskontrolleur der fünfjäh-
rigen Verjährung des § 51a WPO a.F. unterliegt, zugelassen.
2.
a) Ein Revisionszulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht
nicht mehr. Die vom Berufungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu-
treffend als noch ungeklärt angesehene Rechtsfrage ist mittlerweile durch die
Senatsurteile vom 11. April 2013 (III ZR 79/12, WM 2013, 1016; III ZR 80/12,
juris) - zum Nachteil des Klägers - entschieden. Nach diesen Urteilen, die die-
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selbe Beklagte sowie unter anderem denselben Fonds und denselben Mittel-
verwendungskontrollvertrag wie im vorliegenden Verfahren betrafen, findet
§ 51a WPO a.F. - gegebenenfalls nach Maßgabe des § 139b Abs. 1 WPO - auf
Schadensersatzansprüche gegen einen Wirtschaftsprüfer wegen der Verlet-
zung von Aufklärungspflichten aus einem Mittelverwendungskontrollvertrag An-
wendung (III ZR 79/12 aaO Rn. 22 ff; III ZR 80/12 aaO Rn. 20 ff). Wegen der
Begründung wird auf diese Entscheidungen Bezug genommen.
Sonstige Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.
b) Die Revision des Klägers hat, nachdem über die Anwendbarkeit des
§ 51a WPO a.F. zu seinem Nachteil entschieden wurde, keine Aussicht auf Er-
folg.
aa) Ansprüche wegen Verletzung von gegenüber den Anlegern beste-
henden Pflichten der Beklagten aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag sind
dementsprechend verjährt. Wie das Berufungsgericht von der Revision unbe-
anstandet ausgeführt hat, war die fünfjährige Verjährungsfrist des § 51a WPO
a.F. vor Klageerhebung abgelaufen.
bb) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den in Betracht gezoge-
nen Forderungen des Klägers aus Prospekthaftung im engeren Sinn bezie-
hungsweise aus einer Garantenstellung nimmt die Revision hin. Sie sind recht-
lich auch nicht zu beanstanden.
cc) Entgegen der Ansicht der Revision scheiden Ansprüche aus Pros-
pekthaftung im weiteren Sinn (in der Diktion des Berufungsurteils: aus uneigent-
licher Prospekthaftung, so auch z.B. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 311
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Rn. 71) ebenfalls aus. Anders als bei der Prospekthaftung im engeren Sinn ge-
nügt nicht das durch den Prospekt vermittelte typisierte Vertrauen des Anlegers
in die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben. Erforderlich ist vielmehr die
Inanspruchnahme eines darüber hinaus gehenden persönlichen Vertrauens
(z.B.: Senatsurteile vom 11. April 2013 - III ZR 79/12 aaO Rn. 34 und III ZR
80/12 aaO Rn. 32; Senatsbeschluss vom 25. Juni 2009 - III ZR 222/08, juris
Rn. 8; BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 41/03, NJW-RR 2005, 23, 25 f).
Dies setzt voraus, dass der Betreffende entweder an den Vertragsverhandlun-
gen selbst beteiligt ist oder im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem
Anspruch auf Vertrauen hervortritt (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2009 und
BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 jeweils aaO mwN). Die Erblasserin stand nicht im
persönlichen Kontakt mit Vertretern der Beklagten. Allerdings setzt die Inan-
spruchnahme besonderen Vertrauens nicht stets voraus, dass der Betreffende
die Verhandlungen selbst führt. Es genügt, dass er diese von einem anderen für
sich führen lässt und dem Vertragspartner gegenüber als die Person erscheint,
von deren Entscheidung der Abschluss des Vertrags abhängt (BGH, Urteil vom
4. Mai 2004 aaO). Jedoch hat das Berufungsgericht in aus Rechtsgründen nicht
zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer solchen Fall-
gestaltung verneint. Seine Beurteilung, die Beteiligung von Mitarbeitern der Be-
klagten an den sogenannten "road-shows" genüge für die Inanspruchnahme
besonderen persönlichen Vertrauens nicht, liegt auf der Hand und wird auch
unter erneuter Berücksichtigung des von der Revision insoweit angeführten
Sachvortrags in den Vorinstanzen nicht in Frage gestellt. Hieraus ergibt sich
nicht, dass die Anlagevermittler aufgrund der "road-shows" gegenüber den An-
lageinteressenten die Bedeutung und die Vertrauenswürdigkeit der Beklagten
im Anlagemodell über die im Prospekt enthaltenen Aussagen hinaus heraus-
stellten und dies insbesondere auch gegenüber der Erblasserin erfolgt ist.
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Auf die weitere Frage, ob die Ansprüche aus einer Prospekthaftung im
weiteren Sinn ebenfalls der Verjährungsfrist des § 51a WPO a.F. unterlagen
- wofür der von der Revision hervorgehobene Umstand sprechen dürfte, dass
das (vermeintlich bestehende) besondere persönliche Vertrauen gerade an die
dem Berufsbild des Wirtschaftsprüfers zuzuordnende Tätigkeit der Beklagten
als Mittelverwendungskontrolleur anknüpft (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März
1987 - IVa ZR 290/85, BGHZ 100, 132, 135) - kommt es für die Entscheidung
nicht mehr an.
dd) Entgegen der Ansicht der Revision greifen auch die Grundsätze der
Sekundärhaftung nicht zulasten der Beklagten ein (vgl. Senatsurteile vom
11. April 2013 - III ZR 79/12 aaO Rn. 31 und III ZR 80/12 aaO Rn. 29).
ee) Ansprüche auf deliktischer Grundlage (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
§§ 264a, 27, §§ 263, 13, § 266 StGB und §§ 31, 831 BGB; § 826 BGB) schei-
den - wie auch die Revision nicht verkennt - ebenfalls aus. Zwar ist, wie der Se-
nat in seinen Urteilen vom 11. April 2013 ausgeführt hat (III ZR 79/12 aaO
Rn. 36 ff; III ZR 80/12 aaO Rn. 34 ff), im Ausgangspunkt eine Haftung der Be-
klagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 264a, 27 StGB und §§ 826, 830
BGB in Betracht zu ziehen, weil Mitarbeiter der Beklagten, für deren Handlun-
gen sie gemäß § 31 oder § 831 BGB einzustehen hat, an deliktischen Handlun-
gen des R. M. teilgenommen haben könnten. Die Vorinstanz hat jedoch den
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dafür erforderlichen Vorsatz der Mitarbeiter der Beklagten mit aus Rechtsgrün-
den nicht zu bemängelnden Erwägungen verneint (siehe hierzu auch Senats-
beschluss vom heutigen Tag III ZR 283/12).
Schlick
Herrmann
Tombrink
Remmert
Reiter
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.12.2011 - 2-14 O 236/10 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.12.2012 - 7 U 19/12 -