Urteil des BGH vom 24.06.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 149/08
Verkündet
am:
24. September 2009
Hauck
Justizsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZVG § 152 Abs. 1
Die einem Zwangsverwalter im Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung
vorbehaltene Befugnis, rückständige Mieten einzuziehen, ermächtigt diesen nicht, einen
Rechtsstreit gegen Dritte zu beginnen, welche die Mieten unberechtigt vereinnahmt ha-
ben sollen.
BGH, Urteil vom 24. September 2009 - IX ZR 149/08 - OLG Frankfurt am Main
LG Gießen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Rich-
ter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2008, be-
richtigt durch Beschluss vom 18. Juli 2008, aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Gießen vom 29. November 2007 wird mit der Maß-
gabe zurückgewiesen, dass die Klage bereits unzulässig ist.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war Zwangsverwalter über die Eigentumswohnung Nr. 5 der
Anlage M. in R. (Grundbuchamt F. , Gemarkung R.
, Blatt …….), welche die Beklagten im Wege der Zwangsversteigerung er-
worben haben. Er klagt auf Herausgabe von Mieten, welche die Beklagten bis
zur Zuschlagserteilung eingezogen haben. Dem liegt folgender Sachverhalt
zugrunde:
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Eigentümer der Wohnung war zunächst W. H. (fortan: Schuld-
ner). Im Jahre 1995 vereinbarten der Schuldner und die Beklagten privatschrift-
lich, dass die Wohnung im Jahre 1998 an die Beklagten veräußert werden solle.
Bis dahin solle die Wohnung an einen von den Beklagten zu benennenden Mie-
ter vermietet werden. Die Mieten wurden im Voraus an die Beklagten abgetre-
ten. Mit notariellem Vertrag vom 3. November 1998 verkaufte der Schuldner die
Wohnung an die Beklagten. Dem Vertrage nach war der Kaufpreis bereits be-
zahlt. Der Schuldner bewilligte eine Auflassungsvormerkung. Die Übergabe der
Wohnung mit allen "an die Übergabe gesetzlich geknüpften Rechtswirkungen"
sollte am 1. Januar 1999 erfolgen. Am Tage des Besitzüberganges sollten die
Beklagten in das bestehende Mietverhältnis über die Wohnung eintreten. Die
Umschreibung des Eigentums scheiterte daran, dass es dem Schuldner nicht
gelang, vereinbarungsgemäß Grundpfandrechte abzulösen. Zu einem Rücktritt
vom Vertrag oder einer Aufhebungsvereinbarung kam es jedoch nicht. Im Jahre
2000 vermieteten die Beklagten die Wohnung - im eigenen Namen und auf ei-
gene Rechnung - neu. Der Schuldner verstarb am 1. Juli 2001.
Die F. Volksbank eG (fortan Gläubigerin) betrieb aus einer voll-
streckbaren Urkunde vom 27. Juni 1979 die Zwangsvollstreckung gegen den
Schuldner. Am 17. April 2002 wurde die Zwangsverwaltung der Wohnung an-
geordnet und der Kläger zum Zwangsverwalter bestellt. Der Zwangsverwal-
tungsvermerk wurde am 23. April 2002 in das Grundbuch eingetragen. Am
9. November 2003 wurde das Nachlassinsolvenzverfahren über den Nachlass
des Schuldners eröffnet. Erstmals mit Schreiben vom 22. März 2006 forderte
der Kläger die Beklagten auf, ihm die Mietverträge über die Wohnung zu über-
lassen. Die Mieter waren bis dahin nicht von der Anordnung der Zwangsverwal-
tung unterrichtet worden.
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Mit Zuschlagsbeschluss vom 6. Juni 2006 erwarben die Beklagten im
Wege der Zwangsversteigerung das Eigentum an der Wohnung. Am 10. Juli
2006 wurde die Zwangsverwaltung der Wohnung aufgehoben. In dem Be-
schluss des Vollstreckungsgerichts heißt es wörtlich: "Der Zwangsverwalter
bleibt ermächtigt, noch nicht eingezogene Mieten weiter zugunsten der ehema-
ligen Zwangsverwaltungsmasse einzuziehen."
Mit seiner am 2. August 2006 eingereichten Stufenklage hat der Kläger
von den Beklagten zunächst Auskunft darüber verlangt, ob und in welcher Höhe
sie im Zeitraum vom 1. März 2003 bis zum 6. Juni 2006 Einnahmen aus der
Vermietung der Wohnung erzielt haben. Mit Teilurteil vom 12. Juli 2007 sind die
Beklagten insoweit antragsgemäß verurteilt worden. Auf der Grundlage der
daraufhin erteilten Auskunft hat der Kläger Auskehrung von 20.792,05 € nebst
Zinsen verlangt. Die Beklagten haben widerklagend Zahlung von 577,17 €
nebst Zinsen verlangt. Dabei handelt es sich um Mieten aus einer anderen vom
Kläger zwangsverwalteten und von den Beklagten am 6. Juni 2006 ersteigerten
Wohnungseigentumseinheit, welche der Kläger für die Monate Juni und Juli
2006 eingezogen hat. Gegenüber dieser Forderung hat der Kläger wiederum
mit der Klageforderung aufgerechnet. Das Landgericht hat die Zahlungsklage
abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die
Beklagten unter Berücksichtigung der vom Kläger erklärten Aufrechnung verur-
teilt, an den Kläger 20.214,88 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit ihrer Revision wol-
len die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtli-
chen Urteils mit der Maßgabe, dass die Klage bereits unzulässig ist.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger sei im Beschluss des
Vollstreckungsgerichts vom 10. Juli 2006 ermächtigt worden, offene Mieten zu-
gunsten der ehemaligen Zwangsverwaltungsmasse einzuziehen. Der Beschluss
habe angeordnet, dass die Wirkung der Beschlagnahme in derartig begrenzter
Weise aufrechterhalten werden sollte. Die Voraussetzungen eines Anspruchs
aus § 816 Abs. 2 BGB seien erfüllt, weil Leistungen an die Beklagten bewirkt
worden seien, die dem Kläger als dem Berechtigten gegenüber wirksam gewe-
sen seien.
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II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Klage ist unzulässig. Der Kläger ist nach Aufhebung der Zwangsverwaltung
nicht mehr befugt, den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch gegen die
Beklagten geltend zu machen.
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1. Die Prozessführungsbefugnis stellt eine Prozessvoraussetzung dar,
die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts we-
gen zu prüfen ist. Das Revisionsgericht ist dabei weder an die Feststellungen
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des Berufungsgerichts gebunden, noch beschränkt sich seine Prüfung auf die
Tatsachen und Beweismittel, die dem Berufungsgericht vorgelegen haben. Das
Revisionsgericht hat vielmehr gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung des
Vorbringens in der Revisionsinstanz selbständig festzustellen, ob die Voraus-
setzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (BGHZ 31, 279, 281 ff;
BGH, Urt. v. 2. Juni 1986 - II ZR 300/85, WM 1986, 1201, 1202).
2. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers folgt nicht aus § 152 Abs. 1
ZVG.
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a) Ein Zwangsverwalter (fortan auch: Verwalter) hat das Recht und die
Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das verwaltete
Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsmäßig
zu benutzen. Er hat die Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme er-
streckt, geltend zu machen (§ 152 Abs. 1 ZVG). Im Wesentlichen handelt es
sich dabei um Mieten und Pachten. Grundsätzlich enden die ihm zustehenden
Befugnisse allerdings mit der Aufhebung des Verfahrens (§ 161 Abs. 1 ZVG;
vgl. etwa BGH, Beschl. v. 10. Januar 2008 - V ZB 31/07, WM 2008, 1131, 1132
Rn. 8). Die aus § 152 Abs. 1 Halbsatz 2 ZVG folgende Prozessführungsbefug-
nis des Verwalters kann jedoch über den Zeitpunkt der Aufhebung der Zwangs-
verwaltung hinaus andauern. Mieten und Pachten gebühren dem Ersteher erst
von dem Zuschlage an (§ 56 Satz 2 ZVG). Ansprüche, welche einen früheren
Zeitraum betreffen, sind daher gegebenenfalls auch nach der Aufhebung der
Zwangsverwaltung vom Verwalter geltend zu machen (BGH, Urt. v. 23. Juli
2003 - XII ZR 16/00, NZI 2003, 562; v. 19. Mai 2009 - IX ZR 89/09, WM 2009,
1438 Rn. 7; vgl. auch BGH, Urt. v. 21. Oktober 1992 - XII ZR 125/91, ZIP 1992,
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1781, 1782 zur Fortsetzung anhängiger Prozesse aus der Zeit der Amtstätigkeit
des Verwalters).
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b) Im vorliegenden Fall macht der Kläger keine Mieten geltend. Grundla-
ge des Anspruchs des Klägers gegen die Beklagten ist vielmehr § 816 Abs. 2
BGB. Die Mieter der beschlagnahmten Wohnung haben im fraglichen Zeitraum
Miete an die Beklagten gezahlt. Damit ist der jeweilige Anspruch aus § 535
Abs. 2 BGB gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Beschlagnahme der Woh-
nung hinderte die Erfüllung nicht. Gemäß § 146 Abs. 1, § 22 Abs. 2 Satz 2 ZVG
wird die Beschlagnahme einer Forderung dem Drittschuldner gegenüber erst
mit dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihm bekannt oder ihm ein Zah-
lungsverbot zugestellt wird. Die Mieter wussten im fraglichen Zeitraum nichts
von der Beschlagnahme der Wohnung. Ein Zahlungsverbot ist ihnen ebenfalls
nicht zugestellt worden. Vor der Beschlagnahme durch Erfüllung erloschene
Forderungen gehören grundsätzlich nicht mehr zum Haftungsverband eines
Grundpfandrechts (vgl. § 1124 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Der Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB fällt nicht unter § 146 Abs. 1, § 21
Abs. 2 ZVG, wie sich schon aus dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift
ergibt. Er ist weder eine Miet- oder Pachtzinsforderung noch ein Anspruch aus
einem mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenen Recht auf wieder-
kehrende Leistungen. Der Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB tritt
auch nicht im Wege der dinglichen Surrogation an die Stelle der Mietansprüche
(vgl. dazu BGH, Urt. v. 29. Juni 2006 - IX ZR 119/04, ZIP 2006, 1697, 1698
Rn. 14). Eine entsprechende gesetzliche Anordnung fehlt. Der Anspruch richtet
sich außerdem nicht gegen den Mieter, sondern gegen denjenigen, der die Mie-
ten eingezogen hat. Der Kläger klagt folgerichtig nicht gegen die Mieter auf
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Zahlung der Mieten, sondern gegen die Beklagten als Vermieter auf Auskeh-
rung der von den Mietern erlangten Geldbeträge.
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c) Die Rechte und Pflichten eines Zwangsverwalters sind allerdings nicht
auf die Einziehung der beschlagnahmten Mieten und Pachten beschränkt. Sei-
ne Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grund-
stücks zu sorgen, schließt die Befugnis ein, auch wegen anderer Forderungen
Klage zu erheben, wenn dadurch eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu
verteilenden Nutzungen abgewendet werden kann (vgl. BGHZ 109, 171, 173 f
zu Schadensersatzansprüchen wegen schuldhafter Verkürzung der Masse ge-
gen einen früheren Zwangsverwalter; BGH, Urt. v. 29. Juni 2006, aaO S. 1699
Rn. 16 zu Ansprüchen wegen rechtsgrundloser Benutzung der zwangsverwalte-
ten Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten). Diese Befugnis, die Teil
des Rechts zur Verwaltung und Benutzung des beschlagnahmten Grundstücks
ist (§ 148 Abs. 2 ZVG), erlischt jedoch, sobald die Zwangsverwaltung aufgeho-
ben wird. Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung etwa verbleibende Befugnis-
se des Verwalters folgen daraus, dass dieser seine Tätigkeit ordnungsmäßig
abzuschließen hat (BGHZ 155, 38, 41 f; BGH, Urt. v. 25. Mai 2005 - VIII ZR
301/03, NJW-RR 2006, 138, 139). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs betreffen sie allenfalls beschlagnahmte Ansprüche, nicht je-
doch solche Ansprüche, die der Beschlagnahme nach §§ 146, 148 ZVG nicht
unterfallen (BGH, Urt. v. 29. Juni 2006, aaO Rn. 17 mit weiteren Nachweisen; v.
19. Mai 2009 - IX ZR 89/08, aaO Rn. 8). Von der Aufhebung der Zwangsverwal-
tung an ist der Verwalter nicht mehr zur weiteren Verwaltung und Benutzung
des Grundstücks (§ 148 Abs. 2 ZVG) befugt.
3. Eine Prozessführungsbefugnis des Klägers folgt auch nicht aus dem
Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 10. Juli 2006. In diesem Beschluss
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ist der Kläger nicht zur klagweisen Geltendmachung der streitgegenständlichen
Ansprüche ermächtigt worden.
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a) Die Befugnisse des Zwangsverwalters enden - abgesehen von unauf-
schiebbaren und der notwendigen Abwicklung der Verwaltung dienenden Maß-
nahmen - mit der Zustellung des die Zwangsverwaltung aufhebenden Be-
schlusses (BGH, Beschl. v. 10. Januar 2008 - V ZB 31/07, WM 2008, 1131,
1132 Rn. 8). Anderes gilt nur dann, wenn das Gericht den Verwalter nach § 12
Abs. 2 Satz 1 ZwVwV zur Vornahme weiterer Handlungen besonders ermäch-
tigt (BGH, Urt. v. 29. Juni 2006 - IX ZR 119/04, aaO Rn. 17; Beschl. v. 10. Ja-
nuar 2008, aaO). Der Sache nach handelt es sich um eine Einschränkung des
Aufhebungsbeschlusses (BGHZ 155, 38, 44). Die Frage, ob das Vollstre-
ckungsgericht den Verwalter im Aufhebungsbeschluss mit der Einziehung nicht
beschlagnahmter Forderungen beauftragen darf, hat der Bundesgerichtshof
bisher offen gelassen (vgl. Urt. v. 29. Juni 2006, aaO). Sie stellt sich auch im
vorliegenden Fall nicht. Der Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 10. Juli
2006, den der Senat selbständig und ohne Bindung an das Auslegungsergebnis
des Berufungsgerichts auszulegen hat (vgl. BGHZ 31, 279, 283; allgemein zur
Auslegung gerichtlicher, schiedsgerichtlicher und behördlicher Entscheidungen
durch das Revisionsgericht RGZ 74, 201, 205; BGHZ 24, 15, 20; 86, 104, 110;
BGH, Urt. v. 15. November 1989 - IVb ZR 95/88, NJW-RR 1990, 194; v.
19. März 1998 - IX ZR 120/97, ZIP 1998, 822, 823), ermächtigt den Kläger nicht
zur Geltendmachung des hier streitgegenständlichen Anspruchs aus § 816
Abs. 2 BGB gegen die Beklagten.
b) Seinem Wortlaut nach betrifft der Beschluss nur "noch nicht eingezo-
gene Mieten". Um "Mieten", also um Ansprüche des Vermieters gegen den Mie-
ter aus § 535 Abs. 2 BGB (oder aus einem anderen Rechtsgrund) geht es im
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vorliegenden Fall gerade nicht. Die Mieter der Wohnung haben die vereinbarte
Miete an ihre Vermieter gezahlt und sind dadurch von ihrer Verpflichtung zur
Zahlung der Miete frei geworden (s.o.). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
ermächtigt werden sollte, auch Ansprüche gegen Dritte zu verfolgen, finden sich
im Wortlaut des Beschlusses nicht. Dieser Punkt war bereits in erster Instanz
umstritten (vgl. z.B. Schriftsatz vom 9. November 2007, S. 2) Gleichwohl hat der
Kläger keine sonstigen Umstände vorgetragen, welche den Schluss auf eine
weitergehende Ermächtigung zuließen. Das gilt insbesondere für einen etwai-
gen Antrag des Klägers oder des Vollstreckungsgläubigers, welcher dem Vor-
behalt im Aufhebungsbeschluss vorangegangen sein könnte. Die Revisionser-
widerung weist zwar auf die mögliche Relevanz solcher Umstände hin, trägt
jedoch ebenfalls nichts dazu vor. Ob und inwieweit Umstände außerhalb des
Beschlusses - der die Prozessführungsbefugnis des Klägers gegenüber dem
Prozessgericht und dem Prozessgegner begründen müsste - überhaupt Be-
rücksichtigung finden könnten, kann offen bleiben.
4. Die Bindungswirkung (§ 318 ZPO) des rechtskräftigen Teilurteils vom
12. Juli 2007, in welchem eine Prozessführungsbefugnis des Klägers ausdrück-
lich bejaht worden ist, steht deren erneuter Prüfung nicht entgegen.
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a) Wieweit das Gericht bei der Entscheidung über den Klageantrag Bin-
dungswirkungen aus früheren Verfahren und Urteilen zu beachten hat, ist in der
Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen, weil es dabei um die für das Ver-
fahren in allen Instanzen maßgebende Grundlegung geht, auf der die Sachprü-
fung aufbaut und die der Parteidisposition entzogen ist (BGHZ 82, 246, 247 f;
BGH, Urt. v. 15. November 1989 - IVb ZR 95/88, NJW-RR 1990, 194, 195).
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b) Das Gericht ist an die Entscheidung in den von ihm erlassenen End-
und Zwischenurteilen (§ 318 ZPO) gebunden. Die Bindung bezieht sich auf Tat-
bestand und Entscheidungsgründe, soweit diese den festgestellten Anspruch
kennzeichnen, mithin dessen Inhalt bestimmen. Sie erstreckt sich nicht auf die
Urteilselemente, die festgestellten Tatsachen und deren rechtliche Bewertung
(BGH, Urt. v. 14. Juni 2002 - V ZR 79/01, WM 2003, 140, 141). Inhaltlich ent-
spricht sie der materiellen Rechtskraftwirkung des § 322 ZPO (BGH, Urt. v.
12. Februar 2003 - XII ZR 324/98, WM 2003, 1919, 1921). In Rechtskraft er-
wächst nur die im Urteil ausgesprochene Rechtsfolge, das heißt nur der vom
Richter aus dem vorgelegten Sachverhalt gezogene und im Urteil ausgespro-
chene Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Klageanspruchs,
nicht aber die Feststellung der zugrunde liegenden präjudiziellen Rechtsver-
hältnisse oder sonstigen Vorfragen, aus denen der Richter seinen Schluss ge-
zogen hat (BGHZ 43, 144, 145). Auch im Falle der Verurteilung zur Erteilung
einer Auskunft erwächst nur der Rechtsfolgenausspruch in Rechtskraft, also die
Verpflichtung des Beklagten, die fragliche Auskunft zu erteilen. Die tatsächli-
chen und rechtlichen Grundlagen des Auskunftsanspruchs nehmen hingegen
nicht an der Rechtskraft- und Bindungswirkung des Urteils teil, auch dann nicht,
wenn die Verurteilung zur Auskunftserteilung auf eine Stufenklage hin erfolgt
(BGHZ 107, 236, 242; BGH, Urt. v. 19. Dezember 1969 - V ZR 114/66, WM
1970, 405 f). Nichts anderes gilt für die Prozessvoraussetzungen. Die mehre-
ren, stufenweise erhobenen Ansprüche behalten ihre prozessuale Selbständig-
keit, so dass für jede Stufe die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen
müssen und neu zu prüfen sind (BGHZ 76, 9, 12).
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III.
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Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzu-
heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsver-
letzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis er-
folgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat
in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist unzuläs-
sig und schon deshalb abzuweisen, was der Senat trotz des Verschlechte-
rungsverbotes (§§ 528, 557 ZPO) auf die Rechtsmittel des Klägers hin klarzu-
stellen hat (vgl. etwa BGH, Urt. v. 21. Januar 2004 - VIII ZR 209/03, MDR 2004,
700, 701). Die Widerklage hat Erfolg. Gemäß § 56 Satz 2 ZVG gebühren die
Nutzungen von dem Zuschlag an dem Ersteher. Entsprechend § 667 BGB hat
der Zwangsverwalter das von diesem Zeitpunkt an bis zur Aufhebung der
Zwangsverwaltung Erlangte an den Ersteher herauszugeben (vgl. BGH, Urt. v.
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11. Oktober 2007 - IX ZR 156/06, ZIP 2007, 2375, 2376 Rn. 14). Da die Klage-
forderung nicht besteht, kann der Kläger auch nicht gegen die Widerklageforde-
rung aufrechnen.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann
Fischer
Vorinstanzen:
LG Gießen, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 118/07 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 24.06.2008 - 17 U 22/08 -