Urteil des BGH vom 26.03.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I V Z R 4 2 2 / 1 2
Verkündet am:
26. März 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 63; AVB Haftpflichtversicherung (hier Ziff. 1.1, 7.14 (1) AHB 2008); BGB
§ 307 Abs. 1 Satz 2 Bk, § 305c Abs. 2
1. Hat ein Versicherungsmakler es pflichtwidrig unterlassen, ein bestimmtes Risiko
abzudecken, so kann der Versicherungsnehmer von ihm verlangen, so gestellt zu
werden, als hätte er den erforderlichen Versicherungsschutz erhalten ("Quasi-
deckung").
2. Ziff. 1.1 AHB 2008 ist nicht wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
unwirksam; sie ist auch nicht unklar i.S. von § 305c Abs. 2 BGB.
3. Der Risikoausschluss in Ziff. 7.14 (1) AHB 2008 ist unabhängig davon, auf wessen
Handeln die Ableitung der Abwässer zurückgeht.
BGH, Urteil vom 26. März 2014 - IV ZR 422/12 - OLG Brandenburg
LG Frankfurt (Oder)
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 26. März 2014
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesge-
richts vom 23. Oktober 2012 aufgehoben und die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, ein selbständiger Ofenbaumeister, nimmt den Bekla g-
ten, einen Versicherungsmakler, im Wege der Feststellungsklage auf
Schadensersatz in Anspruch, weil dieser ihm eine Betriebshaftpflichtve r-
sicherung vermittelt hat, die Schäden aus Fliesenlegerarbeiten nicht er-
fasst, weshalb der Versicherer die Deckung für einen vom Kläger bei
solchen Arbeiten angeblich verursachten Schaden ablehnt.
Der vom Beklagten vermittelten Versicherung liegt ein e vom Be-
klagten ausgefüllte und vom Kläger unterschriebene "Deckungsnote"
vom 2. September 2009 zugrunde, in der als ausgeübtes Handwerk
1
2
- 3 -
"Ofensetzer" angegeben ist. Im Anschluss an ein Telefonat zwischen den
Parteien, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist, fügte der Beklagte vor
der Weiterleitung an den Versicherer an dieser Stelle handschriftlich den
Zusatz "incl. zugehöriger Fliesenarbeiten" ein.
Der vom Versicherer ausgestellte Versicherungsschein weist als
Versicherungsbeginn den 3. September 2009 aus und gibt die versicher-
ten Risiken mit "Kamin-, Ofen- und Herdsetzer, Feuerungs- und Lufthei-
zungsbau" an.
Der Versicherungsfall ist in den der Versicherung zugrunde liegen-
den Bedingungen des Versicherers (im Folgenden: AHB) in Ziffer 1.1 wie
folgt beschrieben:
"Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten
Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen
eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetre-
tenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen
Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermö-
gensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haf t-
pflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem
Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die
Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den
Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadene r-
eignis geführt hat, kommt es nicht an."
Nach Ziffer 7.14 AHB sind von der Versicherung ausgeschlossen:
"Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen
durch
(1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer
handelt,
…"
3
4
5
- 4 -
Am 25. November 2009 meldete der Kläger dem Versicherer einen
Schadenfall. Er gab an, dass es zu einem Schaden in einem näher be-
zeichneten Gebäude in B. gekommen sei. In dem dortigen Keller be-
fänden sich diverse Maschinen einer Dialysepraxis, für die er eine Po-
destfläche und einen Pumpensumpf, in den ständig Wasser einlaufe, ab-
gedichtet und eingefliest habe. Weil sich die von ihm eingebaute Abdic h-
tung des Pumpensumpfes gelöst habe, habe sich unterhalb des Einlau f-
rohres eine Leckage gebildet, aus der ständig Wasser ausgetreten sei,
so dass der gesamte Keller unter dem Estrich ebenso wie diverse Wände
und Fahrstuhlschächte infolge austretenden Wassers durchnässt worden
seien. Der Wasseraustritt sei erstmalig am 7. November 2009 in den
Fahrstuhlschächten bemerkt worden.
Die fraglichen Arbeiten hatte der Kläger bereits im Juli 2009 aus-
geführt.
Der Versicherer lehnte die Regulierung des Schadens mit der B e-
gründung ab, dass Schäden im Zusammenhang mit der Durchführung
von Fliesenarbeiten vom Versicherungsschutz nicht umfasst seien; die
Abdichtung des Pumpensumpfes und anschließende Verfliesung falle in
das Risiko eines Fliesenlegerbetriebs.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe schuldhaft nicht d a-
für gesorgt, dass er Versicherungsschutz auch für reine - und nicht nur
für als Nebenarbeiten ausgeführte - Fliesenlegerarbeiten genieße. Er
behauptet, er habe den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass er solche Arbeiten erbringe, die selbstverständlich auch versichert
sein müssten; der Beklagte habe ihm zugesagt, sich darum zu kümmern.
6
7
8
9
- 5 -
Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte
verpflichtet sei, den Kläger so zu stellen, als hätte er Betriebshaftpflicht -
Versicherungsschutz für Fliesenlegerarbeiten an dem im Urteilstenor n ä-
her bezeichneten Bauvorhaben gehabt. Das Berufungsgericht, dessen
Urteil in r+s 2013, 125 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Beklagten
zurückgewiesen.
Dagegen wendet dieser sich mit der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sa che
an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat die Feststellungsklage für zulässig erachtet und in
der Sache einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unzulän g-
licher Beratung gemäß §§ 63, 61 Abs. 1 VVG bejaht.
Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten liege vor, weil er
zur Vermittlung eines passenden Versicherungsschutzes verpflichtet g e-
wesen sei und dafür auch das zu versichernde Risiko habe ermitteln
müssen. Er hätte die Frage, in welchem Umfang und unter welchen Be-
dingungen und Umständen im Einzelnen der Kläger Betriebshaftpflicht-
schutz auch für Fliesenarbeiten wünschte, durch gezieltes Nachfragen
klären müssen. Dieser Verpflichtung sei er nicht gerecht geworden.
10
11
12
13
14
- 6 -
Da auch ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers
gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu verneinen sei, habe der Beklagte ihn so zu
stellen, als hätte der Versicherer die Deckung des unversichert gebli e-
benen Risikos übernommen.
Zu Unrecht berufe sich der Beklagte auf das Fehlen eines Scha-
dens des Klägers. Insbesondere sei der Versicherungsfall während der
Laufzeit des Versicherungsvertrages eingetreten. Zwar käme als Zeit-
punkt des Versicherungsfalles sowohl die Durchführung der Arbeiten
durch den Kläger als auch deren Fertigstellung als auch die Inbetrie b-
nahme des Pumpensumpfs als auch der Austritt des Wassers in Be-
tracht. Eine präzise zeitliche Abgrenzung sei aber kaum möglich. De s-
halb spreche einiges für eine Intransparenz der Vertragsklausel der Zif-
fer 1 AHB i.S. des § 307 BGB mit der Folge, dass auf den dem Versich e-
rungsnehmer günstigsten Zeitpunkt, hier also den des Wasseraustritts im
November 2009 abzustellen sei. Der Versicherungsschutz wäre auch
nicht etwa bei Einschluss des Risikos "Fliesenlegerarbeiten" aufgrund
der Klausel Ziffer 7.14 (1) AHB ausgeschlossen ge wesen, weil dieser
Ausschluss lediglich den Fall betreffe, dass der Versicherungsnehmer
oder ein Dritter, für den er einzustehen habe, die Abwässer abgeleitet
oder deren Ableitung veranlasst habe.
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Keinen Bedenken begegnet es allerdings, dass das Berufung s-
gericht die Feststellungsklage für zulässig erachtet hat.
15
16
17
18
- 7 -
a) Für die Prüfung der Zulässigkeit eines Feststellungsantrages ist
der tatsächliche Vortrag des Klägers zu unterstellen. Danach wäre der
Beklagte gemäß § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Zustand herzustel-
len, der bestünde, wenn er dem Kläger auch Betriebshaftpflicht -Ver-
sicherungsschutz für Fliesenarbeiten vermittelt hätte (sog. "Quasi-
deckung"; vgl. Dörner in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 63 Rn. 16;
MünchKomm-VVG/Reiff, § 63 Rn. 19; HK-VVG/Münkel, 2. Aufl. § 6
Rn. 46; Schwintowski in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 63 Rn. 20).
Jedoch kann der Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversich e-
rung im Allgemeinen nicht die Befriedigung des Haftpflichtgläubigers ver-
langen. Vielmehr steht es dem Haftpflichtversicherer frei, ob er die g e-
gen seinen Versicherungsnehmer geltend gemachten Ansprüche erfüllen
oder den Versuch einer Abwehr der Ansprüche unternehmen will. Der
Versicherungsnehmer kann daher nicht auf Leistung, sondern nur auf
Feststellung des Versicherungsschutzes klagen (Senatsurteile vom
21. September 1983 - IVa ZR 165/81, NJW 1984, 370; vom 4. Dezember
1980 - IVa ZR 32/80, BGHZ 79, 76, 78). Entsprechend muss es auch
dem Beklagten im Falle seiner Haftung freistehen, die von der Geschä-
digten gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche entweder zu e r-
füllen oder den Versuch ihrer Abwehr zu unternehmen, indem er die Ko s-
ten der Rechtsverteidigung des Klägers gegenüber der Geschädigten
übernimmt.
Deshalb kann der Kläger auch ihm gegenüber nur eine Klage auf
Feststellung erheben; das erforderliche konkrete Rechtsverhältnis ist
damit gegeben, ohne dass es hierfür darauf ankommt, ob die erhobenen
Ansprüche der Geschädigten begründet sind.
19
20
21
- 8 -
b) Diesem Rechtsschutzbegehren entsprechen der Antrag des
Klägers und der Tenor des landgerichtlichen Urteils. Zwar sind darin die
von der Geschädigten angemeldeten Ansprüche nicht konkret bezeic h-
net; der Inhalt der getroffenen Feststellung ist aber durch die Bezug-
nahme auf die Arbeiten, für die der Kläger Deckungsschutz begehrt, hi n-
reichend klar, zumal der Urteilstenor im Lichte der Entscheidungsgründe
auszulegen ist (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ
182, 307 Rn. 22).
Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO liegt
entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. Das Wahlrecht des B e-
klagten ergibt sich zweifelsfrei aus dem Tenor des landgerichtlichen U r-
teils. Feststellungen zur Haftung des Klägers gegenüber der Geschädig-
ten haben die Vorinstanzen nicht getroffen.
2. Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine schul d-
hafte Pflichtverletzung des Beklagten angenommen.
a) Die Pflichten des vom Versicherungsnehmer beauftragten Ve r-
sicherungsmaklers gehen weit. Er wird als sein Interessen- oder sogar
Abschlussvertreter angesehen. Wegen seiner umfassenden Pflichten
kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsve r-
hältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als de ssen
treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen B e-
ratern verglichen werden (Senatsurteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR
190/83, BGHZ 94, 356, 359; BGH, Urteile vom 16. Juli 2009 - III ZR
21/09, VersR 2009, 1495 Rn. 8; vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJW-
RR 2007, 1503 Rn. 10; vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162,
22
23
24
25
- 9 -
67, 78). Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er
dessen Interessen wahrzunehmen und individuellen, für das betreffende
Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen; er muss von sich
aus das Risiko untersuchen und das Objekt prüfen (Senatsurteil vom
22. Mai 1985 aaO; BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 aaO).
b) Gegen diese Pflichten hat der Beklagte bereits deshalb verst o-
ßen, weil er im Rahmen der ihm obliegenden Aufgabe, den Versiche-
rungsbedarf zu ermitteln, nicht nachgefragt hat, welche konkreten Täti g-
keiten der Kläger im Rahmen seines Betriebs tatsächlich ausübt.
Der Pflichtenverstoß ist auch auf der Basis des vom Beklagten be-
haupteten Inhalts des streitigen Telefongesprächs anzunehmen, weshalb
es einer Beweisaufnahme hierüber nicht bedurfte. Selbst wenn der Klä-
ger in dem Telefonat nur den Hinweis gab, dass in der Deckungsnote nur
von "Ofensetzer" die Rede sei, er als Ofenbauer "aber auch mal Fliesen
kleben müsse", wäre schon dies ein ausreichender Anlass für weitere
Nachfragen des Beklagten gewesen. Allein die Hinzufügung des Zusat-
zes "incl. zugehöriger Fliesenarbeiten" auf der Deckungsnote genügte
nicht. Sie ergab auch keinen Sinn, weil etwaige Fliesenarbeiten, die aus-
nahmsweise im Zusammenhang mit dem Ofensetzerhandwerk vorz u-
nehmen waren, nach Teil I Nr. 1 der für das Versicherungsverhältnis wei-
ter vereinbarten "Besondere(n) Bedingungen und Risikobeschreibungen
zur Haftpflichtversicherung für Betriebe des Baunebengewerbes" des
Versicherers aufgrund des dort enthaltenen Verweises auf § 5 Hand-
werksordnung ohnehin mitversichert waren. Vielmehr hätte der Beklagte
dem Kläger auf diesen Hinweis hin erklären müssen, dass es entsche i-
dend darauf ankommt, ob er gelegentlich auch selbständige Fliesenar-
26
27
- 10 -
beiten erbringt, was dann eines gesonderten Versicherungsschutzes b e-
durft hätte.
Das schließt zugleich ein Mitverschulden des Klägers aus.
3. Das Berufungsgericht hat zu Recht keine Feststellungen dazu
getroffen, ob sich der Kläger tatsächlich gegenüber seiner Auftraggeb e-
rin haftpflichtig gemacht hat. Dies ist nicht entscheidungserheblich, weil
der Versicherungsschutz auch der Abwehr unbegründeter Ansprüche
dient.
4. Dagegen sind die Ausführungen, mit denen das Berufungsge-
richt einen durch Pflichtverletzung des Beklagten eingetretenen Schaden
des Klägers bejaht hat, von Rechtsfehlern beeinflusst .
a) Nur im Ergebnis zutreffend ist die Annahme des Berufungsg e-
richts, dass das nach Ziffer 1.1 AHB für einen Versicherungsfall maßgeb-
liche Schadenereignis in den versicherten Zeitraum fällt.
aa) Die Auslegung und die Wirksamkeit dieser mit Ziffer 1 AHB
2008 - Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Vers i-
cherungswirtschaft - übereinstimmenden Klausel sind allerdings umstrit-
ten. Außer dem Berufungsgericht hält auch ein Teil des Schrifttums die
Klausel wegen Intransparenz nach § 307 BGB für unwirksam (Lücke in
Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. § 100 Rn. 31; HK-VVG/Schimikowski,
2. Aufl. AHB Ziff. 1 Rn. 13; letzterer mit der Einschränkung, dass die
Klausel entweder intransparent i.S. von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB oder
mehrdeutig und damit unklar i.S. von § 305c Abs. 2 BGB sei); ein ande-
rer Teil der Literatur hält die Regelung für nicht mehrdeuti g und wirksam
28
29
30
31
32
- 11 -
(MünchKomm-VVG/Littbarski, § 100 Rn. 117 ff.; Versicherungsrechts-
Handbuch/Schneider 2. Aufl. § 24 Rn. 22; Langheid in Römer/Langheid,
VVG 4. Aufl. § 100 Rn. 61 f.). Der Senat hat die Frage, was nach den
AHB im Allgemeinen unter dem Schadenereignis zu verstehen ist, in ei-
nem Urteil vom 27. November 2002 ausdrücklich offen gelassen (IV ZR
159/01, VersR 2003, 187 unter III 1). Sie muss auch hier nicht entschie-
den werden.
bb) Entgegen der erstgenannten Auffassung ist die Definition des
Versicherungsfalles in den AHB weder wegen Intransparenz unwirksam
noch unklar; sie führt im Streitfall dazu, dass das maßgebliche Schade n-
ereignis im Wasseraustritt zu sehen ist.
(1) Zunächst scheidet eine Inhaltskontrolle der Bestimmung aus.
Der Gesetzgeber hat im Versicherungsvertragsgesetz bewusst nicht ge-
regelt, welcher Vorgang in der Haftpflichtversicherung den Versich e-
rungsfall darstellt, sondern dies der Klärung durch das Vertragsrecht
überlassen (Lücke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 100 Rn. 25). Die De-
finition des Versicherungsfalles, die in unterschiedlichen Bedingungen in
ganz unterschiedlicher Weise erfolgt, ohne deshalb mit § 100 VVG u n-
vereinbar zu sein, gehört damit zum Kern der Leistungsbeschreibung,
weshalb sie sich einer inhaltlichen AGB-Kontrolle entzieht (Lücke aaO
Rn. 26). Eine Inhaltskontrolle (auf Unangemessenheit) findet hinsichtlich
der Leistungsbeschreibung, die den unmittelbaren Gegenstand der g e-
schuldeten Hauptleistung festlegt und ohne deren Vorliegen mangels
Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein
wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann, nach § 307
Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt. Diese Vorschrift hindert eine richterliche
Inhaltskontrolle nur dann nicht, wenn die betreffende Klausel nach i hrem
33
34
- 12 -
Wortlaut und erkennbaren Zweck das vom Versicherer gegebene Haup t-
leistungsversprechen lediglich einschränkt, verändert, ausgestaltet oder
sonst modifiziert (vgl. nur Senatsurteile vom 26. September 2007 - IV ZR
252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 13 und vom 13. Juli 1994 - IV ZR 107/93,
BGHZ 127, 35, 41). So liegt es hier nicht.
(2) Aber auch eine Transparenzkontrolle scheidet aus. Zwar e r-
streckt sich diese gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB grundsätzlich auch
auf das Hauptleistungsversprechen. Jedoch ist Ziffer 1.1 AHB von vorn-
herein von einer Unwirksamkeitsfolge ausgeschlossen, weil es anson s-
ten - mangels gesetzlicher Definition des Versicherungsfalls in der Haf t-
pflichtversicherung - keine Regelung zum Versicherungsschutz als sol-
chem und zur Einordnung des Versicherungsfalls gäbe. Wo eine gesetz-
liche Auffangregelung fehlt, hat die Unwirksamkeit von essentialia negotii
die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge. Der Versiche-
rungsnehmer verlöre dann jeglichen Versicherungsschutz. Eine reine
Transparenzkontrolle des Vertragskerns, die in Unwirksamkeit des ge-
samten Vertrages resultiert, ist deshalb im Hinblick auf die Garantie der
Vertragsfreiheit unzulässig (MünchKomm-VVG/Bruns, § 307 BGB
Rn. 38).
(3) Gleichwohl hat das Berufungsgericht das Schadenereignis für
den Streitfall im Ergebnis zutreffend bestimmt. Einer Anwendung der Un-
klarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es hierfür nicht.
(a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger
Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer
Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusamme n-
35
36
37
- 13 -
hangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichke i-
ten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezial-
kenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom
23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die Al l-
gemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpr e-
tieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit
dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der
Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versich e-
rungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR
201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.).
(b) Die diesen Vorgaben folgende Auslegung der Ziffer 1 .1 AHB
ergibt, dass im Streitfall erst der Austritt des Wassers als das maßgebl i-
che Schadenereignis anzusehen ist (a.A. Lücke, VuR Kompakt 2013, 5,
7).
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird Satz 3 der Zif-
fer 1 AHB zunächst entnehmen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der
Schadenverursachung ankommt, da diese erst noch zum Schadenereig-
nis führen muss. Der Zeitpunkt der Ausführung der Fliesen- und Abdich-
tungsarbeiten scheidet damit aus. Umgekehrt wird er aufgrund der Rege-
lung der Ziffer 1.1 Satz 2 AHB erkennen, dass das Schadenereignis zeit-
lich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss, da
die Schädigung als Folge des Schadenereignisses bezeichnet ist. Dabei
muss der zeitliche Abstand allerdings nicht groß sein, da die Schädigung
des Dritten "unmittelbar" aus dem Schadenereignis entstanden sein soll.
Danach kommt auch die Abnahme der fehlerhaften Arbeit als maßgebli-
ches Ereignis nicht in Betracht; sie führt die Schädigung nicht unmittel-
bar herbei. Als mögliche Anknüpfungspunkte verbleiben damit nur die In-
38
39
- 14 -
betriebnahme des Pumpensumpfes und der tatsächlich stattfindende
Wasseraustritt.
Die letzte Tatsache, die den Schaden an den Sachen des Auftrag-
gebers ausgelöst hat, ist jedoch erst der Austritt des Wassers selbst.
Erst für diesen Umstand wird der Kläger hier von seinem Auftraggeber
haftbar gemacht. Schadenereignis kann aber nur ein solches Ereignis
sein, das zur Auslösung des gegen den Versicherungsnehmer gerichte-
ten Haftpflichtanspruchs geeignet ist (Senatsurteil vom 11. Dezember
2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182, 184 f.). Der durchschnittliche Ver-
sicherungsnehmer wird die Klausel daher aufgrund des in ihr verwende-
ten Begriffs der Unmittelbarkeit so verstehen, dass ihm gerade für den
Eintritt dieser Tatsache Haftpflichtversicherungsschutz gewährt werden
soll.
Damit liegt das Schadenereignis innerhalb der versicherten Zeit.
Zwar ist es unklar, wann genau die Undichtigkeit nach der Inbetriebnah-
me der Anlage eintrat und der Wasseraustritt begonnen hat, bevor das
Wasser schließlich in die Räume der Geschädigten lief und dort am
7. November 2009 entdeckt wurde. Es ist aber klar, dass aus dem Leck
des Pumpensumpfes bis zur Entdeckung der Feuchtigkeitsschäden stän-
dig Wasser ausgelaufen ist, so dass der Versicherungsfall jedenfalls
auch in der versicherten Zeit angedauert hat.
b) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts vermögen
aber aus einem anderen Grunde die Annahme, dass der Kläger im Falle
zutreffender Risikoermittlung und Beratung durch den Beklagten Vers i-
cherungsschutz für dieses Schadenereignis genossen hätte, auch im Er-
gebnis nicht zu tragen. Insoweit bedarf es noch weiterer Feststellungen.
40
41
42
- 15 -
aa) Das Berufungsgericht hat ein Eingreifen der Ausschlussklausel
in Ziffer 7.14 (1) AHB zu Unrecht abgelehnt.
(1) Diese Bestimmung kann aus der maßgeblichen Sicht des
durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht einschränkend dahin
ausgelegt werden, dass sie nur dann Anwendung findet, wenn der Versi-
cherungsnehmer selbst die Abwässer abgeleitet oder wenigstens ihre
Ableitung veranlasst hat. Einen Anhaltspunkt für eine derartige Ein-
schränkung bietet der Wortlaut der Regelung nicht. A ber auch aus ihrem
Zweck kann sie nicht entnommen werden. Der Grund für den Ausschluss
liegt in der besonderen Abwassergefahr aufgrund der unübersehbaren
Veränderungen der Beschaffenheit, denen Gebrauchswasser nach seiner
Nutzung unterliegen kann. Es vermag Krankheitskeime, Fäul nisstoffe
oder chemische Zusätze in sich aufzunehmen, die ihm aggressive, g e-
fährliche Eigenschaften verleihen, mit denen in der Natur vorkommendes
Wasser regelmäßig nicht behaftet ist. Für diese typischen, unüberscha u-
baren Gefahren der Abwässer, die Anlass zu ihrer tunlichst gesicherten
Ableitung geben, will auch der Haftpflichtversicherer nicht einstehen
(Senatsurteil vom 13. Dezember 1972 - IV ZR 154/71, VersR 1973, 170).
Der Ausschlussgrund ist damit objektiver Natur und unabhängig davon,
auf wessen Handeln die Ableitung dieser Abwässer zurückgeht (ebenso
entgegen der Meinung des Berufungsgerichts die von ihm angeführte
Kommentarliteratur: Johannsen in Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl.
Anm. G 181 letzter Satz; Späte, Haftpflichtversicherung § 4 Rn. 88).
(2) Es handelt sich hier auch nicht um häusliche Abwässer, die
vom Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen sind. Da auch der
durchschnittliche Versicherungsnehmer die potentiell erhöhte Gefährlic h-
43
44
45
- 16 -
keit von Abwasser als Grund für den Ausschluss erke nnen wird, wird er
den Begriff der häuslichen Abwässer als Abgrenzung zu gewerblichen
oder betrieblichen Abwässern verstehen, denen eine derartige Gefäh r-
lichkeit regelmäßig in nochmals erhöhtem Maße anhaftet. Abwässer aus
medizinischen Geräten, wie sie hier in den Pumpensumpf fließen, sind
danach nicht als häusliche Abwässer im Sinne der Klausel anzusehen.
bb) Aus der Anwendbarkeit von Ziffer 7.14 (1) AHB auf den vom
Kläger gemeldeten Schadenfall folgt jedoch noch nicht, dass der Kläger
auch im Falle der gebotenen Nachfrage nach den im Rahmen seines B e-
triebes ausgeführten Arbeiten und einer zutreffenden Beratung auf
Grundlage der dann erteilten Antwort keinen Versicherungsschutz für
diesen Schaden gehabt hätte. Hierzu bedarf es vielmehr weiterer Fes t-
stellungen.
(1) In den vereinbarten "Besondere(n) Bedingungen und Risikobe-
schreibungen zur Haftpflichtversicherung für Betriebe des Baunebeng e-
werbes" heißt es unter II.3.3. unter anderem wie folgt:
"
… Mitversichert sind - in teilweiser Abweichung von …
Ziff. 7.14 (1), (3) und (4) AHB - Haftpflichtansprüche aus
Sachschaden, der entsteht durch
3.3.1 Abwässer (…), mit Ausnahme von Schäden aus Ab-
wasseranlagen des Versicherungsnehmers, aus Planung,
Herstellung, Lieferung, Montage und Wartung von Abwa s-
seranlagen oder Teilen, die ersichtlich für Abwasseranla-
gen bestimmt sind …"
Damit ist hier ein Wiedereinschluss von Haftpflichtansprüchen aus
durch Abwässer entstandenem Sachschaden vorgesehen, der seiner-
seits nur wegen der darin weiter enthaltenen Rückausnahme nicht zum
46
47
48
- 17 -
Zuge kommt. Die Herstellung der Abdichtung eines Pumpensumpfes, in
den Abwässer aus einer Dialysepraxis fließen, wird von dieser Rückau s-
nahme erfasst.
(2) Aufgrund der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Fes t-
stellungen ist es offen, ob die Pflichtverletzung des Beklagten dazu ge-
führt hat, dass er davon abgesehen hat, dem Kläger einen Versiche-
rungsschutz zu empfehlen, der einen Einschluss von Schäden durch Ab-
wässer ohne diese Rückausnahme vorsah.
Wie oben unter 2. a) ausgeführt, gehört es zu den Aufgaben des
Versicherungsmaklers, aufgrund einer sachgerechten Risikoprüfung für
einen den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers entsprechenden
Versicherungsschutz zu sorgen. In diesem Rahmen hat er auch die B e-
dingungen der von ihm empfohlenen Versicherung in den Blick zu neh-
men, insbesondere soweit diese von anderen marktüblichen Bedingu n-
gen abweichen. Insoweit dürfte aber der weitgehend uneingeschränkte
Wiedereinschluss von Schäden durch Abwässer im Baunebengewerbe
üblich sein (so auch Lücke, VuR kompakt 2013, 5, 7). Denn nach dem
"Tarif I: Industrie, Handel und Gewerbe" des Mustertarifs 2007 (abge-
druckt z.B. in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. S. 1608 ff.) sind gemäß
Ziff. 1.2 lit. b) Haftpflichtansprüche aus Sachschaden durch Abwässer für
das Baunebengewerbe - darunter fallen nach Ziffer 1.2.5 Ofenbauer
ebenso wie Fliesenleger - in Abweichung von Ziffer 7.14 (1) AHB ohne
die hier vereinbarte Rückausnahme eingeschlossen.
Es kommt deshalb darauf an, ob der Beklagte bei gehöriger Nach-
frage zu den vom Kläger konkret ausgeübten Tätigkeiten hätte erkennen
können, dass der eingeschränkte Wiedereinschluss nicht genügte , weil
49
50
51
- 18 -
der Kläger auch Arbeiten an einer Anlage vorgenommen hatte, in die
Abwässer abgeleitet wurden. Zu dieser Frage hat das Berufungsgericht
bislang keine Feststellungen getroffen. Das wird es - gegebenenfalls
nach ergänzendem Parteivortrag - nachzuholen haben.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 20.07.2010 - 13 O 100/10 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 23.10.2012 - 11 U 90/10 -