Urteil des BGH vom 30.07.2014

BGH: nötigung, gewalt, unterlassen, gesamtstrafe, einwirkung, erfolgsdelikt, überprüfung, anschluss, anhörung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 2 7 0 / 1 4
vom
30. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Essen vom 10. März 2014 im Schuldspruch dahin-
gehend geändert, dass der Angeklagte des Diebstahls und
der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuch-
ter Nötigung schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zehn Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision
hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbe-
gründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung wegen einer
– neben der rechtsfehlerfrei festgestell-
ten gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
– tateinheitlich be-
gangenen (vollendeten) Nötigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. In-
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soweit hat sich der Angeklagte lediglich einer versuchten Nötigung schuldig
gemacht.
Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte im Anschluss an einen
von ihm begangenen Ladendiebstahl von dem Geschädigten S. verfolgt
und festgehalten. Nachdem er sich von dem Geschädigten zu lösen vermochte,
verließ er das Ladenlokal, wobei ihn der Geschädigte aus Angst nicht mehr
aufhielt. Plötzlich kehrte der Angeklagte zurück und verwickelte den Geschädig-
ten in eine Rangelei. Dabei schlug er mit einer Flasche um sich und traf den
Geschädigten am Kopf. Danach verließ er die Örtlichkeit wieder. Mit dem
Schlag wollte der Angeklagte eine Verfolgung durch den Geschädigten verhin-
dern.
Die Annahme einer vollendeten Nötigung wird durch diese Feststellun-
gen nicht belegt. § 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Eine vollendete
Nötigung liegt daher erst dann vor, wenn das Opfer aufgrund der Druckwirkung
des Nötigungsmittels die vom Täter angestrebte Handlung vorgenommen oder
zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat (BGH, Beschluss vom
19. Dezember 2012
– 4 StR 302/13, Rn. 13; Beschluss vom 19. Juni 2012 –
4 StR 139/12, NStZ 2013, 36; Beschluss vom 1. Dezember 2005
4 StR 506/05, NStZ-RR 2006, 77 mwN). Dass der Geschädigte unter der Ein-
wirkung des Schlages von einer Verfolgung des Angeklagten abgesehen hat,
lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, vielmehr hatte er schon zuvor
aus Angst
– vom Verfolgen des Angeklagten abgesehen.
Jedoch hat sich der Angeklagte einer versuchten Nötigung schuldig ge-
macht. Der Schlag mit der Flasche (Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB)
war darauf gerichtet, dem Geschädigten ein Verhalten (Unterlassen einer Ver-
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folgung) abzuzwingen, das über das Erdulden der mit der Körperverletzungs-
handlung verbundenen Beeinträchtigung hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom
1. Dezember 2005
– 4 StR 506/05, NStZ-RR 2006, 77). Damit hatte der Ange-
klagte den für die Annahme einer versuchten Nötigung erforderlichen Tatent-
schluss.
Da weitere Feststellungen nicht mehr zu erwarten sind, ändert der Senat
den Schuldspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entspre-
chend ab.
2. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender materi-
ell rechtlicher Würdigung auf eine mildere Einzelstrafe erkannt hätte. Die ver-
hängte Strafe wurde rechtsfehlerfrei dem Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB
entnommen. Die zu Unrecht angenommene Verwirklichung des Tatbestandes
einer vollendeten Nötigung wurde weder bei der Ablehnung eines minder
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schweren Falls nach § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB, noch bei der konkre-
ten Strafbemessung strafschärfend bewertet. Damit hat auch die Gesamtstrafe
Bestand.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
RiBGH Bender ist
urlaubsabwesend
und deshalb an der
Beifügung der Unterschrift
gehindert
Sost-Scheible Quentin