Urteil des BGH vom 22.11.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 96/12
Verkündet am:
22. November 2013
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 577
Das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB entsteht
bei dem Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten
Grundstücks im Grundsatz nur dann, wenn sich der Veräußerer vertraglich
zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die
von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in
dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.
Es entsteht in der Regel nicht, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum
begründen sollen, und zwar auch dann nicht, wenn diese beabsichtigen, die
neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen („Erwerbermodell“).
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - V ZR 96/12 - OLG Hamm
LG Essen
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin
Dr. Brückner
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Hamm vom 30. März 2012 wird auf Kosten der Kläge-
rin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte war Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus be-
bauten Grundstücks. Eine der vier in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen
vermietete sie an die Klägerin. Am 22. Januar 2009 erteilte das zuständige
Landratsamt die Abgeschlossenheitsbescheinigung. Den ungeteilten Grundbe-
sitz verkaufte die Beklagte mit notariellem Vertrag vom 11. März 2009 an drei
Erwerber zum Preis von 120.000 €. Diese ließen noch am gleichen Tag und bei
demselben Notar eine Teilungsvereinbarung gemäß § 3 WEG beurkunden. Die
Umschreibung des Eigentums erfolgte am 30. Juli 2009. Am 14. März 2011
erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie das auf § 577 BGB
gestützte Vorkaufsrecht ausübe.
Mit der Klage will die Klägerin feststellen lassen, dass zwischen ihr und
der Beklagten ein Kaufvertrag über die von ihr angemietete Wohnung zum
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Preis von 30.000
€ zustande gekommen ist. Landgericht und Oberlandesge-
richt haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revi-
sion verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Verkauf des gesamten Gebäu-
des begründe nur dann ein Vorkaufsrecht des Mieters gemäß § 577 Abs. 1
Satz 1 Alt. 2 BGB hinsichtlich der gemieteten Wohnung, wenn diese als abge-
grenzter Teil des Kaufvertrags angesehen werden könne. Hierfür müsse ent-
weder das künftige Wohnungseigentum in dem Kaufvertrag dargestellt sein
oder eine Teilungserklärung bereits errichtet und in Bezug genommen oder ei-
ne Aufteilungspflicht vertraglich vereinbart sein. Diese Voraussetzungen lägen
auch dann nicht vor, wenn unterstellt werde, dass die Beklagte die Umwand-
lungsabsicht der Erwerber gekannt und sowohl bei der Erteilung der Abge-
schlossenheitsbescheinigung als auch bei der Vorbereitung der Teilungsver-
einbarung mitgewirkt habe, indem sie den Erwerbern die notwendigen Informa-
tionen und Pläne verschafft habe. Weder nehme der Kaufvertrag auf die Tei-
lungsvereinbarung Bezug noch ergäben sich aus anderen Umständen ausrei-
chende Kriterien für eine solche Bestimmung der gemieteten Wohnung als
Teilobjekt des Veräußerungsvertrags.
Allerdings könne die Aufteilung des Wohnungseigentums auch durch
mündliche Nebenabreden vereinbart werden, deren Formunwirksamkeit hier
infolge der Auflassung und Eintragung geheilt wäre. Dass sich die Bestimmbar-
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keit des künftigen Wohnungseigentums aus solchen Nebenabreden ergebe,
habe die Klägerin indes nicht bewiesen. Der Beklagten sei nicht zu widerlegen,
dass sie das Objekt stets als Einheit angeboten und kein eigenes Interesse an
der Aufteilung gehabt habe; sie habe sich die Absicht der Erwerber über die
bloße Kenntnis und Hilfeleistung hinaus nicht zu Eigen gemacht. Der durch
§ 577 BGB bezweckte Schutz des Mieters stelle diese Auslegung nicht in Fra-
ge; es realisiere sich nur die stets bestehende Gefahr der Eigennutzung durch
den Erwerber.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
Der Klägerin steht kein Vorkaufsrecht gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Nach dieser Bestimmung ist ein Mieter zum Vorkauf berechtigt, wenn vermiete-
te Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungsei-
gentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten ver-
kauft werden. Zwar waren der Klägerin die Wohnräume im Zeitpunkt des Ver-
kaufs als Mieterin überlassen. Ein Vorkaufsrecht nach der ersten Alternative
der Norm scheidet aber schon deshalb aus, weil das Wohnungseigentum erst
nach dem Verkauf begründet worden ist; auch die Voraussetzungen für die
zweite Alternative des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen nicht vor.
1. Allerdings ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen Wohnungs-
eigentum im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt.
2 BGB „begründet werden soll“,
wenn - wie hier - ein ungeteiltes Mehrfamilienhaus veräußert wird.
a) Nach überwiegender Ansicht setzt die Entstehung des Vorkaufsrechts
zum einen voraus, dass bei Abschluss des Kaufvertrages beabsichtigt gewesen
sei, Wohnungseigentum zu begründen; zum anderen müsse die von dem Mie-
ter bewohnte Wohnung einen rechtlich bestimmten oder zumindest bestimmba-
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ren Teil des Vertragsgegenstands bilden (so zu § 2b WoBindG aF KG,
KGR 1994, 146, 148 - die Revision wurde nicht angenommen: Senat, Be-
schluss vom 24. März 1994 - V ZR 111/93, unveröffentl.; MünchKomm-
BGB/Häublein, 6. Aufl., § 577 Rn. 7; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl.,
§ 577 Rn. 3; Staudinger/Rolfs, BGB [2011], § 577 Rn. 23, 31; Emmerich/
Sonnenschein/Rolfs, Miete, 10. Aufl., § 577 Rn. 13; BeckOK BGB/Hannappel,
Edition 26, § 577 Rn. 8 f.; Heintz, Vorkaufsrecht des Mieters [1998], § 5
Rn. 150 ff., 176; Wirth, NZM 1998, 390, 392; vgl. auch BayObLGZ 1992, 100 ff.
zu § 2b WoBindG aF).
aa) Im Hinblick auf die erste Voraussetzung wird uneinheitlich beantwor-
tet, wann die Umwandlungsabsicht ausreichend manifestiert ist.
(1) Teilweise wird vertreten, es genüge schon, dass sich die Umwand-
lungsabsicht in einer „beliebigen äußeren Form konkretisiert“ habe (Staudin-
ger/Rolfs, BGB [2011], § 577 Rn. 23), etwa wenn - wie hier - im Zeitpunkt des
Kaufvertragsabschlusses eine Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt oder
jedenfalls beantragt worden sei (Staudinger/Rolfs, aaO; Kandelhard in Herr-
lein/Kandelhard, Mietrecht, § 577 BGB, 4. Aufl., Rn. 8 f.; Sternel, Mietrecht ak-
tuell, 4. Aufl., Rn. XI 262).
(2) Nach ganz überwiegender Ansicht reichen reine Vorbereitungshand-
lungen - zu denen auch das Bewirken der Abgeschlossenheitsbescheinigung
gezählt wird - dagegen nicht aus. Der gesetzlichen Regelung könne nicht ent-
nommen werden, dass der Gesetzgeber die Ausübung des Vorkaufsrechts
auch bei einer Gesamtveräußerung eines Grundstücks habe zulassen wollen,
dessen Umwandlung in Wohnungseigentum noch nicht eingeleitet sei
(BayObLGZ 1992, 100, 109 zu § 2b Abs. 1 WoBindG aF). Genügen soll es
vornehmlich, wenn bei Vertragsschluss bereits eine Teilungserklärung nach § 8
WEG beurkundet ist (BayObLGZ 1992, 100, 109 iVm 106; Lammel, Wohn-
raummietrecht, 3. Aufl., § 577 BGB Rn. 16; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
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15. Aufl., Rn. 4184; Spielbauer/Krenek, Mietrecht, § 577 Rn. 20 ff.; Mössner in:
jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 577 Rn. 22 mwN; Rüßmann, RNotZ 2012, 97, 110;
F. Schmidt, WE 1993, 328, 334). Ausreichen soll es auch, wenn sich der Ver-
käufer zu der Teilung verpflichtet (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl.,
§ 577 BGB Rn. 17; Derleder, NJW 1996, 2817, 2821; Langhein, DNotZ 1993,
650, 654 f.) oder die Parteien gegenseitige Vertragspflichten übernehmen, die
die Begründung von Wohnungseigentum herbeiführen sollen (KG, KGR 1994,
146 ff.).
(3) Ob die erforderliche Umwandlungsabsicht auch dann besteht, wenn
- wie hier - erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen, ist streitig.
Manche halten eine Teilungsvereinbarung der Erwerber gemäß § 3 WEG all-
gemein für ausreichend (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XI 262; Wieni-
cke, WuM 1980, 93, 96 zu § 2b WoBindG aF). Überwiegend wird dies jedoch
verneint (Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 577 BGB Rn. 19; Schmidt-
Futterer/Blank,
Mietrecht,
11. Aufl.,
§ 577
BGB
Rn. 16;
Schöner/
Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 4184; BeckOK BGB/Hannappel, Editi-
on 26, § 577 Rn. 8; Wirth, NZM 1998, 390, 392).
bb) Die zweite Voraussetzung - die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit
des zukünftigen Wohnungseigentums - soll erfüllt sein, wenn die Wohnung in
dem Kaufvertrag selbst als Teilobjekt so hinreichend bestimmt ist, dass sie in
Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück der rechtlich
selbständige Gegenstand eines rechtsgültigen Kaufvertrags sein kann
(BayObLGZ 1992, 100 ff.; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 577 BGB
Rn. 22, 24; Klühs, RNotZ 2012, 555, 561 f.; Wirth, NZM 1998, 390, 392; Schil-
ling/Meyer, ZMR 1994, 497, 503 f.). Dafür ist es als ausreichend angesehen
worden, dass bei Abschluss des Kaufvertrags ein Aufteilungsplan vorlag (KG,
KGR 1994, 146, 148 zu § 2b WoBindG aF). Nicht genügen soll es dagegen,
wenn das Grundstück „als Ganzes“ verkauft wird (Schmidt-Futterer/Blank, Miet-
recht, 11. Aufl., § 577 BGB Rn. 18; Blank, WuM 1993, 573, 578).
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b) Gesondert betra
chtet werden häufig sogenannte „Erwerbermodelle“,
bei denen - wie hier - ein Mietshaus mit mehreren Wohnungen en bloc an eine
Mehrheit von Erwerbern verkauft wird, die erst nach dem Erwerb Wohnungsei-
gentum begründen wollen, um die neu geschaffenen Einheiten später jeweils
selbst zu nutzen.
aa) Hier soll nach verbreiteter Ansicht ein Vorkaufsrecht auch dann ent-
stehen, wenn auf die Erwerber nicht unmittelbar Wohnungseigentum übertra-
gen wird, sondern andere rechtsgeschäftliche Gestaltungsformen gewählt wer-
den, wie etwa die Begründung von Miteigentum und die anschließende Schaf-
fung von Wohnungseigentum (MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 577
Rn. 8; Staudinger/Rolfs, BGB [2011], § 577 Rn. 32: § 577 BGB analog; Derle-
der, NJW 1996, 2817, 2821; Sonnenschein, NJW 1980, 2055, 2057; Wienicke,
WuM 1980, 93, 96). Gegenstand des Vorkaufsrechts sei der betroffene Mitei-
gentumsanteil (Staudinger/Rolfs, BGB [2011], § 577 Rn. 32; Blank, WuM 1993,
573, 578; Maciejewski, MM 1994, 137, 138).
bb) Teilweise wird darüber hinaus gefordert, dass jedem Erwerber von
vornherein eine hinreichend bestimmte Wohnung zur alleinigen Nutzung zuge-
wiesen sein müsse (Emmerich/Sonnenschein/Rolfs, Miete, 10. Aufl., § 577
Rn. 13; Staudinger/Rolfs, BGB [2011], § 577 Rn. 32; Kandelhard in Herr-
lein/Kandelhard, Mietrecht, 4. Aufl., § 577 BGB Rn. 8; Heintz, Vorkaufsrecht
des Mieters [1998], § 5 Rn. 178 ff., 184; Blank, WuM 1993, 573, 578).
cc) Wieder andere halten auch mit Blick auf Erwerbermodelle daran fest,
dass das Vorkaufsrecht nur dann entstehe, wenn die Umwandlung durch den
Veräußerer erfolge, nicht aber, wenn erst die Erwerber eine Teilung gemäß § 3
WEG vereinbarten (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 577 BGB
Rn. 16 und 20; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 577 BGB Rn. 19;
Klühs, RNotZ 2012, 555, 561 f.; Wirth, NZM 1998, 390, 392).
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2. Der Senat entscheidet die Streitfrage dahingehend, dass das Vor-
kaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bei dem Verkauf
eines (noch) ungeteilten Mehrfamilienhauses im Grundsatz nur dann entsteht,
wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß
§ 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige
Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder
zumindest bestimmbar ist; dies gilt auch im Fall eines Erwerbermodells.
a) Der Wortlaut der Vorschrift, wonach Wohnungseigentum „begründet
werden soll“, ist für die Anforderungen an die Entstehung des Vorkaufsrechts
im Einzelnen unergiebig. Er lässt offen, ob die Parteien des Kaufvertrages die
Umwandlung vereinbaren müssen, ob die erkennbare subjektive Umwand-
lungsabsicht des Erwerbers ausreicht oder die Umwandlung nur objektiv mit
einer bestimmten Wahrscheinlichkeit bevorstehen muss.
b) Auch die historische Auslegung führt nicht zu einem eindeutigen Er-
gebnis. Die Regelung geht zurück auf § 2b WoBindG aF, der zum 1. Juli 1980
in Kraft trat und ein Vorkaufsrecht zunächst nur für öffentlich geförderte Miet-
wohnungen einführte, „um den spekulativen Verdrängungen von Mietern insbe-
sondere im Zusammenhang mit dem Aufkauf und der Umwandlung ganzer So-
zialmietwohnanlagen zu begegnen und gleichzeitig die Veräußerung der Woh-
nungen grundsätzlich an den bisherigen Mieter zu sichern“ (BT-Drucks. 8/3403,
S. 35, vgl. auch BVerfG, NZM 2011, 479, 480). Andere Gestaltungsformen wie
die Begründung von Miteigentum werden in den Gesetzesmaterialien zwar kurz
erwähnt, aber nur im Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht gegenüber der
zuständigen Behörde (Ausschussbericht zu §§ 2a, 2b WoBindG aF, BT-Drucks.
8/3403, S. 40). Durch die zum 1. September 1993 in Kraft getretene Vorschrift
des damaligen § 570b BGB wurde das Vorkaufsrecht auf alle Mietwohnungen
ausgeweitet (BT-Drucks. 12/3254, S. 40
); ein vorangehender Entwurf, der „an-
dere re
chtliche Gestaltungen“, die „zu einem wirtschaftlich vergleichbaren Er-
gebnis führen“, mit Blick auf die Bildung von Bruchteilseigentum der Umwand-
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lung gleichsetzen sollte (BT-Drucks. 12/3013, S. 8, 18), ist nicht Gesetz gewor-
den. Später wurde der Regelungsgehalt des § 570b BGB in den jetzigen § 577
BGB übernommen (BT-Drucks. 14/4553, S. 72). Mit den Anforderungen an die
gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB noch bevorstehende Begründung von
Wohnungseigentum im Einzelnen hat sich der Gesetzgeber nicht befasst (vgl.
BayObLGZ 1992, 100, 108).
c) Dass der Veräußerer sich vertraglich zur Durchführung der Aufteilung
gemäß § 8 WEG verpflichten muss, ergibt sich vor allem aus systematischen
Überlegungen.
aa) Auf das Vorkaufsrecht finden gemäß § 577 Abs. 1 Satz 3 BGB er-
gänzend die allgemeinen Bestimmungen über den Vorkauf Anwendung
(§§ 463 ff. BGB). Gemäß § 464 Abs. 2 BGB wird durch die Ausübung des Vor-
kaufsrechts als Gestaltungsrecht zwischen dem Berechtigten und dem Ver-
pflichteten ein (weiterer) selbständiger Kaufvertrag neu begründet zu den glei-
chen Bedingungen, wie er zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten abge-
schlossen war; der Berechtigte tritt also nicht in den zwischen dem Verpflichte-
ten und dem Drittkäufer geschlossenen Vertrag ein (Senat, Urteil vom 13. März
2009 - V ZR 157/08, NJW-RR 2009, 1172 Rn.14; RGZ 121, 137, 138). Viel-
mehr bestehen zwei Verträge, soweit der Vertrag mit dem Drittkäufer nicht un-
ter einer auflösenden Bedingung steht (dazu Senat, Urteil vom 13. März 2009
- V ZR 157/08, aaO, Rn. 16 f.). Die beiden Kaufverträge unterscheiden sich in
der Regel nur darin, dass als Käufer anstelle des Dritten der Berechtigte steht
(Senat, Urteil vom 13. Juni 1980 - V ZR 11/79, BGHZ 77, 359, 362).
bb) Das Vorkaufsrecht gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB soll aller-
dings gerade nicht zum Erwerb des gesamten Grundstücks berechtigen Eben-
so wenig soll der Mieter dauerhaft einen ideellen Miteigentumsanteil in einer
Bruchteilsgemeinschaft ohne Sondereigentum an der angemieteten Wohnung
erwerben. Vielmehr ist ein zwar sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber
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in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum Gegenstand des
Vorkaufsrechts (vgl. BayObLGZ 1992, 100, 109). Das folgt aus dem systemati-
schen Bezug des Vorkaufsrechts zu der Umwandlung in Wohnungseigentum.
Es entspricht auch seinem Zweck, dem Mieter ungeachtet der Aufteilung die
weitere alleinige Nutzung der bislang mietweise überlassenen Wohnräume zu
sichern. Deshalb muss zunächst gewährleistet sein, dass der Mieter einen An-
spruch auf die Begründung des Wohnungseigentums erwirbt.
(1) Dies ist nur der Fall, wenn der Verkäufer als Vorkaufsverpflichteter in
dem Kaufvertrag eine Verpflichtung zur Aufteilung übernommen hat. Die Tei-
lungserklärung des Veräußerers gegenüber dem Grundbuchamt gemäß § 8
WEG reicht für sich genommen nicht aus. Diese wird nämlich erst mit der An-
legung der Wohnungsgrundbücher wirksam und ist bis dahin frei widerruflich
(Armbrüster in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 8 Rn. 21; Then in Spielbauer/Then,
WEG, 2. Aufl., § 8 Rn. 5). Aus diesem Grund muss die Auslegung des Kaufver-
trags ergeben, dass die vollendete Aufteilung geschuldet ist; das kann auch
aus einer Bezugnahme auf die Teilungserklärung folgen. Fehlt es daran, kann
der Umstand, dass der Verkäufer im Zusammenhang mit der Veräußerung eine
Teilungserklärung einreicht, ein Indiz für eine dahingehende Vertragspflicht im
Wege einer Nebenabrede sein; ist diese zum Zwecke der Umgehung des Vor-
kaufsrechts nicht in die Vertragsurkunde aufgenommen worden, dürfte sich der
Veräußerer gegenüber dem Mieter nicht auf die Formunwirksamkeit der Ne-
benabrede berufen (§ 242 BGB). Jedenfalls besteht nur bei einer vertraglichen
Verpflichtung ein Anspruch auf Durchführung der Aufteilung, den auch der Mie-
ter als Vorkaufsberechtigter gegenüber dem Veräußerer geltend machen kann.
Vertragsgegenstand des zweiten Vertrags zwischen dem Veräußerer und dem
Mieter ist - sofern die weitere Voraussetzung vorliegt, das zukünftige Woh-
nungseigentum also vertraglich hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist - die
Durchführung der Aufteilung und Übereignung des an den von dem Mieter be-
wohnten Räumen neu begründeten Sondereigentums mit einem entsprechen-
den Miteigentumsanteil; als Gegenleistung schuldet der Mieter - ebenso wie bei
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dem gebündelten Verkauf mehrerer Eigentumswohnungen nach bereits vollzo-
gener Aufteilung - den auf seine Wohnung entfallenden anteiligen Kaufpreis
(eingehend Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 269/06, NJW 2007, 2699
Rn. 11).
(2) Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Aufteilung durch den
oder die Erwerber durchgeführt werden soll. Vereinbaren mehrere Erwerber die
Teilung gemäß § 3 WEG, so erwirbt der Mieter keinen Rechtsanspruch auf die
Durchführung der Aufteilung. Wird die Teilungsvereinbarung - wie hier - erst
nach dem Verkauf beurkundet, besteht bei Abschluss des Kaufvertrags nur
eine (noch) unverbindliche Umwandlungsabsicht; dies ergibt sich schon aus der
Formbedürftigkeit einer Vereinbarung gemäß § 3 WEG (§ 4 Abs. 3 WEG,
§ 311b Abs. 1 BGB). Aber selbst dann, wenn die Beurkundung schon vor Ab-
schluss des Kaufvertrags erfolgt, entsteht das Vorkaufsrecht nicht, weil der Mie-
ter nicht in die Teilungsvereinbarung eintritt. Ein Vorkaufsrecht begründet
grundsätzlich keine Rechtsbeziehungen des Mieters zu den teilenden Erwer-
bern als den Drittkäufern (vgl. RGZ 121, 137, 138 f.; Palandt/Weidenkaff, BGB,
72. Aufl., vor § 463 Rn. 9, § 464 Rn. 5). Es richtet sich gegen den Verkäufer
und erstreckt sich deshalb nicht auf Vereinbarungen der Käufer untereinander.
Die Erwerber schulden gegenüber dem Mieter keine seinen Interessen ent-
sprechende Aufteilung des Grundstücks. Sie könnten von der zuvor geplanten
Aufteilung ohne weiteres Abstand nehmen und eine bereits beurkundete Tei-
lungsvereinbarung einverständlich aufheben, ohne dass der Mieter dies verhin-
dern könnte (vgl. Klühs, RNotZ 2012, 555, 561 f.; allgemein Armbrüster in Bär-
mann, WEG, 12. Aufl., § 8 Rn. 17). Ebenso liegt es, wenn ein einzelner Erwer-
ber bei Abschluss des Kaufvertrags die Absicht hat, nach der Übereignung eine
Teilung gemäß § 8 WEG vorzunehmen.
(3) Rechtsmissbräuchen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die
Parteien des Kaufvertrags nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts bewusst
auf eine an sich beabsichtigte Teilung durch den Veräußerer verzichten und die
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Teilung den Erwerbern überlassen, kann im Einzelfall mit der Anwendung von
§ 242 BGB begegnet werden (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2007
- V ZR 269/06, NJW 2007, 2699 Rn. 9 a.E.; Urteil vom 11. Oktober 1991
- V ZR 127/90, BGHZ 115, 335, 340; BGH, Urteil vom 14. April 1999
- VIII ZR 384/97, BGHZ 141, 194, 200). Dafür reicht es - entgegen der Auffas-
sung der Klägerin - allerdings nicht aus, dass der Verkäufer den Käufern die für
die Teilung erforderlichen Informationen zukommen lässt oder Kenntnis von der
Aufteilungsabsicht der Erwerber hat. Denn den Parteien steht es im Prinzip frei,
die mit der Einräumung des Sondereigentums verbundenen Abreden den Käu-
fern zu überlassen. Hierfür kann es nachvollziehbare Gründe geben, etwa weil
der Verkäufer die Gewähr für eine den Vorstellungen der Erwerber entspre-
chende Aufteilung nicht übernehmen möchte oder die Erwerber den Zuschnitt
der Einheiten und die Einräumung von Sondernutzungsrechten nicht dem Ver-
käufer überlassen wollen. Wie das Berufungsgericht der Sache nach zutreffend
ausführt, setzt ein Umgehungsgeschäft deshalb jedenfalls ein eigenes Interes-
se des Verkäufers an der späteren Aufteilung voraus.
cc) Diese Auslegung widerspricht nicht dem Zweck des § 577 BGB, den
Mieter vor einer Verdrängung im Zuge der Umwandlung von Mehrfamilienhäu-
sern in Wohnungseigentum zu schützen.
(1) Geschützt ist der Mieter ohnehin, wenn der oder die Erwerber die Tei-
lung durchführen wollen, um das jeweilige Wohnungseigentum als Kapitalanla-
ge zu nutzen. Denn das Mietverhältnis bleibt durch den Verkauf unberührt
(§ 566 Abs. 1 BGB), eine Eigenbedarfskündigung ist nicht beabsichtigt und der
(einmalige) Vorkaufsfall tritt dann ein, wenn das Wohnungseigentum nach der
Aufteilung erstmals an einen Dritten veräußert wird (§ 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB; vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 269/06, NJW 2007, 2699
Rn. 8 f.;
BGH,
Urteil
vom
29. März
2006
- VIII ZR 250/05,
BGHZ 167, 58, 60 ff.).
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(2) Anders liegt es allerdings dann, wenn der Erwerb zum Zwecke der
späteren Eigennutzung erfolgt. Enthält der Vertrag keine Aufteilungspflicht des
Verkäufers und sprechen die Erwerber vor oder nach Abschluss der Teilungs-
vereinbarung erfolgreich eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aus, kommt der
Mieter nicht in den Genuss eines Vorkaufsrechts, weil es an einer (weiteren)
Veräußerung fehlt. Dieses Ergebnis ist deshalb hinzunehmen, weil - auch im
Interesse des Mieters - verhindert werden muss, dass er anstelle von Woh-
nungseigentum einen Miteigentumsanteil erwirbt, der es ihm nicht ermöglicht,
die Aufteilung durchzusetzen. Andernfalls wäre die Ausübung des Vorkaufs-
rechts für den Mieter mit ganz erheblichen Risiken verbunden, die umso schwe-
rer wiegen, als die Ausübung ohne vorangehende notarielle Beratung durch
privatschriftliche Erklärung erfolgen kann (§ 577 Abs. 3 BGB). Denn ein ideeller
Miteigentumsanteil kann die alleinige Nutzung der gemieteten Wohnung nicht
ohne weiteres sichern. Darüber hinaus haftet ein Miteigentümer gegenüber
Dritten in der Regel unbeschränkt, ein Wohnungseigentümer gegenüber Gläu-
bigern der Wohnungseigentümergemeinschaft dagegen grundsätzlich nur nach
dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils (§ 10 Abs. 8 WEG). Insbesondere
wäre ein Miteigentumsanteil im Vergleich zu Wohnungseigentum in der Regel
nur unter erschwerten und finanziell weniger attraktiven Bedingungen veräußer-
lich; die Aufhebung der Gemeinschaft könnte, sofern sich die Miteigentümer
nicht über die Veräußerung des gesamten Grundstücks einig werden, nur im
Wege der Teilungsversteigerung erfolgen (§§ 180 ff. ZVG; vgl. Armbrüster in
Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 8 Rn. 17).
(3) Schließlich hat der Gesetzgeber die Kündigungsbeschränkung des
§ 577a Abs. 1 BGB während des Revisionsverfahrens durch die am 1. Mai
2013 in Kraft getretene Vorschrift des § 577a Abs. 1a BGB auf die Veräuße-
rung an eine Erwerbermehrheit erstreckt (vgl. BT-Drucks. 17/10485, S. 2, 26).
Auf diese Weise hat er das Verdrängungsrisiko für den Mieter entschärft, das in
der Vergangenheit in dieser Fallgruppe vor allem deshalb besonders hoch war,
weil insoweit die Beschränkung der Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß
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§ 577a BGB in der bis zum 30. April 2013 geltenden Fassung der Norm nicht
galt (BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - VIII ZR 231/08, NJW 2009, 2738 f.). Damit
hat der Gesetzgeber eine im Kündigungsschutzrecht bestehende Gesetzeslü-
cke geschlossen. Dass in Altfällen weder die Sperre für die Eigenbedarfskündi-
gung eingreift noch ein Vorkaufsrecht entsteht, ist aus den genannten Gründen
hinzunehmen (a.A. Staudinger/Rolfs, BGB [2011], § 577 Rn. 23).
d) Weitere Voraussetzung für die Entstehung des Vorkaufsrechts ist,
dass das Wohnungseigentum vertraglich bereits hinreichend bestimmt oder
zumindest bestimmbar ist. Diese Anforderung stellt keine Besonderheit des
Mietervorkaufsrechts gemäß § 577 BGB dar. Allgemein kann ein unselbständi-
ger Teil einer Sache nur dann Gegenstand eines Kaufvertrages oder eines
Vorkaufsrechts sein, wenn er im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses bereits
rechtlich bestimmt oder zumindest bestimmbar ist (zum Kauf noch zu begrün-
denden
Wohnungseigentums
Senat,
Urteil
vom
8. November
1985
- V ZR 113/84, NJW 1986, 845; zum Vorkaufsrecht BayObLG, NJW-RR 1998,
86 f.; Soergel/Wertenbruch, BGB, 13. Aufl., § 463 Rn. 32; MünchKomm-
BGB/Westermann, 6. Aufl., § 463 Rn. 14).
e) Welche Anforderungen an die Bestimmtheit des zukünftigen Woh-
nungseigentums im Einzelnen zu stellen sind, kann dahinstehen. Denn hier
fehlt es schon an einer rechtlichen Verpflichtung der Beklagten zu der Auftei-
lung in dem Kaufvertrag. Auch ein Umgehungsgeschäft scheidet aus, weil das
Berufungsgericht nachvollziehbar ausführt, der Beklagten sei nicht zu widerle-
gen, dass sie das Objekt stets als Einheit angeboten und kein eigenes Interes-
se an der Aufteilung gehabt habe. Danach hat die Klägerin nicht bewiesen,
dass die Parteien statt einer an sich beabsichtigten Teilung durch die Beklagte
die Teilungsvereinbarung der Erwerber gewählt haben, um das Vorkaufsrecht
zu umgehen.
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- 15 -
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 09.06.2011 - 3 O 11/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 30.03.2012 - I-30 U 126/11 -
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