Urteil des BGH vom 19.05.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 240/04
Verkündet am:
19. Mai 2005
K i e f e r ,
Justizangesteller
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VerbrKrG §§ 4, 6; BGB § 126
Eine Blankounterschrift genügt der von § 4 VerbrKrG (jetzt §§ 492, 499, 501
BGB) geforderten Schriftform nicht (im Anschluß an BGHZ 132, 119, 126 f.;
140, 167, 171). Der Formmangel wird bei Maklerverträgen mit Vereinbarung
eines Zahlungsaufschubs durch Vermittlung des gewünschten Vertrags geheilt.
BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - III ZR 240/04 - LG Dessau
AG Wittenberg
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Dörr und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer
des Landgerichts Dessau vom 1. April 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin vermittelte der Beklagten aufgrund Antrags vom 30. No-
vember 1999 eine fondsgebundene Lebensversicherung bei der in Luxemburg
ansässigen A. S.A. mit einer Beitragssumme von 82.747,08 DM
und einer Vertragslaufzeit von 30 Jahren, außerdem eine Beitragsfortzahlungs-
Zusatzversicherung mit Leistung bei Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit
und Arbeitslosigkeit sowie bei Berufsunfähigkeit und eine Todesfall-
Zusatzversicherung mit vorzeitiger Sparzielabsicherung. Bei der Lebensversi-
cherung handelte es sich um eine sogenannte Nettopolice, bei der die Versi-
- 3 -
cherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vermittlung des Vertrags ent-
hält. Statt dessen unterzeichnete die Beklagte eine vorformulierte "Vermitt-
lungsgebührenvereinbarung", in der sie sich zur Zahlung einer Vermittlungs-
provision an die Klägerin in Höhe von 7.179,04 DM, zahlbar in 36 Monatsraten
zu je 199,44 DM, sowie ab dem vierten Versicherungsjahr von weiteren monat-
lich 1 % des dann jeweils fälligen Versicherungsbeitrags während der Laufzeit
des Versicherungsvertrags verpflichtete. Im Gegenzug wurde die an den Versi-
cherer zu leistende gesamte Prämie während der ersten drei Jahre von
283,04 DM auf 106,37 DM gesenkt. In der Vereinbarung heißt es unter ande-
rem:
1. Der Handelsmakler wird vom Kunden beauftragt, ihm die nach-
folgend gekennzeichneten Versicherungsverträge zu vermit-
teln. Er erhält vom Kunden für jeden vermittelten Versiche-
rungsvertrag eine Vermittlungsgebühr. Der Handelsmakler er-
hält vom jeweiligen Versicherungsunternehmen für die Vermitt-
lung des jeweiligen Versicherungsvertrages keine Vergütung.
2. Die vom Handelsmakler zu erbringende Leistung ist auf die
Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages beschränkt.
Eine über die Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertra-
ges hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht
Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler
nicht geschuldet.
Der Anspruch des Handelsmaklers gegenüber dem Kunden
auf Zahlung der jeweiligen Vermittlungsgebühr in den er-
sten drei Versicherungsjahren … entsteht mit der Annahme
des jeweiligen Versicherungsantrages durch das Versiche-
rungsunternehmen, sofern der Kunde nicht nach den Be-
stimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes dem je-
weiligen Versicherungsvertrag widerspricht oder seinen
Rücktritt vom jeweiligen Versicherungsvertrag erklärt oder
- 4 -
seinen Antrag widerruft. Die Vermittlungsgebührenansprü-
che des Handelsmaklers … bleiben jedoch von einer Ände-
rung oder vorzeitigen Beendigung des jeweiligen Versiche-
rungsvertrages aus anderen Gründen unberührt.
Versicherungsbeginn war der 1. Dezember 1999. Die Beklagte zahlte
per Lastschrifteinzug durch einen Treuhänder die Versicherungsprämie und die
Maklercourtage bis zum April 2000. Danach kündigte sie den Versicherungs-
vertrag und stellte ihre Zahlungen ein. Mit der vorliegenden Klage verlangt die
Klägerin nach Fälligstellung des Gesamtbetrags ihre restliche Vermittlungspro-
vision für die Zeit von Mai 2000 bis Mai 2002 in Höhe von 3.089,36 €. Die Be-
klagte hält die Vermittlungsgebührenvereinbarung für unwirksam. Sie hat
bestritten, jemals eine Versicherungspolice erhalten zu haben und hat sich au-
ßerdem auf ihr eingeräumte vertragliche sowie gesetzliche Rechte zum Rück-
tritt vom Versicherungsvertrag berufen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabwei-
sungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
I.
- 5 -
Nach der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Vergütungsrege-
lungen der Vermittlungsgebührenvereinbarung vom 30. November 1999 wirk-
sam. Sie seien weder überraschend im Sinne von § 3 AGBG noch verstießen
sie gegen § 9 AGBG. Soweit sie den Maklerlohnanspruch vom nachträglichen
Wegfall des vermittelten Vertrags unberührt ließen, folgten sie dem gesetzli-
chen Leitbild des Versicherungmaklervertrags nach den §§ 93 ff. HGB und
§ 652 BGB. Umstände die darauf schließen ließen, daß die Klägerin vom Ver-
sicherer ständig mit der Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen betraut
sei und deshalb einem Versicherungsvertreter gleichstehe, habe die Berufung
nicht aufgezeigt. Ein Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG oder ein zusätzlich
vertraglich eingeräumtes zweiwöchiges Widerrufsrecht nach Zugang des Ver-
sicherungsscheins habe der Beklagten im April 2000 nicht mehr zugestanden;
denn die Summe der insoweit gegen die Beklagte sprechenden Indizien recht-
fertige den zweifelsfreien Schluß, daß ihr der Versicherungsschein schon zeit-
nah nach dem 28. Dezember 1999 zugegangen sei.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung zwar stand. Die
Revision hat aber in einem anderen, vom Berufungsgericht übergangenen
Punkt Erfolg.
1.
Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien beurteilt sich im ganzen
nach deutschem Recht, auch soweit es um Auswirkungen des Versicherungs-
vertrags auf das Vermittlungsverhältnis geht. Denn auch der Versicherungsver-
trag mit dem in Luxemburg ansässigen Versicherungsunternehmern unterliegt,
- 6 -
da die Beklagte als Versicherungsnehmerin bei Vertragsschluß ihren gewöhnli-
chen Aufenthalt im Inland hatte, deutschem Recht (Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a
und Art. 8 EGVVG).
2.
Amtsgericht und Landgericht sind auf der Grundlage des Parteivorbrin-
gens davon ausgegangen, daß die Klägerin bei der Vermittlung des Versiche-
rungsvertrags mit der Beklagten nicht als Handelsvertreterin (Versicherungs-
vertreterin) nach den §§ 84 ff., 92 HGB, sondern als unabhängige Versiche-
rungsmaklerin (§§ 93 ff. HGB) tätig geworden ist. Die Revision wendet sich da-
gegen nicht. Diese Feststellungen sind mithin auch für den Senat maßgebend.
Rechtsgrundlage der Provisionsansprüche ist daher § 652 BGB.
3.
Mit Recht hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage entschieden,
daß die Vorschriften der - im Streitfall gemäß Art. 229 § 5 EGBGB noch an-
wendbaren - §§ 3 und 9 AGBG (jetzt §§ 305c Abs. 1 und 307 BGB) einer Ver-
pflichtung der Beklagten zur Fortzahlung der vereinbarten Maklerprovision trotz
Kündigung des Versicherungsvertrags nicht entgegenstehen, und daß insbe-
sondere der sogenannten "Schicksalsteilungsgrundsatz" im Verhältnis der Par-
teien nicht gilt. Das Berufungsgericht befindet sich darin im Einklang mit der
zwischenzeitlich erfolgten Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile
vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04 - NJW 2005, 1357 = VersR 2005, 406, für
BGHZ bestimmt, und III ZR 207/04 - VersR 2005, 404). Auf die Gründe dieser
Entscheidung nimmt der Senat ergänzend Bezug.
4.
Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist ferner die tatrichterliche
Würdigung des Berufungsgerichts, der Versicherungsschein sei der Beklagten
"zeitnah nach dem 28. Dezember 1999" zugegangen, so daß sie weder nach
- 7 -
den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes noch kraft eines etwa
darüber hinausgehenden vertraglichen Rechts - unter Wegfall der Provisions-
zahlungspflicht - vom Versicherungsvertrag habe zurücktreten können. Die
Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend
erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
4.
Die Revision beanstandet jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht
den unter Beweis gestellten weiteren Einwand der Beklagten, das Formular
über die Vermittlungsgebührenvereinbarung am 30. November 1999 ohne die
nach dem Verbraucherkreditgesetz erforderlichen Angaben zum Barzahlungs-
preis, zum Teilzahlungspreis und zu Betrag, Zahlung und Fälligkeit der einzel-
nen Teilleistungen unterschrieben zu haben, nicht berücksichtigt hat. Das
Amtsgericht hat die Richtigkeit des Vorbringens offengelassen und die Ein-
wendung rechtlich für unerheblich gehalten. Das trifft nicht zu.
Da die Klägerin der Beklagten für die Zahlung der Maklerprovision einen
Zahlungsaufschub gewährt hat, handelt es sich um einen unter die Vorschriften
des damaligen Verbraucherkreditgesetzes (Art. 229 § 5 EGBGB) fallenden
Kreditvertrag (§ 1 Abs. 1 und 2 VerbrKrG, jetzt §§ 491, 499 Abs. 1 und 2 BGB).
Kreditverträge bedürfen nach dem früheren § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG (heute
§ 492 Abs. 1 Satz 1, §§ 499, 501 BGB) der Schriftform; bei Kreditverträgen
über die Lieferung einer bestimmten Sache oder der Erbringung einer bestimm-
ten anderen Leistung gegen Teilzahlungen ist nach § 4 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2
VerbrKrG (§ 502 Abs. 1 Satz 1 BGB) zudem unter anderem - vorbehaltlich der
Ausnahmeregelung in § 4 Abs. 1 Satz 6 VerbrKrG (§ 502 Abs. 1 Satz 2 BGB) -
der Barzahlungspreis, der Teilzahlungspreis sowie der Betrag, die Zahl und die
Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen anzugeben. Fehlen diese vorgeschrie-
benen Angaben, wovon im Streitfall zugunsten der Revisionsklägerin auszuge-
- 8 -
hen ist, ist der Kreditvertrag im Grundsatz nichtig (§ 6 Abs. 1 VerbrKrG; heute
§ 502 Abs. 3 Satz 1 BGB). Eine Blankounterschrift genügt nach dem Schutz-
zweck des Gesetzes dem Schriftformerfordernis hier nicht (BGHZ 132, 119,
126 f.; 140, 167, 171).
Im vorliegenden Fall ist der Formmangel allerdings dadurch geheilt, daß
die Klägerin durch Vermittlung des Versicherungsvertrags ihre Leistung er-
bracht hat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG, jetzt § 502 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das
bewirkt indes keine Gültigkeit des Maklervertrags seinem gesamten Inhalt
nach. Ist ein Barzahlungspreis nicht genannt, wie der Senat unterstellen muß,
so gilt im Zweifel der Marktpreis als Barzahlungspreis. Dieser ist außerdem
anstelle des von der Klägerin formularmäßig mit 9,2 % angesetzten Betrags
höchstens mit dem damals geltenden gesetzlichen Zinssatz von 4 % jährlich zu
verzinsen (§ 6 Abs. 3 Sätze 2 und 3 VerbrKrG, § 246 BGB a.F.). Es ist nicht
auszuschließen, daß die von der Beklagten geschuldete Vergütung hiernach
geringer als die von der Klägerin berechnete Leistung ist.
III.
Aus diesen Gründen kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben.
Eine eigene Sachentscheidung des Senats scheidet aus, weil das Berufungs-
gericht weder zu der behaupteten Blankounterschrift noch zur Höhe der mögli-
cherweise nur geschuldeten üblichen Maklerprovision Feststellungen getroffen
- 9 -
hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es
die hierfür erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachholen kann.
Schlick
Streck
Kapsa
Dörr
Hermann