Urteil des BGH vom 15.11.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 173/09
Verkündet am:
15. November 2012
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 143; AnfG §§ 11, 16 Abs. 2
Ist der Anfechtungsschuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund
von Vorschriften des Anfechtungsgesetzes in Anspruch genommen worden, scheidet
ein Anspruch auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse im Umfang der Erfüllung des An-
fechtungsanspruchs aus.
BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 173/09 - OLG München in Augsburg
LG Memmingen
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
15. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter
Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 27. August
2009 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als die Klage wegen
eines Betrages von
150.248,05 € abgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Memmingen vom 1. August 2008 abgeändert. Die
Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger 150.248,05
€ nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.
Mai 2004 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten zu 2 und die Anschlussbe-
rufung des Klägers werden zurückgewiesen. Die weitergehende Revisi-
on wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen der
Kläger zu 52 v.H. und die Beklagte zu 2 zu 48 v.H.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger
zu 76 v.H., die Beklagte zu 2 zu 23 v.H. und der Beklagte zu 3 zu 1 v.H.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden der Beklagten zu 2
zu 23 v.H. und dem Beklagten zu 3 zu 1 v.H. auferlegt. Von den außer-
gerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 trägt der Kläger 76 v.H. Von
den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 trägt der Kläger 57
v.H.
Der Beklagten zu 2 wird die Beschränkung der Haftung auf den Nach-
lass der am 4. Februar 2005 verstorbenen S. D. vorbehalten.
- 3 -
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 19. Mai 2004 eröffneten Insolvenzverfah-
ren über das Vermögen des R. D. (fortan: Schuldner). Er nimmt die Beklagte zu
2 (fortan: Beklagte) als Alleinerbin der am 4. Februar 2005 verstorbenen Ehefrau des
Schuldners (fortan: Erblasserin) unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung
auf Ersatz des Wertes des an die Erblasserin übertragenen Grundbesitzes in An-
spruch.
Der Schuldner lebte mit der Erblasserin im Güterstand der Gütergemeinschaft.
Er
war
alleiniger
Gesellschafter
der
I.
GmbH
und
P.
GmbH und hatte sich für deren Verbindlichkeiten bei der Raiffeisenbank R.
eG (fortan: Raiffeisenbank) verbürgt. Mit notariellem Vertrag vom 5. April
2001 hoben die Eheleute den Güterstand der Gütergemeinschaft auf und vereinbar-
ten denjenigen der Zugewinngemeinschaft. Das Gesamtgut setzten sie dahingehend
auseinander, dass die Erblasserin den gesamten Grundbesitz - insgesamt acht
Grundstücke - zu alleinigem Eigentum erhielt, unter Anrechnung auf spätere Zuge-
winnausgleichs- und Pflichtteilsansprüche, unter Vereinbarung von Rück- und Wei-
terübertragungspflichten sowie unter Übernahme von Darlehensverpflichtungen. Am
8. Mai
2001
stellte
die
I.
GmbH Insolvenzantrag.
In einem Vorprozess nahm die Raiffeisenbank den Schuldner aus der Bürg-
schaft auf Zahlung von 1.922.632,39 DM in Anspruch; von der Erblasserin verlangte
sie in einem weiteren Vorprozess Duldung der Zwangsvollstreckung in die übertra-
genen Grundstücke. Mit gerichtlichem Vergleich vom 28. Februar 2002 wurde unter
anderem vereinbart, dass der Schuldner 310.000 DM (158.500,48
€) an die Raiffei-
senbank
zahlte
und
bestimmte
im
Eigentum
der
I. GmbH stehende Grundstücke zugunsten der Raiffeisenbank verwertete; zur
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Sicherung dieser Verpflichtung bewilligte die Erblasserin die Eintragung einer Ge-
samtgrundschuld über 300.000 DM auf zwei der übertragenen Grundstücke. Diese
Grundstücke, deren Verkehrswert 75.000
€ und 90.000 € betrug, wurden am
10. August 2005 zugunsten der Raiffeisenbank verwertet. Die Erblasserin zahlte au-
ßerdem am 3. Mai 2002 den Betrag von 158.500,48
€ auf die Vergleichsforderung.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 634.670
€ nebst
Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weiterge-
henden Klage zur Zahlung von 264.628,05
€ nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungs-
gericht hat die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers ab-
gewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Antrag auf Zahlung von
315.248,05
€ nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Auseinandersetzungsvertrag vom
5. April 2001 erfülle die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 134
Abs. 1 InsO. Die Erblasserin habe die Grundstücke unentgeltlich erhalten. Die Gläu-
biger seien hierdurch unabhängig davon benachteiligt worden, dass sie in das Ge-
samtgut nicht hätten vollstrecken können; denn das in der Auseinandersetzungsver-
einbarung zugeteilte Vermögen sei nicht unpfändbar. Zuvor hätte gemäß § 860
Abs. 2 ZPO das künftige Auseinandersetzungsguthaben gepfändet werden können.
Der Rückgewähranspruch aus § 143 InsO sei nicht teilweise durch die Verwertung
der beiden Grundstücke zugunsten der Raiffeisenbank durch Erfüllung erloschen,
weil die Verwertung nur einer Gläubigerin, nicht der Gesamtheit der Insolvenzgläubi-
ger zugute gekommen sei. Herauszugeben sei der Wert des Auseinandersetzungs-
anspruchs des Schuldners von 315.248,05
€.
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Die Beklagte könne jedoch den Entreicherungseinwand (§ 143 Abs. 2 Satz 1
InsO) erheben. Zum einen seien zwei der übertragenen Grundstücke im Wert von
75.000
€ und 90.000 € aufgrund des Vergleichs vom 28. Februar 2002 zugunsten
der Raiffeisenbank veräußert worden. Der Betrag von 165.000
€ sei vollumfänglich
abzuziehen. Zum anderen habe die Erblasserin zur Erfüllung des Vergleichs weitere
158.500,48
€ auf die Bürgschaftsschuld des Schuldners bei der Raiffeisenbank ge-
zahlt. Der Entreicherungseinwand sei nicht wegen der Bösgläubigkeit der Erblasserin
ausgeschlossen. Diese habe zwar gewusst, dass die Übertragung der Grundstücke
der Gläubigerbenachteiligung gedient habe. Sie habe das, was sie erlangt habe,
jedoch vollumfänglich zur Befriedigung einer der Gläubiger, der Raiffeisenbank, ein-
gesetzt. Im Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung sei die Erblasserin nicht bös-
gläubig im Hinblick darauf gewesen, dass noch andere Gläubiger benachteiligt wor-
den seien. Neben der Raiffeisenbank gebe es nur zwei weitere Insolvenzgläubiger.
Die Forderung des einen Gläubigers sei erst nach Aufhebung der Gütergemeinschaft
entstanden;
die
andere
Gläubigerin,
die
Kreissparkasse
O.
(fortan: Kreissparkasse), habe nicht auf Rückzahlung gedrängt und sei aus Sicht der
Erblasserin hinreichend anderweitig gesichert gewesen. Gegenteiliges habe der Klä-
ger nicht bewiesen. In einem solchen Fall verdiene der Anfechtungsgegner den
Schutz des § 242 BGB, ähnlich dem Schuldner im Falle der §§ 406, 407 BGB.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach § 143 InsO muss zur Insolvenzmasse zurückgegeben werden, was
durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert,
weggegeben oder aufgegeben ist. Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat
diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist; das gilt nicht, sobald
er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die
Gläubiger benachteiligt (§ 143 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO).
2. Die Voraussetzungen, unter den sich der Anfechtungsgegner auf einen
Wegfall der Bereicherung berufen kann, sind nicht erfüllt.
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a) Die Erblasserin war nicht im Sinne von § 143 Abs. 2 InsO gutgläubig. Das
Berufungsgericht hat festgestellt, dass das streitgegenständliche Vermögen übertra-
gen worden ist, um es dem Zugriff der Gläubiger des Schuldners zu entziehen, und
dass dies der Erblasserin nicht verborgen geblieben ist. Die Erblasserin wusste also
im Zeitpunkt des Erhalts der unentgeltlichen Leistung, dass diese die Gläubiger be-
nachteiligte. Damit kann sich die Beklagte als die Rechtsnachfolgerin der Erblasserin
gemäß § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Auf
den Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung kommt es nur insofern an, als der gute
Glaube des Leistungsempfängers bis zu diesem Zeitpunkt fortbestanden haben
muss. Ist der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung des späteren Insolvenz-
schuldners gutgläubig im Hinblick auf die durch sie hervorgerufene Gläubigerbenach-
teiligung, erfährt er später, aber vor der Weggabe des Erhaltenen, jedoch davon, haf-
tet er nach der allgemeinen Vorschrift des § 143 Abs. 1 InsO. Die Pflicht zum Werter-
satz nach § 143 Abs. 1 InsO entfällt nur dann, wenn der Anfechtungsgegner vom
Zeitpunkt der Leistungsvornahme bis zum Wegfall der Bereicherung gutgläubig war
(allg. Meinung; vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1956 - IV ZR 266/55, WM 1956,
703, 706; OLG Hamburg KTS 1985, 556, 558; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 37
Rn. 129; Jaeger/Henckel, InsO, § 143 Rn. 157; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 143 Rn. 32;
MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 143 Rn. 108; Graf-Schlicker/Huber, InsO,
3. Aufl., § 143 Rn. 25). Eine Unterausnahme dahingehend, dass derjenige Empfän-
ger einer unentgeltlichen Leistung nicht für die Unmöglichkeit der Rückgewähr einzu-
stehen hat, der im Zeitraum zwischen dem Erhalt der Leistung und dem Wegfall der
Bereicherung die Überzeugung gewonnen hat, dass der Schuldner nunmehr seine
Gläubiger befriedigen kann, sieht das Gesetz nicht vor. Die Haftung des Anfech-
tungsgegners wird allein durch die in § 134 Abs. 1 InsO vorgesehene Frist von vier
Jahren beschränkt.
Wenn man im Wege der erweiternden Auslegung des § 143 Abs. 2 InsO den
Einwand des nachträglichen Wegfalls der Bösgläubigkeit zuließe, handelte es sich
überdies um einen Ausnahmetatbestand, der vom Anfechtungsgegner darzulegen
und zu beweisen wäre. Darlegungs- und beweispflichtig für die Bösgläubigkeit des
Anfechtungsgegners ist zwar zunächst der Insolvenzverwalter; denn § 143 Abs. 2
Satz 2 InsO ist als Ausnahme von der Regel des § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO formuliert
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(OLG Rostock NZI 2008, 438, 439; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 143
Rn. 112; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 143 Rn. 33; Jaeger/Henckel, InsO, § 143 Rn. 153;
vgl. auch BT-Drucks. 12/2443, S. 168 zu § 164 RegE). Entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts muss der klagende Insolvenzverwalter jedoch nicht zusätzlich dar-
legen und beweisen, dass der bei Empfang der unentgeltlichen Leistung bösgläubige
Anfechtungsgegner bis zum Wegfall der Bereicherung bösgläubig geblieben ist.
b) § 143 Abs. 2 InsO regelt außerdem, wie sein Wortlaut hinreichend deutlich
ergibt, nur die Rechtsfolgen der Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung (§ 134
Abs. 1 InsO). Andere Anfechtungstatbestände sind nicht erfasst. Nach der Begrün-
dung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 12/2443, S. 167) nimmt die Vorschrift des
§ 143 Abs. 2 InsO diejenige des § 37 Abs. 2 KO auf. Der gutgläubige Empfänger ei-
ner unentgeltlichen Leistung soll im Gegensatz zu anderen Anfechtungsgegnern
nicht für die schuldhafte Unmöglichkeit der Rückgewähr des empfangenen Gegen-
stands oder die schuldhafte Verschlechterung desselben haften; auch eine Ersatz-
pflicht für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen soll entfallen. Lässt sich der Anfech-
tungsanspruch auch auf § 133 Abs. 1 InsO stützen, heißt das zugleich, dass der An-
fechtungsgegner nicht im Sinne von § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO gutgläubig sein kann;
der Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO setzt nämlich voraus, dass jener
den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des späteren Insolvenzschuldners kannte.
§ 143 Abs. 2 InsO ist deshalb nicht anwendbar, wenn neben den Voraussetzungen
des § 134 Abs. 1 InsO auch diejenigen des § 133 Abs. 1 InsO erfüllt sind (allg. Mei-
nung; vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 143 Rn. 154; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 143
Rn. 26;
MünchKomm-InsO/Kirchhof,
2. Aufl.,
§ 143
Rn. 101;
Gehrlein
in
Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 143 Rn. 28; Graf-Schlicker/Huber, InsO,
3. Aufl., § 143 Rn. 24).
III.
Das Urteil erweist sich teilweise jedoch aus anderen Gründen als richtig
(§ 561 ZPO).
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1. Soweit die Erblasserin wegen der unentgeltlichen Zuwendung vor der Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners von einem ande-
ren Gläubiger erfolgreich nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes in An-
spruch genommen worden ist, kommt eine Insolvenzanfechtung nicht mehr in Be-
tracht.
a) Die Erblasserin ist von einer anderen Gläubigerin, der Raiffeisenbank
R. eG, auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wor-
den. In einem gerichtlichen Vergleich hat sie die Eintragung einer Gesamtgrund-
schuld über 300.000 DM auf zwei der übertragenen Grundstücke bewilligt, die später
zugunsten der Gläubigerin zwangsversteigert wurden. Mit der Bewilligung der
Grundschuld hat sie den gegen sie gerichteten Anspruch der Raiffeisenbank aus § 4
Abs. 1, § 11 AnfG im Umfang des Wertes dieser Grundschuld erfüllt (§ 362 Abs. 1
BGB). Die Erfüllung des Anfechtungsanspruchs wirkt entgegen der Ansicht des Beru-
fungsgerichts auch gegenüber den übrigen gegenwärtigen und künftigen Gläubigern
des Schuldners (RGZ 24, 92, 98; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1990 - IX ZR 4/90,
NJW-RR 1991, 178, 179; vom 14. Juni 2007 - IX ZR 219/05, BGHZ 172, 360 Rn. 11;
Jaeger, Die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkursverfahrens, 2. Aufl., § 37
Anm. 36; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 11 Rn. 28; Huber, AnfG, 10. Aufl., § 11
Rn. 56). Das gilt unabhängig davon, ob die Erfüllung der Rückgewährpflicht durch
den Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung erzwungen wurde, ob der Anfech-
tungsschuldner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand freiwillig herausgegeben o-
der ob er Wertersatz geleistet hat (RGZ 24, 92, 98; Huber, AnfG, 10. Aufl., § 11
Rn. 56); der Anfechtungsanspruch muss auch nicht rechtskräftig tituliert gewesen
sein (RGZ 24, 92, 98; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 11 Rn. 28). Der Anfechtungs-
schuldner braucht nur einmal zu leisten; es gilt das Prioritätsprinzip des § 804 Abs. 3
ZPO (Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2000, § 11 AnfG Rn. 4).
Kann nach der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs durch den Anfechtungs-
gegner keiner der übrigen (gegenwärtigen und künftigen) Gläubiger des Schuldners
Anfechtungsansprüche wegen der zugrunde liegenden Vermögensverschiebung gel-
tend machen, gilt gleiches für den Insolvenzverwalter, welcher nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners allein zur Geltendma-
chung von Anfechtungsansprüchen berechtigt ist (vgl. § 16 Abs. 1 AnfG). Die Erfül-
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lung des auf eine Gläubigeranfechtung gestützten Anfechtungsanspruchs wirkt je-
denfalls dann auch gegenüber dem Insolvenzverwalter, wenn sie vor der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat (Huber, AnfG, 10. Aufl., § 16 Rn. 12; Jae-
ger, Die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkursverfahrens, 2. Aufl., § 13
Rn. 23; Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen,
Band 4, Neudruck 1983, S. 750; vgl. auch MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 16 Rn. 16;
Paulus
in
Kübler/
Prütting/Bork, InsO, 1998, § 16 AnfG Rn. 5).
b) Das Berufungsgericht hat demgegenüber angenommen, die Erfüllung des
Anspruchs der Raiffeisenbank aus § 4 Abs. 1, § 11 AnfG könne keinen Einfluss auf
den Anspruch der Masse aus § 134 Abs. 1, § 143 InsO haben, weil die von der Erb-
lasserin erbrachten Leistungen nur der Raiffeisenbank, nicht aber der Gläubiger-
gesamtheit zugute gekommen sei. Letzteres ist richtig, führt aber nicht dazu, dass
der Empfänger einer anfechtbar erlangten unentgeltlichen Leistung diese in der In-
solvenz des Schuldners nochmals zurückgewähren muss. Wird nach einer erfolgrei-
chen Einzelanfechtung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners
eröffnet, stehen sich drei widerstreitende Interessen gegenüber. Der Anfechtungs-
schuldner, welcher den Einzelanfechtungsanspruch erfüllt und damit das anfechtbar
Erlangte wieder verloren hat, will nicht erneut in Anspruch genommen werden; der
Anfechtungsgläubiger will den Ertrag der Anfechtung behalten; der Insolvenzverwal-
ter will im Interesse der Masse und zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleich-
behandlung aller Insolvenzgläubiger den anfechtbar aus der (späteren) Masse aus-
geschiedenen Vermögensbestandteil wieder zur Masse ziehen. Die Vorschrift des
§ 16 Abs. 2 AnfG löst den beschriebenen Konflikt unmittelbar nur teilweise, indem sie
bestimmt, dass der Insolvenzverwalter den Anfechtungsgläubiger unter den Voraus-
setzungen des § 130 InsO auf Rückgewähr des aus der Einzelanfechtung Erlangten
zur Masse in Anspruch nehmen kann. Daraus folgt zugleich, dass ein auf das An-
fechtungsgesetz gestützter Erwerb des Anfechtungsgläubigers außerhalb der An-
fechtungsfristen des § 130 InsO Bestand hat. Der Grundsatz der Gleichbehandlung
der Insolvenzgläubiger tritt hinter dem Interesse des Anfechtungsgläubigers an der
Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs zurück. In den Materialien zu § 12 AnfG aF
(§ 16 Abs. 2 AnfG) heißt es hierzu (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den
Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Neudruck 1983, S. 750): "Hatte die Geltendmachung
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des Anfechtungsanspruchs bereits zu einer freiwillig oder im Wege der Zwangsvoll-
streckung geleisteten Befriedigung oder in Folge einer Pfändung zu einem Pfand-
recht des anfechtenden Gläubigers an dem Zurückzugewährenden geführt, so hat es
hierbei sein Bewenden, es sei denn, dass dem Gläubiger zur betreffenden Zeit die
Zahlungseinstellung des Schuldners oder der Konkursantrag bekannt war. In diesem
Falle erscheint in gleicher Weise wie in den Fällen des § 23 Nr. 1 der Konkursord-
nung (jetzt: § 130 InsO) der Konkursanspruch der übrigen Gläubiger verletzt, da es
sich um Sicherung oder Befriedigung aus Vermögensstücken handelt, welche recht-
lich als zum Vermögen des Schuldners gehörig anzusehen sind. Entsprechend den
erwähnten Vorschriften der Konkursordnung muss daher auch hier die Anfechtung
stattfinden. Eine ausdrückliche Bestimmung dessen empfiehlt sich, weil die unmittel-
bare Anwendbarkeit der Vorschriften aus dem Grunde bezweifelt werden könnte,
dass die Handlung nicht von dem Schuldner oder gegen den Schuldner selbst erfolgt
ist."
Hierdurch wird ein Insolvenzanfechtungsanspruch gegen den Anfechtungs-
schuldner zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die zitierte Begründung, die sich
allein mit dem Anfechtungsgläubiger befasst, lässt jedoch erkennen, dass der An-
fechtungsschuldner, welcher den anfechtbar erlangten Vorteil an einen Gläubiger
des Schuldners ausgekehrt hat, nicht erneut in Anspruch genommen werden kann.
Der
Anfechtungsgläubiger
kann
dann,
wenn
die
Voraussetzungen der besonderen Insolvenzanfechtung gemäß § 130 InsO nicht vor-
liegen, den aus dem Vermögen des Schuldners stammenden Vermögenswert end-
gültig behalten. Warum dann statt seiner der Anfechtungsschuldner in Anspruch ge-
nommen werden sollte, ist nicht ersichtlich. Einen sachlichen Grund hierfür gibt es
nicht.
Auch die Insolvenzordnung enthält keine Vorschrift, welche die erneute Inan-
spruchnahme des Anfechtungsschuldners nach einer erfolgreichen Gläubigeranfech-
tung gestattet. Insbesondere kann sich der klagende Insolvenzverwalter nicht auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu berufen, dass der Anspruch auf Wer-
tersatz gegen einen (Insolvenz-) Anfechtungsschuldner nach Weitergabe des an-
fechtbar erlangten Gegenstandes neben den Anfechtungsanspruch gegen den
Rechtsnachfolger aus § 145 Abs. 2 InsO (§ 40 Abs. 2 KO) tritt oder jedenfalls treten
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kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1986 - IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787, 791; Be-
schluss
vom
23.
November
1995
- IX ZR 48/95, ZIP 1996, 184, 185; vgl. auch HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 145 Rn. 8).
Eine Gesamtschuld setzte voraus, dass die Haftung des Anfechtungsschuldners trotz
der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs fortbesteht; das ist, wie gezeigt, nicht der
Fall. Sie setzte weiterhin voraus, dass der Anfechtungsgläubiger nach einem der
Tatbestände des § 145 Abs. 2 InsO in Anspruch genommen werden könnte, was im
Hinblick auf die speziellere Vorschrift des § 16 Abs. 2 AnfG nicht in Betracht kommt.
Das Anfechtungsgesetz begreift die Durchsetzung eines Anspruchs auf Duldung der
Zwangsvollstreckung nicht als Fall der Einzelrechtsnachfolge. Die Gläubigeranfech-
tung gegen Einzelrechtsnachfolger ist in § 15 Abs. 2 AnfG geregelt. Diese Vorschrift
entspricht weitgehend § 145 Abs. 2 InsO und könnte ihrem Wortlaut nach den Fall
der erfolgreichen Gläubigeranfechtung erfassen. Dies hätte jedoch zur Folge, dass
der erfolgreiche Anfechtungsgläubiger innerhalb der für den jeweiligen Anfechtungs-
tatbestand geltenden, durch eine Anzeige nach § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AnfG verlän-
gerbaren Frist von jedem anderen Gläubiger auf Rückgewähr oder Wertersatz in An-
spruch genommen werden könnte; die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Nr. 1 AnfG
wären ohne weiteres erfüllt. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein, weil dem zwei-
ten Gläubiger kein besseres Recht auf Befriedigung aus dem anfechtbar übertrage-
nen Gegenstand zusteht als dem ersten Gläubiger; nach dem für die Zwangsvollstre-
ckung außerhalb eines Insolvenzverfahrens geltenden Prioritätsgrundsatz hat dieser
vielmehr das bessere Recht. Erfasst § 15 Abs. 2 AnfG nicht den Rechtserwerb im
Wege einer Gläubigeranfechtung (allg. Meinung; vgl. etwa MünchKomm-
AnfG/Kirchhof, § 15 Rn. 19; Huber, AnfG, 10. Aufl., § 15 Rn. 13; Jaeger, Die Gläubi-
geranfechtung außerhalb des Konkursverfahrens, 2. Aufl., § 13 Anm. 10), gilt glei-
ches für diejenige des § 145 Abs. 2 InsO; denn § 15 Abs. 2 AnfG (§ 11 Abs. 2 AnfG
aF)
ist
§ 145
Abs. 2
InsO (§ 40 Abs. 2 KO) nachgebildet worden (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materia-
lien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Neudruck 1983, S. 748), und die Insol-
venzanfechtung gegen den erfolgreichen Anfechtungsgläubiger hat in § 16 Abs. 2
AnfG eine gesonderte Regelung erfahren (RGZ 39, 79, 83 f; BGH, Urteil vom
26. Januar 1959 - II ZR 235/57, BGHZ 29, 230, 234; Jaeger/Henckel, § 145 Rn. 31;
Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 145 Rn. 21; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 4.
Aufl., § 145 Rn. 13). Nach § 16 Abs. 2 AnfG kann der Insolvenzverwalter - wenn
- 12 -
auch
nur
unter
den
Voraussetzungen
des
§ 130
InsO - den Anfechtungsgläubiger unmittelbar in Anspruch nehmen. Eines Rückgriffs
auf die Vorschriften über die Anfechtung gegen einen Rechtsnachfolger bedarf es
nicht.
c) Der Ausschluss der Insolvenzanfechtung im Umfang der Erfüllung eines auf
der nämlichen Vermögensverschiebung beruhenden Einzelanfechtungsanspruchs
widerspricht nicht der Senatsrechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Zahlungen, wel-
che ein Schuldner des späteren Insolvenzschuldners auf dessen Weisung hin an
dessen Gläubiger geleistet hat, gegen den Angewiesenen (vgl. BGH, Urteil vom
29. November 2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 15 ff zur Vorsatzanfechtung
in einem Anweisungsfall gegenüber dem Angewiesenen; vom 26. April 2012 - IX ZR
74/11, NZI 2012, 453 Rn. 11 ff). Die genannten Entscheidungen betreffen einen an-
deren Sachverhalt. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Anfechtungs-
schuldner nicht auf Weisung des späteren Insolvenzschuldners dessen Verbindlich-
keit bei einem späteren Insolvenzgläubiger erfüllt, sondern seine eigene, auf dem
Anfechtungsgesetz beruhende Bereitstellungspflicht.
2. Eine Erfüllung des Anfechtungsanspruchs der Gläubigerin ist allerdings nur
durch die Bestellung der Grundschuld im Wert von 165.000
€ eingetreten.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Erblasserin die Ge-
samtgrundschuld auf zwei der übertragenen Grundstücke zur Erfüllung des An-
spruchs der Gläubigerin aus § 4 Abs. 1, § 11 AnfG bewilligt. Der Vergleich vom 28.
Februar 2002, in welchem sich die Erblasserin zur Bestellung der Grundschuld ver-
pflichtete, wurde zwar im Rechtsstreit der Gläubigerin gegen den Schuldner ge-
schlossen. Er diente jedoch auch der Erledigung des Anfechtungsstreits und damit
der Erfüllung des in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Anfechtungsanspruchs.
Die Erblasserin trat dem Vergleich bei und verpflichtete sich neben dem Schuldner
zur Bestellung der Grundschuld. Im Gegenzug verpflichtete sich die Gläubigerin zur
Rücknahme der Anfechtungsklage gegen die Erblasserin. Der Vorgang der Erfüllung
des Anfechtungsanspruchs war vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen des Schuldners abgeschlossen. Zwar sind die Grundstücke erst nach der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwangsversteigert worden. Die Erfüllung des
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Duldungsanspruchs aus § 11 AnfG war jedoch bereits durch die Bewilligung der Ge-
samtgrundschuld eingetreten.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Gesamtgrundschuld, welche zu einer
wertausschöpfenden Belastung beider Grundstücke führte, mit dem vollen Grund-
stückswert auf den vom Kläger geltend gemachten Anfechtungsanspruch anzurech-
nen, nicht nur mit dem hälftigen Anteil. Die Erblasserin hat Grundstücke im Wert von
insgesamt 630.496,09
€ erhalten. Anfechtbar war die Übertragung in Höhe von
315.248,05
€, weil die Erblasserin hälftig am Gesamtgut beteiligt war. An die Gläubi-
gerin zurückgewährt hat sie davon zwei Grundstücke im Wert von 75.000
€ und
90.000
€. Diese 165.000 € hat die Erblasserin - und damit auch die Beklagte als de-
ren Gesamtrechtsnachfolgerin - verloren und hat die Gläubigerin erhalten.
b) Die Zahlung von 158.500,48
€ und die weiteren Zins- und Tilgungsleistun-
gen, welche die Erblasserin nach Darstellung der Beklagten erbrachte, dienten dem-
gegenüber nicht dem Zwecke der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs der Gläubige-
rin. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Erblasserin diesen Be-
trag zur Erfüllung des Vergleichs vom 28. Februar 2002 gezahlt. In diesem Vergleich
hatte sie sich aber nicht zu Geldzahlungen an die Gläubigerin verpflichtet, sondern
nur zur Bestellung der Gesamtgrundschuld. Zahlungspflichten hatte allein der
Schuldner übernommen. Die Abgeltungsklausel, welche der Vergleich enthält, ändert
hieran nichts. Entgegen der Ansicht der Beklagten hing die Vergleichswirkung nicht
von der vollständigen Erfüllung sämtlicher von der Erblasserin und dem Schuldner
übernommener Pflichten ab. Indem die Erblasserin auf die (Vergleichs-) Forderung
der Gläubigerin gegen den Schuldner gezahlt hat, hat sie folglich deren Hauptforde-
rung in der Form, welche diese durch den Vergleich erhalten hatte, (teilweise) erfüllt.
Die Erfüllung der Hauptforderung des Gläubigers gegen den Schuldner führt dazu,
dass der Gläubiger insoweit seinen Anfechtungsanspruch gegen den Empfänger der
anfechtbaren Leistung verliert; denn Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist das
Vorhandensein einer (titulierten und fälligen) Forderung des Gläubigers gegen den
Schuldner (vgl. § 2 AnfG). Auf die Anfechtungsansprüche anderer gegenwärtiger und
künftiger Gläubiger, die durch die Vermögensverschiebung benachteiligt worden
sind, hat die Ablösung des Hauptanspruchs hingegen keinen Einfluss (vgl. Münch-
Komm-AnfG/Kirchhof, § 11 Rn. 28). Sie führt deshalb auch nicht zu einem Aus-
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schluss der Insolvenzanfechtung wegen der ihr zugrunde liegenden Vermögensver-
schiebung.
IV.
Soweit das Berufungsgericht die Klage wegen des den Wert der Grundschuld
übersteigenden Betrages von 150.248,05
€ nebst Zinsen abgewiesen hat, kann das
angefochtene Urteil folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1
ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes
auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur En-
dentscheidung
reif
ist,
hat
der
Senat
in
der
Sache
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selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 2 ZPO). Das landgerichtliche Urteil hat Bestand,
soweit es die Beklagte zur Zahlung von 150.248,05
€ nebst Zinsen verurteilt hat. Die
weitergehende Klage wird abgewiesen.
Kayser
Raebel
Lohmann
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 01.08.2008 - 2 O 410/05 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 27.08.2009 - 24 U 545/08 -