Urteil des BGH vom 05.06.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 557/13
Verkündet am:
5. Juni 2014
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 134, 307 Bk, Cb; VVG § 169 (F: 23. November 2007)
Ein Versicherungsvertreter kann mit seinem Kunden vereinbaren, dass für die
Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrags mit Nettopolice (ratenweise) eine
Vergütung zu zahlen ist und der Kunde auch bei einer Kündigung des Versiche-
rungsvertrags zur Fortzahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibt.
§ 169 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 VVG n.F. stehen der Wirksamkeit dieser
Vereinbarung nicht entgegen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom
12. Dezember 2013 - III ZR 124/13, VersR 2014, 240 und des Urteils des BGH
von 12. März 2014 - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567).
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - III ZR 557/13 - LG Heilbronn
AG Brackenheim
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Hucke,
Tombrink, Dr. Remmert und Reiter
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Heilbronn vom 28. Juni 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Vergütung für die
am 27. Dezember 2007 erfolgte Vermittlung von zwei fondsgebundenen Le-
bensversicherungen bei der A. Lebensversicherung S. A. (Luxem-
burg) in Anspruch.
Bei den vermittelten Versicherungen handelte es sich um sogenannte
Nettopolicen, bei denen die zu zahlenden Versicherungsprämien keinen Provi-
sionsanteil für die Vermittlung des Vertrags enthielten. Stattdessen schlossen
die Parteien zwei vorformulierte "Vergütungsvereinbarungen", wonach sich die
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Beklagte jeweils verpflichtete, an die Klägerin eine (Vermittlungs-)Vergütung in
Höhe von 1.609,20 € in 60 Monatsraten zu je 26,82 € - bei einem angegebenen
Barzahlungspreis von jeweils 1.485,79 € und einem effektiven Jahreszins von
3,36 % - zu entrichten. In Nummer 1 der Vergütungsvereinbarungen wird darauf
hingewiesen, dass die Klägerin "als Versicherungsvertreter von Lebensversi-
cherungen im Auftrag der A. Lebensversicherung S.A. tätig" sei
und in dieser Eigenschaft dem Kunden die angebotene Lebensversicherung mit
wählbaren Zusatzversicherungen vermittele. In Nummer 2 der Vereinbarung
wird mit Fettdruck hervorgehoben, dass der Versicherungsvermittler vom Kun-
den für die Vermittlung und für seine Beratungs- und sonstigen Leistungen im
Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags eine einmalige
Vergütung erhalte, der Versicherungstarif keine Abschlusskosten enthalte und
der Versicherungsvermittler deshalb von der Versicherungsgesellschaft für sei-
ne Tätigkeit keine Provision oder sonstige Vergütung erhalte. In Nummer 4 und
5 wird mit Fettdruck darauf hingewiesen, dass der Vergütungsanspruch des
Versicherungsvermittlers mit Zustandekommen des Versicherungsvertrags ent-
stehe und der Kunde wegen der rechtlichen Unabhängigkeit der Vergütungs-
vereinbarung vom Versicherungsvertrag auch bei vorzeitiger Beendigung des
Versicherungsvertrags zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Am Ende
enthält das verwendete Formular folgende Widerrufsbelehrung:
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen
ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail)
widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Beleh-
rung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Ab-
sendung des Widerrufs. Der Widerruf is
t zu richten an: …
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Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfan-
genen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzun-
gen (z.B. Zinsen) herauszugeben."
Versicherungsbeginn war jeweils der 1. Februar 2008. Die Beklagte er-
klärte mit Schreiben vom 14. März 2008 die Kündigung der beiden vermittelten
Lebensversicherungen nebst Vergütungsvereinbarungen und mit Anwalts-
schreiben vom 30. September 2008 den Widerruf der Vergütungsvereinbarun-
gen. Für die Monate Februar bis April 2008 zahlte sie insgesamt sechs Raten
zu je 26,82 €. Ab Mai 2008 stellte sie die Zahlungen ein. Nach Gesamtfälligstel-
lung berechnete die Klägerin eine restliche Vergütungsforderung von insgesamt
2.628,33 €, die sie mit der vorliegenden Klage nebst Zinsen und Kosten geltend
macht.
Die Beklagte hat unter anderem eingewandt, die Vergütungsvereinba-
rung sei gemäß § 307 BGB unwirksam. Im Übrigen habe sie die Vereinbarung
wirksam widerrufen. Auf einen Wertersatzanspruch könne sich die Klägerin
nicht mit Erfolg stützen, weil ihr als Wertersatz nicht mehr als der bereits ver-
einnahmte Betrag zustehe. Zudem sei die Klägerin ihr, der Beklagten, wegen
Beratungsfehlern zum Schadensersatz verpflichtet.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte
Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Vergütungsanspruch der Klägerin mit
der Begründung verneint, dass die Vergütungsvereinbarung gemäß § 307
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. Es hat hierzu im Wesentlichen
ausgeführt: Bei der streitgegenständlichen Vergütungsregelung handele es sich
um eine kontrollfähige allgemeine Geschäftsbedingung, die den Kunden (hier:
die Beklagte) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteilige. Entgegen dem Leitbild des § 87 HGB erhalte der Versicherungs-
vertreter die ihm zustehende Provision nicht von seinem Geschäftsherrn, dem
Versicherer, sondern vom Versicherungsnehmer. Aus den §§ 87a, 92 Abs. 4
HGB ergebe sich ferner der Grundgedanke, dass das Schicksal des Provisi-
onsanspruchs eines Versicherungsvertreters vom Bestand des Prämienan-
spruchs aus dem vermittelten Versicherungsvertrag abhänge. Von diesem
Schicksalsteilungsgrundsatz weiche die hier zu beurteilende Vergütungsrege-
lung ab, wonach die Vergütung auch dann in voller Höhe zu zahlen sei, wenn
der Versicherungsnehmer den Lebensversicherungsvertrag vorzeitig kündige.
Hierdurch werde die Kündigungsmöglichkeit des Kunden bezüglich des Versi-
cherungsvertrags faktisch in erheblicher Weise eingeschränkt. Der im Lager
des Versicherers stehende Versicherungsvertreter sei mit einem Versiche-
rungsmakler nicht vergleichbar.
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II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Vergütungsvereinba-
rung nicht gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam.
Ob es sich bei dieser Regelung, wie die Revision meint, um eine gemäß
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB entzoge-
ne (reine) Preisvereinbarung handelt, kann dahinstehen. Jedenfalls ist eine ge-
gen die Gebote von Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Kun-
den zu verneinen.
a) In seinem nach Verkündung des angefochtenen Berufungsurteils er-
gangenen Urteil vom 12. Dezember 2013 (III ZR 124/13, VersR 2014, 240, zur
Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) hat der erkennende Senat im Anschluss
an den I. Zivilsenat (Urteil vom 6. November 2013 - I ZR 104/12, VersR 2014,
64) ausgesprochen, dass ein Versicherungsvertreter ebenso wie ein Versiche-
rungsmakler mit seinem Kunden wirksam vereinbaren kann, dass für die Ver-
mittlung eines Lebensversicherungsvertrags mit Nettopolice (ratenweise) eine
Vergütung zu zahlen ist und der Kunde auch bei einer Kündigung des Versiche-
rungsvertrags zur Fortzahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibt.
Einer solchen Vereinbarung stehen weder zwingende Vorschriften des Versi-
cherungsvertragsgesetzes noch § 305c Abs. 1, § 307 BGB entgegen (Senat
aaO S. 241 ff Rn. 9 ff mwN). Dieser Rechtsprechung ist der IV. Zivilsenat nicht
entgegengetreten (Urteil vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567,
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570 Rn. 33, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; s. insoweit auch Reiff,
VersR 2014, 571, 574).
aa) Auch wenn der Versicherungsvertreter anders als der Versiche-
rungsmakler typischerweise im Lager des Versicherers steht, dessen Interes-
sen er bei seiner Vermittlungstätigkeit im Auge zu behalten hat (vgl. § 86 Abs. 1
Halbs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 2 HGB), ist zu berücksichtigen, dass dem Versiche-
rungsvermittler allgemein (also sowohl dem Versicherungsmakler als auch dem
Versicherungsvertreter, vgl. § 42a Abs. 1 VVG aF; jetzt § 59 Abs. 1 VVG) um-
fassende Beratungs- und Dokumentationspflichten gegenüber dem Versiche-
rungsnehmer auferlegt worden sind (§§ 42c, 42d VVG aF; jetzt §§ 61, 62 VVG).
Diese Pflichten (auch) des Versicherungsvertreters sind derart zentral, dass er
bei Verletzung dieser Pflichten dem Versicherungsnehmer gegenüber persön-
lich zum Schadensersatz verpflichtet ist (§ 42e VVG aF; jetzt § 63 VVG). Ange-
sichts dieser Normenlage wäre es wenig verständlich, wenn man es dem Versi-
cherungsvertreter verwehren wollte, Beratungstätigkeiten - die in erheblichem
Umfang schon gesetzlich vorgegeben sind - zum Gegenstand vertraglicher
Entgeltvereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer zu machen. Denn die
vertraglich nochmals bekräftigten Beratungspflichten des Versicherungsvertre-
ters unterscheiden sich - soweit sie die Frage betreffen, ob die (wahrheitsge-
mäß dargestellten) Eigenschaften des angebotenen Produkts den Bedürfnissen
und Interessen des Versicherungsnehmers entsprechen - in ihrem Umfang und
in ihrer Intensität nicht von den Pflichten des Versicherungsmaklers (BGH, Ur-
teil vom 6. November 2013 aaO S. 66 Rn. 21; Senat aaO S. 242 Rn. 14).
bb) Die streitgegenständliche Vergütungsvereinbarung steht nicht in
Widerspruch zu einem gesetzlichen Leitbild. Die Vorschriften des § 87a Abs. 2
und des § 92 Abs. 4 HGB haben lediglich den Risikoausgleich zwischen dem
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Handels- beziehungsweise Versicherungsvertreter und dem Unternehmer im
Auge und betreffen nicht das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherungs-
nehmer und dem Versicherungsvermittler (Senat aaO Rn. 15).
cc) Schutzwürdige Interessen des Versicherungsnehmers, die so ge-
wichtig wären, dass selbständigen Vergütungsvereinbarungen mit dem Versi-
cherungsvertreter die Wirksamkeit versagt werden müsste, sind nicht ersicht-
lich. Insbesondere gleicht sich unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise der
Umstand, dass sich der Versicherungsnehmer einem Provisionsanspruch des
Versicherungsvertreters ausgesetzt sieht, bei regulärem Versicherungsverlauf
dadurch aus, dass die vermittelte "provisionsbereinigte" Nettopolice-Lebensver-
sicherung als solche preisgünstiger ist als eine herkömmliche Bruttopolice-Le-
bensversicherung. Da der Vermittler bei der vorgenommenen Trennung zwi-
schen Vermittlungs- und Versicherungsgeschäft nach ordnungsgemäßer Bera-
tung bereits mit Zustandekommen des Versicherungsvertrags seine Pflichten
vollständig erfüllt hat, ist es nur folgerichtig, dass eine spätere Kündigung des
Versicherungsvertrags auf die Höhe seiner Vergütung keinen Einfluss hat. An-
Kündigung des Versicherungsvertrags bei einer Nettopolice deutlich schlechter
stellen kann als bei einer (dem Schicksalsteilungsgrundsatz unterliegenden)
Bruttopolice. Auf den Umstand, dass der Kunde bei der Nettopolice auch dann
zur Zahlung der (vollen) Vergütung verpflichtet bleibt, wenn der vermittelte Ver-
sicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet wird, muss der Versicherungsver-
treter im Rahmen seiner Beratung deshalb deutlich hinweisen. Denn er kann
bei seinen Kunden nicht als allgemein bekannt voraussetzen, dass die bei wirt-
schaftlicher Betrachtungsweise scheinbar "aufkommensneutrale" - weil auf den
ersten Blick lediglich die Art und Weise des Aufbringens der Kosten des Ver-
triebs der Versicherungsprodukte modifizierende - gesonderte Vergütungsver-
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einbarung sich im Falle einer vorzeitigen Kündigung derart nachteilig auswirken
kann (Senat aaO Rn. 16).
2.
Der Wirksamkeit einer die Provisionspflicht des Versicherungsnehmers
gegenüber einem Versicherungsvertreter begründenden Vereinbarung stehen
auch keine zwingenden, zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führenden Vorschriften
des Versicherungsvertragsgesetzes entgegen (Senat aaO S. 242 f Rn. 17).
Unter dem Aspekt einer Erschwerung des dem Versicherungsnehmer
unabdingbar eingeräumten Rechts zur vorzeitigen Kündigung der abgeschlos-
senen Lebensversicherung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die
Provisionsabrede mit einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungs-
vertreter abgeschlossen wird. Eine Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarun-
gen folgt auch nicht daraus, dass die hier vermittelten Lebensversicherungsver-
hältnisse erst nach dem 1. Januar 2008 und damit nach Inkrafttreten des § 169
VVG nF entstanden sind. Entgegen der Meinung der Beklagten laufen die zwi-
schen den Parteien getroffenen Vergütungsvereinbarungen nicht auf eine nach
§ 134 BGB unzulässige Umgehung der Vorschrift des § 169 Abs. 3 Satz 1
Halbs. 1 VVG nF über den Mindestrückkaufswert im Fall des Frühstornos und
der Bestimmung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG nF über das Abzugsverbot hin-
aus. Aus den Motiven des Gesetzgebers sowie dem Wortlaut, dem systemati-
schen Zusammenhang und dem Zweck dieser Regelungen ergibt sich nämlich,
dass hiervon allein die Fälle der Einrechnung der Abschlusskosten in die Versi-
cherungsprämien (Bruttopolice) betroffen sind und die Möglichkeit, die Zahlung
von Abschlusskosten gesondert zu vereinbaren, unberührt bleiben soll (BGH,
Urteil vom 12. März 2014 aaO S. 568 f Rn. 17 ff mwN; zustimmend Reiff, VersR
2014, 571, 573).
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3.
Trotz (anfänglicher) Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung kann die
Klägerin von der Beklagten freilich die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht
beanspruchen, weil die Beklagte ihre auf den Abschluss der Vergütungsverein-
barung gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.
a) Auf das streitgegenständliche Schuldverhältnis sind gemäß Art. 229
§ 22 Abs. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informations-
pflichten-Verordnung in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung anzu-
wenden, weil der fragliche Vertrag im Jahr 2007 geschlossen worden ist und es
sich nicht um ein unbefristetes Schuldverhältnis im Sinne des Art. 229 § 22
Abs. 3 EGBGB handelt.
b) Der Beklagten stand das ausgeübte Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1
BGB aF zu. Da die Vergütung für die Vermittlung der fraglichen Versicherung in
Teilzahlungen zu erbringen war, handelte es sich um ein Teilzahlungsgeschäft
im Sinne von § 499 Abs. 2 BGB aF. Gemäß § 501 Satz 1 i.V.m. § 495 Abs. 1
und § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF konnte die Beklagte ihre auf Abschluss der
Vergütungsvereinbarung gerichtete Willenserklärung deshalb innerhalb von
zwei Wochen widerrufen. Diese Frist war zum Zeitpunkt ihrer Widerrufserklä-
rung nicht abgelaufen. Denn der in dem verwendeten Formular enthaltene Hin-
weis, die Frist für den Widerruf beginne "frühestens mit Erhalt dieser Beleh-
rung", genügte nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF und
darüber hinaus entsprach das verwendete Formular nicht in jeder Hinsicht dem
Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV, so dass die Widerrufsfrist
nicht in Gang gesetzt worden war (vgl. dazu im Einzelnen die wortgleiche Wi-
derrufsbelehrungen betreffenden Senatsurteile vom 1. März 2012 - III ZR 83/11,
NZG 2012, 427, 428 f Rn. 14 ff; vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, BGHZ 194,
150, 154 ff Rn. 12 ff; vom 18. Oktober 2012 - III ZR 106/11, NJW 2012, 3718,
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3719 Rn. 22; vom 17. Januar 2013 - III ZR 145/12, NJW-RR 2013, 885, 886
Rn. 9 ff und vom 12. Dezember 2013 aaO S. 243 Rn. 19 f, jeweils mwN).
4.
Allerdings kommt ein Wertersatzanspruch der Klägerin nach § 357
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB in einer die von ihr bisher
vereinnahmten Beträge übersteigenden Höhe in Betracht (s. hierzu und zum
Folgenden: Senatsurteil vom 12. Dezember 2013 aaO S. 243 Rn. 21 ff mwN).
Die mit dem Abschluss des vermittelten Versicherungsvertrags vollstän-
dig erbrachte Leistung des Versicherungsvertreters kann in Natur nicht zurück-
gegeben werden. Als Wertersatz wird indessen nicht entsprechend § 346
Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB das vertraglich vereinbarte Entgelt geschuldet.
Maßgeblich für die Bemessung des Wertersatzes, den der Verbraucher nach
dem (wirksamen) Widerruf eines Teilzahlungsgeschäfts für bis dahin erbrachte
Leistungen des Unternehmers gewähren muss, ist vielmehr der objektive Wert
der Leistungen, soweit dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt. Insoweit
ist im Ausgangspunkt, wie bei Dienstleistungen allgemein, auf die übliche oder
(bei Fehlen einer solchen) auf die angemessene Vergütung abzustellen, die für
eine solche Leistung zu bezahlen ist, nicht dagegen auf den konkret-indivi-
duellen Wert des Erlangten für den Schuldner. Eine Kündigung des Versiche-
rungsvertrags hat dabei für sich genommen auf die Höhe des Wertersatzan-
spruchs keine Auswirkungen.
5.
Das Berufungsurteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO)
und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-
richt zurückzuverweisen, da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).
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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das Berufungsgericht wird sich mit dem Vorbringen der Beklagten zu
befassen haben, im Zusammenhang mit dem Abschluss der Vergütungsverein-
barung sei keine ordnungsgemäße Beratung erfolgt. Hinsichtlich des Umfangs
der Belehrungs- und Hinweispflichten ist zu beachten, dass auch über die Aus-
wirkungen des Abschlusses einer Nettopolice im Fall einer vorzeitigen Kündi-
gung aufzuklären ist. Wie diese Aufklärung im Einzelnen zu geschehen hat,
hängt von dem erkennbaren Aufklärungsbedürfnis des Kunden und den sonsti-
gen Umständen des Einzelfalls ab. Hierzu hat das Berufungsgericht zwar Über-
legungen angedeutet, aber noch keine abschließenden Feststellungen getrof-
fen. Bei seiner Würdigung wird das Berufungsgericht die diesbezüglichen Ein-
wände der Revision mit zu berücksichtigen haben. Fehlt es an einer ordnungs-
gemäßen Belehrung, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich die
Beklagte bei gehöriger Belehrung nicht für eine "Nettopolice" entschieden hätte
(vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2013 aaO S. 243 Rn. 27). An diesen
Grundsätzen hält der erkennende Senat trotz der Kritik von Reiff (VersR 2014,
243, 244 f, 246) fest.
b) Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Klä-
gerin ein Wertersatzanspruch zusteht, so ist bei der Frage, welche Vergütung
vorliegend als üblich beziehungsweise als angemessen anzusehen ist, Folgen-
des zu beachten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 12. Dezember 2013 aaO S. 243
Rn. 29; zustimmend Reiff, VersR 2014, 243, 246):
Die übliche Vergütung, die ein Versicherungsvertreter bei Abschluss ei-
nes Versicherungsvertrags als (Handels-)Vertreterprovision vom Versicherer
erhält, kann nicht ohne weiteres als Vergleichsmaßstab verwendet werden, weil
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durch sie die für den Versicherer erbrachte Vermittlungsleistung entlohnt wird
und nicht die Beratungs- und Vermittlungsleistung für den Versicherungsneh-
mer. Insoweit liegt es näher, sich an der üblichen Provision eines Versiche-
rungsmaklers zu orientieren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch
dann, wenn man dem Versicherungsvertreter im Falle eines eigenständigen
Beratungsvertrags mit dem Versicherungsnehmer umfängliche Beratungs- und
Hinweispflichten auferlegt, der Wert einer Versicherungsvertreterberatung be-
ziehungsweise -vermittlung bei der gebotenen typisierten und objektivierten Be-
trachtungsweise deutlich unter dem Wert einer Versicherungsmaklerleistung
liegt. Denn eine der wesentlichen Pflichten des Versicherungsmaklers, seiner
Beratung eine größere Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsver-
trägen und von Versicherern zu Grunde zu legen (§ 42b Abs. 1 Satz 1 VVG aF;
jetzt § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG), kann der Versicherungsvertreter nicht oder nur
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unzureichend erfüllen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Klägerin Lebens-
versicherungen ausschließlich im Auftrag der A. Lebensversiche-
rung S.A. vermittelt haben sollte.
Schlick
Hucke
Tombrink
Remmert
Reiter
Vorinstanzen:
AG Brackenheim, Entscheidung vom 07.11.2012 - 1 C 220/08 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 28.06.2013 - 8 S 7/12 Ka -