Urteil des BGH vom 27.01.1993

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 131/07 Verkündet
am:
26. November 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1572, 1573, 1578 b
a) Zur Abgrenzung von Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und Aufsto-
ckungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (im Anschluss an das Senatsurteil
vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789).
b) Zur Befristung des Krankheitsunterhalts gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB.
BGH, Urteil vom 26. November 2008 - XII ZR 131/07 - OLG Oldenburg
AG
Oldenburg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. November 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Rich-
ter Sprick, die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter Prof. Dr. Wagenitz
und Dr. Klinkhammer
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats - 2. Senat für Fa-
miliensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 15. August
2007 wird verworfen, soweit die Berufung des Antragsgegners
wegen einer höheren Unterhaltsforderung als 285 € monatlich für
die Zeit von drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung zurückge-
wiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Antragsgegner
auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um nachehelichen
Unterhalt und dessen Befristung.
1
Die Parteien heirateten am 23. Juni 1994. Für den Antragsgegner war es
die zweite Ehe. Die Antragstellerin war seinerzeit 36 Jahre alt, der Antragsgeg-
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- 3 -
ner 47 Jahre. Nach der Eheschließung führten sie zunächst noch getrennte
Haushalte. Bis zur Trennung im Mai 2003 lebten sie fünf Jahre zusammen. Kin-
der sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Antragstellerin ist Versiche-
rungskauffrau. Der Antragsgegner ist gelernter Klempner und Installateur. Er
arbeitete zuletzt als Maschinenführer. Seit 1998 ist er krankheitsbedingt nicht
mehr erwerbstätig und bezieht neben der gesetzlichen Rente wegen Erwerbs-
minderung eine Betriebsrente. Er begehrt von der Antragstellerin nachehelichen
Unterhalt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien durch Ver-
bundurteil geschieden. Es hat die Antragstellerin - überwiegend entsprechend
ihrem Anerkenntnis - zur Zahlung von 235 € Geschiedenenunterhalt verurteilt
und den Unterhalt auf drei Jahre ab Rechtskraft der Ehescheidung befristet.
Des weiteren hat es im Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften der An-
tragstellerin auf den Antragsgegner übertragen und schließlich die Antragstelle-
rin zu einem Zugewinnausgleich von 6.000 € verurteilt. Auf die Berufung des
Antragsgegners gegen die Entscheidung über den Unterhalt hat das Beru-
fungsgericht den Unterhalt auf monatlich 285 € erhöht, es allerdings bei der Be-
fristung belassen.
3
Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Antragsgegners,
der eine Erhöhung des Unterhalts und einen Wegfall der Befristung erstrebt.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat die zeitliche Begrenzung des Unterhalts auf
§ 1573 Abs. 5 BGB a.F. gestützt und als Anspruchsgrundlage für den Geschie-
denenunterhalt nicht § 1572 BGB, sondern § 1573 Abs. 2 BGB angesehen.
Zwar werde in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass
allein ein Anspruch nach § 1572 BGB bestehe, wenn der Berechtigte krank-
heitsbedingt vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert sei. Aus der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs zur teilweisen Erwerbstätigkeit beim
Betreuungsunterhalt ergebe sich indessen, dass der Betreuungsunterhalt sei-
nen Rechtsgrund darin finde, dass der Berechtigte durch die Betreuung teilwei-
se an einer Erwerbstätigkeit gehindert sei. Diese Überlegung müsse auch auf
Fälle übertragen werden, in denen der Berechtigte vollständig an einer Er-
werbstätigkeit gehindert sei. Denn es gebe gerade im Hinblick auf die Befris-
tung keinen Grund, dem Unterhaltsanspruch eines Nichterwerbstätigen den
vollen Bestandsschutz der §§ 1570 bis 1572 BGB zu gewähren, während der
Unterhaltsanspruch eines Teilerwerbstätigen diesen Bestandsschutz nur in dem
Umfang erhalte, in dem er seinen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnis-
sen (offenbar gemeint: seinen Lebensbedarf aufgrund des ohne Erwerbshin-
dernis erzielbaren Einkommens) nur deshalb nicht decken könne, weil er nicht
mehr voll erwerbstätig sein könne. Der Anspruch eines Nichterwerbstätigen un-
terliege im Gegensatz zu dem des teilweise Erwerbstätigen nicht der Befristung
nach § 1573 Abs. 5 BGB (a.F.).
- 5 -
Auf den Anspruch aus § 1572 BGB übertragen bedeute dies, dass der
Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen seinen Rechtsgrund stets darin fin-
de, dass der Unterhaltsberechtigte nicht erwerbstätig sein könne und deshalb
das nach seinen persönlichen Verhältnissen erzielbare Einkommen nicht erzie-
le. Darüber hinaus gehender Unterhalt ergebe sich (allein) aus § 1573 Abs. 2
BGB. Dem Antragsgegner würden mit seinen - aufgrund des Versorgungsaus-
gleichs erhöhten - Rentenbezügen 1.449 € zur Verfügung stehen, während auf-
grund seines zuletzt erzielten Arbeitsverdienstes nach Abzug pauschaler Wer-
bungskosten und eines Erwerbstätigenbonus (1/7) nur 1.415 € in die Unter-
haltsberechnung einzustellen wären. Eine zwischenzeitliche Erhöhung des Ar-
beitnehmereinkommens habe der Antragsgegner nicht dargelegt.
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Der - vom Berufungsgericht rechnerisch näher ermittelte - Aufstockungs-
unterhalt sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf die
Dauer von drei Jahren nach Rechtskraft der Ehescheidung zu befristen. Dabei
hat das Berufungsgericht die Dauer der Ehe gewürdigt ("weder lang noch un-
gewöhnlich kurz") und die zunächst noch getrennte Haushaltsführung. Die Er-
werbsunfähigkeit des Antragsgegners sei hingegen als ehebedingter Nachteil
zu werten. Dafür genüge es, dass die Erkrankung während der Ehe eingetreten
und von beiden Ehegatten in der durch die Eheschließung begründeten
"Schicksalsgemeinschaft" mitzutragen sei. Ein Nachteil im Hinblick auf die De-
ckung des sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen ergebenden Unter-
haltsbedarfs (auch hier offenbar gemeint: Lebensbedarf aufgrund des ohne Er-
werbshindernis erzielbaren Einkommens) lasse sich aber nicht feststellen. Die
Ehe habe nicht den Charakter gehabt, dass einer der Ehegatten den anderen
auf Dauer habe versorgen sollen. Auch dass die Antragstellerin für mehrere
Jahre Trennungsunterhalt gezahlt habe, sei zu berücksichtigen.
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- 6 -
II.
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Die Revision ist unzulässig, soweit der Antragsgegner eine Erhöhung
des vom Berufungsgericht bis zum Ablauf von drei Jahren nach Rechtskraft der
Scheidung zugesprochenen Geschiedenenunterhalts begehrt. Denn insoweit
hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen.
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Das Berufungsgericht hat ausweislich des Urteilstenors die Revision zu
der Frage zugelassen, aus welcher Anspruchsgrundlage sich der Anspruch des
Antragsgegners ergibt, sowie zu der daran anknüpfenden Frage der Befristung
des nachehelichen Unterhalts. Die Zulassung der Revision kann allerdings nicht
auf einzelne Rechtsfragen beschränkt werden, sondern nur auf abgrenzbare
Teile des Streitgegenstandes. Aus der Zulassung ist aber hinreichend deutlich
erkennbar, dass das Berufungsgericht die Revision nur im Hinblick auf die Be-
fristung zulassen wollte und die Frage der Anspruchsgrundlage als notwendige
Vorfrage miterwähnt hat. Insoweit ist der mit der Klage geltend gemachte Un-
terhalt in zeitlicher Hinsicht teilbar und eine entsprechend eingeschränkte Zu-
lassung der Revision möglich (Senatsurteile vom 25. Januar 1995 - XII ZR
195/93 - FamRZ 1995, 1405 und BGHZ 153, 358, 362 f. = FamRZ 2003, 590,
591 m. Anm. Büttner).
Für die eingeschränkte Zulassung der Revision reicht es aus, dass der
Anspruch teilbar ist. Es ist nicht erforderlich, dass ein (Wertungs-)Widerspruch
zwischen der abschließenden Entscheidung über den noch in der Revision an-
hängigen Teil und der bereits rechtskräftigen Teilentscheidung auszuschließen
ist. Denn die Zulassung der Revision kann in gleicher Weise beschränkt wer-
den, wie der Revisionskläger selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte
(BGHZ 101, 276, 278; Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 195/93 -
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- 7 -
FamRZ 1995, 1405). Eine Beschränkung der Revision auf den nach Ablauf der
Befristung liegenden Zeitraum wäre wirksam.
12
Die Revision ist demnach nur zulässig, soweit der Antragsgegner weite-
ren Unterhalt für die Zeit nach Ablauf von drei Jahren seit Rechtskraft der
Scheidung geltend macht.
III.
Soweit die Revision zulässig ist, hält das Berufungsurteil einer rechtli-
chen Überprüfung im Ergebnis stand.
13
1. Die Begründung des Berufungsgerichts ist allerdings nicht frei von
Rechtsfehlern. Die vom Berufungsgericht vorgenommene zeitliche Begrenzung
(Befristung) des Unterhalts nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. war nicht zulässig.
Denn der Unterhaltsanspruch des Antragsgegners ergibt sich entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts allein aus § 1572 BGB, so dass - bis zum
31. Dezember 2007 - eine Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. nicht mög-
lich war. Auch für die seit dem 1. Januar 2008 geltende Rechtslage kann es
nicht dahingestellt bleiben, auf welcher Grundlage der Unterhaltsanspruch be-
ruht, selbst wenn die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen im konkre-
ten Fall bei der Frage der Befristung zum selben Ergebnis führen (a.A. OLG
Celle FamRZ 2008, 1449, 1450; vgl. auch Senatsurteil vom 27. Januar 1993
- XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789, 791 a.E.).
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a) Schon vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet
kann sich der Unterhaltsanspruch zum überwiegenden Teil nur aus § 1572 BGB
ergeben.
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Der Antragsgegner ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
wegen Krankheit oder Gebrechen im Sinne von § 1572 BGB nicht zu einer Er-
werbstätigkeit in der Lage. Damit besteht auch nach der Auffassung des Beru-
fungsgerichts ein Bedarf in Höhe der durch das Erwerbshindernis verursachten
Einkommenseinbuße. Dieser Bedarf stimmt grundsätzlich mit dem angemesse-
nen Lebensbedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., § 1578 b Abs. 1 Satz 1
BGB überein (vgl. Hahne FamRZ 1986, 305, 309; zum entsprechenden Maß-
stab beim Unterhalt nach § 1615 l BGB s. Senatsurteil vom 16. Juli 2008
- XII ZR 109/05 - FamRZ 2008, 1739, 1741 f.).
16
Dem Berufungsgericht ist indessen bei der Gegenüberstellung des an-
gemessenen Lebensbedarfs (hypothetisches Einkommen des Antragsgegners
ohne Erwerbshindernis) und seinem tatsächlich erzielten Renteneinkommen ein
Fehler unterlaufen. Zwar kann das zur Ermittlung der Einkommenseinbuße he-
rangezogene hypothetische Einkommen unter Berücksichtigung pauschaler
Werbungskosten ermittelt werden. Nicht gerechtfertigt ist aber der Abzug eines
Erwerbstätigenbonus, wie er vom Berufungsgericht offenbar aus der in der Pra-
xis üblichen Unterhaltsberechnung nach Quoten übernommen worden ist. Maß-
stab für den hypothetischen Bedarf ohne die Hinderung durch die Krankheit ist
vielmehr das Einkommen, das dem Unterhaltsberechtigten bei voller Erwerbstä-
tigkeit zur Bestreitung seines Lebensbedarfs zur Verfügung stehen würde. Um
seinen Lebensbedarf zu bestreiten, könnte er aber sein gesamtes Arbeitsein-
kommen verwenden.
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Ausgehend von der Berechnung des Berufungsgerichts könnte der An-
tragsgegner ohne Erwerbshindernis netto und bereinigt um pauschale Wer-
bungskosten ein Einkommen von 1.651 € erzielen. Demgegenüber beläuft sich
sein Renteneinkommen auf 1.449 €. In Höhe der Differenz zwischen beiden
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- 9 -
Beträgen (202 €) ergibt sich der Anspruch auch nach der vom Berufungsgericht
vertretenen Auffassung allein aus § 1572 BGB.
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b) Aber auch soweit das Berufungsgericht einen darüber hinausgehen-
den Unterhalt von 83 € (= 285 € ./. 202 €) zuerkannt hat, ist die Anspruchs-
grundlage dafür § 1572 BGB und nicht § 1573 Abs. 2 BGB.
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aa) Der Senat unterscheidet in ständiger Rechtsprechung für die Ab-
grenzung der Anspruchsgrundlagen wegen eines Erwerbshindernisses aus
§§ 1570 bis 1572 BGB und aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt)
danach, ob wegen des vorliegenden Hindernisses eine Erwerbstätigkeit voll-
ständig oder nur zum Teil ausgeschlossen ist (Senatsurteile vom 13. Dezember
1989 - IVb ZR 79/89 - FamRZ 1990, 492, 493 f. - zu § 1570 BGB; vom
27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789, 791 - zu § 1572 BGB -
und vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709 - zu § 1571
BGB). Wenn der Unterhaltsberechtigte an einer Erwerbstätigkeit vollständig
gehindert ist, ergibt sich der Unterhaltsanspruch allein aus §§ 1570 bis 1572
BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das
Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem den angemessenen
Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen
(voller Unterhalt) gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht. Nur bei einer ledig-
lich teilweisen Erwerbshinderung ist der Unterhalt nach der Rechtsprechung
des Senats allein wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Ein-
kommensausfalls auf §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen und im Übrigen auf
§ 1573 Abs. 2 BGB.
bb) Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtspre-
chung Abstand zu nehmen.
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Allerdings ist - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Berufungsge-
richts - gegen die vom Senat vorgenommene Differenzierung eingewandt wor-
den, dass die sachlichen Gründe für die Abgrenzung des Aufstockungsunter-
halts vom Unterhalt wegen eines Erwerbshindernisses auch dann eingreifen
würden, wenn das Hindernis eine Erwerbstätigkeit vollständig ausschließe
(W. Maier FamRZ 2005, 1509, 1510). Der Aufstockungsunterhalt spiegelt da-
nach nur den Teil des Lebensbedarfs wider, der auf dem in der Ehe erhöhten
Lebensstandard beruht. Dieses Argument trifft zwar zu, zwingt allerdings - je-
denfalls für die vorliegende Fallgestaltung - nicht dazu, die Unterscheidung zwi-
schen den Anspruchsgrundlagen der §§ 1570 ff. BGB weiter zu verfeinern.
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Die Rechtsprechung des Senats entspricht den Motiven des 1. Ehe-
rechtsreformgesetzes. Dieses ist ersichtlich davon ausgegangen, dass der Auf-
stockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB erst dann eingreift, wenn dem Un-
terhaltsberechtigten eine (volle oder teilweise) Erwerbstätigkeit möglich ist (vgl.
BT-Drucks. 7/650 S. 126 f.; Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1573 Rdn. 24). Auch
das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz von 1986, durch das die Befristungsmög-
lichkeit nach § 1573 Abs. 5 BGB eingeführt wurde, beruht offenbar auf diesem
Verständnis. Wenn der Gesetzgeber die Differenz zwischen dem Bedarf nach
den ehelichen Lebensverhältnissen und dem angemessenen Lebensbedarf ge-
nerell dem Aufstockungsunterhalt zugeordnet hätte, hätte es für die gleichzeitig
eingeführte Begrenzungsvorschrift des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB (a.F.) im Be-
reich der Tatbestände nach §§ 1570 bis 1572 BGB kaum ein Bedürfnis gege-
ben, weil für diese kein nennenswerter Anwendungsbereich verblieben wäre.
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Ob im Hinblick auf einzelne Rechtsfolgen (etwa den Rang des kinder-
betreuenden Ehegatten gemäß § 1609 Nr. 2 BGB) eine andere Sichtweise ge-
boten sein kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Auch für die
bis zum 31. Dezember 2007 geltende Rechtslage bedurfte es der vom Beru-
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fungsgericht gewählten Konstruktion nicht. Denn mit § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB
a.F. stand eine gesetzliche Begrenzungsmöglichkeit zur Verfügung, die auch
auf den Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB anwendbar war und
- abgesehen von dem oben aufgezeigten Fehler bei der Ermittlung des ange-
messenen Bedarfs - zu demselben Ergebnis hätte führen können. Eine Herab-
setzung auf den angemessenen Lebensbedarf konnte zum Wegfall des Unter-
halts führen, soweit der angemessene Lebensbedarf durch eigene Einkünfte
des Unterhaltsberechtigten gedeckt war (BT-Drucks. 10/2888 S. 19).
c) Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Befristung des Anspruchs
nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. scheidet somit aus, weil es sich allein um Unter-
halt wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB handelt und das bis zum 31. Dezem-
ber 2007 geltende Recht für diesen Unterhaltsanspruch eine solche Befris-
tungsmöglichkeit nicht vorsah.
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2. Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als rich-
tig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO). Die Befristung des
Unterhalts auf drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung ist im Ergebnis auf-
grund von § 1578 b Abs. 2 BGB gerechtfertigt.
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a) Ob das Berufungsgericht sich anstelle der von ihm vorgenommenen
Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. auf eine Herabsetzung des Bedarfs-
maßstabs gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. hätte beschränken können,
bedarf in Anbetracht deren eingeschränkter Wirkung und der inzwischen geän-
derten Gesetzeslage keiner Entscheidung. Denn die durch das Unterhalts-
rechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) mit Wirkung
zum 1. Januar 2008 eingeführte Vorschrift des § 1578 b Abs. 2 BGB lässt nun-
mehr auch beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB eine zeitliche Begren-
zung zu.
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b) Auf die Befristung ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Unter-
haltsrecht anzuwenden (Art. 4 Unterhaltsrechtsänderungsgesetz; vgl. auch § 36
Nr. 7 EGZPO). Die Befristung auf drei Jahre beginnt mit der Rechtskraft der
Scheidung, die laut dem Rechtskraftvermerk des Familiengerichts am 3. Juli
2007 eingetreten ist. Da die Befristung somit erst unter Geltung der neuen Ge-
setzeslage wirksam wird, ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Recht maß-
gebend.
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c) Der vom Berufungsgericht erschöpfend festgestellte und gewürdigte
Sachverhalt rechtfertigt die ausgesprochene Unterhaltsbefristung auf drei Jahre
ab Rechtskraft der Scheidung. Einer differenzierten Bewertung nach dem an-
gemessenen Lebensbedarf und dem darüber hinausgehenden Unterhalt nach
den ehelichen Lebensverhältnissen bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Auch
wenn das Berufungsgericht diesen Aspekt aufgrund seines Fehlers bei der Ge-
genüberstellung des Renteneinkommens des Antragsgegners mit seinem hypo-
thetisch erzielbaren Erwerbseinkommen nicht zutreffend erfasst hat, ist mit ei-
ner abweichenden tatrichterlichen Würdigung nicht zu rechnen, so dass der
Senat abschließend entscheiden kann.
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Der Unterhaltsanspruch ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB zeitlich zu
begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus den nach § 1578 b
Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend anzuwendenden Gesichtspunkten für die Her-
absetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf
nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB.
30
aa) Demnach kommt es zunächst darauf an, inwieweit durch die Ehe
Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Un-
terhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Gestaltung
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- 13 -
von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit in der - hier kinderlosen - Ehe sowie
aus der Dauer der Ehe ergeben.
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Sowohl nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB
(a.F.) als auch nach der daran orientierten Neufassung des § 1578 b Abs. 2
BGB (vgl. Dose FamRZ 2007, 1289, 1293) liegen ehebedingte Nachteile vor,
wenn die Gestaltung der Ehe, insbesondere die Arbeitsteilung der Ehegatten,
die Fähigkeit eines Ehegatten, für seinen Unterhalt zu sorgen, beeinträchtigt hat
(vgl. Senatsurteil vom 28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582,
586).
Das ist hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der
Fall. Der Antragsgegner war während der Ehe zunächst noch erwerbstätig. Sei-
ne Erwerbstätigkeit musste er aus gesundheitlichen Gründen einstellen, die
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in ursächlichem Zusam-
menhang mit der Ehe stehen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
ist die Erkrankung des Antragsgegners nicht schon deshalb als ehebedingter
Nachteil zu betrachten, weil sie während der Ehe eingetreten ist.
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Ehebedingte Nachteile wären indessen dann eingetreten, wenn der Un-
terhaltsberechtigte aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend
für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hätte. Inso-
weit entsprechen sich der Krankheitsunterhalt und der Altersunterhalt nach
§ 1571 BGB (vgl. Borth Unterhaltsrechtsänderungsgesetz Rdn. 159). In die Be-
trachtung einzubeziehen ist dann aber auch, dass der Ausgleich unterschiedli-
cher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist,
durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend
gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ
2008, 1325, 1328 f. und vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008,
34
- 14 -
1508, 1511). Im vorliegenden Fall sind dem Antragsgegner im Versorgungs-
ausgleich Rentenanwartschaften der Antragstellerin in Höhe von insgesamt
39,46 € übertragen worden, die zu einer Erhöhung der von ihm bezogenen ge-
setzlichen Rente wegen Erwerbsminderung geführt haben. Hierdurch hat der
Antragsgegner allerdings schon mehr erhalten als einen Ausgleich ehebeding-
ter Nachteile. Denn die Rollenverteilung in der Ehe hat nicht dazu geführt, dass
die vom Antragsgegner erworbenen Versorgungsanwartschaften geschmälert
worden wären. Der Antragsgegner nimmt vielmehr insoweit am besseren Ver-
sorgungsstandard der Antragstellerin teil.
Das Merkmal der Ehedauer stellt im Regelungszusammenhang des
§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB nur ein Indiz für die zunehmende Verflechtung der
beiderseitigen Verhältnisse dar (Senatsurteil vom 16. April 2008 - XII ZR
107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328; BT-Drucks. 16/1830 S. 19; Wendl/Pauling
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 4 Rdn. 591).
Die Ehedauer betrug etwa elf Jahre. Für die Ehedauer ist nach ständiger Recht-
sprechung des Senats auf die Zeit von der Eheschließung (23. Juni 1994) bis
zur Zustellung des Scheidungsantrags (13. April 2005) abzustellen (Senatsurteil
vom 9. Juli 1986 - IVb ZR 39/85 - FamRZ 1986, 886, 888). Eine wirtschaftliche
Verflechtung ist hier nicht festgestellt. Jeder Ehegatte unterhielt zunächst noch
seinen eigenen Haushalt. Auch als sie zusammengezogen waren, wirtschafte-
ten sie im wesentlichen getrennt.
35
bb) Allerdings wird die Krankheit als solche nur in Ausnahmefällen ehe-
bedingt sein. Das führt indessen nicht ohne weiteres dazu, dass der Krank-
heitsunterhalt - bei Fehlen ehebedingter Nachteile - zwangsläufig zu befristen
wäre.
36
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Dass die Krankheit regelmäßig nicht ehebedingt ist, hat allerdings Ein-
fluss auf die grundsätzliche Gewichtung des Unterhalts nach § 1572 BGB im
Rahmen der Billigkeitsabwägung und im Hinblick auf das von den Ehegatten zu
fordernde Maß an fortwirkender Unterhaltsverantwortung nach der Scheidung
(ähnlich OLG Celle FamRZ 2008, 1449, 1451). Dem entsprechend war die Le-
gitimation des Krankheitsunterhalts schon bei den Beratungen zum 1. Ehe-
rechtsreformgesetz nicht frei von Zweifeln (vgl. BT-Drucks. 7/650 S. 124). Da es
sich bei der Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der
Regel um eine schicksalhafte Entwicklung handelt, ist eine dauerhafte Unter-
haltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein in zeitlichem
Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko nicht ohne weiteres zu
rechtfertigen.
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Die Reichweite der vom Gesetz hier im Grundsatz nach wie vor geforder-
ten nachehelichen Verantwortung bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner
exakten Bestimmung. Denn auch eine von ehebedingten Nachteilen getrennte
Billigkeitsbetrachtung begründet im vorliegenden Fall jedenfalls keine längere
Laufzeit des nachehelichen Krankheitsunterhalts, als sie das Berufungsgericht
dem Antragsgegner zugebilligt hat.
38
Der Ehedauer (hier etwa elf Jahre), die nach der Gesetzesbegründung
zum Unterhaltsrechtsänderungsgesetz (BT-Drucks. 16/1830 S. 19) besondere
Bedeutung hat, kommt im vorliegenden Fall kein erhebliches Gewicht zu. Der
Antragsgegner war bei Eheschließung bereits 47 Jahre alt. Es handelte sich für
ihn um die zweite Ehe. Ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand der Un-
terhaltsverpflichtung wurde durch die Ehe und deren Dauer nicht begründet. Die
Parteien lebten nur etwa fünf Jahre in einem gemeinsamen Haushalt zusam-
men. Insbesondere hat das Berufungsgericht keine Dispositionen des Antrags-
gegners aufgrund eines etwaigen Vertrauens in die fortwährende Unterhalts-
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verpflichtung der Antragstellerin festgestellt. Der Antragsgegner verfügt schließ-
lich mit seinen beiden Renten über ein - teils durch den Versorgungsausgleich
erhöhtes - Einkommen, das ihm einen deutlich über dem Existenzminimum lie-
genden Lebensstandard sichert. Demgegenüber bedeutet die fortwährende Un-
terhaltspflicht für die Antragstellerin eine spürbare Belastung, die sie in ihrer
Lebensführung nicht unerheblich einschränkt. Das Berufungsgericht hat auch
weitere Faktoren, wie etwa den über vier Jahre von der Antragstellerin gezahl-
ten Trennungsunterhalt, zutreffend berücksichtigt.
Auch wenn das Unterhaltsrecht eine Befristung des Krankheitsunterhalts
erst aufgrund der nach Rechtskraft der Ehescheidung in Kraft getretenen Ge-
setzeslage zulässt, kann daraus ein besonderer Vertrauensschutz nicht herge-
leitet werden. Der Gesetzgeber hat von einem Vertrauensschutz für sogenannte
Altfälle bewusst abgesehen und das neue Recht auf Unterhaltsansprüche, die
ab dem 1. Januar 2008 entstanden sind, für unterschiedslos anwendbar erklärt
(BT-Drucks. 16/1830 S. 32). Nur für vor dem 1. Januar 2008 bereits ergangene
rechtskräftige Entscheidungen, errichtete Titel oder Unterhaltsvereinbarungen
enthält § 36 Nr. 1 EGZPO einen über das Inkrafttreten des Gesetzes hinausrei-
chenden Vertrauensschutz und macht eine Abänderung von der Zumutbarkeit
abhängig.
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Die Revision macht allerdings zu Recht geltend, dass ein Teil der vom
Berufungsgericht rechnerisch zugrunde gelegten Frist (drei Jahre ab Rechts-
kraft der Scheidung) noch vor Inkrafttreten der seit dem 1. Januar 2008 geän-
derten Rechtslage verstrichen ist, als eine Befristung noch nicht zulässig war.
Auch wenn das Berufungsgericht bei der Bemessung der Frist somit von unzu-
treffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, stellt dies die Angemessenheit
der Befristung im Ergebnis aber nicht in Frage. Es handelt sich um einen Zeit-
raum von etwa einem halben Jahr, denn die Rechtskraft der Scheidung ist nach
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dem Rechtskraftvermerk des Amtsgerichts am 3. Juli 2007 eingetreten. Die an-
stehenden Änderungen durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz waren zu
diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit bereits bekannt und hinsichtlich der Befris-
tung nach § 1578 b BGB politisch nicht umstritten. Die Gesetzesänderung zur
Befristung ist von der Antragstellerin zum Gegenstand ihrer Argumentation im
Berufungsverfahren gemacht worden. Da der weitaus überwiegende Teil der
Frist in die Geltung der neuen Rechtslage fällt, erscheint eine abweichende tat-
richterliche Würdigung somit fernliegend.
Die Bemessung der sogenannten Schonfrist auf drei Jahre nach Rechts-
kraft der Scheidung (bzw. zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten der neuen
Rechtslage) erfüllt demnach im Ergebnis auch die Anforderungen des § 1578 b
Abs. 2 BGB, so dass die Befristung jedenfalls nicht zu kurz ausgefallen ist.
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Hahne
Sprick
Weber-Monecke
Wagenitz
Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Oldenburg, Entscheidung vom 20.02.2007 - 64 F 77/04 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 15.08.2007 - 3 UF 47/07 -