Urteil des BGH vom 17.01.2013

BGH: verordnung, schutz der gesundheit, inverkehrbringen, mitgliedstaat, genehmigungsverfahren, verpackung, eugh, aeuv, kommission, bundesamt

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 226/10
Verkündet am:
17. Januar 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Köln vom 19. November 2010 wird auf Kosten der Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein in der Herstellung und im Vertrieb von Pflanzen-
schutzmitteln tätiges Unternehmen. Zu den von ihr in Verkehr gebrachten Mit-
teln zählt auch das Pflanzenschutzmittel
„Simplex“, das für sie in Deutschland
unter der Nummer 57002-00 zugelassen ist.
Die in den Niederlanden ansässige Beklagte importiert Pflanzenschutz-
mittel und bringt sie in Deutschland in Verkehr. Im Mai 2008 verkaufte sie hier
das Herbizid
„Realchemie Fluroxypyr & Aminopyralid“ in einem 5-Liter-Kanister.
Auf dem Etikett dieses Produkts befand sich unterhalb des für das Mittel ver-
wendeten Namens die Aufschrift
„Referenzmittel Simplex“ mit einem Stern-
chenhinweis, der darauf hinwies, dass für das Pflanzenschutzmittel
„Simplex“
eine Zulassung der Klägerin besteht. Zudem befand sich auf dem Kanister ein
Aufkleber mit der Aufschrift
„Re-Import“. Für das Mittel „Realchemie Fluroxypyr
& Aminopyralid
“ bestand keine Zulassung durch das Bundesamt für Verbrau-
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cherschutz und Lebensmittelsicherheit (im Weiteren: Bundesamt). Die Beklagte
verfügte auch nicht über eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung des Bundes-
amts für dieses Mittel.
Die Klägerin hält die Einfuhr und das Inverkehrbringen von
„Realchemie
Fluroxypyr & Aminopyralid
“ für rechts- und wettbewerbswidrig und hat die Be-
klagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen sowie
die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Erstattung vorgerichtlich an-
gefallener Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen begehrt.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, bei dem Mittel
„Real-
chemie Fluroxypyr & Aminopyralid
“ handele es sich um das Pflanzenschutzmit-
tel
„Simplex“, das sie im Ausland in größerer Menge aufgekauft, dort in eigene
Behälter umgefüllt und wieder nach Deutschland eingeführt habe. Als reimpor-
tiertes Mittel, das bereits über eine Zulassung verfüge, sei es in Deutschland
ohne weiteres verkehrsfähig.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung
der Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, MD 2011,
269). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage
weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Einfuhr des Mittels der
Beklagten nach und sein Inverkehrbringen in Deutschland mangels Zulassung
selbst dann nicht erlaubt, wenn es sich bei ihm um das als
„Simplex“ für die
Klägerin in Deutschland zugelassene Mittel handelte, das die Beklagte in einem
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anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworben, umgefüllt und neu
bezeichnet habe. Ein Dritter, der nicht Zulassungsinhaber sei, dürfe auch ein in
Deutschland zugelassenes Mittel nur in den Fällen des Parallelhandels, dessen
Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt seien, oder aufgrund einer - hier
gleichfalls nicht gegebenen - Vertriebserweiterung mit dem Zulassungsinhaber
einführen oder vertreiben. Eine bloße Identität des Mittels mit dem hier zugelas-
senen Pflanzenschutzmittel
„Simplex“ genüge für die Einfuhr und Verkehrsfä-
higkeit nicht.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Beru-
fungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klage gemäß den Bestim-
mungen, die zum Zeitpunkt der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten
gegolten haben, begründet war (dazu unter II 1). Der in die Zukunft gerichtete
Unterlassungsanspruch erweist sich auch auf der Grundlage der aktuellen
Rechtslage als berechtigt (dazu unter II 2). Danach bestehen die von der Kläge-
rin des Weiteren geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und
Feststellung der Schadensersatzpflicht ebenfalls im vollen Umfang (dazu unter
II 3). Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht kein
Anlass (dazu unter II 4).
1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht als auf der Grundlage
der §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1
PflSchG (in der Fassung, in der diese Bestimmung in der Zeit vom 1. November
2002 bis zum 13. Februar 2012 gegolten hat; im Weiteren: § 11 Abs. 1 Satz 1
PflSchG 2002), Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehr-
bringen von Pflanzenschutzmitteln und § 242 BGB begründet angesehen.
a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG 2002 durften Pflanzenschutzmittel in
der Formulierung, in der die Abgabe an den Anwender vorgesehen war, nur in
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Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt für Ver-
braucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen waren. Die Vorschrift
diente der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG. Nach dieser
Bestimmung, die bis zum 13. Juni 2011 galt, waren die Mitgliedstaaten ver-
pflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in ihrem Gebiet zu anderen als For-
schungs- oder Entwicklungszwecken nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr
gebracht und angewendet werden durften, die sie nach den Bestimmungen die-
ser Richtlinie zugelassen hatten. Die Zulassung galt dabei nur für Mittel mit ge-
meinsamem Ursprung; die Mittel mussten daher vom Zulassungsinhaber oder
einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach derselben Formel und
unter Verwendung desselben Wirkstoffs hergestellt sein und auch die gleichen
Wirkungen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 1999 - C-100/96, Slg. 1999,
I-1499 = EuZW 1999, 341 Rn. 40 - British Agrochemicals Association; Urteil
vom 21. Februar 2008 - C-201/06, Slg. 2008, I-735 Rn. 39 - Kommission/Frank-
reich). Einem von einem konkurrierenden Unternehmen parallel hergestellten
Mittel fehlte daher der erforderliche gemeinsame Ursprung, weshalb die für das
Referenzmittel bestehende Zulassung von vornherein nicht auch für dieses Mit-
tel galt (EuGH, Slg. 2008, I-735 Rn. 43 - Kommission/Frankreich).
b) Der Beklagten oblag danach der Nachweis, dass es sich bei dem von
ihr in Verkehr gebrachten Mittel um das Mittel der Klägerin handelte, für das
eine Zulassung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009
- I ZR 186/07, GRUR 2010, 160 Rn. 15 = WRP 2010, 250 - Quizalofop; Urteil
vom 2. Februar 2012 - I ZR 81/10, GRUR 2012, 945 Rn. 32 = WRP 2012, 1222
- Tribenuronmethyl, jeweils mwN).
Sie konnte diesen Beweis im Streitfall allerdings deshalb nicht mehr füh-
ren, weil das von ihr vertriebene Mittel dadurch, dass es aus seiner (primären)
Verpackung herausgenommen worden war, seine - jedenfalls nach dem Vortrag
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der Beklagten - zuvor gegebene Verkehrsfähigkeit verloren hatte. Der insoweit
im Streitfall gegebene Sachverhalt lässt sich schon von vornherein nicht mit den
Fällen vergleichen, in denen bei Arzneimitteln das Umpacken oder Umetikettie-
ren als für deren Verkehrsfähigkeit unschädlich angesehen wird (vgl. auch
EuGH, Slg. 2008, I-735 Rn. 44 - Kommission/Frankreich); denn in jenen Fällen
ist regelmäßig die Primärverpackung erhalten geblieben, so dass auch die Iden-
tität der Mittel in der Regel nicht bestritten ist. Demgegenüber besteht beim
Umetikettieren und insbesondere beim Umfüllen eines Pflanzenschutzmittels
die Gefahr seiner Verunreinigung oder sonstigen Verfälschung. Zudem können
weder die Überwachungsbehörden noch die Mitbewerber und Verbände, die bei
Rechtsverstößen gemäß § 8 Abs. 3 UWG klagebefugt sind, noch erst recht die
Anwender die Übereinstimmung des gelieferten mit dem zugelassenen Mittel
überprüfen (vgl. Koof, AUR 2008, 100; Kaus, StoffR 2010, 176, 177; Ouart,
StoffR 2012, 57, 74 bis 76; vgl. weiter zu Parallelimporten im Sinne von § 11
Abs. 1 Satz 2, § 16c PflSchG 2006, Art. 52 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009
über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der
Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates Garçon in Fluck/Fischer/
von Hahn, REACH + Stoffrecht, Deutsches, Europäisches und Internationales
Chemikalien-, Pflanzenschutz-, Biozid- und sonstiges Stoffrecht, 1001, 13. Lfg.
Januar 2012, VO 1107/2009, Überblick Rn. 90 f.; Kammann, StoffR 2008, 172,
176; ders., StoffR 2011, 52, 56 bis 58; Kaus, StoffR 2009, 184, 191; ders.,
StoffR 2010, 176, 177 ff.; Stallberg, StoffR 2009, 216, 221; Ouart, StoffR 2012,
57, 68 bis 70). Soweit dieser Sichtweise entgegengehalten wird, sie verletze die
unionsrechtlich vorgesehene strikte Trennung zwischen Vor- und Nachmarkt-
kontrolle (vgl. Winkelmüller/Schink, AUR 2011, 381, 384 f.; vgl. weiter - zum
Umpacken bei Parallelimporten gemäß Art. 52 der Verordnung (EG) Nr. 1109/
2009 - Geesmann, StoffR 2011, 134, 135 ff.; Schink/Winkelmüller, StoffR 2012,
142, 146 f.), bleibt unberücksichtigt, dass der Unionsgesetzgeber gerade auch
bei parallelimportierten Pflanzenschutzmitteln Veränderungen an der Verpa-
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ckung in Art. 52 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 der Kon-
trolle im Genehmigungsverfahren unterstellt hat (vgl. ferner Ouart, StoffR 2012,
57, 75).
c) Es ist weder ersichtlich noch im Übrigen auch konkret vorgetragen,
dass die vorstehende Sichtweise zu einer Beschränkung der Warenverkehrs-
freiheit gemäß Art. 34 AEUV führt. Zumindest aber wäre eine solche Beschrän-
kung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und
Pflanzen gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt (vgl. Ouart, StoffR 2012, 57, 76;
vgl. weiter Garçon in Fluck/Fischer/von Hahn aaO Rn. 92 f.). Soweit die Revisi-
on geltend macht, dass allenfalls ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für das
streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel nach seinem von der Beklagten be-
haupteten Reimport unionsrechtskonform wäre, lässt sie unberücksichtigt, dass
dieses Mittel aufgrund der Entfernung seiner Primärverpackung nach den oben
unter Randnummer 11 angestellten Erwägungen nicht mehr als zugelassenes
Mittel anzusehen ist.
d) Die nach den Bestimmungen, die im Zeitpunkt der beanstandeten
Verhaltensweise der Beklagten gegolten haben, des Weiteren erforderlichen
Voraussetzungen der Klageansprüche sind ebenfalls erfüllt (vgl. BGH, GRUR
2012, 945 Rn. 29 und 31 - Tribenuronmethyl, mwN). Das Verhalten der Beklag-
ten war auch - anders als ihr Verhalten in dem der Senatsentscheidung
„Delan“
zugrundeliegenden Fall (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 - I ZR 117/10,
GRUR 2012, 407 Rn. 37 = WRP 2012, 456) - als fahrlässig und daher schuld-
haft im Sinne des § 9 UWG anzusehen; denn die Beklagte hat sich dabei er-
kennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem sie
eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen
Zulässigkeit ihres Verhaltens jedenfalls in Betracht ziehen musste. Dies reicht
für die Annahme eines zumindest fahrlässigen Verhaltens aus (st. Rspr.; vgl.
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nur BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - I ZR 135/06, GRUR 2009, 685 Rn. 34 =
WRP 2009, 803 - ahd.de, mwN).
2. Soweit das Berufungsurteil auf ein Unterlassen gerichtet ist, kann es
nur Bestand haben, wenn das beanstandete Verhalten auch zum Zeitpunkt der
Entscheidung noch zu untersagen ist. Dies ist vorliegend der Fall. Auch auf der
Grundlage des heute geltenden Rechts (§§ 8, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG 2008
i.V.m. Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) als begründet dar.
a) Nach der heute geltenden Rechtslage bedarf die Beklagte - wie schon
im alten Recht - für das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Produkts im
Inland grundsätzlich einer Zulassung nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 1107/2009 (§ 28 Abs. 1 PflSchG 2012), über die sie unstreitig nicht verfügt.
Eine solche Zulassung ist vorliegend nicht entbehrlich. Dies wäre nur dann der
Fall, wenn die Beklagte sich auf eine für den Parallelhandel erteilte Genehmi-
gung nach Art. 52 der Verordnung stützen könnte (dazu aa) oder wenn es sich
um einen Reimport handelte, für den es keiner gesonderten Zulassung bedürfte
(dazu bb).
aa) Über eine Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung verfügt die Be-
klagte nicht. Die Voraussetzungen, die die Verordnung für die Erteilung einer
solchen Genehmigung vorsieht, wären im Streitfall auch nicht erfüllt gewesen.
Die für den Parallelhandel vorgesehene Erteilung der Genehmigung nach
Art. 52 der Verordnung setzt voraus, dass das Pflanzenschutzmittel in einem
EU-Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist und in einem anderen
Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden soll, in dem für ein identisches Mittel
(Referenzmittel) bereits eine Zulassung besteht. Liegen diese Voraussetzungen
vor, braucht lediglich noch die Identität des in Verkehr zu bringenden Mittels mit
dem Referenzmittel festgestellt zu werden (Art. 52 Abs. 1 der Verordnung). Die
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Beklagte hat sich nicht darauf berufen, dass das von ihr aus einem anderen
Mitgliedstaat eingeführte Pflanzenschutzmittel dort aufgrund einer Zulassung
nach Art. 28 der Verordnung verkehrsfähig gewesen wäre. Sie hat vielmehr
deutlich gemacht, dass ihr das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach
Art. 52 der Verordnung deswegen nicht offenstand, weil sie sich nicht auf eine
Zulassung und damit auf die Verkehrsfähigkeit im Ursprungsmitgliedstaat, also
in dem Mitgliedstaat stützen konnte, aus dem das fragliche Pflanzenschutzmit-
tel nach Deutschland (wieder-)eingeführt worden ist.
bb) Auch ein Reimport, für den es keiner gesonderten Zulassung bedarf,
liegt im Streitfall nicht vor.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass das Pflanzenschutzmittel, dessen
Inverkehrbringen von der Klägerin beanstandet wird, in Deutschland erworben
und in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sei, bevor sie es umge-
packt, mit einem eigenen Etikett versehen und wieder nach Deutschland einge-
führt habe. Damit liegen die Voraussetzungen nicht vor, die das Gesetz an ei-
nen Reimport stellt, für den keine gesonderte Zulassung oder Genehmigung
erforderlich ist. Zwar ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 2 PflSchG, dass ein Re-
import keiner Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung - und damit erst recht
keiner (erneuten) Zulassung nach Art. 28 der Verordnung - bedarf. Ein Reim-
port liegt indessen nach § 2 Nr. 17 PflSchG 2012 nur dann vor, wenn ein in
Deutschland zugelassenes Pflanzenschutzmittel in seiner für das Inverkehr-
bringen in Deutschland bestimmten Originalverpackung und Originaletikettie-
rung aus einem anderen Staat wieder eingeführt wird.
b) Die deutsche Regelung, nach der die Verkehrsfähigkeit von reimpor-
tierten Pflanzenschutzmitteln davon abhängt, dass sie nicht umgepackt und
nicht umetikettiert worden sind, ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Dies wird
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aus der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 deutlich, die das vereinfachte Geneh-
migungsverfahren des Art. 52 an ganz bestimmte, im Streitfall nicht gegebene
Voraussetzungen knüpft (dazu oben Rn. 16). Hintergrund dieser Regelung ist,
dass es mit der Warenverkehrsfreiheit des Art. 34 AEUV nicht in Einklang stün-
de, wenn die Einfuhr und das Inverkehrbringen eines im EU-Ausland verkehrs-
fähigen Pflanzenschutzmittels, das mit einem im Inland zugelassenen Mittel
(ursprungs-)identisch ist, einer (erneuten) vollen Zulassung bedürfte. Der Uni-
onsgesetzgeber hat daher für diese Konstellation das vereinfachte Genehmi-
gungsverfahren vorgesehen, in dem lediglich die Identität des einzuführenden
mit dem Referenzmittel geprüft wird.
Der Streitfall zeichnet sich dadurch aus, dass das in Rede stehende Pro-
dukt nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten
aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht und von dort wie-
der nach Deutschland eingeführt worden ist, ohne dass es in diesem anderen
Mitgliedstaat verkehrsfähig gewesen wäre. Es ist unionsrechtlich nicht nur un-
bedenklich, sondern sogar geboten, dass der nationale Gesetzgeber für eine
solche Konstellation, in der das in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorge-
sehene, auf eine Identitätsprüfung beschränkte Genehmigungsverfahren nicht
zur Verfügung steht, eine Berufung auf die im Inland bestehende Zulassung auf
die Fälle beschränkt, in denen das zu reimportierende Produkt sich noch in der
Originalverpackung befindet und noch mit dem Originaletikett versehen ist.
Denn andernfalls fände keinerlei Überprüfung der (Ursprungs-)Identität statt.
Allein die Versicherung des (Re-)Importeurs, es handele sich um ein im Inland
zugelassenes Pflanzenschutzmittel, kann für eine Verkehrsfähigkeit nicht aus-
reichen.
c) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Geesmann,
StoffR 2011, 134, 135 f.; Schink/Winkelmüller, StoffR 2012, 142, 146 f.) kann
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aus dem Umstand, dass nach Art. 31 Abs. 4 Buchst. i der Verordnung (EG)
Nr. 1107/2009 die Größe und das Material der Verpackung des Pflanzen-
schutzmittels in der für dieses Mittel erteilten Zulassung festgelegt werden
kann, nicht aber festgelegt werden muss, auch nicht geschlossen werden, dass
Erwerber des Mittels, die - wie die Beklagte - dieses weitervertreiben wollen, es
grundsätzlich auch in einer neuen primären Verpackung anbieten können. Die
Gegenmeinung berücksichtigt nicht hinreichend, dass auch beim in Art. 52 der
Verordnung geregelten Parallelhandel das einzuführende Pflanzenschutzmittel
nur dann im Einfuhrmitgliedstaat verkehrsfähig ist, wenn die dort für die Ertei-
lung der Genehmigung zuständige Behörde festgestellt hat, dass dieses Mittel
mit dem im Einfuhrmitgliedstaat zugelassenen Referenzmittel identisch ist; die
unversehrte Verpackung stellt dabei einen wichtigen Hinweis auf die Identität
dar.
3. Nach den vorstehenden Ausführungen besteht auch kein Anlass, die
von der Klägerin des Weiteren geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftser-
teilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zeitlich zu
beschränken.
4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß
Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 11. September
2008 - C-428 bis 434/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 758 Rn. 42 - UGT-
Rioja u.a., mwN). Der Senat hält es nach den angestellten Erwägungen für
ausgeschlossen, dass das Unionsrecht es in einer dem Streitfall entsprechen-
den Konstellation gebietet, auch ohne Prüfung der (Ursprungs-)Identität von
einer Verkehrsfähigkeit im Inland auszugehen.
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III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm
Pokrant
Büscher
Schaffert
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 18.02.2010 - 81 O 161/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.11.2010 - 6 U 51/10 -
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