Urteil des BGH vom 23.07.2007

BGH (antragsteller, bewerber, eignung, auswahl, antrag, beschwerde, hessen, fortbildung, bewerbung, besetzung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 8/07
vom
23. Juli 2007
in dem Verfahren
wegen Bestellung zum Notar
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BNotO § 6 Abs. 3
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Justizverwaltung Anlass hat zu
prüfen, ob bei der Auswahl zwischen zwei Bewerbern um das Amt eines An-
waltsnotars von der nach einem Punkteschema für die fachliche Eignung ermit-
telten Reihenfolge deswegen abzuweichen ist, weil bei dem punktemäßig höher
bewerteten Bewerber die theoretisch oder die praktisch erworbenen Fähigkei-
ten und Kenntnisse einseitig überwiegen (im Anschluss an Senat, Beschluss
vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 = ZNotP 2006, 392).
BGH, Beschluss v. 23. Juli 2007 - NotZ 8/07 - OLG Frankfurt
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Schlick, die Richter Wendt und Becker sowie die Notare Dr. Ebner und
Justizrat Dr. Bauer
am 23. Juli 2007 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Be-
schluss des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 15. November 2006 (2 Not 3/06) teilweise abge-
ändert:
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung
gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. März 2006 in
der Fassung des Bescheids vom 9. Mai 2006 wird auch inso-
weit zurückgewiesen, als er sich dagegen wendet, dass der An-
tragsgegner beabsichtigt, bei der Besetzung der zehn im Jus-
tizministerialblatt für Hessen vom 1. Oktober 2004 ausgeschrie-
benen
Notarstellen
für
F.
(Amtsgerichts-
bezirk F. ) den weiteren Beteiligten zu 1) vor
dem Antragsteller zu berücksichtigen.
2. Gebühren und gerichtliche Auslagen werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
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Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt für das Land Hessen
vom 1. Oktober 2004 zehn (Anwalts-)Notarstellen im Bezirk des Amtsgerichts
F. mit Amtssitz in der Stadt F. zur Besetzung aus.
Auf diese Stellen bewarb sich eine Vielzahl von Rechtsanwälten, darunter der
Antragsteller und die beiden weiteren Beteiligten. Mit Schreiben vom 27. März
2006 teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main dem An-
tragsteller mit, dass seine Bewerbung für eine dieser zehn Notarstellen keinen
Erfolg haben könne. Gemäß § 6 Abs. 3 BNotO in Verbindung mit Abschnitt A II
Nr. 3 des Runderlasses über die Ausführung der Bundesnotarordnung vom
25. Februar 1999 (JMBl. Hessen S. 222) in der Fassung vom 10. August 2004
(JMBl. Hessen S. 323) richte sich die Auswahl unter mehreren geeigneten Be-
werbern nach deren persönlicher und der mit einer Punktzahl bewerteten fachli-
chen Eignung unter Berücksichtigung der Dauer der anwaltlichen Berufstätig-
keit. Die Punktzahl bestimme sich nach Maßgabe der im Runderlass enthalte-
nen Berechnungsweise. Für den Antragsteller ergäben sich 191 Punkte. Damit
zähle er nicht zu den zehn punktstärksten Bewerbern und könne daher bei der
Stellenbesetzung nicht berücksichtigt werden; denn Umstände, die im Hinblick
auf die persönliche und fachliche Eignung der einzelnen Bewerber für ein Ab-
weichen von der Punktreihenfolge sprechen könnten, seien nicht gegeben. Der
Antragsteller erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
Nach Fristablauf werde dem Bestellungsverfahren Fortgang gegeben.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom
18. April 2006 konkrete Einwände. Insbesondere wandte er sich dagegen, dass
ihm für seine Tätigkeit beim Aufbau des Notariatswesens in Bosnien und Her-
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zegowina lediglich drei und nicht 15 Sonderpunkte angerechnet worden seien;
außerdem seien die Maßstäbe, nach denen gemäß des Runderlasses die fach-
liche Eignung der Bewerber punktmäßig bewertet werde, in verschiedener Hin-
sicht mit grundrechtlichen Gewährleistungen unvereinbar.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2006 hat die Präsidentin des Oberlandesge-
richts Frankfurt am Main dem Antragsteller daraufhin mitgeteilt, dass seine Ein-
wände es nicht rechtfertigen könnten, eine abweichende Auswahlentscheidung
unter den Bewerbern zu treffen. Hiergegen hat der Antragsteller am 15. Mai
2006 beim Oberlandesgericht "sofortige Beschwerde" erhoben mit dem Ziel,
den Antragsgegner zur Neubescheidung über seine Bewerbung zu verpflichten.
Er hat im Wesentlichen die Einwände gegen die vorgesehene Besetzungsent-
scheidung wiederholt, die er bereits in seinem Schreiben vom 18. April 2006
vorgebracht hatte. Auf Nachfrage des Oberlandesgerichts hat er seinen Antrag
dahin konkretisiert, dass er die angekündigte Besetzungsentscheidung des An-
tragsgegners nur angreife, soweit dieser beabsichtige, die Beteiligten zu 1) und
2), die mit 202,55 beziehungsweise 199,55 Punkten die Plätze neun und zehn
der vom Antragsgegner ermittelten Rangfolge einnehmen, vor ihm - dem An-
tragsteller - zu berücksichtigen.
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Das Oberlandesgericht hat dem Antrag stattgegeben, soweit der An-
tragsgegner beabsichtigt, den Beteiligten zu 1) bei der Bewerberauswahl vor
dem Antragsteller zu berücksichtigen. Das weitergehende Begehren des An-
tragstellers in Bezug auf den Beteiligten zu 2) hat es - inzident in den Gründen
seines Beschlusses - zurückgewiesen. Gegen die ihn betreffende Entscheidung
wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der sofortigen Beschwerde. Eine Begrün-
dung für sein Rechtsmittel hat er nicht eingereicht.
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II.
1. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) ist zulässig (§ 111 Abs. 4
BNotO, § 42 BRAO). Insbesondere ist auch die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2
BNotO, § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 20 Abs. 1 FGG erforderliche materielle Be-
schwer des Beteiligten zu 1) gegeben. Durch den teilweisen Erfolg des Antrags
auf gerichtliche Entscheidung vor dem Oberlandesgericht und die dadurch be-
gründete Verpflichtung des Antragsgegners, über die Bewerbung des An-
tragstellers und des Beteiligten zu 1) neu zu entscheiden, wird nicht nur die ur-
sprünglich mit dem Beteiligten zu 1) vorgesehene Besetzung einer der zehn
ausgeschriebenen Notarstellen zu seinen Ungunsten verzögert, vielmehr ist
damit unmittelbar auch die Gefahr begründet worden, dass diese Stelle mit dem
konkurrierenden Antragsteller besetzt wird; denn die - den Antragsgegner bin-
dende - Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts ermöglicht eine Neube-
scheidung zum Nachteil des Beteiligten zu 1). Er kann die Entscheidung des
Oberlandesgerichts daher überprüfen lassen, ohne zunächst einen - ihn belas-
tenden - neuen Bescheid des Antragsgegners abwarten zu müssen (Senat, Be-
schlüsse vom 28. November 2005 - NotZ 26/05 = DNotZ 2006, 228, 229;
11. Juli 2005 - NotZ 29/04 = ZNotP 2005, 431; 16. Juli 2001 - NotZ 1/01 =
ZNotP 2001, 443, 444; 16. März 1998 - NotZ 26/97 = NJW-RR 1998, 1598).
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2. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache
Erfolg.
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a) Zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings die als Antrag auf ge-
richtliche Entscheidung (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BNotO) auszulegende "sofortige
Beschwerde" des Antragstellers vom 15. Mai 2006 für zulässig gehalten. Der
Antrag war insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 111 Abs. 2 Satz 1
BNotO gestellt worden; denn diese Frist lief ab Eingang des Schreibens des
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Antragsgegners vom 9. Mai 2006 beim Antragsteller am 11. Mai 2006 erneut,
da es sich bei diesem um einen sogenannten Zweitbescheid handelte. Auch
wenn die bereits mit Bescheid vom 27. März 2006 angekündigte Bewerberaus-
wahl nicht verändert worden ist, hat der Antragsgegner auf die Einwände des
Antragstellers hin doch eine neue Sachentscheidung getroffen (vgl. - jew.
m. w. N. - etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG 9. Aufl. § 35 Rdn. 55; Sachs in Stel-
kens/Bonk/Sachs, VwVfG 6. Aufl. § 51 Rdn. 29, 40, 60). Dies entspricht seiner
Ankündigung im Bescheid vom 27. März 2006, in dem dem Antragsteller aus-
drücklich Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Stellenbeset-
zung gegeben worden war. Der am 15. Mai 2006 beim Oberlandesgericht ein-
gegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher rechtzeitig.
b) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Antrags-
gegner aber nicht dadurch den ihm durch § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO bei
der Bewerberauswahl eingeräumten Beurteilungsspielraum (BGHZ 124, 327,
330 ff.) überschritten und den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 12
Abs. 1 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG verletzt (vgl. § 111 Abs. 1 BNotO), dass er
dem Beteiligten zu 1) bei gleicher persönlicher Eignung gegenüber dem An-
tragsteller wegen besserer fachlicher Eignung (allein) aufgrund des höheren
Punkteergebnisses den Vorzug gegeben hat. Im Einzelnen:
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aa) Nicht zu beanstanden ist zunächst die Auffassung des Oberlandes-
gerichts, es seien keine Einwände dagegen zu erheben, dass der Antragsgeg-
ner dem Antragsteller für seine Tätigkeit beim Aufbau des Notariatswesens in
Bosnien und Herzegowina bei einem Arbeitsaufwand von 30 bis 60 Tagen pro
Jahr gemäß Abschnitt A II Nr. 3 lit. e cc des Runderlasses nicht mehr als 0,5
Punkte pro Halbjahr gutgeschrieben hat. Zutreffend weist das Oberlandesge-
richt darauf hin, dass sich der Antragsteller hierbei zwar theoretisch mit notar-
spezifischen Fragen habe auseinandersetzen müssen, damit jedoch keine prak-
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tische Beurkundungstätigkeit verbunden gewesen sei. Es sei daher nicht gebo-
ten, hierfür mehr Sonderpunkte pro Halbjahr in Ansatz zu bringen, als ein Be-
werber durch eine ununterbrochene, mindestens sechsmonatige Tätigkeit als
Notar, Notarvertreter oder Notariatsverwalter von durchschnittlichem Umfang
gemäß lit. e aa pro Halbjahr erzielen könne. Im Gegenteil würde das System
der Verteilung von Sonderpunkten gemäß Abschnitt A II Nr. 3 lit. e des Runder-
lasses ins Ungleichgewicht gebracht, wenn dem Antragsteller die von ihm be-
anspruchten 15 Sonderpunkte zugebilligt würden; denn um diese Höchstpunkt-
zahl zu erreichen, müsste eine Tätigkeit im Sinne des lit. e aa über 15 Jahre
ausgeübt werden oder ein Bewerber im Rahmen einer wissenschaftlichen Tä-
tigkeit im Deutschen Notarinstitut 450 Gutachten erstellen (lit. e ee).
Zwar ergeben sich auf dieser Grundlage nicht - wie vom Antragsgegner
angenommen - drei, sondern sechs Zusatzpunkte. Hierdurch vermag der An-
tragsteller den Punktevorsprung des Beteiligten zu 1) indessen nicht aufzuho-
len.
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bb) Auch soweit das Oberlandesgericht die grundsätzlichen Einwände
des Antragstellers gegen das Punktsystem des Runderlasses für nicht durch-
greifend erachtet hat, ist hiergegen nichts zu erinnern. Die Auffassung des
Oberlandesgerichts steht insoweit in Einklang mit der Rechtsprechung des Se-
nats, der bereits mehrfach entschieden hat, dass keine Bedenken dagegen be-
stehen, wenn der Antragsgegner zur Auswahl unter mehreren Bewerbern um
eine freie Notarstelle deren fachliche Leistung nach dem Punktsystem gemäß
Runderlass vom 25. Februar 1999 in der - im Hinblick auf die verfassungsrecht-
lichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 110, 304, 324 ff.)
modifizierten - Fassung vom 10. August 20004 bewertet und grundsätzlich dem
danach ermittelten punktstärkeren Bewerber den Vorzug gibt (Senat, Beschlüs-
se vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 = ZNotP 2006, 392, 393 f. Rdn. 13 und NotZ
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11/06 = NJW 2006, 3211 f. Rdn. 7). Weder der Einwand des Antragstellers, das
neue Punktsystem ermögliche Bewerbern, die aufgrund des Zuschnitts ihrer
Sozietät die Gelegenheit zu regelmäßigen Notarvertretungen oder Notariats-
verwaltungen haben, einen unbegrenzten Punkteerwerb im Wege der Beurkun-
dungstätigkeit, den Bewerber aus kleineren Sozietäten durch Punkterwerb für
regelmäßige Fortbildungen nicht ausgleichen könnten (vgl. dazu Senat, Be-
schluss vom 26. März 2007 - NotZ 39/06 - Rdn. 17 ff. zur AVNot NRW vom
8.
März 2002 - JMBl. NRW S. 69 - i. d. F. vom 4. November 2004
- JMBl. NRW S. 256 -, zur Veröffentlichung bestimmt), noch seine Beanstan-
dung, der Note im zweiten Staatsexamen komme nunmehr kein ausreichendes
Gewicht mehr zu (s. dazu Senat, Beschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 11/06 =
NJW 2006, 3211, 3212 Rdn. 8), zeigt eine generelle Unvereinbarkeit der Be-
wertungsmaßstäbe des novellierten Runderlasses mit den Prinzip der Beste-
nauslese auf.
cc) Nicht beigetreten werden kann dem Oberlandesgericht dagegen, so-
weit es annimmt, der Antragsgegner habe den ihm eröffneten Beurteilungsrah-
men deswegen überschritten, weil die Auswahl zwischen dem Beteiligten zu 1)
und dem Antragsteller hier nicht allein aufgrund des ermittelten Punktverhältnis-
ses hätte getroffen werden dürfen. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt
des Oberlandesgerichts:
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Das Punktesystem und die hierauf beruhende Einordnung der fachlichen
Qualifikation der Bewerber in eine Rangskala bergen die Gefahr, dass den Be-
sonderheiten des Einzelfalles nicht immer ausreichend Rechnung getragen und
daher das Maß der fachlichen Eignung des einzelnen Bewerbers unvollständig
ermittelt oder unzutreffend in einen Vergleich mit derjenigen der Mitbewerber
eingestellt wird. Daher ist vor einer endgültigen Auswahl zu prüfen, ob für die
jeweiligen Bewerber besondere Umstände ersichtlich sind, die in das an feste
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Kriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbil-
dung, praktische Beurkundungserfahrung) ausgerichtete Punktesystem keinen
Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die
Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfas-
sen. Dem trägt der Runderlass mit der in Abschnitt A II Nr. 3 lit. e vorgesehenen
Vergabe von Sonderpunkten Rechnung. Darüber hinaus ist aber auch zu fra-
gen, ob die in das Punktesystem aufgenommenen Kriterien und sonst einge-
flossenen Gesichtspunkte im jeweiligen Einzelfall angemessen gewichtet sind.
Hierzu ist zu prüfen, ob der ermittelte Rang eines Bewerbers etwa deswegen
dessen fachliche Eignung im Vergleich zu schlechter platzierten Mitbewerbern
unzutreffend widerspiegelt, weil die für ihn errechnete Gesamtpunktzahl maß-
geblich durch eine einseitige Betonung eines der festen Bewertungskriterien
bedingt ist, etwa auf der Teilnahme an einer Vielzahl von Fortbildungsveranstal-
tungen beruht, während eine Beurkundungstätigkeit nicht in nennenswertem
Umfang ausgeübt wurde; denn die fachliche Eignung lässt sich nur unter He-
ranziehung beider Komponenten - der theoretischen Fortbildung wie der prak-
tisch erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse - zuverlässig beurteilen (Senat,
Beschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 = ZNotP 2006, 392, 394 Rdn. 16).
Fehlt es indessen an Besonderheiten im dargestellten Sinne, so ist es
nicht zu beanstanden, wenn die Justizverwaltung die Bewerberauswahl nach
der durch die errechneten Gesamtpunktzahlen ermittelten Rangfolge vornimmt.
Nicht etwa hat sie auch ohne derartige Besonderheiten stets im Wege eines
darüber hinausgehenden Individualvergleichs der Bewerber darüber zu befin-
den, ob von der errechneten Rangfolge abzuweichen und ein nachrangig plat-
zierter Bewerber vorzuziehen ist. Denn für eine derartige Prüfung fehlt es man-
gels brauchbarer Beurteilungskriterien an einer tragfähigen Grundlage. Sie
könnte daher im Ergebnis nur zu einer willkürlichen Abweichung von der ermit-
telten Rangfolge führen.
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Nach diesen Maßstäben durfte der Antragsgegner die Auswahl zwischen
dem Beteiligten zu 1) und dem Antragsteller allein aufgrund der ermittelten
Punktwerte vornehmen. Zwar hat der Beteiligte zu 1) keine Beurkundungstätig-
keit nachgewiesen und seine Gesamtpunktzahl wesentlich durch 100 Punkte für
den Bereich der theoretischen Fortbildung erzielt; es liegt daher bei ihm ein un-
ausgewogenes Verhältnis zwischen theoretischer Fortbildung und praktisch er-
worbenen Fähigkeiten und Kenntnissen vor, das grundsätzlich Anlass gibt zu
prüfen, ob ein nach Punkten nachrangiger Bewerber vorzuziehen ist, weil ihm
aufgrund eines ausgewogeneren Verhältnisses dieser beiden Kriterien eine
bessere fachliche Eignung zuzubilligen ist. Indessen liegt es beim Antragsteller
nicht nennenswert anders. Dieser hat lediglich 18 Beurkundungen nachgewie-
sen und hierfür nur 1,8 Punkte erzielt. Dies begründet aber nur einen derart mi-
nimalen Unterschied zwischen den beiden Bewerbern, dass der Antragsgegner
sich nicht veranlasst sehen musste, in eine Prüfung einzutreten, ob zugunsten
des Antragstellers von der punktemäßig ermittelten Rangfolge abzuweichen
sein könnte.
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Soweit das Oberlandesgericht seine gegenteilige Auffassung darauf
stützt, dass insoweit die Tätigkeit des Antragstellers beim Aufbau des Notari-
atswesens in Bosnien und Herzegowina in die Betrachtung mit einbezogen
werden müsse, lässt dies zum einen außer acht, dass diese Tätigkeit bereits
Anlass zur Vergabe von sechs Sonderpunkten an den Antragsteller ist. Sie ist
daher an sich nicht geeignet, das ermittelte Rangverhältnis in Frage zu stellen;
denn ansonsten würden dem Antragsteller hierfür faktisch mehr Sonderpunkte
gutgebracht, als das Oberlandesgericht selbst - und zutreffend - als höchstmög-
lich angenommen hat. Die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen über den
Inhalt seiner Aufbautätigkeit geben aber auch keinen hinreichenden Anhalt für
die Annahme, beim Antragsteller habe gerade wegen dieser Tätigkeit ein aus-
gewogeneres Verhältnis zwischen theoretischer und praktischer Erfahrung vor-
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gelegen als beim Beteiligten zu 1; der Antragsgegner war daher auch unter die-
sem Aspekt nicht gehalten zu prüfen, ob von der zwischen diesen beiden Be-
werbern punktmäßig ermittelten Rangfolge abzuweichen ist.
Der angefochtene Beschluss kann daher, soweit er den Beteiligten zu 1)
betrifft, keinen Bestand haben.
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Schick
Wendt
Becker
Ebner
Bauer
Vorinstanz:
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 15.11.2006 - 2 Not 3/06 -