Urteil des BGH vom 16.07.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I V Z R 8 8 / 1 3
Verkündet am:
16. Juli 2014
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 242 Ba; ARB § 15 Abs. 2
1. Gibt der Rechtsschutzversicherer bei einer Versicherung für fremde Rechnung
zugunsten des Versicherten eine Deckungszusage ab, legt er sich hinsichtlich sei-
ner Leistungspflicht auf diesen fest. Bei einer Zahlung an den Versicherungsneh-
mer verstößt er gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn er sich auf
dessen gleichermaßen bestehende Verfügungsbefugnis beruft.
2. Verlangt der Versicherte Befreiung von einer Honorarverbindlichkeit gegenüber
seinem Rechtsanwalt, erbringt der Rechtsschutzversicherer mit einer Zahlung an
den Versicherungsnehmer nicht die nach den ARB geschuldete Leistung, so dass
keine Erfüllung eintreten kann.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 - LG Stendal
AG Burg
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzen-
de Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 16. Juli 2014
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 2 des Land-
gerichts Stendal vom 7. Februar 2013 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH, die bei der
Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag unterhielt. Er begehrt
als mitversicherte Person Versicherungsleistungen.
Die vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-
versicherung (ARB) sehen in § 15 Abs. 2 vor, dass für mitversicherte
Personen die den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen
sinngemäß gelten, der Versicherungsnehmer jedoch widersprechen
kann, wenn eine andere mitversicherte Person als sein ehelicher/einge-
tragener Lebenspartner Rechtsschutz verlangt.
1
2
- 3 -
Über das Vermögen der GmbH wurde das Insolvenzverfahren e r-
öffnet. Es kam zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen
den Kläger und andere Mitarbeiter der GmbH. Am 9. Dezember 2008 er-
teilte die Beklagte eine Deckungszusage hinsichtlich eines "Straf- bzw.
Bußgeldverfahrens" für die 1. Instanz und bat den vom Kläger beauftrag-
ten Anwalt dabei ausdrücklich: "Namens und im Auftrag unseres Versi-
cherten … seine rechtlichen Interessen wahrzunehmen".
Der Insolvenzverwalter der GmbH forderte die Beklagte am 18. Mai
2011 fernmündlich zur Auskehrung sämtlicher Erstattungsbeträge an die
Insolvenzmasse auf. Am 18. Oktober 2011 stellte der Verteidiger des
Klägers für seine Leistungen im Zeitraum 20. November 2008 bis 18. Ok-
tober 2011 der Beklagten einen Betrag von 9.029,15 € inkl. MwSt. in
Rechnung. Vorausgegangen war eine Anfrage des Verteidigers zu einem
Stundenhonorarsatz, die die Beklagte mit Schreiben vom 13. Oktober
2010 beantwortet hatte; darin hatte sie erklärt, der Vereinbarung des
gewünschten Stundenhonorars zuzustimmen und "einer detaillierten G e-
bührenrechnung gegenüber unserer Versicherungsnehmerin entgegen
[zu sehen]". Auf die Honorarnote des Verteidigers hin teilte die Beklagte
am 29. November 2011 mit, bedingungsgemäß eintrittspflichtig zu sein
und 7.392,73 € netto schuldbefreiend an die Insolvenzmasse geleistet zu
haben; der Verteidiger des Klägers wurde aufgefordert, seine Ansprüche
zur Tabelle anzumelden.
Die Parteien streiten darüber, ob dieser Zahlung E rfüllungswirkung
zukommt. Der Kläger ist der Auffassung, dass er als mitversicherte Pe r-
son durch die Regelung des § 15 Abs. 2 ARB verfügungsberechtigt sei
und die Insolvenz der GmbH hieran nichts geändert habe. Einen Wide r-
3
4
5
- 4 -
spruch des Insolvenzverwalters i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB habe es
nicht gegeben. Die Zahlung der Beklagten an den Insolvenzverwalter
habe daher keine schuldbefreiende Wirkung gehabt. Die Beklagte macht
geltend, dass durch die Insolvenz die der Versicherungsnehmerin zu-
stehende Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen
und deshalb seinem Zahlungswunsch zu entsprechen gewesen sei.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat
die Beklagte zur Zahlung der vom Kläger begehrten Teilsumme aus der
Honorarforderung seines Verteidigers verurteilt. Hiergegen richte t sich
die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Zahlung der Be-
klagten keine Erfüllungswirkung zukomme. Der Kläger sei gemäß § 15
Abs. 2 Satz 1 ARB aktivlegitimiert. Ihm stehe aus § 44 Abs. 1 VVG das
materielle Verfügungsrecht über die Forderung zu. § 44 Abs. 2 VVG sei
durch § 15 ARB abbedungen. Zwar habe der Versicherungsnehmer nach
§ 45 VVG das formelle Verfügungsrecht, das nach dessen Insolvenz der
Insolvenzverwalter ausübe. § 15 Abs. 2 ARB stelle aber die mitversicher-
te Person dem Versicherungsnehmer gleich. Dies führe dazu, dass das
formelle Verfügungsrecht gemäß § 45 Abs. 1 VVG und damit die Einzi e-
hungsbefugnis dem Versicherten so lange zustehe, wie kein Widersp ruch
des Versicherungsnehmers ausgeübt worden sei; erst mit seinem Wider-
6
7
8
- 5 -
spruch erlange Letzterer die Verfügungsbefugnis. Ein derartiger Wider-
spruch liege nicht vor. Die vom Insolvenzverwalter abgegebene Erklä-
rung habe nicht zum Inhalt gehabt, keine weitere Kostenübernahme
durch die Beklagte herbeizuführen. Sie habe vor dem Hintergrund der
vom Insolvenzverwalter vertretenen Auffassung, dass der Schuldbefre i-
ungsanspruch der mitversicherten Person in die Insolvenzmasse falle,
lediglich die Forderung zur Masse ziehen wollen. Ohne Ausübung des
Widerspruchsrechts gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB existiere kein wide r-
streitendes Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters.
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis
stand. Allerdings ergibt sich die fehlende Erfüllungswirkung der von der
Beklagten an den Insolvenzverwalter geleisteten Zahlung nicht aus der
im Berufungsurteil gegebenen Begründung fehlender Verfügungsbefug-
nis des Versicherungsnehmers (hierzu unter 1). Das angefochtene Urteil
stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Einer
wirksamen Erfüllung steht zum einen das Verbot widersprüchlichen Ve r-
haltens in Bezug auf die zu Gunsten des Klägers erklärte D eckungszu-
sage entgegen (hierzu unter 2). Zum anderen war die Leistung der B e-
klagten nicht auf den vertraglich geschuldeten Leistungsgegenstand in
Form der Befreiung des Klägers von der Verbind lichkeit gegenüber sei-
nem Verteidiger gerichtet (hierzu unter 3).
1. a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus,
dass sich allein durch die Insolvenz des Versicherungsnehmers an der
materiellen Rechtsposition des Versicherten nichts ändert.
9
10
- 6 -
Die hier abgeschlossene Versicherung für fremde Rechnung ist
nach §§ 44, 45 VVG gekennzeichnet durch die Spaltung der materiellen
Inhaberschaft der Rechte aus dem Versicherungsvertrag beim Versiche r-
ten und der formell-materiellen Befugnis des Versicherungsnehmers, sie
gerichtlich geltend zu machen und über sie zu verfügen (Rixecker in Rö-
mer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 44 Rn. 1). Die Insolvenz des Versich e-
rungsnehmers beeinträchtigt die Rechtsposition des Versicherten nicht,
da der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zur Insolvenzmasse
des Versicherungsnehmers, sondern der des Versicherten gehört (Brand
in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 11; Hübsch in Schwintowski/Bröm-
melmeyer, VVG 2. Aufl. § 44 Rn. 11; Kisch, Handbuch des Privatversi-
cherungsrechts Band 3 S. 484). Bei der Insolvenz des Versicherun gs-
nehmers kommt es lediglich zu einer Änderung hinsichtlich der Verf ü-
gungsberechtigung; diese steht nunmehr dem Insolvenzverwalter zu
(Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 27; Hübsch in Schwi n-
towski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15; vgl. OLG Hamm NZV
1996, 412).
b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Ausle-
gung des Berufungsgerichts, der Insolvenzverwalter habe keinen Wider-
spruch i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB erklärt.
Die tatrichterliche Auslegung der Erklärung des Insolvenzverwal-
ters ist vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob Verstöße
gegen anerkannte Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, Denkg e-
setze oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem
Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat
11
12
13
- 7 -
(Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 - IV ZR 207/13, juris Rn. 12
m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat das Zahlungsverlangen des Insolven z-
verwalters vor dem Hintergrund dessen vorgerichtlich geäußerter
Rechtsauffassung, dass die Versicherungsleistung in die Insolvenzma s-
se falle und daher an ihn auszukehren sei, gewürdigt und dahingehend
die Erklärung eines Widerspruchs im Sinne der Ausübung eines entspre-
chenden Gestaltungsrechts verneint. Gegen diese Auslegung ist revisi-
onsrechtlich nichts zu erinnern.
c) Unzutreffend ist allerdings die Auslegung des Berufungsg e-
richts, § 15 Abs. 2 ARB statuiere bis zur Erklärung des Widerspruchs
durch den Versicherungsnehmer eine alleinige Verfügungsbefugnis des
Versicherten.
aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger
Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer
Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sin nzusammen-
hangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichke i-
ten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezia l-
kenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Allgemeine Versi-
cherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster
Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen. Der verfolgte Zweck und der
Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für
den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 8. Mai 2013
- IV ZR 84/12, VersR 2013, 995 Rn. 10 m.w.N.). Liegt - wie hier - eine
Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die
14
15
16
- 8 -
Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Int e-
ressen an (Senatsurteile vom 22. Januar 2014 - IV ZR 127/12, juris
Rn. 13; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 40
m.w.N.)
bb) Beide - durchschnittlicher Versicherungsnehmer und durch-
schnittlicher Versicherter - werden der Formulierung in § 15 Abs. 2
Satz 1 ARB, für mitversicherte Personen gelten die den Versicherungs-
nehmer betreffenden Bestimmungen sinngemäß, zunächst entnehmen,
dass die mitversicherte Person dem Versicherungsnehmer wenn auch
nicht vollständig, so doch grundsätzlich gleichgestellt ist und folglich
denselben Versicherungsschutz genießt. § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB offen-
bart, dass diese Gleichstellung mit dem Widerspruch des Versicherungs-
nehmers endet, soweit nicht ein ehelicher/eingetragener Lebenspartner
Rechtsschutz verlangt. So lange diese Gleichstellung best eht, werden
Versicherungsnehmer und Versicherte die mitversicherte Person als zur
eigenständigen Geltendmachung des Rechtsschutzes berechtigt ans e-
hen. § 15 ARB wird dementsprechend weithin als Abbedingung des § 44
Abs. 2 VVG verstanden (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 15
ARB 2008/II Rn. 2; Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 38).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich der Klausel
jedoch nicht entnehmen, dass der Versicherte bis zum Widerspruch nach
§ 15 Abs. 2 Satz 2 ARB unter Ausschluss der Verfügungsbefugnis des
Versicherungsnehmers allein verfügungsberechtigt sein soll (Brand in
Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 38). Der Wortlaut der Bestimmung
spricht gegen einen derart weiten Umfang der Rechtsposition des Vers i-
cherten. § 15 Abs. 2 ARB bringt nicht zum Ausdruck, dass der Versicher-
te hinsichtlich des Versicherungsschutzes an die Stelle des Versich e-
17
18
- 9 -
rungsnehmers treten soll, sondern ordnet lediglich die sinngemäße A n-
wendung der den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen an;
eine so weitgehende Beschränkung der Rechtsstellung des Versich e-
rungsnehmers läge nicht in dessen Interesse. Zudem können beim
durchschnittlichen Versicherungsnehmer und beim durchschnittlichen
Versicherten im Allgemeinen keine Rechtskenntnisse vorausgesetzt wer-
den (Senatsurteil vom 21. April 1999 - IV ZR 192/98, BGHZ 141, 214,
217). Sie werden ein alleiniges Verfügungsrecht des Versicherten zu r
Wahrung seiner Interessen im Insolvenzfall des Versicherungsnehmers
nicht in Betracht ziehen. Differenzierte insolvenzrechtliche Überlegungen
etwa zu Ersatzaussonderungen oder zu Masseschulden (vgl. Hübsch in
Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15 m.w.N.) sind
ihnen fremd.
cc) Es kann dahinstehen, wie sich die bis zum Widerspruch des
Versicherungsnehmers nebeneinander bestehenden Verfügungsbefug-
nisse von Versicherungsnehmer und Versicherten im Konfliktfall einander
widersprechender Verfügungen zueinander verhalten (für die Geltung
des Prioritätsprinzips: Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 9;
Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 45 Rn. 7; Kisch, Han d-
buch des Privatversicherungsrechts Band 3 S. 510 f.; für einen Vorrang
der Verfügung des Versicherten: Koch in Looschelders/Pohlmann, VVG
2. Aufl. § 44 Rn. 37; Sieg in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. §§ 7 5, 76 Rn. 37;
Nießen, Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung unter
besonderer Berücksichtigung des Innenverhältnisses zwischen Vers i-
chertem und Versicherungsnehmer, 2004 S. 87). Eine Verfügung des
Klägers gibt es nicht. Unter einer Verfügung ist ein Rechtsgeschäft zu
verstehen, durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt,
es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht bela s-
19
- 10 -
tet oder das Recht aufhebt oder es sonst wie in seinem Inhalt ändert
(BGH, Urteil vom 24. Oktober 1979 - VIII ZR 289/78, BGHZ 75, 221,
226). Das allein hier in Betracht kommende bloße Zahlungsverlangen
durch den Verteidiger des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht.
2. Eine Erfüllungswirkung scheitert aber daran, dass sich die Be-
klagte durch ihre Deckungszusage dazu verpflichtet hat, allein zu Guns-
ten des Klägers als mitversicherter Person zu leisten. Unter dem Ge-
sichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens ist es ihr daher gemäß
§ 242 BGB verwehrt, sich gegenüber dem Kläger auf die nach den ARB
bestehende Verfügungsbefugnis der GmbH, die auf den Insolvenzverwal-
ter übergangen ist, zu berufen.
a) Mit der Deckungszusage bestätigt der Rechtsschutzversicherer
seine Leistungspflicht für einen bestimmten Versicherungsfall. Sie stellt
die Grundlage für das weitere außergerichtliche und gerichtliche Vorg e-
hen dar und ist daher von wesentlicher Bedeutung (OLG Koblenz VersR
2011, 791). Deshalb wird die Deckungszusage nach allgemeiner Me i-
nung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewertet mit der Folge,
dass dem Versicherer Einwendungen verwehrt sind, die er kennt und mit
denen er rechnet (OLG Braunschweig r+s 2013, 435; OLG Koblenz
VersR 2011, 791; KG VersR 1997, 1352; Armbrüster in Prölss/Martin ,
VVG 28. Aufl. § 17 ARB 2008/II Rn. 10) und nach teilweise vertretener
Auffassung - noch weitergehend - mit denen er rechnen musste (OLG
Stuttgart ZfSch 2008, 650; OLG Köln r+s 2001, 248; Harbauer/Bauer,
Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 17; Herdter in
Looschelders/Paffenholz, ARB § 17 Rn. 85; van Bühren/Plote, ARB
3. Aufl. § 1 Rn. 18). Die Deckungszusage erzeugt einen Vertrauensta t-
bestand, der es dem Versicherer bei einer fehlerhaften Einschätzung des
20
21
- 11 -
Sachverhalts verwehrt, sich auf die Fehlerhaftigkeit der Deckungszusage
zu berufen (vgl. Herdter in Looschelders/Paffenholz, ARB § 17 Rn. 85,
88).
Die Auslegung der Deckungszusage richtet sich nach §§ 133, 157
BGB (KG VersR 1997, 1352). Zwar ist die Auslegung von privatrechtl i-
chen Willenserklärungen grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Das
Revisionsgericht kann aber die vom Berufungsgericht unterlassene Au s-
legung selbst nachholen, wenn - wie hier - die erforderlichen Feststel-
lungen getroffen und keine weiteren zu erwarten sind (BGH , Urteil vom
12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 unter 3 m.w.N.; vgl.
Senatsurteil vom 4. Dezember 2013 - IV ZR 215/12, VersR 2014, 98
Rn. 56).
b) Die Deckungszusage hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom
9. Dezember 2008 an den Verteidiger des Klägers erteilt, in dem sie bat,
namens und im Auftrag des Versicherten dessen rechtliche Interessen
wahrzunehmen. Hiermit bestätigte sie ihre Leistungspflicht für den vom
Verteidiger des Versicherten geltend gemachten Versicherungsfall. Die
auf diese Weise erfolgte Konkretisierung erfasst hier ebenso die Rechts-
stellung der mitversicherten Person. Bei der Leistungsprüfung des Vers i-
cherers bedeutet das Widerspruchsrecht des § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB
nicht, dass der Versicherer verpflichtet wäre, nach der Deckungsanfrage
eines Mitversicherten die Zustimmung des Versicherungsnehmers einzu-
holen; er darf vielmehr nach der von ihm selbst gestellten Bedingung d a-
von ausgehen, dass die Deckungsanfrage regelmäßig mit dem Einver-
ständnis des Versicherungsnehmers erfolgt (Harbauer/Cornelius-Winkler,
Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 15 ARB 2000 Rn. 19). Aus Sicht des
Erklärungsempfängers bedeutet die Deckungszusage nicht nur, dass der
22
23
- 12 -
Versicherte unter den Versicherungsschutz fällt. Sie besagt auch, dass
der Versicherer gerade den Versicherten von dessen Hono rarverpflich-
tung gegenüber dem von ihm beauftragten Anwalt freistellen will und er
sich daher - bis zur Erklärung eines Widerspruchs durch den Versich e-
rungsnehmer gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB - auf den Versicherten als
verfügungsberechtigte Person festlegt. Damit wurde das Vertrauen des
Klägers begründet, dass die Beklagte seine Kosten der Mandatierung
wirtschaftlich tragen wird. Da die Insolvenz des Versicherungsnehmers
die materielle Berechtigung des Versicherten nicht tangiert, kann dieser
Umstand den Versicherer nicht berechtigen, von seiner Deckungszusage
zu Gunsten des Versicherten abzurücken.
Wegen der zentralen Bedeutung der Deckungszusage kann der
Versicherer diese nur unter bestimmten Voraussetzungen beseitigen.
Erst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es Gründe für eine Leis-
tungsverweigerung gibt, kann der Versicherer die Deckungszusage wi-
derrufen und das deklaratorische Schuldanerkenntnis kondizieren (Har -
bauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 17).
Daher reicht es für den Widerruf der Deckungszusage nicht aus, dass die
Beklagte rund 1 ¾ Jahre nach der Deckungszusage bei ihrem gegenüber
dem Anwalt des Versicherten erklärten Einverständnis zu einem b e-
stimmten Stundenhonorar erklärt, "einer detaillierten Gebührenr echnung
gegenüber unserer Versicherungsnehmerin entgegen[zusehen]". Auch
wenn diese Erklärung nicht mehr auf den Versicherten, sondern auf die
Versicherungsnehmerin abstellt, kann sie nicht als Widerruf der De-
ckungszusage vom 9. Dezember 2008 verstanden we rden.
c) Die Generalklausel des § 242 BGB verbietet widersprüchliche s
Verhalten, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entsta n-
24
25
- 13 -
den ist oder wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwi d-
rig erscheinen lassen (BGH, Urteile vom 15. November 2012 - IX ZR
103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12; vom 25. Oktober 2012 - I ZR 162/11,
NJW-RR 2013, 1057 Rn. 46; vom 16. März 2005 - VIII ZR 14/04, MDR
2005, 858; vom 14. September 2004 - XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415
unter IV; Erman/Hohloch, BGB 13. Aufl. § 242 Rn. 106; Palandt/Grüne-
berg, BGB 73. Aufl. § 242 Rn. 55;Pfeiffer, jurisPK-BGB 6. Aufl. § 242
Rn. 56 ff. jeweils m.w.N.). So ist es hier. Die Beklagte hat sich - wie vor-
stehend ausgeführt - durch ihre Deckungszusage hinsichtlich der Leis-
tungspflicht auf den Kläger festgelegt. Sie ist deshalb gemäß § 242 BGB
daran gehindert, sich ihm gegenüber auf die nach den ARB bestehende
Verfügungsbefugnis der GmbH als Versicherungsnehmerin, die auf den
Insolvenzverwalter übergegangen ist, zu berufen.
3. Einer Erfüllung steht weiterhin entgegen, dass die Leistung der
Beklagten nicht auf den vertraglich geschuldeten Leistungsgegenstand in
Form der Befreiung des Klägers von der Verbindlichkeit gegenüber sei-
nem Verteidiger gerichtet war (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 73. Aufl.
§ 362 Rn. 3 f. m.w.N.); die Beklagte hat mit der Geldzahlung nicht die
vertraglich versprochene Leistung erbracht.
a) Bei einem Befreiungsanspruch besteht grundsätzlich kein Za h-
lungsanspruch des Gläubigers, dem Schuldner steht es vie lmehr frei, wie
er den Befreiungsanspruch erfüllt. Entscheidend ist nur, dass das Erge b-
nis - Befreiung von der Verbindlichkeit - eintritt (BGH, Urteil vom
17. Februar 2011 - III ZR 144/10, NJW -RR 2011, 910 Rn. 21 m.w.N.).
Daran fehlt es, wenn der Ersatzverpflichtete dem Ersatzberechtigten das
zur Erfüllung der Verbindlichkeit erforderliche Geld zur Verfügung stellt
(MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl. § 257 Rn. 4). Letzterer soll nicht das
26
27
- 14 -
Risiko tragen, dass es - etwa in Folge des Zugriffs seiner Gläubiger -
nicht zur vollständigen Befreiung von der Verbindlichkeit kommt
(MünchKomm-BGB/Krüger aaO).
b) Der Anspruch aus der Rechtsschutzversicherung ist auf die Be-
freiung von den bei der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehe n-
den Kosten gerichtet (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 2013 - IV ZR
215/12, VersR 2014, 98 Rn. 24); der Schuldbefreiungsanspruch ist ei-
nem Zahlungsanspruch nicht gleichartig (Senatsurteile vom 14. April
1999 - IV ZR 197/98, VersR 1999, 706 unter 2 b; vom 14. März 1984
- IVa ZR 24/82, VersR 1984, 530 unter II).
c) Die Beklagte war nicht berechtigt, an den Insolvenzverwalter
des Versicherungsnehmers zu zahlen, ohne dass dieser zuvor den Ve r-
teidiger des Versicherten befriedigt hatte. Die Gegenauffassung ( vgl.
Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 5 ARB 2008/II Rn. 2 und
Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 5 ARB 2000
Rn. 169 unter Berufung auf LG Stuttgart, VersR 1996, 449) kann sich
nicht darauf berufen, der Versicherer könne stets an den Versicherungs-
nehmer zahlen, weil dieser vor dem Zugriff seiner Gläubiger durch § 851
Abs. 1 ZPO, § 399 BGB geschützt sei (so aber LG Stuttgart aaO). Diese
Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs, nach der § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB nicht daran hindern,
dass ein Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers in dessen Mas-
se und der Verwertung durch den Insolvenzverwalter anheim fällt ( BGH,
Urteil vom 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 f.).
d) Die Insolvenz des Versicherungsnehmers führt nicht zur Um-
wandlung des Befreiungsanspruchs des Versicherten in einen Zahlung s-
28
29
30
- 15 -
anspruch. Steht dem Insolvenzschuldner ein Anspruch auf Befreiung von
einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten zu, wandelt sich der B e-
freiungsanspruch in einen in die Masse fallenden Zahlungsanspruch um
(Hess, InsO 2. Aufl. §§ 35, 36 Rn. 227; MünchKomm-BGB/Krüger,
6. Aufl. § 257 Rn. 10). Die aus der Unabtretbarkeit des § 399 BGB fol-
gende Unpfändbarkeit des Befreiungsanspruchs gemäß § 851 ZPO dient
nicht dem Schutz des Gemeinschuldners und soll dem Drittgläubiger
auch keine konkursfeste haftungsrechtliche Zuweisung verschaffen
(BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 f.). Des-
halb muss der Vermögenswert dieses Anspruchs im Falle der Insolvenz
desjenigen, dem der Befreiungsanspruch zusteht, der Gläubigergesam t-
heit zur Verfügung stehen. Diese Situation ist hier jedoch nicht gegeben.
Zwar hat im Streitfall durch die Insolvenz des Versicherungsnehmers der
Insolvenzverwalter die Ausübung des Verfügungsrechts inne (Hübsch in
Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15). Der Befrei-
ungsanspruch steht aber materiell-rechtlich dem Versicherten und nicht
dem Versicherungsnehmer zu. Er gehört nicht zur Insolvenzmasse des
Versicherungsnehmers, sondern zu der des Versicherten (Hübsch in
Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. aaO § 44 Rn. 11; Kisch,
Handbuch des Privatversicherungsrechts Band 3 S. 484). Ein Grund zur
- 16 -
Umwandlung des dem Versicherten zustehenden Befreiungsanspruchs in
einen Zahlungsanspruch zu Gunsten der Gläubiger des Versicherung s-
nehmers besteht daher nicht.
Mayen Wendt F elsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Burg, Entscheidung vom 22.03.2012 - 3 C 966/11 -
LG Stendal, Entscheidung vom 07.02.2013 - 22 S 46/12 -