Urteil des BGH vom 30.06.2000

BGH (abweisung der klage, treu und glauben, vorkaufsrecht, vertrag, gebrauch, verhandlung, bestand, kaufvertrag, behauptung, zpo)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 116/99
Verkündet am:
30. Juni 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Dr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Lemke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats
des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 4. Februar
1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagten Eheleute sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus
bebauten Grundstücks Flurstück 2 der Gemarkung H. . Das Grund-
stück ist mit einem Vorkaufsrecht zugunsten der jeweiligen Eigentümer der
Nachbargrundstücke Flurstück 2 /3 und 2 /4 belastet. Eigentümer der
herrschenden Grundstücke sind die Kläger, Schwiegersohn und Tochter der
Beklagten. Mit notariellem Vertrag vom 23. September 1996 verkauften die Be-
klagten das Grundstück Flurstück 2 an die Eheleute C. für 250.000 DM.
- 3 -
Der Vertrag schloß für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts Ansprüche
der Käufer auf Erfüllung oder Schadensersatz aus; beide Seiten sollten in die-
sem Falle berechtigt sein, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Den Kaufvertrag
schloß der Beklagte in eigenem Namen und "als privatschriftlich Bevollmäch-
tigter" seiner Ehefrau. Das Schriftstück, auf das sich die notarielle Urkunde be-
zog, enthält eine Vollmachtserteilung an den Beklagten zum Verkauf an die
Eheleute C. , an die sich folgende handschriftliche Ergänzung anschließt:
”Hiermit möchten wir W. L. sowie Ehefrau M. L.
ausdrücklich zum Ausdruck bringen, daß im Fall die Eheleute
M. und Mo. Ch. (scil. Kläger) von ihrem Vorkaufsrecht
Gebrauch machen, wir für keinerlei Kosten sowie Ansprüche aufkom-
men.
N. , 22.9.1996".
Es folgen die Unterschriften der beiden Beklagten. Die Kläger erklärten
am 2. Dezember 1996, das Vorkaufsrecht auszuüben.
Ihre Klage auf Auflassung und Bewilligung ihres Eintrags als Eigentümer
in das Grundbuch hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt, vor dem Oberlandes-
gericht allerdings mit der Maßgabe, daß die Auflassung Zug um Zug gegen
Zahlung von 250.000 DM zu erklären ist.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren An-
trag auf volle Abweisung der Klage weiterverfolgen.
- 4 -
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Die Kläger waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungster-
min nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu
entscheiden; inhaltlich beruht das Urteil allerdings nicht auf der Säumnisfolge
(vgl. Senat BGHZ 37, 79, 81 ff; BGH, Urt. v. 4. Oktober 1995, IV ZR 73/94,
NJW-RR 1996, 113).
1. Rechtlich nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht an-
gegriffen legt das Berufungsgericht die Vollmachtsurkunde dahin aus, daß der
handschrifltiche Zusatz die Bevollmächtigung des Beklagten nicht auf den
(nach § 506 BGB sanktionierten) Fall beschränkt, daß die Kläger von der Aus-
übung des Vorkaufsrechts keinen Gebrauch machen (§§ 167 Abs. 1, 133
BGB). Rechtsfehlerfrei gelangt das Berufungsgericht auch zu der Feststellung,
daß die Beklagte die Vollmacht nicht fernmündlich widerrufen (§ 168 BGB) hat.
Die Verfahrensrügen der Beklagten gegen die Feststellung greifen nicht durch.
Entgegen deren Auffassung bestand kein Anlaß, die Zeugin F. erneut
(§ 398 ZPO) zu dem behaupteten telefonischen Widerruf und die Zeugen C.
erstmals zu der Behauptung zu hören, der Notar habe bei der Beurkundung
erklärt, es seien hinreichende Sicherungen in den Vertrag eingebaut; sollte
wider Erwarten ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden, bestünde die Möglichkeit
des Rücktritts. Eine solche Belehrung des Notars wäre, entgegen der Auffas-
sung der Revision, inhaltlich nicht unzutreffend gewesen, denn die Vorbehalte
hatten gegenüber den Käufern Bestand. Darüber, daß das Vorkaufsrecht der
Kläger von dem Rücktritt unberührt blieb (§ 506 BGB), waren die Vertragspar-
- 5 -
teien nicht in Zweifel gelassen worden. Denn der Vertrag enthält die ausdrück-
liche Belehrung darüber, daß bei Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts
durch die Kläger kraft Gesetzes ein Kaufvertrag zwischen diesen und den Be-
klagten zustande kommt; auch über die weiteren Folgen des Vertragsabschlus-
ses mit den Vorkaufsberechtigten waren die Beteiligten belehrt worden. Ein
vom Berufungsgericht nicht erkanntes Eigeninteresse des Notars am Ausgang
des Rechtsstreits, das, wie die Revision meint, Anlaß zu dessen erneuter Ver-
nehmung hätte geben können, wäre durch die in das Wissen der Zeugen C.
gestellten Umstände nicht begründet.
2. Das angefochtene Urteil hat aber keinen Bestand, weil das Beru-
fungsgericht, was die Revision zu Recht rügt, sich nicht mit dem unter Beweis
gestellten Vortrag der Beklagten befaßt hat, der Makler H. habe in ihrem
Auftrag im Spätjahr 1996 bei den Klägern angefragt, ob sie im Falle eines Ver-
kaufs von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen würden; die Kläger hätten
dies verneint. Trifft diese Behauptung zu, so liegt es nahe, daß zwischen den
Parteien ein (vorweggenommener) Erlaßvertrag (§ 397 BGB) zustande ge-
kommen ist, der die Beklagten von der Verpflichtung befreite, die durch die
Ausübung des Vorkaufsrechts eintreten würde. Die Möglichkeit eines solchen,
den Fortbestand des Vorkaufsrechts an sich unberührt lassenden (vgl. § 875
BGB), Geschäfts wird vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
bejaht. Es ist formfrei möglich, an sein Zustandekommen sind keine zu hohen
Anforderungen zu stellen (Senat, Urt. v. 14. November 1956, V ZR 178/54, LM
§ 1098 BGB Nr. 2; Urt. v. 10. Juni 1966, V ZR 177/64, WM 1966, 893, 895;
BGHZ 60, 275, 291; Urt. v. 9. Februar 1990, V ZR 279/88, NJW 1990, 1473;
1474). Sollte sich das Berufungsgericht bei der erforderlich werdenden erneu-
ten Verhandlung und Entscheidung (§ 565 Abs. 1 ZPO) vom Zustandekommen
- 6 -
eines Erlaßvertrages zwischen den Parteien nicht überzeugen können, kann
das Klagebegehren auch an Treu und Glauben (§ 242 BGB) scheitern, wenn
die Kläger eine auf die Anfrage des Maklers abgegebene tatsächliche Zusage,
von dem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen, ohne Hinzutreten weite-
rer Umstände nicht eingehalten haben (Senat, Urt. v. 10. Juni 1966, aaO;
MünchKomm-BGB/H.P. Westermann, 3. Aufl., § 504 Rdn. 27).
Wenzel
Vogt
Tropf
Schneider
Lemke