Urteil des BGH vom 17.12.2013

BGH: gesellschafter, meinung, staub, publikumsgesellschaft, erblasser, darlehen, rüge, rechtsnachfolger, erbe, austrittsrecht

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 121/12
vom
17. Dezember 2013
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe und die Richter
Dr. Drescher, Born und Sunder
einstimmig beschlossen:
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beab-
sichtigt, die Revisionen der Beklagten zu 10, 14 und 15 gegen
das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. Feb-
ruar 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO auf ihre Kosten
zurückzuweisen.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 8 gegen das
Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. Februar
2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert: für das Revisionsverfahren
75.641,68 €, für das Nicht-
zulassungsbeschwerdeverfahren 25.285,32 €
Gründe:
I. Revisionen der Beklagten zu 10, 14 und 15.
Die Revisionen sind zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre
Zulassung nicht vorliegen und sie auch keine Aussicht auf Erfolg haben (§ 552a
ZPO).
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1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Rechtssache hin-
sichtlich der Beklagten zu 10, 14 und 15 nicht deshalb grundsätzliche Bedeu-
tung, weil in der Rechtsprechung der Umfang der Haftung von Gesellschaftern
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Gesellschaftsverbindlichkeiten im
Falle durch Erbfolge erworbener Gesellschaftsanteile noch ungeklärt sein soll.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebli-
che, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in ei-
ner unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte
Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung
des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine
Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechts-
frage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift
Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die
Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von eini-
gen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn in der
Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. nur BGH, Be-
schluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Rn. 3 mwN).
b) Danach hat die Rechtsfrage, ob auch Erben eines Gesellschafters ei-
ner Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog §§ 128, 130 HGB für Altschulden
der Gesellschaft haften, keine grundsätzliche Bedeutung.
Zwar ist die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht ausdrück-
lich angesprochen worden; in den vom erkennenden Senat entschiedenen Fäl-
len zur Gesellschafterhaftung aus §§ 128, 130 HGB waren aber bereits häufig
Erben eines Gesellschafters auf der Beklagtenseite, ohne dass der Senat in der
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Frage ihrer Haftung ein Problem gesehen hat. In der Rechtsprechung der Ober-
landesgerichte wird diese Rechtsfrage nicht unterschiedlich beantwortet und in
der Literatur ist die Meinung nahezu einhellig, dass auch Erben eines Gesell-
schafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog § 130 HGB für Alt-
schulden der Gesellschaft haften.
aa) Dass die Regelungen der §§ 130, 139 HGB auf die aufgrund einer
erbrechtlichen Nachfolgeklausel einrückenden neuen Gesellschafter mit der
Folge gelten, dass diese den Altgläubigern unbeschränkt haften, falls sie von
den Möglichkeiten des § 139 HGB keinen Gebrauch machen, hat der Bundes-
gerichtshof bereits mit Urteil vom 6. Juli 1981 (II ZR 38/81, ZIP 1981, 1088,
1089) für den Fall einer im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge wegen Rückgangs
des Geschäftsbetriebs nur noch als Gesellschaft bürgerlichen Rechts beste-
henden, im Handelsregister aber noch als Handelsgesellschaft eingetragenen
Gesellschaft entschieden. Die analoge Anwendung von § 130 HGB auf Gesell-
schafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts entspricht seit der Entschei-
dung des erkennenden Senats vom 7. April 2003 (II ZR 56/02, BGHZ 154,
370 ff.) der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wird insbe-
sondere im Zusammenhang mit der quotalen Haftung von Gesellschaftern von
Publikumsgesellschaften des bürgerlichen Rechts ständig bestätigt (vgl. nur
zuletzt Urteil vom 17. April 2012 - II ZR 198/10, juris Rn. 17 mwN).
In der Literatur ist es völlig herrschende Meinung, dass § 130 HGB
- auch - auf Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Anwendung findet, wobei diese Frage häufig noch nicht einmal ausdrücklich
adressiert wird (Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 130 Rn. 3 f.;
Hillmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 130 Rn. 2, 5;
Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 130 Rn. 5, 10; MünchKommHGB/
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K. Schmidt, 3. Aufl., § 130 Rn. 5, 14; Steitz in Henssler/ Strohn, 2. Aufl., § 130
HGB Rn. 2, 5; Haas in Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 130
Rn. 2, 5a; Oetker/Boesche, HGB, 3. Aufl., § 130 Rn. 2, 4; H.P. Westermann in
Erman, BGB, 13. Aufl., § 727 Rn. 11; W. Schlüter in Erman, BGB, 13. Aufl.,
§ 1922 Rn. 31; BeckOK/Schöne, Stand: 1. November 2013, § 714 Rn. 55;
MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 714 Rn. 74 und § 727 Rn. 47; ders.,
NJW 2005, 3665, 3667; MünchKommBGB/Leipold, 6. Aufl., § 1922 Rn. 85;
MünchKommBGB/Ann, 6. Aufl., § 2058 Rn. 17; Servatius in Henssler/Strohn,
2. Aufl., § 714 BGB Rn. 24; Ulmer, ZIP 2003, 1113, 1121; Mock, NZG 2004,
118 ff.).
bb) Streit besteht in der Literatur über die Frage, ob § 139 HGB, den das
Berufungsgericht ebenfalls herangezogen hat, überhaupt und wenn ja in wel-
cher Form auf den analog § 130 HGB haftenden Erben eines Gesellschafters
einer
Gesellschaft
bürgerlichen
Rechts
Anwendung
findet
(dafür:
Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 130 Rn. 5; MünchKommHGB/K. Schmidt,
3. Aufl., § 139 Rn. 60; Oetker/Kamanabrou, HGB, 3. Aufl., § 139 Rn. 63; Lorz in
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 139 Rn. 98; BeckOK/Schöne,
Stand: 1. November 2013, § 714 Rn. 55; Bamberger/ Roth/Schöne, BGB,
2. Aufl., § 727 Rn. 13; MünchKommBGB/Leipold, 6. Aufl., § 1922 Rn. 85;
MünchKommBGB/Ann, 6. Aufl., § 2058 Rn. 17; Schäfer, NJW 2005, 1365,
1367 f.; Mock, NZG 2004, 118, 120; Ulmer, ZIP 2003, 1113, 1121; dagegen:
Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 139 Rn. 8; MünchKommBGB/
Küpper, 6. Aufl., § 1967 Rn. 46, der - wohl - auch die Haftung bereits aus § 130
HGB ablehnt; zweifelnd Westermann in Westermann, HdB der Personengesell-
schaften (Stand 2012), Rn. 1283).
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Der Meinungsstreit zu § 139 HGB verleiht dem vorliegenden Rechtsstreit
jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit keine grundsätzliche Bedeutung.
Hält man - mit dem Berufungsgericht und der wohl im Vordringen befindlichen
Ansicht in der Literatur - § 139 HGB für entsprechend anwendbar, würden die
Beklagten hier haften, da sie von einem eventuellen Austrittsrecht keinen Ge-
brauch gemacht haben. Lehnt man eine Anwendung von § 139 HGB ab, bleibt
es bei der nicht grundsätzlich klärungsbedürftigen Anwendbarkeit von § 130
HGB.
2. Die Revisionen der Beklagten zu 10, 14 und 15 haben auch keine
Aussicht auf Erfolg.
a) Hinsichtlich des Begehrens der Beklagten zu 10, 14 und 15, gegen ih-
re Haftung analog §§ 128, 130 HGB Schadensersatzansprüche wegen Pros-
pekthaftung im weiteren Sinn und arglistiger Täuschung gegenüber der Bank
auch der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter entgegenhalten zu
können, sind die Revisionen unzulässig, weil sie insoweit nicht zugelassen sind.
Das Berufungsgericht hat die Revisionen nur beschränkt auf die Rechtsfrage
der Haftung von Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts für Gesellschaftsschulden zugelassen. Die Zulassungsbeschränkung
ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils. Von einer be-
schränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung
- wie hier - wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die ledig-
lich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs
erheblich sein kann (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP
2010, 879 Rn. 4). Dies ist hier der Fall. Die Frage, ob Erben eines Gesellschaf-
ters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog § 130 HGB für Gesell-
schaftsschulden haften, ist entscheidungserheblich nur im Zusammenhang mit
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dem Streit der Parteien darüber, ob die Beklagten überhaupt als Haftende in
Betracht kommen. Ohne Belang ist die Beantwortung der Frage hingegen für
einen eventuellen Wegfall einer - grundsätzlich bestehenden - Haftung der Er-
ben wegen der von ihnen geltend gemachten Einwendungen nach § 129 HGB.
Die Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam. Insoweit
reicht es aus, dass die Beklagten ihre Revisionsanträge selbst entsprechend
beschränken könnten. Die Beklagten könnten die Entscheidung des Berufungs-
gerichts hinnehmen, dass ihnen keine Einwendungen analog § 129 HGB gegen
ihre Haftung zustehen, und sich darauf beschränken, ihre Haftung lediglich
grundsätzlich in Frage zu stellen.
b) Soweit die Revisionen zugelassen worden sind, haben sie keinen Er-
folg.
Das Berufungsgericht hat unter zutreffender Heranziehung der Recht-
sprechung des erkennenden Senats zur quotalen Haftung und der Rechtspre-
chung und der herrschenden Ansicht in der Literatur zur analogen Anwendung
von § 130 HGB auf Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts fehlerfrei die Haftung der Beklagten zu 10, 14 und 15 aus §§ 128, 130
HGB bejaht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Beklagten - wie die Re-
visionen meinen - als Rechtsnachfolger der jeweiligen Erblasser regelmäßig
keine Kenntnis vom Inhalt des Fondsprospekts hätten nehmen können, weil
Unterlagen über die Beteiligung beim Erbfall häufig nicht mehr vorhanden sei-
en. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht schon keine Feststellungen
dazu getroffen hat, dass die Beklagten keine Kenntnis vom Fondsprospekt hat-
ten, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass
ein Gesellschafter, der in eine Publikumsgesellschaft eintritt, auch ohne ent-
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sprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen oder Prospektangaben damit
rechnen muss, dass die zur Finanzierung des Objekts benötigten Kredite ganz
oder teilweise aufgenommen worden sind (siehe nur BGH, Urteil vom
17. Oktober 2006 - XI ZR 185/05, ZIP 2007, 169 Rn. 19; Urteil vom 19. Juli
2011 - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 41). Das gilt in demselben Maße,
wenn ein Erbe in eine Publikumsgesellschaft eintritt, zumal die Revision keinen
Vortrag der Beklagten dahingehend aufzeigt, dass sie bei ihrem Eintritt in die
Fondsgesellschaft von der Existenz der Darlehen nichts gewusst hätten.
Soweit die Revisionen die Ausführungen des Berufungsgerichts im Zu-
sammenhang mit dem Neuabschluss des Darlehensvertrages Ende 2000 als
revisionsrechtlich nicht haltbar beanstanden, ist diese Rüge unerheblich, weil
die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Darlehens übereinstimmend für
erledigt erklärt haben.
Die Frage, ob dem Berufungsgericht darin gefolgt werden sollte, dass die
Regelung des § 139 HGB auf Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden ist, kann dahingestellt bleiben,
da sie nicht entscheidungserheblich ist (s.o. I, 1., b, bb).
II. Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 8.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 8 wird zurückgewie-
sen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vor-
liegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit hat
insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung
des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer ein-
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heitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für
nicht durchgreifend erachtet.
Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2,
2. Halbsatz ZPO abgesehen.
Bergmann
Caliebe
Drescher
Born
Sunder
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt
worden.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 26.02.2009 - 37 O 282/08 -
KG, Entscheidung vom 28.02.2012 - 4 U 55/09 -
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