Urteil des BGH vom 24.07.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 55/07 Verkündet
am:
24. Juli 2008
Heinzelmann,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
UKlaG §§ 1, 3
Der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss empfiehlt die VOB Teil B im
Sinne von § 1 UKlaG. Die Empfehlung enthält keine Einschränkung hinsichtlich
der Verwendung gegenüber Verbrauchern.
BGB §§ 307 Bf, 308 Nr. 5, 309 Nr. 8 b) ff)
a) Wird die VOB Teil B gegenüber Verbrauchern verwendet, unterliegen ihre
einzelnen Klauseln auch dann einer Inhaltskontrolle, wenn sie als Ganzes ver-
einbart ist.
b) Klauseln, die gemäß § 308 Nr. 5 und § 309 Nr. 8 b) ff) BGB den zwingenden
Klauselverboten entzogen sind, können gemäß § 307 BGB unwirksam sein.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 - VII ZR 55/07 - KG Berlin
LG
Berlin
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter
Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und den Richter
Dr. Eick
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats
des Kammergerichts vom 15. Februar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten es zu unterlassen, mehrere in
der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB Teil B) ent-
haltene Klauseln zur Verwendung gegenüber Verbrauchern zu empfehlen.
1
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und
Verbraucherverbände. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4
UKlaG eingetragen. Der Beklagte, der Deutsche Vergabe- und Vertragsaus-
schuss für Bauleistungen (DVA), verfolgt satzungsgemäß den Zweck, Grund-
sätze für die sachgerechte Vergabe und Abwicklung von Bauverträgen zu erar-
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beiten und weiterzuentwickeln, indem er insbesondere die Vergabe- und Ver-
tragsordnung für Bauleistungen (VOB) erarbeitet und fortschreibt.
3
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, zahlreiche Klau-
seln, die in der VOB Teil B enthalten sind, im Verkehr mit Verbrauchern für
Werk- und Werklieferungsverträge nicht mehr zu empfehlen. Außerdem hat er
verlangt, den Beklagten zu verurteilen, die Empfehlung zu widerrufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (BauR 2006, 384 = NZBau
2006, 182). Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren
weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurück-
verweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2007, 707 = NZBau 2007,
584 = ZfBR 2007, 507 und 564 veröffentlicht ist, führt aus, der Kläger sei aktiv-
legitimiert, weil er im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG berechtigt sei, einen
Anspruch aus § 1 UKlaG geltend zu machen. Dem Beklagten fehle jedoch die
Passivlegitimation, weil er die VOB Teil B nicht im Sinne des § 1 UKlaG emp-
fehle. Es sei bereits fraglich, ob der Beklagte sich im eigenen Namen an die
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Verwender der VOB Teil B gegenüber Verbrauchern richte, da diese von einem
Bundesministerium veröffentlicht werde. Jedenfalls aber fehle es an einer Emp-
fehlung gegenüber Verbrauchern. Wer ein Klauselwerk erstelle, empfehle es
nur dann, wenn er die Verwendung durch Dritte aktiv oder konkludent gefördert
habe. Hierfür gebe es keine Anhaltspunkte in dem Verhalten des Beklagten, der
selbst keine öffentlichen Erklärungen abgebe, das Klauselwerk nicht einmal
selbst veröffentliche und sich zu der Frage der Verwendung gegenüber
Verbrauchern öffentlich in keiner Weise positioniert habe.
Die Klage könne zudem in der Sache keinen Erfolg haben, soweit der
Kläger die Unterlassung der Empfehlung von Einzelklauseln der VOB Teil B
begehre. Einzelklauseln seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs und der weit überwiegenden Meinung in der Literatur einer Inhalts-
kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB entzogen, soweit, worum es hier allein gehen
könne, die VOB Teil B als Ganzes vereinbart werde. Diese unterscheide sich
von sonstigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dadurch, dass an ihrer Aus-
arbeitung Interessengruppen der Besteller und der Unternehmer beteiligt seien.
Die Bestellerinteressen würden durch die öffentliche Hand gewahrt. Die VOB
Teil B enthalte einen auf die Besonderheiten des Bauvertragsrechts abge-
stimmten, im Ganzen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen. Dies
habe der Gesetzgeber bei Schaffung des Gesetzes zur Regelung des Rechts
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) anerkannt, und dies
gelte auch nach der Schuldrechtsreform fort. Diese habe nur zu geringen Ände-
rungen im Werkvertragsrecht geführt. Es bestehe daher kein Anlass, die rechtli-
che Lage nun anders zu beurteilen. Für die Ausgewogenheit der VOB Teil B
spreche nach wie vor, dass Besteller und Werkunternehmer bei ihrer Erstellung
zusammenwirkten. Dass Verbraucher nicht beteiligt seien, liege an Ziel und
Zweck der Teile A und B der VOB und sei für sich nicht zu beanstanden. Der
Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für
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Verbraucherverträge die bisher bestehende Privilegierung der VOB Teil B als
kontrollfrei im AGB-Gesetz in der Schuldrechtsreform festgeschrieben.
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Auch in Ansicht der Richtlinie 93/13/EWG sei die VOB Teil B als kontroll-
privilegiert zu qualifizieren. Sie unterfalle zwar dem Geltungsbereich der Richtli-
nie, ihre von der Rechtsprechung entwickelte Privilegierung sei aber mit euro-
päischem Recht vereinbar. Denn gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie seien bei
der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel alle anderen Klauseln des-
selben Vertrages zu berücksichtigen. Daher sei ein Nachteilsausgleich durch
einen nicht notwendig mit dem Nachteil sachlich zusammenhängenden Vorteil
möglich.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht
stand.
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A.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass die VOB Teil B vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne des § 305
Abs. 1 Satz 1 BGB beinhaltet (st. Rspr., vgl. u.a. BGH, Urteil vom 14. Januar
1971 - VII ZR 3/69, BGHZ 55, 198, 200; Urteil vom 16. Dezember 1982 - VII ZR
92/82, BGHZ 86, 135, 139; Urteil vom 7. Mai 1987 - VII ZR 129/86, BauR 1987,
438, 439 = ZfBR 1987, 199; Urteil vom 17. September 1987 - VII ZR 166/86,
BGHZ 101, 369, 374; Urteil vom 2. Oktober 1997 - VII ZR 44/97, BauR 1997,
1027, 1028 = ZfBR 1998, 31).
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2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, der
Beklagte empfehle die Verwendung der VOB Teil B im Rechtsverkehr nicht im
Sinne des § 1 UKlaG.
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a) Eine Empfehlung im Sinne des § 1 UKlaG liegt jedenfalls dann vor,
wenn der Verfasser eines Klauselwerks dieses veröffentlichen lässt und dabei
als solcher zu erkennen ist. Denn durch die Veröffentlichung gibt er zu erken-
nen, dass er das Klauselwerk zur Verwendung im Rechtsverkehr für geeignet
hält. So erfasst § 1 UKlaG zum Beispiel auch die Verfasser von Formularbü-
chern (vgl. BT-Drucks. 7/5422, S. 10 zu § 13 AGBG).
b) Danach hat der Beklagte die streitgegenständlichen Klauseln zur Ver-
wendung im Rechtsverkehr empfohlen. Die diese Klauseln enthaltende VOB
Teil B ist entsprechend der Satzung des Beklagten (§ 17 Abs. 1) im Bundesan-
zeiger durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
veröffentlicht worden. Einleitend ist dort auf die Urheberschaft des Beklagten
hingewiesen (Bundesanzeiger vom 29. Oktober 2002, Nr. 202 a, S. 3). Dass
diese Veröffentlichung in amtlicher Form geschehen ist, hindert nicht, dass es
sich um eine Empfehlung des Beklagten handelt; diese Art der Veröffentlichung
legt vielmehr in besonderer Weise einem möglichen Verwender die Eignung der
VOB Teil B für den Rechtsverkehr nahe.
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Entsprechendes gilt für die satzungsgemäße (§ 17 Abs. 2) Veröffentli-
chung der VOB Teil B durch das Deutsche Institut für Normung im Auftrag des
Beklagten, die als DIN (hier: DIN 1961) Empfehlungscharakter hat (vgl. BGH,
Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 f. m.w.N.).
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c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht im Rahmen des § 1 UKlaG ge-
prüft, ob der Beklagte die VOB Teil B zur Verwendung auch gegenüber
Verbrauchern empfiehlt. Eine solche Einschränkung enthält § 1 UKlaG nicht.
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Die Frage, gegenüber wem die Empfehlung ausgesprochen wird, ist vielmehr
gemäß § 3 Abs. 2 UKlaG für die Anspruchsberechtigung des Klägers von Be-
deutung (dazu sogleich).
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3. Der Kläger ist gemäß § 3 UKlaG anspruchsberechtigt.
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a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger eine qualifizier-
te Einrichtung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG ist. Die Revision hat hier-
gegen nichts erinnert.
b) Die Anspruchsberechtigung des Klägers ist nicht gemäß § 3 Abs. 2
UKlaG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann eine im Sinne des § 3
Abs. 1 Nr. 1 UKlaG qualifizierte Stelle einen Unterlassungsanspruch dann nicht
geltend machen, wenn die angegriffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen
zur ausschließlichen Verwendung gegenüber Unternehmern empfohlen wer-
den. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die Empfehlung ausdrücklich einge-
schränkt ist (vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Großkommentar zum
AGBG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 94; vgl. auch Staudinger/Schlosser, 2006, § 3 UKlaG,
Rdn. 3) oder aufgrund sonstiger Umstände feststeht, dass die im Streit befindli-
chen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht gegenüber Verbrauchern ver-
wendet werden. Dies kann sich daraus ergeben, dass die Empfehlung für einen
Geschäftstyp ausgesprochen wird, der nur unter Unternehmern üblich ist, oder
sich an Adressaten richtet (z.B. Großhändler), die es geschäftstypischerweise
nicht mit Letztverbrauchern zu tun haben (vgl. Staudinger/Schlosser, aaO).
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aa) Die Empfehlung des Beklagten enthält keine ausdrückliche Ein-
schränkung. Vielmehr ergibt sich unter anderem aus § 16 Nr. 5 Abs. 3 und 4
VOB/B, dass der Beklagte die VOB Teil B auch zur Verwendung gegenüber
Verbrauchern vorgesehen hat. Dort ist bestimmt, dass der Auftragnehmer in
den dort geregelten Fällen Anspruch auf Zinsen "in Höhe der in § 288 BGB an-
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gegebenen Zinssätze" hat. Welcher dieser Zinssätze zur Anwendung kommt,
entscheidet sich danach, ob es sich um einen Verbrauchervertrag handelt
(§ 288 Abs. 1 BGB) oder nicht (§ 288 Abs. 2 BGB). Der Grund dafür, eine Ver-
weisung auf § 288 BGB in die genannten Bestimmungen aufzunehmen, war
nach den ebenfalls im Bundesanzeiger veröffentlichten Hinweisen des Beklag-
ten zur Neufassung der VOB Teil B 2002, dass damit "die Differenzierung in der
Höhe der Zinssätze übernommen wird" (Bundesanzeiger vom 29. Oktober
2002, Nr. 202 a, S. 15). Diese Differenzierung ist nur dann erforderlich, wenn
die VOB Teil B auch gegenüber Verbrauchern verwendet werden soll.
Zudem ist in den genannten Hinweisen ausgeführt, es sei davon auszu-
gehen, dass die Neubezeichnung als "Vergabe- und Vertragsordnung" für Bau-
leistungen ihre Privilegierung nach § 308 Nr. 5, § 309 Nr. 8 b) ff) BGB, in denen
von der "Verdingungsordnung" für Bauleistungen die Rede ist, unverändert las-
se. Diese Vorschriften sind auf Verbraucherverträge anwendbar, § 310 Abs. 1
Satz 1 BGB. Auch dies deutet darauf hin, dass der Beklagte von einer Verwen-
dung der streitgegenständlichen Klauseln auch gegenüber Verbrauchern aus-
geht.
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bb) Die Verwendung der VOB Teil B gegenüber Verbrauchern ist nicht
nach den sonstigen Umständen ausgeschlossen. Sie dient der Abwicklung von
Bauverträgen; Adressat der Empfehlung sind auch Bauunternehmer. Diese
schließen Bauverträge regelmäßig nicht nur mit Unternehmern, sondern auch
mit Verbrauchern ab.
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- 9 -
B.
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Das Berufungsurteil kann nicht mit der Hilfserwägung des Berufungsge-
richts aufrecht erhalten bleiben, die angegriffenen Klauseln seien nicht einzeln
anhand der §§ 307 ff. BGB auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Diese Auffas-
sung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Nach der grundlegenden Entscheidung des Senats (Urteil vom
16. Dezember 1982 - VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135, 142) ist es verfehlt, in einem
Vertrag, in dem die VOB Teil B gegenüber einem Bauhandwerker verwendet
wird, einzelne Bestimmungen dieses Klauselwerks einer Inhaltskontrolle zu un-
terziehen, wenn es als Ganzes vereinbart ist. Der Senat hat dies damit begrün-
det, dass sich die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B von sonstigen
Allgemeinen Geschäftsbedingungen dadurch wesentlich unterscheide, dass sie
nicht den Vorteil nur einer Vertragsseite verfolge. An ihrer Ausarbeitung seien
Interessengruppen der Besteller wie der Unternehmer beteiligt gewesen und sie
enthalte einen auf die Besonderheiten des Bauvertragsrechts abgestimmten, im
Ganzen einigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen. Auf
der gleichen Erwägung beruhe es, dass § 10 Nr. 5 und § 11 Nr. 10 f) AGBG
nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG auf Leistungen nicht anzuwenden seien, für die
die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B Vertragsgrundlage sei. Wür-
den aufgrund einer Kontrolle einzelner Klauseln bestimmte, die Interessen einer
Vertragsseite bevorzugende Bestimmungen für unwirksam erklärt, so würde
gerade dadurch der von dem Vertragswerk im Zusammenwirken sämtlicher
Klauseln erstrebte billige Ausgleich der Interessen gestört. Der Senat hat dar-
aus geschlossen, dass das Normgefüge als Ganzes zu prüfen sei, und festge-
stellt, dass dieses bei einer solchen Betrachtungsweise der Inhaltskontrolle
nach § 9 AGBG standhalte (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 - VII ZR
92/82, aaO, S. 141 f.).
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2. Diese Rechtsprechung, die der Senat dahingehend modifiziert hat,
dass die VOB Teil B nicht als Ganzes vereinbart ist, wenn sie inhaltlich nicht
vollständig übernommen wird (BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 - VII ZR
419/02, BGHZ 157, 346; Urteil vom 15. April 2004 - VII ZR 129/02, BauR 2004,
1142 = NZBau 2004, 385 = ZfBR 2004, 555; Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR
226/05, BauR 2007, 1404 = NZBau 2007, 581 = ZfBR 2007, 665), hat teilweise
Kritik erfahren (vgl. zum Meinungsstand u.a. Staudinger/Coester, 2006, § 307
BGB Rdn. 128 m.w.N.). Streitig ist zudem, ob sie auch auf Verträge angewandt
werden kann, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen worden sind, weil
das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts insoweit zu einer abweichen-
den Beurteilung führen könnte (vgl. zum Meinungsstand u.a. Kniffka,
ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 3. Juni 2008, vor § 631 Anm.
2.4.3., Rdn. 27 ff.). Der Senat muss zu den Streitfragen nicht abschließend Stel-
lung nehmen. Denn die Rechtsprechung des Senats ist nicht auf Verträge an-
wendbar, in denen die VOB Teil B gegenüber Verbrauchern verwendet wird.
Soweit der grundlegenden Entscheidung des Senats vom 16. Dezember 1982
etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.
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a) Ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die sogenannte Privilegierung der
VOB Teil B ist der Umstand, dass diese Allgemeinen Vertragsbedingungen für
die Ausführung von Bauleistungen im Deutschen Vergabe- und Vertragsaus-
schuss (früher Verdingungsausschuss) und dort speziell im Hauptausschuss
Allgemeines erarbeitet und ständig überarbeitet werden. Ordentliche Mitglieder
des Beklagten können auf Auftraggeberseite solche Institutionen sein, die als
oberste Bundes- oder Landesbehörden oder in einer vergleichbaren Organisa-
tionsform oder als bundesweit tätige Spitzenverbände unmittelbar an der Ver-
gabe von öffentlichen Bauleistungen beteiligt sind; auf Auftragnehmerseite kön-
nen bundesweit tätige Institutionen ordentliche Mitglieder sein, die als Spitzen-
organisation die Interessen der Auftragnehmer im Bereich des öffentlichen
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Bauauftragswesens vertreten (§ 3 Abs. 1 der Satzung des Beklagten). Der Tä-
tigkeit des Ausschusses liegt die Erwägung zugrunde, dass ein gemeinsam von
Auftraggeber- und Auftragnehmerseite erarbeitetes Vertragswerk besser als ein
Gesetz oder eine Verwaltungsanordnung geeignet ist, allgemeine Anerkennung
und Anwendung zu finden und auch das erforderliche Vertrauensverhältnis zwi-
schen beiden Lagern anzubahnen (vgl. Lampe-Helbig, Festschrift für Korbion,
1986, S. 249, 250). Der Ausschuss geht davon aus, dass er ein Vertragswerk
erarbeitet, das die Interessen der Baubeteiligten ausgewogen berücksichtigt.
Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Der Bereich der privaten Ver-
gabe wird bei den Überlegungen zwar nicht vollkommen ausgeklammert (vgl.
Lampe-Helbig, aaO, S. 267), die Interessen der Verbraucher werden jedoch
nicht in dem Maße berücksichtigt wie die Interessen der sonstigen Baubeteilig-
ten. Der Ausschuss sieht es nicht als seine Aufgabe an, Regelungen für die
Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung im privaten Bereich auszuarbei-
ten. Das hat der Beklagte nicht nur in diesem Gerichtsverfahren vorgetragen.
Es entspricht auch dem überlieferten Selbstverständnis des Ausschusses, der
nach seiner Tradition in erster Linie die Vergabe von Bauleistungen durch die
öffentliche Hand regeln will. Dieses Selbstverständnis kommt auch deutlich da-
durch zum Ausdruck, dass Verbände der Verbraucher keine ordentlichen Mit-
glieder im Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss sein können.
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b) Die von der Rechtsprechung entwickelte Privilegierung, mit der die In-
haltskontrolle einzelner Regelungen entfällt, wenn die VOB Teil B als Ganzes
vereinbart ist, mag - was der Senat nicht entscheiden muss - auch weiterhin
gerechtfertigt sein, solange gewährleistet ist, dass die Vertragspartner, denen
gegenüber die VOB Teil B verwendet wird, durch ihre Interessenvertretungen
im Vergabe- und Vertragsausschuss vertreten sind und ausreichend Gelegen-
heit haben, sich in eine ausgewogene, den Bedürfnissen der Bauvertragspar-
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- 12 -
teien entsprechende Gestaltung der VOB Teil B einzubringen. Voraussetzung
ist allerdings stets, dass das Klauselwerk in diesem Sinne tatsächlich ausgewo-
gen ist, was für jede neue Fassung der VOB Teil B von den Gerichten zu über-
prüfen ist.
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c) Jedenfalls ist die Privilegierung der VOB Teil B dann nicht zu rechtfer-
tigen, wenn sie gegenüber Vertragspartnern verwendet wird, die weder unmit-
telbar noch mittelbar ihre besonderen Interessen bei der Gestaltung des Ver-
tragswerks einbringen können. Dass die Verbraucherinteressen einer besonde-
ren Berücksichtigung bei der Gestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen für
die Ausführung von Bauleistungen bedürfen, ergibt sich schon daraus, dass
Verbraucher in aller Regel in geschäftlichen Dingen unerfahren sind und eines
besonderen Schutzes bedürfen. Die Mitwirkung der öffentlichen Hand auf Auf-
traggeberseite an der Erarbeitung der VOB Teil B bietet keine Gewähr für eine
ausreichende Vertretung der Verbraucherinteressen. Es kann nicht davon aus-
gegangen werden, dass die Interessen der öffentlichen Hand mit den typischen
Verbraucherinteressen übereinstimmen. Die öffentliche Hand errichtet in aller
Regel andere Bauvorhaben mit anderen Zweckbestimmungen als Verbraucher.
Sie ist geschäftlich erfahren und ohne weiteres in der Lage, fachliche und recht-
liche Beratung hinzuzuziehen. Bei ihr besteht ein anderes Verständnis von den
Regeln der VOB Teil B und ihrem Zusammenspiel als bei Verbrauchern. Auch
ist sie anders als ein Verbraucher in der Lage, die Nachteile zu kompensieren,
die durch eine unangemessene Regelung zu ihren Lasten entstehen könnten.
So wird z.B. ein privater Besteller eines Einfamilienhauses durch eine kürzere
Gewährleistungsfrist ungleich stärker belastet als eine öffentliche Körperschaft.
d) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Die Privile-
gierung der VOB Teil B ist durch richterliche Fortbildung entwickelt worden, um
Wertungswidersprüche zu vermeiden, die durch eine Inhaltskontrolle einzelner
29
- 13 -
Bestimmungen entstehen, wenn die VOB Teil B als Ganzes in ihrem Anwen-
dungsbereich als einigermaßen ausgewogen angesehen werden kann. Eine
dahingehende Regelung war im Zeitpunkt der Grundsatzentscheidung des Se-
nats im AGB-Gesetz nicht enthalten. Sie ist auch durch das Gesetz zur Moder-
nisierung des Schuldrechts nicht geschaffen worden.
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aa) Nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG finden § 10 Nr. 5 und § 11 Nr. 10 f)
AGBG keine Anwendung für Leistungen, für die die Verdingungsordnung für
Bauleistungen (VOB) Vertragsgrundlage ist. Aus dieser Regelung ergibt sich
lediglich, dass die Klauselverbote aus § 10 Nr. 5 und § 11 Nr. 10 f) AGBG ent-
fallen. Eine weitergehende Aussage enthalten die Regelungen nicht. Insbeson-
dere lassen sie nicht den Schluss zu, dass einzelne Bestimmungen der VOB
Teil B nicht der Inhaltskontrolle nach § 9 sowie §§ 10 und 11 AGBG unterliegen,
wenn die VOB Teil B als Ganzes vereinbart ist. Dem steht schon entgegen,
dass lediglich einzelne Klauselverbote aus dem Anwendungsbereich herausge-
nommen worden sind. Hätte der Gesetzgeber die VOB Teil B insgesamt privile-
gieren wollen, so hätte er eine andere Regelung finden müssen. Insbesondere
hätte er auch Regelungen zur Anwendung des § 9 AGBG verabschieden müs-
sen. Die Gesetzesmotive geben dementsprechend auch keinen Anhaltspunkt
dafür, dass die gesamte VOB Teil B der Inhaltskontrolle entzogen werden soll-
te. Vielmehr hatte man lediglich bestimmte Regelungen der VOB Teil B im Au-
ge, die der Inhaltskontrolle entzogen werden sollten. Das war in erster Linie die
Regelung zur Gewährleistungsfrist. Später sind auf Vorschlag des Rechtsaus-
schusses Regelungen zu fiktiven Erklärungen hinzugekommen, wobei in erster
Linie an die Fiktion der Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B gedacht war
(BT-Drucks. 7/5422, S. 4). Es mag sein, dass der Gesetzgeber seinerzeit davon
ausgegangen ist, dass andere Regelungen der VOB Teil B bei einer Inhaltskon-
trolle nicht problematisch sind. Diese Einschätzung wäre unzutreffend, wie die
Rechtsprechung des Senats belegt (Unwirksamkeit des § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1
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VOB/B a.F. - BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 291/88, BGHZ 113,
315; Unwirksamkeit des § 16 Nr. 3 Abs. 2 a.F. (vorbehaltlose Annahme der
Schlusszahlung) - BGH, Urteil vom 17. September 1987 - VII ZR 155/86, BGHZ
101, 357; Unwirksamkeit des § 16 Nr. 3 Abs. 2 n.F. - BGH, Urteil vom 19. März
1998 - VII ZR 116/97, BGHZ 138, 176; Urteil vom 9. Oktober 2001 - X ZR
153/99, BauR 2002, 775; Urteil vom 22. Januar 2004 - VII ZR 419/02, BGHZ
157, 346; Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR 226/05, BauR 2007, 1404 = NZBau
; Urteil vom 12. Juli 2007 - VII ZR 186/06,
BauR 2007, 1726 = NZBau ; Unwirksamkeit des
§ 16 Nr. 6 a.F. (Zahlung an Nachunternehmer) - BGH, Urteil vom 21. Juni 1990
- VII ZR 109/89, BGHZ 111, 394). Eine solche unzutreffende Einschätzung
rechtfertigt es nicht, dem insoweit klaren Gesetz einen Inhalt zu unterlegen,
wonach die gesamte VOB Teil B privilegiert sein sollte. Der Senat hat das Er-
gebnis der Privilegierung dementsprechend auch nicht auf eine Auslegung des
§ 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG gestützt, sondern auf eine besondere Anwendung des
§ 9 AGBG (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 - VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135,
142).
Die Privilegierung der VOB Teil B in Verbraucherverträgen ergibt sich
auch nicht aus der dargestellten Systematik des AGB-Gesetzes. Der Gesetz-
geber hat nicht die VOB Teil B der Inhaltskontrolle entzogen, wenn sie als Gan-
zes vereinbart ist. Diese Regelung hat er insbesondere auch nicht für Verbrau-
cherverträge getroffen, sondern sich für diese Verträge darauf beschränkt, ein-
zelne Klauseln der VOB Teil B den zwingenden Klauselverboten zu entziehen.
Er hat es dadurch der Rechtsprechung überlassen, eine im Einklang mit den
Regelungen der §§ 9 ff. AGBG stehende Lösung zu entwickeln, die den in die-
sem Gesetz zum Ausdruck gebrachten Anforderungen an den Schutz des Ver-
tragspartners des Verwenders Geltung verschafft. Insbesondere hat der Ge-
setzgeber der Rechtsprechung die Möglichkeit eröffnet, nicht nur hinsichtlich
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der Privilegierung der insgesamt vereinbarten VOB Teil B nach Verbrauchern
und in Bauvertragssachen erfahrenen Vertragspartnern zu differenzieren, son-
dern die Verbraucherinteressen durch eine Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG an-
gemessen zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, dass einzelne
Klauseln der VOB Teil B von zwingenden Klauselverboten ausgenommen sind.
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bb) Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts hat sich in-
soweit inhaltlich nichts geändert. In § 307 BGB ist eine Sonderbehandlung der
VOB Teil B nicht vorgesehen. Dieses Klauselwerk ist lediglich unter der Be-
zeichnung Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B in § 308 Nr. 5 und
§ 309 Nr. 8 b) ff) BGB erwähnt, die die Anwendung der dort enthaltenen Klau-
selverbote ausschließen, wenn die VOB Teil B insgesamt einbezogen ist. Dar-
über, wie die Kontrolle von Klauseln, die nicht unter diese Vorschriften fallen,
vorzunehmen ist, enthält das Gesetz keine Regelungen. Solche waren auch
nicht beabsichtigt. Das Gesetzgebungsverfahren gibt keine Anhaltspunkte da-
für, dass der Gesetzgeber insoweit eine Regelung treffen wollte, die über dieje-
nige des § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG hinausging. Das ergibt sich aus den Geset-
zesmaterialien.
(1) Vorrangiges Ziel der Neuregelung der §§ 305 ff. BGB durch das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz war es, das AGB-Gesetz in das Bürgerli-
che Gesetzbuch zu integrieren, um die gesetzliche Regelung zu vereinfachen
und übersichtlicher zu gestalten (BT-Drucks. 14/6040, S. 149). Dies entspricht
einem der grundlegenden Ziele der Reform, "die das Bürgerliche Gesetzbuch
immer mehr überwuchernden (schuldrechtlichen) Sondergesetze zu sichten
und ihren dauerhaften Bestand in das Bürgerliche Gesetzbuch zu integrieren",
was "zu einer übersichtlicheren Schuldrechtsordnung" führen sollte (aaO, S. 79;
ähnlich auch auf S. 91). Mit dieser Zielsetzung sind die Ausnahmeregelungen
für Verträge, in die die Verdingungsordnung für Bauleistungen einbezogen ist,
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nicht mehr in einer gesonderten Vorschrift (§ 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG), sondern
nun bei dem jeweiligen Klauselverbot aufgeführt (vgl. aaO, S. 154).
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Sachliche Änderungen sollten mit der Neuregelung des Rechts der All-
gemeinen Geschäftsbedingungen nicht verbunden sein. Vielmehr wollte der
Gesetzgeber „das im AGB-Gesetz enthaltene (geschlossene) System aufrecht-
erhalten“ (aaO, S. 150). Soweit inhaltliche Änderungen vorgesehen wurden,
sollte "das AGB-Gesetz durch Ergänzungen und teilweise Neuformulierungen
fort[geschrieben werden], die aber im Ergebnis Rechtsprechung und Lehre zur
Anwendung des AGB-Gesetzes entsprechen" (aaO, S. 150).
(2) Eine Privilegierung der VOB Teil B als Ganzes hat der Gesetzgeber
insbesondere nicht dadurch beabsichtigt, dass er die Nichtanwendung von
Klauselverboten davon abhängig gemacht hat, dass die Verdingungsordnung
für Bauleistungen Teil B anstatt wie in § 23 AGBG "Grundlage des Vertrages"
nunmehr "insgesamt einbezogen" (§ 308 Nr. 5 und § 309 Nr. 8 b) ff) BGB) sein
muss. Damit wollte der Gesetzgeber der gefestigten Rechtsprechungspraxis
Rechnung tragen, die das Eingreifen der im bisherigen § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG
zugunsten der VOB Teil B geregelten Ausnahmen davon abhängig macht, dass
diese insgesamt, das heißt ohne ins Gewicht fallende Einschränkungen über-
nommen worden ist (aaO, S. 154). Diese gesetzgeberische Intention wird durch
die in der Gesetzesbegründung zitierten Entscheidungen des Senats bestätigt.
Alle dort genannten Entscheidungen (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1985
- VII ZR 325/84, BGHZ 96, 129, 133; Urteil vom 7. Mai 1987 - VII ZR 366/85,
BGHZ 100, 391, 399; Urteil vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, BGHZ 96,
146; Urteil vom 7. Mai 1987 - VII ZR 129/86, BauR 1987, 438 = ZfBR 1987,
199; Urteil vom 29. September 1988 - VII ZR 186/87, BauR 1989, 77 = ZfBR
1989, 28) betreffen die Frage, ob die Verkürzung der Gewährleistungsfrist einer
Überprüfung nach dem AGB-Gesetz standhält, wenn ausschließlich die Ge-
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währleistungsregeln der VOB Teil B vereinbart worden sind. Lediglich insoweit
ist also die bekannte Rechtsprechung "ohne inhaltliche Änderung" (BT-Drucks.
14/6040, S. 154) kodifiziert worden.
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Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob die VOB Teil B, sofern sie als
Ganzes vereinbart ist, einer isolierten Inhaltskontrolle ihrer einzelnen Klauseln
anhand der §§ 307 ff. BGB entzogen ist. Zu dieser Frage hat der Gesetzgeber
mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts keine Entscheidung ge-
troffen. Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt ist, es könne davon aus-
gegangen werden, dass die VOB Teil B in ihrer jeweils geltenden Fassung ei-
nen insgesamt angemessenen Interessenausgleich zwischen den an Bauver-
trägen Beteiligten schafft, dient dies lediglich als Begründung dafür, dass die
Privilegierung in § 308 Nr. 5 BGB die Verdingungsordnung für Bauleistungen
Teil B in ihrer jeweils gültigen Fassung erfassen sollte (aaO, S. 154). Die Ab-
sicht, die ausdrücklich nur beschränkt angeordnete Privilegierung der Verdin-
gungsordnung für Bauleistungen Teil B dahin auszudehnen, dass eine Einzel-
kontrolle ihrer Bestimmungen nicht vorzunehmen sei, kann daraus nicht abge-
lesen werden. Dem entspricht es, dass die grundlegende Entscheidung des
Senats, die Verdingungsordnung für Bauleistungen nur als Ganzes einer Kon-
trolle gemäß § 9 AGBG zu unterziehen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982
- VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135), in der Gesetzesbegründung nicht zitiert ist. Zu-
dem ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, wenn er diese umstrittene
Problematik hätte entscheiden wollen, dies auch im Hinblick auf die verfas-
sungsrechtlich gebotene Normenklarheit (vgl. BVerfGE 114, 73, 91 f.) und die
europarechtlichen Anforderungen an die Richtlinienumsetzung (vgl. EuGH,
NJW 2001, 2244, 2245) im Gesetzestext hinreichend klar und bestimmt zum
Ausdruck gebracht hätte.
- 18 -
III.
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Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Beurteilung
der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Bestimmungen bedarf einer umfas-
senden Würdigung, in die insbesondere die typischen Interessen der Vertrags-
parteien sowie die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise einzubeziehen
sind (vgl. Palandt/Grüneberg, 67. Aufl., § 307 BGB, Rdn. 8). Hierzu hat das Be-
rufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen; dies wird es nachzuholen
haben. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen
Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsge-
richt muss den geltend gemachten Unterlassungsanspruch prüfen und in die-
sem Zusammenhang beurteilen, inwieweit die Klauseln wirksam sind.
Soweit es Klauseln beurteilt, die nach ihrem Regelungsgehalt unter
§ 308 Nr. 5 oder § 309 Nr. 8 b) ff) BGB fallen, ist das Berufungsgericht nicht
gehindert, eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB vorzunehmen. Die Klauselver-
bote der §§ 308, 309 BGB sind Ausprägungen der Generalklausel des § 307
BGB. Als Generalklausel tritt § 307 BGB zurück, wenn eine AGB-Bestimmung
dem Klauselverbot der §§ 308, 309 BGB unterfällt. Soweit eine Allgemeine Ge-
schäftsbedingung nach ihrem Regelungsgehalt zwar den §§ 308, 309 BGB un-
terfällt, danach aber nicht unwirksam ist, bedeutet dies nicht, dass ihre Wirk-
samkeit feststünde. Die Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB kann unter Berück-
sichtigung des Prüfungsmaßstabes dieser Norm zur Unwirksamkeit der Rege-
lung führen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1988 - VIII ZR 84/87, BGHZ 104,
232, 239; Urteil vom 8. März 1984 - IX ZR 144/83, BGHZ 90, 280, 283 f.; Er-
man/Roloff, BGB, 12. Aufl., vor §§ 307 - 309, Rdn. 2; Staudinger/Coester, aaO,
§ 307 Rdn. 11 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, AGB-Gesetz, 10. Aufl.,
Vorb. v. § 307 BGB, Rdn. 8). Bei der Überprüfung nach § 307 BGB sind die in
§§ 308, 309 BGB zum Ausdruck gebrachten Wertungen zu berücksichtigen
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- 19 -
(vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1987 - VII ZR 37/86, BGHZ 100, 157, 182; Urteil
vom 4. Dezember 1996 - XII ZR 193/95, NJW 1997, 739, 740; Erman/Roloff,
ebd.; Staudinger/Schlosser, aaO, Rdn. 12; Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs,
aaO, Vorb. v. § 307 BGB, Rdn. 9). Gleiches gilt, wenn der Gesetzgeber Klau-
seln ausdrücklich dem zwingenden Klauselverbot entzieht.
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Danach ist das Berufungsgericht nicht von vornherein gehindert, die Re-
gelungen der VOB Teil B, die dem Regelungsgehalt des § 308 Nr. 5 und des
§ 309 Nr. 8 b) ff) BGB unterfallen, nach § 307 BGB für unwirksam zu halten.
Allerdings ist bereits Anlass für die gesetzliche Entscheidung zu § 23 Abs. 2
Nr. 5 AGBG die Annahme des Gesetzgebers gewesen, die VOB Teil B stelle
ein ausgewogenes Vertragswerk dar, so dass es nicht gerechtfertigt sei, deren
Gewährleistungsregeln und deren Regelungen zu fiktiven Erklärungen daran
scheitern zu lassen, dass sie den Klauselverboten unterliegen. Indem er es un-
terlassen hat, die VOB Teil B insgesamt der Inhaltskontrolle zu entziehen, hat
er die Überprüfung und Beurteilung dieser Annahme der Rechtsprechung über-
lassen und damit auch den Weg eröffnet, eine andere Lösung zu entwickeln.
Eine solche Lösung muss auch die weiteren Erkenntnisse zur VOB Teil B ein-
beziehen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Klauseln der VOB
Teil B in einem Vertrag mit einem Verbraucher kann die Rechtsprechung nicht
unberücksichtigt lassen, dass ein tragender Pfeiler für die Annahme des Ge-
setzgebers fehlt, die VOB Teil B sei eine für alle Bauverträge angemessene
Regelung. Denn Verbrauchervertreter sind im Vergabe- und Vertragsausschuss
nicht vertreten und Verbraucherinteressen werden nach den nunmehr eindeuti-
gen Erklärungen dieses Ausschusses nicht in der Weise berücksichtigt wie die
Interessen anderer Auftraggeber von Bauleistungen. Dieser Einschätzung ent-
sprechen die vom Deutschen Bundestag am 26. Juni 2008 (BT-Protokoll
Nr. 16/172) beschlossene Streichung der Ausnahmetatbestände in § 308 Nr. 5
und § 309 Nr. 8 b) ff) BGB und die Neuregelung des § 310 Abs. 1 BGB. Danach
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soll die Privilegierung der VOB Teil B nur bei einer Verwendung gegenüber Un-
ternehmern im Sinne des § 14 BGB, juristischen Personen des öffentlichen
Rechts und Sondervermögen des öffentlichen Rechts, nicht aber bei Verwen-
dung gegenüber Verbrauchern gelten.
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In die Überlegungen zur Inhaltskontrolle nach § 307 BGB müssen
schließlich auch die Gesichtspunkte einfließen, die durch die Anwendung dieser
Regelung unabhängig von der gesetzlichen Wertung zu §§ 308 und 309 BGB
eröffnet werden. Das sind auch Gesichtspunkte der Transparenz, Regelungs-
klarheit und Angemessenheit.
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Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 07.12.2005 - 26 O 46/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 15.02.2007 - 23 U 12/06 -