Urteil des BGH vom 31.07.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 102/00
vom
31. Juli 2002
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGB §§ 1587o, FGG § 53g Abs. 1
Zur verfahrensbeendenden Wirkung einer den Versorgungsausgleich an-
ordnenden Entscheidung, die auf einer nach Eintritt der Rechtskraft ange-
fochtenen Parteivereinbarung nach § 1587o BGB beruht.
BGH, Beschluß vom 31. Juli 2002 - XII ZB 102/00 - OLG Frankfurt am Main
AG Offenbach
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2002 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz,
Dr. Ahlt und Dr. Vézina
beschlossen:
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 1. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
15. Februar 2000 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückge-
wiesen.
Beschwerdewert: 7.498
Gründe:
I.
Durch Verbundurteil hatte das Familiengericht die Ehe der Parteien ge-
schieden und unter anderem den Versorgungsausgleich dergestalt durchge-
führt, daß es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners
bei der Landesärztekammer Hessen Rentenanwartschaften für die Antragstel-
lerin in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 131,64 DM monatlich
begründete und die Anwartschaften des Antragstellers bei der Kassenärztli-
chen Vereinigung Hessen in der Weise real teilte, daß der Antragstellerin aus
eigenem Recht monatliche Anwartschaften in Höhe von 1.090,46 DM zustehen.
Gegen diese Entscheidung legte der Antragsgegner Beschwerde ein mit
dem Ziel, einen Versorgungsausgleich nicht durchzuführen, und berief sich auf
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einen zwei Monate vor der Eheschließung notariell vereinbarten Ausschluß des
Versorgungsausgleichs, den die Antragstellerin indes wegen ihrer zu diesem
Zeitpunkt bestehenden Schwangerschaft für sittenwidrig hielt.
Im Beschwerdeverfahren vereinbarten die Parteien durch gerichtlich
protokollierten Vergleich, der Versorgungsausgleich solle dergestalt durchge-
führt werden, daß zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsge-
gners bei der Landesärztekammer Hessen Rentenanwartschaften für die An-
tragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 226 DM mo-
natlich begründet und die Anwartschaften des Antragstellers bei der Kassen-
ärztlichen Vereinigung Hessen in der Weise real geteilt werden, daß der An-
tragstellerin aus eigenem Recht monatliche Anwartschaften in Höhe von
374 DM zustehen.
Durch Beschluß vom 7. Juni 1999, der seit dem 15. Juli 1999 rechtskräf-
tig ist, genehmigte das Oberlandesgericht diesen Vergleich und führte den
Versorgungsausgleich entsprechend durch.
Mit einem am 1. September 1999 bei Gericht eingegangenen Antrag be-
antragte der Antragsgegner die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens und
erklärte zugleich die Anfechtung des gerichtlichen Vergleichs unter Hinweis
darauf, daß die Landesärztekammer die an ihn zu zahlende Rente aufgrund
der Entscheidung zum Versorgungsausgleich um einen Betrag von 834,80 DM
monatlich gekürzt habe, nämlich unter Rückrechnung der zugunsten der An-
tragstellerin zu begründenden Anwartschaft von monatlich 226 DM in eine voll-
dynamische Anwartschaft. Diese Rückrechnung sei von den Parteien nicht ge-
wollt gewesen.
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Durch den angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht dem
Fortsetzungsantrag des Antragsgegners nicht stattgegeben, sondern festge-
stellt, daß das Beschwerdeverfahren durch den Beschluß vom 7. Juni 1999 be-
endet worden sei, und dies damit begründet, daß für eine Fortsetzung des Be-
schwerdeverfahrens nach diesem Beschluß ungeachtet der Frage der Wirk-
samkeit des gerichtlichen Vergleichs kein Raum mehr sei.
Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde des Antrags-
gegners, mit der er seinen Antrag auf Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens
weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Antragsgegner den gerichtlichen
Vergleich der Parteien wirksam angefochten hat oder nicht, oder ob dieser we-
gen veränderter Umstände nach den Grundsätzen über den Wegfall der Ge-
schäftsgrundlage anzupassen ist, wie die weitere Beschwerde hilfsweise gel-
tend macht. Denn das Beschwerdeverfahren ist nicht durch diesen Vergleich
beendet worden, sondern durch den Beschluß des Beschwerdegerichts, mit
dem es den Versorgungsausgleich nach Maßgabe dieses Vergleichs geregelt
hat.
Diese Entscheidung über den nach seiner Durchführung grundsätzlich
unumkehrbaren öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich (vgl. BVerwG
DVBl. 1994, 1080, 1081) ist sowohl in formelle wie in materielle Rechtskraft
erwachsen. Außerhalb der durch § 10a VAHRG eröffneten Möglichkeit einer
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späteren Abänderung kann eine solche Entscheidung - abgesehen von Berich-
tigungen und Ergänzungen analog den §§ 319 bis 321 ZPO, die hier ersichtlich
nicht in Betracht kommen - als Streitsache der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur
unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 579, 580 ZPO nochmals Ge-
genstand der gerichtlichen Prüfung werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom
12. Oktober 1988 - IVb ZB 80/86 - FamRZ 1989, 264 und vom 21. April 1982 -
IV b ZB 584/91 - FamRZ 1982, 687, 688 m.w.N).
Insbesondere tritt die Rechtskraft einer Entscheidung über den Versor-
gungsausgleich, mit der ein Ausgleich durch Begründung von Rentenanwart-
schaften in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden ist, unab-
hängig davon ein, ob eine Vereinbarung der Parteien, auf der sie beruht, fort-
besteht oder nicht. Denn wenn das Gericht rechtskräftig über den Versor-
gungsausgleich entschieden hat, kommt eine einverständliche Ausgleichsre-
gelung nach § 1587o BGB nicht mehr in Betracht (vgl. Plagemann NJW 1977,
844 m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn nach Eintritt der Rechtskraft
der Entscheidung eine solche Vereinbarung einverständlich aufgehoben oder
von einer der Parteien angefochten wird.
Ohne Erfolg macht die weitere Beschwerde geltend, die familiengericht-
liche Genehmigung des Vergleichs gemäß § 1587o BGB benachteilige den
Antragsgegner, weil das Beschwerdeverfahren ohne diese Genehmigung hätte
fortgeführt werden können. Denn auch dann, wenn das Beschwerdegericht
diese Genehmigung verweigert oder seine Notwendigkeit übersehen hätte, wä-
re das Beschwerdeverfahren mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts
über den Versorgungsausgleich beendet gewesen, und zwar auch dann, wenn
dieser Entscheidung rechtsfehlerhaft ein nicht genehmigter Vergleich zugrunde
gelegt worden wäre.
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Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde stehen dem auch
nicht die von ihr angeführten Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 1991 - XII ZB
125/88 - FamRZ 1991, 679, 680, vom 6. März 1991 - XII ZB 88/90 - FamRZ
1991, 681 und vom 27. Oktober 1993 - XII ZB 158/91 - FamRZ 1994, 96 f. ent-
gegen. In allen diesen Fällen war vereinbart worden, daß ein Versorgungsaus-
gleich nicht stattfinden solle; die gleichlautende Entscheidung des Familienge-
richts erwies sich daher lediglich als ein (an sich nicht erforderlicher) Hinweis
auf die kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge des § 53d Satz 1 FGG, die eine
Sachentscheidung über den Versorgungsausgleich entbehrlich macht. Da die
verfahrensbeendende Wirkung in diesen Fällen schon dem Abschluß der Ver-
einbarung in Verbindung mit ihrer Genehmigung durch das Gericht zukommt,
ist das Verfahren weiterzuführen, wenn sich herausstellt, daß die Vereinbarung
unwirksam war und das Verfahren infolgedessen tatsächlich nicht beendet wor-
den ist (vgl. Senatsbeschluß vom 20. Februar 1991 aaO). Das vorliegende Ver-
fahren ist hingegen durch eine den Versorgungsausgleich durchführende ab-
schließende Sachentscheidung beendet worden, die für eine weitere Entschei-
dung keinen Raum läßt.
Ob der Entscheidung OLG Köln FamRZ 1998, 373 zu folgen ist, derzu-
folge bei einem unwirksamen Teilausschluß des Versorgungsausgleichs, näm-
lich dem Verzicht auf Ausgleich von beiden Parteien erworbener betrieblicher
Altersversorgungen, der abschließend vom Familiengericht getroffenen Rege-
lung über den Ausgleich der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung die Entscheidungsgrundlage entzogen wird und das Verfahren unter
Einbeziehung der vermeintlich ausgeschlossenen betrieblichen Versorgungs-
anrechte fortzusetzen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil der
hier durchgeführte Versorgungsausgleich sämtliche von den Parteien erworbe-
nen Versorgungsanrechte erfaßte und lediglich der Höhe nach von dem ab-
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wich, was bei Anwendung der gesetzlichen Vorschriften auszugleichen gewe-
sen wäre. Dem Eintritt der materiellen Rechtskraft dieser Entscheidung steht
die Unwirksamkeit einer im Verfahren für wirksam angesehenen Vereinbarung
nach § 1587o BGB ebensowenig entgegen wie etwa eine falsche, vom Renten-
versicherungsträger nachträglich korrigierte Rentenauskunft; eine solche stellt
auch keinen Restitutionsgrund dar (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 89, 114, 116).
Hahne
Sprick
Wagenitz
Ahlt
Vézina