Urteil des BGH vom 07.08.2013

BGH: vergütung, vergleich, eng, aufwand, pauschalierung, wiederherstellung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 233/13
vom
7. August 2013
in der Betreuungssache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten wird der Beschluss der
7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 8. April 2013 aufge-
hoben.
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amts-
gerichts Büdingen vom 20. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 1.386
Gründe:
I.
Das Amtsgericht bestellte am 28. Juni 2011 den Beteiligten als Betreuer
für den Betroffenen mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung seiner Rechte in
einem Zivilrechtsstreit einschließlich etwaiger Folge- und Rechtsmittelverfahren
längstens bis zum 27. Juni 2013. Der Rechtsstreit wurde durch einen am
20. Juli 2011 geschlossenen Vergleich beendet. Am 21. November 2011 zeigte
der Betreuer dem Amtsgericht an, dass das Verfahren abgeschlossen und der
Vergleich erfüllt sei. Zugleich regte er die Aufhebung seiner Betreuung an, da
seine Aufgabe erledigt sei. Erst mit Beschluss vom 31. Januar 2013 hob das
Amtsgericht die Betreuung auf.
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Für die Zeit vom 2. April bis 1. Oktober 2012 hat der Betreuer die Fest-
setzung seiner vom Betroffenen zu erstattenden pauschalen Betreuervergütung
gemäß §§ 4, 5 VBVG beantragt. Das Amtsgericht hat die Vergütung des Be-
treuers antragsgemäß festgesetzt. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das
Landgericht den Beschluss aufgehoben und den Antrag auf Betreuervergütung
für den beantragten Zeitraum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zuge-
lassene Rechtsbeschwerde des Betreuers.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung der
Entscheidung des Amtsgerichts.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet: Im maßgeblichen Antragszeitraum vom 2. April 2012 bis 1. Oktober
2012 habe der Betreuer keinerlei Betreuungstätigkeit geleistet. Sein Aufgaben-
kreis habe die Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen in einem bestimmten
Rechtsstreit umfasst, welcher durch Abschluss eines Vergleichs am 20. Juli
2011 beendet worden sei. Danach habe der Betreuer keine Mühewaltung mehr
entfaltet und dies sei ihm auch nicht mehr möglich gewesen. Im Unterschied zu
einer fehlerhaften oder einer zu lange aufrechterhaltenen Bestellung, bei der
der Betreuer weiterhin tätig werde, sei hier schon die Möglichkeit einer weiteren
Tätigkeit des Betreuers ausgeschlossen gewesen.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuer des Betroffenen für die Wahr-
nehmung von dessen Rechten in einem Zivilrechtsstreit bis zur Aufhebung der
Betreuung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Januar 2013 einen
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Anspruch auf pauschale Vergütung nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1
Satz 2 und 3 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 und 3 VBVG. Der Anspruch ist somit für den geltend gemachten Zeitraum
vom 2. April bis 1. Oktober 2012 begründet.
a) Wie der Senat bereits entschieden hat, steht dem Betreuer für die
Dauer der Betreuung gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 5 VBVG i.V.m. § 1908 i BGB ein
Vergütungsanspruch in dem pauschal festgelegten Umfang zu, ohne dass der
Rechtspfleger zu überprüfen hat, ob und in welchem Umfang der Betreuer tätig
geworden ist und ob die Aufhebung der Betreuung früher hätte erfolgen müssen
(Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051
Rn. 22).
Mit der Einführung der Pauschalierung der Betreuervergütung durch das
Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz, deren Ziel es ist, Betreuer und
Rechtspfleger von den zeitaufwändigen Abrechnungen zu entlasten, ist ein vom
tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängiges Vergütungssystem ge-
schaffen worden. Die in § 5 VBVG anhand einer Mischkalkulation zwischen auf-
wändigen und weniger aufwändigen Fällen festgelegten Stundenansätze ste-
hen von Beginn des Betreuungsverfahrens an fest (BT-Drucks. 15/2494 S. 33).
Die Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird bei der pauschalen
Vergütung typisierend unterstellt; nicht erforderlich ist, dass der Betreuer in dem
zu vergütenden Zeitraum auch tatsächlich für den Betreuten in dem vom Ge-
setz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist (Senatsbeschlüsse
vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 23 und vom
28. Mai 2008 - XII ZB 53/08 - FamRZ 2008, 1611 Rn. 30).
Der Vergütungsanspruch besteht in dem durch § 5 VBVG pauschal fest-
gelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung. Diese endet ge-
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mäß § 1908 d BGB erst durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung. Die
Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zwei-
felhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzun-
gen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen (BT-Drucks. 11/4528, S. 155). Des-
halb ist es hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit der Be-
treuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem pau-
schalen Stundenansatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die auf
gerichts- oder behördeninterne Abläufe und auf die Prüfung, ob die Vorausset-
zungen für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen
ist (Senatsbeschlüsse vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051
Rn. 24 und vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 489/10 - FamRZ 2012, 295
Rn. 11 ff.).
Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren lediglich die
Prüfung übertragen, ob und wann die gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB i.V.m. § 23 c
Abs. 2 GVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Aufhe-
bung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfol-
gen können.
b) Auch eine analoge Anwendung des § 6 VBVG, der für die dort ge-
nannten Sonderfälle eine Berechnung der Vergütung nach tatsächlich aufge-
wandtem und erforderlichem Zeitaufwand zulässt, kommt nicht zur Anwendung.
Denn § 6 VBVG ist als eng begrenzte Ausnahmevorschrift einer analogen An-
wendung nicht zugänglich (vgl. Senatsbeschluss vom 11. April 2012
- XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 14).
c) Ebenso musste der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfah-
ren auch keine Ermittlungen zur Feststellung eines etwaigen treuwidrigen Ver-
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haltens des Beteiligten zu 1 durchführen (Senatsbeschluss vom 11. April 2012
- XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 26).
Dose
Weber-Monecke
Schilling
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Büdingen, Entscheidung vom 20.02.2013 - 31 XVII 56/12 -
LG Gießen, Entscheidung vom 08.04.2013 - 7 T 96/13 -