Urteil des BGH vom 02.02.2006

Berichtigungsbeschluss

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 156/07
vom
13. März 2008
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung der Klägerin
aus dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom
14. September 2007 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.
Gründe:
I. Den Beklagten ist durch Urteil des Landgerichts vom 2. Februar 2006
unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden, in Deutschland im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ohne behördliche Erlaub-
nis Glücksspiele und/oder Sportwetten anzubieten und/oder zu bewerben. Die
dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vom Oberlandesgericht zurück-
gewiesen worden. Das Berufungsgericht hat das Urteil für vorläufig vollstreck-
bar erklärt, den Beklagten jedoch u.a. gestattet, die Vollstreckung des Unterlas-
sungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000 Euro abzu-
wenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet. Einen weitergehenden Antrag der Beklagten auf Vollstreckungs-
schutz gemäß § 712 ZPO hat das Berufungsgericht (ohne besonderen Aus-
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spruch) abgelehnt und dazu in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die in-
ternational tätigen Beklagten hätten nicht dargelegt, dass ihnen durch die Voll-
streckung des Unterlassungstitels ein unersetzlicher Nachteil drohe. Dass die
Befolgung des Unterlassungsgebots zu wirtschaftlichen Einbußen führe, liege in
der Natur der Sache und könne allein kein Anlass sein, den Beklagten entgegen
der gesetzlichen Wertung der § 708 Nr. 10, § 711 ZPO das Recht einzuräumen,
ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Gläubigerin die Zwangsvoll-
streckung abzuwenden.
Die Beklagten haben von der Abwendungsbefugnis Gebrauch gemacht.
Die Klägerin hat die Gegensicherheit gestellt und beantragt, die Vollstreckung
gegen die Beklagten fortzusetzen.
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Die Beklagten haben - die vom Berufungsgericht zugelassene - Revision
gegen das Berufungsurteil eingelegt.
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Sie beantragen,
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die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts
Köln vom 14. September 2007 einstweilen einzustellen.
Zur Begründung tragen sie vor, die Vollstreckung würde ihnen einen
nicht zu ersetzenden Nachteil bringen. Dies liege schon deshalb auf der Hand,
weil das Berufungsgericht die Gegensicherheit auf lediglich 400.000 Euro fest-
gesetzt und es so der Klägerin ermöglicht habe, die Sicherheitsleistung der Be-
klagten mit unverhältnismäßig niedrigem Aufwand außer Kraft zu setzen. Au-
ßerdem habe die Beklagte zu 1 allein in den Jahren 2005 und 2006 in Deutsch-
land Investitionen von über 85 Millionen Euro in den Aufbau ihrer Marke "B. "
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getätigt, die vernichtet würden, wenn das Berufungsurteil vollstreckt würde. Der
damit zugleich verbundene Imageschaden hätte auch in den anderen Mitglied-
staaten der Europäischen Gemeinschaft massive negative Auswirkungen für
die Beklagte zu 1.
II. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvoll-
streckung ist unbegründet.
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1. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist im Revisionsverfahren an
besonders strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie kommt nur in Betracht,
wenn auf der einen Seite die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu erset-
zenden Nachteil bringen würde und auf der anderen Seite kein überwiegendes
Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einstellung der Zwangsvollstre-
ckung nach § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO regelmäßig dann abzulehnen, wenn der
Schuldner von anderen ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten, seine Interes-
sen zu wahren, keinen Gebrauch gemacht hat. Hierzu zählt namentlich, dass er
es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag ge-
mäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zuzumu-
ten gewesen wäre (BGH, Beschl. v. 8.8.1991 - I ZR 141/91, GRUR 1991, 943 =
WRP 1991, 721 - Einstellungsbegründung I; Beschl. v. 2.4.1997 - I ZR 14/97,
GRUR 1997, 545, 546 - Einstellungsbegründung II; Beschl. v. 22.7.2002
- I ZR 135/02). Nicht anders ist der Fall zu behandeln, dass zwar ein Vollstre-
ckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO gestellt worden ist, ihn rechtfertigende
Gründe aber trotz Erkennbarkeit und Nachweisbarkeit nicht vorgebracht worden
sind und der Antrag aus diesem Grund in der Berufungsinstanz keinen Erfolg
hatte (BGH GRUR 1997, 545, 546 - Einstellungsbegründung II). Denn auch in
diesem Fall verhindert der Vollstreckungsschuldner, wie bei der überhaupt feh-
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lenden Antragstellung, die Prüfung der bereits erkennbaren und nachweisbaren
Gründe für die begehrte Einstellung im Berufungsverfahren, in dem regelmäßig
nach Anhörung des Vollstreckungsgläubigers aufgrund mündlicher Verhand-
lung, mithin nach zuverlässiger Sicherung des rechtlichen Gehörs, entschieden
wird.
2. So liegt der Fall auch hier. Die Beklagten haben im Berufungsverfah-
ren zwar einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO ge-
stellt. Sie haben dabei jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass ihnen die Voll-
streckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
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a) Die Beklagten haben ihren Schutzantrag nach § 712 Abs. 1 Satz 1
ZPO mit Schriftsatz vom 28. August 2006 (S. 19, GA 647) lediglich damit be-
gründet, im Falle der Bestätigung und Vollstreckung des erstinstanzlichen Ur-
teils entstünde der Beklagten zu 1 durch die Untersagung der grenzüberschrei-
tenden Erbringung ihrer Dienstleistungen ein nicht wiedergutzumachender
Schaden. Das ist lediglich eine Wiederholung der gesetzlichen Voraussetzun-
gen mit anderen Worten, der, wie das Berufungsgericht zutreffend angenom-
men hat, eine Begründung für einen infolge der Vollstreckung drohenden nicht
zu ersetzenden Nachteil nicht entnommen werden kann. Da bereits das Land-
gericht den in der ersten Instanz mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2005
(S.
82/83, GA
293/294) gestellten -
gleichfalls nicht näher begründeten
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Schutzantrag der Beklagten nach § 712 ZPO mit der Begründung abgelehnt
hatte, es sei nicht ersichtlich, dass die Vollstreckung den Beklagten einen nicht
zu ersetzenden Nachteil bringen würde, und dem Antrag stehe zudem das
überwiegende Interesse der Klägerin entgegen (LGU S. 23), bedurfte es eines
(weiteren) Hinweises des Berufungsgerichts auf die mangelnde Substantiierung
des Vollstreckungsschutzbegehrens der Beklagten nicht.
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b) Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die nun-
mehr vorgetragenen Einbußen, die den Beklagten nach ihrem Vorbringen im
Hinblick auf die von der Beklagten zu 1 in den Jahren 2005 und 2006 getätigten
finanziellen Aufwendungen durch die Vollstreckung des Unterlassungsgebots
drohen, bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beru-
fungsgericht am 14. September 2007 erkennbar und nachweisbar waren und
die Beklagten sie daher schon im Berufungsrechtszug substantiiert hätten vor-
tragen können. Die Frage, ob diese Einbußen als ein nicht zu ersetzender
Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen sind, kann daher
offenbleiben. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein unersetzli-
cher Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 ZPO nicht schon aus der Höhe der
vom Berufungsgericht nach § 711 Satz 1 ZPO bestimmten Sicherheitsleistung.
Die Höhe der Sicherheitsleistung des Gläubigers ist so zu bemessen, dass sie
einen (etwaigen) Anspruch des Schuldners auf Ersatz seines Schadens aus
einer ungerechtfertigten Vollstreckung abdeckt (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO,
5. Aufl., § 709 Rdn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 709 Rdn. 3). Handelt es
sich wie hier um ein Berufungsurteil nach § 708 Nr. 10 ZPO, ist der Erstat-
tungsanspruch des Schuldners bei einer ungerechtfertigten Vollstreckung ge-
mäß § 717 Abs. 3 Satz 2 und 3 ZPO auf die Rückgabe des von dem Schuldner
aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils Gezahlten oder Geleisteten nach
den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
beschränkt. Dem genügt die Höhe der vom Berufungsgericht angeordneten Si-
cherheitsleistung für die (vorläufige) Vollstreckung des Unterlassungsaus-
spruchs. Auch der von den Beklagten angeführte Umstand, dass die Vollstre-
ckung des Unterlassungsausspruchs das Prozessergebnis vorwegnehmen
würde, ist als solcher kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2
ZPO (BGH, Beschl. v. 6.7.1979 - I ZR 55/79, GRUR 1979, 807 = WRP 1979,
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715 - Schlumpfserie; Beschl. v. 9.11.1995 - I ZR 220/95, GRUR 1996, 78 =
WRP 1996, 107 - Umgehungsprogramm).
Bornkamm Pokrant
Büscher
Schaffert
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 02.02.2006 - 31 O 605/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.09.2007 - 6 U 63/06 -